Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Stromstärke bei Radnabenmotoren beim Anfahren


von Karli (Gast)


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Hallo zusammen,

bei Elektromotoren ist es ja im allgemeinen so, dass sie einen sehr 
hohen Strom saugen, wenn sie mehr oder weniger blockiert werden. Ich 
vermute, das hängt mit der fehlenden Gegeninduktion zusammen. Beim 
Anfahren von Fahrrädern mit Radnabenmotoren wird ja quasi auch mehr oder 
weniger Blockiert. Ziehen die dann auch so hohe Ströme?

Was wäre, wenn man ein Fahrrad mit Brushless-Motoren aus dem Modellbau 
antreiben würde? Würden die Motoren beim Anfahren weit überhöhte 
Stromstärken ziehen?

Danke und VG
Karl

von MaWin (Gast)


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Bei BLDC wird der Strom der Spule geregelt.
Man kann also vorgeben, wie hoch der Strom beim Anfahren ist,
im Gegenzug sinkt das Drehmoment.

Die prinzipielle Überlastungsgrenze erreicht ein Motor ja wenn er zu 
warm wird, kurze Überlastung beim Anfahren ist also zu Gunsten 
schnelleren Beschleunigens (oder kleineren und leichteren Motors) 
erwünscht.

von Ernestus P. (malzeit) Benutzerseite


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Karli schrieb:
> bei Elektromotoren ist es ja im allgemeinen so, dass sie einen sehr
> hohen Strom saugen

Das gilt nicht zwangsläufig und bei den elektronisch geregelten 
Radnabenmotoren garnicht. Die zwei typischen Motortypen mit Anlaufrums 
sind Asynchronmaschine direkt am Netz und bei den recht ähnlich 
aufgebauten Gleichstrom- und Universalmotoren.

Die Daumenregel heißt Drehmoment hängt direkt mit der Stromaufnahme 
zusammen und bei allen elektronisch geregelten Motoren hängt somit der 
Anlaufstrom nur von der Elektronik ab.

Die einzige Ausnahme die mir dazu einfällt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schweranlauf

von Daniel R. (daniel_r)


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Ernestus Pastell schrieb:

> Die Daumenregel heißt Drehmoment hängt direkt mit der Stromaufnahme
> zusammen...

Genau dies trifft bei der (Kurzschlussläufer-) Asynchronmaschine nicht 
zu. Sie ziehen einen hohen Einschaltstrom, haben aber allgemein ein eher 
kleines Anlaufmoment, was Du womöglich mit der Ausnahme "Schweranlauf" 
sagen wolltest.

Das hängt mit der Strom- und Spannungsverteilung in der Maschine 
zusammen.

Im Einschaltmoment ist der Schlupf = 1. Der induktive Blindwiderstand 
des Läuferkreises ist schlupfabhängig. Im Einschaltmoment ist er am 
höchsten, da die Frequenz der induzierten Spannungen im Rotor in diesem 
Moment am grössten ist. Dadurch ist die Stromverteilung im Rotor 
gegenüber der Spannungsverteilung phasenverschoben. Würde man den 
ohmschen Anteil vernachlässigen wären es 90°.

Das führt nun dazu, dass sich zwar Lorentzkräfte und damit 
Teildrehmomente ausbilden, aber sich gegenseitig aufheben, da sie in 
entgegengesetzte Richtungen wirken. Da die Maschine einen ohmschen und 
induktiven Anteil hat, entsteht ein kleines Anlauffmoment, das den Rotor 
in Bewegung versetzt.

Das Problem kann gemildert werden, indem man einen 
Stromverdrängungsläufer einsetzt, wie z.B. den Keilstabläufer. Dabei 
wird die Stromverteilung in ein verjüngtes Gebiet gedrängt, was zu einem 
höheren ohmschen Anteil beim Anlaufen und damit zu kleinerer 
Phasenverschiebung führt. Bei Nenndrehzahl steht dem Strom wieder (fast) 
der gesamte Querschnitt zur Verfügung.

Nach dem Anlaufen gilt dann Deine Daumenregel. Aber hier ging es ja ums 
Anlaufen.

Daniel

von Corbius (Gast)


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Hallo


Die meisten grösseren Brushlessmotoren aus dem Modellbau sind sensorlos 
somit ist ein Anfahren aus dem Stillstand mit normalen Reglern ein 
Problem.

Ich habe allerdings gehört, dass neue aufwendige Regler mit 32Bit uC und 
DSP Funktionen es möglich den Motor belastet aus dem Stillstand 
anzufahren.

Wie dies genau funktioniert weiss ich nicht. Vielleicht kann mir dies 
Jemand erklären.


Allgemein kann man bei Elektromotoren den Anfahrstrom mit relativ 
einfachen Mitteln begrenzen. Mit einem uC misst man über einen Shunt den 
Motorstrom und vergleicht ihn mit dem Sollwert. Wird der Sollwert 
überschritten gibt der uC dem Motorsteuergerät den Befahlt das "GAS" zu 
reduzieren.

Es gibt auch schaltungne die alleine mit ein paar OPVs funktionieren


Gruss

Corbius

von Karli (Gast)


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>> Wird der Sollwert überschritten gibt der uC dem Motorsteuergerät
>> den Befahlt das "GAS" zu reduzieren.

Wie macht der uC das? Mit PWM?

von Corbius (Gast)


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>Wie macht der uC das? Mit PWM?

Kommt halt aufs Motorsteuergerät an.

Wenn du Modellbau-Brushlessregler meinst die werden mit PWM gesteuert.

von Steffen W. (derwarze)


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Corbius schrieb:
> Ich habe allerdings gehört, dass neue aufwendige Regler mit 32Bit uC und
>
> DSP Funktionen es möglich den Motor belastet aus dem Stillstand
>
> anzufahren.
>
>
>
> Wie dies genau funktioniert weiss ich nicht. Vielleicht kann mir dies
>
> Jemand erklären.

Dabei wird die Induktivität der Spulen gemessen und daraus die Position 
errechnet (hat also nichts mit der üblichen sensorlosen Ansteuerung 
gemein). Damit das funktioniert muß der Sternpunkt mit herausgeführt 
werden.

Es soll dafür bereits von Elmos fertige IC geben, allerdings als ich das 
letzte mal danach gesehen hatte gab es nur ein paar spärliche Infos und 
keine Musterbestellmöglichkeit.

Modellbaumotoren am Fahrrad? Das geht warscheinlich in die Hose, da die 
ja normalerweise über 1000 rpm machen und die Leistung auch nur kurz 
aushalten. Würde also nur über eine Untersetzung gehen. Wenn dann mal 
eine längere Bergstrecke kommt und der über längere Zeit die 
(zulässigen) 250W abgeben soll könnte es rauchen.

von Corbius (Gast)


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>Dabei wird die Induktivität der Spulen gemessen und daraus die Position
>errechnet (hat also nichts mit der üblichen sensorlosen Ansteuerung
>gemein). Damit das funktioniert muß der Sternpunkt mit herausgeführt
>werden.


Danke für die Info. Habe so was ähnliches vermutet.



>Modellbaumotoren am Fahrrad? Das geht warscheinlich in die Hose, da die
>ja normalerweise über 1000 rpm machen und die Leistung auch nur kurz
>aushalten. Würde also nur über eine Untersetzung gehen. Wenn dann mal
>eine längere Bergstrecke kommt und der über längere Zeit die
>(zulässigen) 250W abgeben soll könnte es rauchen.


Es gibt natürlich auch Pseudoradnabenantriebe.  Da ist 1 oder sogar 2 
mehr oder weniger gewöhnliche Elektromotoren mit Untersetzungsgetriebe 
in der Radnabe integriertt. Selber gesehen in einem chinesischen 
Elektrofahrrad. Dies ist natürlich nicht wirlich der Sinn eines 
Radnabenantriebs

von Steffen W. (derwarze)


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Corbius schrieb:
> Es gibt natürlich auch Pseudoradnabenantriebe.

Ja, sind in der Regel BLDC-Motoren mit Planetengetriebe und Freilauf 
(Bremsen und Energierückgewinnung geht dann nicht). Welche mit mehr als 
1 Motor im inneren hatte ich aber noch nicht in der Hand. Warum sollte 
man das machen? Verkompliziert doch nur die Ansteuerung. Wieso 
eigentlich 'pseudo' ist doch auch trotz des Getriebes ein 
Radnabenantrieb, nur eben kein direktangetriebener.
Problematisch bei den Getriebemotoren ist, neben Geräusch und 
Verschleiss, aber die Wärmeabfuhr. Einige haben deshalb einen 
Temperatursensor eingebaut. Vorteil ist das bessere Anfahrverhalten und 
etwas besserer Durchzug am Berg.

von Corbius (Gast)


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>Planetengetriebe und Freilauf
>(Bremsen und Energierückgewinnung geht dann nicht). Welche mit mehr als
>1 Motor im inneren hatte ich aber noch nicht in der Hand. Warum sollte
>man das machen? Verkompliziert doch nur die Ansteuerung.

Da musst du die Chinesen Fragen. Es waren übringens gewöhnliche 
Bürstenmotoren in grösses eines Modellmotores. Mabuchi irgend ein Typ.
Wird wohl aus Kostengründen gemacht.


>Wieso eigentlich 'pseudo' ist doch auch trotz des Getriebes ein
>Radnabenantrieb, nur eben kein direktangetriebener.

Bei einem gut gemachten Radnabenmotor kann man aufs Getriebe welches 
auch nicht gerade günstig ist, verzichten. Ebenfalls kann man sogar mit 
einem leicht höheren Gesamtwirkungsgrad rechnen als bei einem Antrieb 
über ein Getriebe. Ist natülich immer eine Frage der Umsetzung.

von Steffen W. (derwarze)


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Tja Interessant, Mabuchi kannte ich nicht. Hatte bisher nur BLDC Motoren 
aus China hier.
Ja, der Wirkungsgrad ist bei Direktantrieben oft spürbar grösser, auch 
die abrufbare Spitzenleistung ist da höher.
Doch der Kunde will besonders kleine und leichte Motoren und kein 
spürbares Rastmoment so wird der Anteil der Getriebemotoren im 
Fahrradbereich immer grösser.

von Radler (Gast)


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Die Frage im Titel stellt sich doch nicht.
Die Tretunterstützung in Form des Nabenmotors lässt sich zwangsweise im 
Stillstand gar nicht aktivieren. Erst ab einer genügenden 
Geschwindigkeit des Vehikels setzt der Motor sein Drehmoment ein. Diese 
Abhängigkeit quält den teuren Akku nicht so stark und hält ihn länger am 
Leben.

von Steffen W. (derwarze)


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Radler schrieb:
> Die Tretunterstützung in Form des Nabenmotors lässt sich zwangsweise im
> Stillstand gar nicht aktivieren. Erst ab einer genügenden
> Geschwindigkeit des Vehikels setzt der Motor sein Drehmoment ein.

Stimmt so nicht, zumindest bei BLDC-Motoren mit Sensoren. Mann kann 
damit ohne weiteres ohne Akkuquälen anfahren (vorausgesetzt man hat 
einen ordentlichen Akku der auch hohe Stromflüsse zulässt und eine 
vernünftige Steuerung die das gestattet).
Einige billige 'Pedelecs' nutzen als Motorsteuerung die Trittfrequenz, 
was natürlich Unsinn ist, die zeigen dann das oben beschriebene 
Verhalten. Am Berg wenn langsam getreten wird verhungert man und in der 
Ebene wenn schnell geteten wird powert der Motor los. Kann nur sagen 
Hände weg wenn so ein Teil angeboten wird. Wenn schon Steuerung über die 
Pedale dann nur über die Trittkraft.
Mit meinem jetzigen 250W direktgetriebenen Motor kann ich auf der 
geraden Strecke auch ohne zu treten Anfahren ohne das die max. 
Strombegrenzung (liegt bei 16A) anspricht. Am Berg kommt er schon in die 
Begrenzung schafft es aber noch wenn die Steigung gering ist, ab 5% muss 
man dann schon etwas eigene Kraft mit zugeben damit man rollt.

von MaWin (Gast)


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> Am Berg kommt er schon in die
> Begrenzung schafft es aber noch wenn die Steigung gering ist, ab 5% muss
> man dann schon etwas eigene Kraft mit zugeben damit man rollt


Das ist jetzt genau das Gegenteil von dem,
was sich die ältereen Besitzer einer Eletrofahrrades
unter Tretunterstützung vorstellen.

von Steffen W. (derwarze)


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Wieso das? Wollen die viel Kraft bei Anfahren aufbringen? Kenn ich von 
diesen Leuten andersrum.
Man kann ohne grossartige Tetunterstützung anfahren und das auch am 
Berg.
Mach das mal mit einem Standardpedelec (Flyer und deren Clone 
ausgenommem), viel Spass.
Das ein 250W Motor allein (bei entsprechender Belastung Rad, Person und 
Gepäck natürlich) keine 10% Steigung aus dem Stand bewältigen kann 
sollte doch klar sein.

von Klaus (Gast)


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Steffen Warzecha schrieb:
> Einige billige 'Pedelecs' nutzen als Motorsteuerung die Trittfrequenz,
> was natürlich Unsinn ist, die zeigen dann das oben beschriebene
> Verhalten. Am Berg wenn langsam getreten wird verhungert man und in der
> Ebene wenn schnell geteten wird powert der Motor los. Kann nur sagen
> Hände weg wenn so ein Teil angeboten wird. Wenn schon Steuerung über die
> Pedale dann nur über die Trittkraft.

Es ist gesetzliche Vorgabe in der EU, daß der Motor nur beim Treten 
angetrieben wird. Sonst kostet es Versicherung. Das ist am billigsten 
mit dem Trittfrequenzsensor zu erreiche. Die Kraft an den Tretkurbeln zu 
messen und den Messwert auf den Controler zu übertragen, kostet schon 
was. Die Chinesen bauen für sich selbst so was garnicht an, geht bei 
denen nur über den Gasgriff.

Ein Flyer ist kein Pedelec im Sinne des Gesetzes, daher gelten andere 
Regeln.

MfG Klaus

von Steffen W. (derwarze)


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Klaus schrieb:
> Es ist gesetzliche Vorgabe in der EU, daß der Motor nur beim Treten
> angetrieben wird.

> Ein Flyer ist kein Pedelec im Sinne des Gesetzes, daher gelten andere
> Regeln.

Das ist teilweise Unsinn der so zB. wider besseres Wissen vom ADAC und 
ähnlichen Interessenvertetungen verbreitet wird.
Schau dir noch mal die EU Richtlinie dazu genau an. Das die Motorkraft 
zwangsweise nur mit der Tretkurbel gesteuert werden muss steht so nicht 
drin. Nur die Teile die mehr als 6kmh OHNE zu treten fahren können 
zählen als E-Bikes und brauchen ein Versicherungskennzeichen. Die paar 
Euro dafür machen aber wohl nur notorischen Knauseren was aus.
Der Flyer, da gibt es übigens eine Menge unterschidlicher Typen die 
meisten arbeiten mit Trittkraftmessung, erfüllt die Normen (manche dazu 
sind sogar in der Schweiz strenger) und für die speziellen schneller 
fahrenden Typen gibt es für Deutschland eine Sondergenemigung (die 
braucht es für Österreich und Schweiz nicht da es einige Beschränkungen 
der StVZO dort nicht gibt).

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