Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Innovation vs Management


von stephan (Gast)


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Hallo zusammen,

bin jetzt seit knapp 4 Jahren als Elektronikingenieur in der Entwicklung 
tätig.
Ich arbeite als Hardwareentwickler im Bereich analoge 
Schaltungsentwicklung, Leistungselektronik und Embedded Systems.
Am Anfang hat mir alles noch super Spaß gemacht.
Seit ein paar Tagen bin ich aber mehr und mehr gefrustet.

Erste Generation unseres Produkts:

Der Ärger fing bereits schon am Anfang an, als man die Konstruktion für 
unser Produkt festgelegt hatte. Da unser Elektronikteam das Know-How 
allerdings erstmal aufbauen musste, kam man nach einer gewissen Zeit 
erst zu gewissen Erkenntnissen (Designschwächen), bei denen man aber die 
Mechanik zur Lösung hätte ändern müssen. Gerade im Bereich 
Leistungselektronik kann man sehr viel falsch machen. Es war bereits in 
der B-Muster Phase, als man dann aber einfach sagte, dass die Mechanik 
nicht mehr geändert werden darf, weil das Werkzeug für die Fertigung 
schon erstellt ist, und eine Wekzeugänderung zu viel Zeit und zu viel 
Geld kostet.
Was ist also passiert? Wir als Elektroniker durften uns irgendwelche 
Quick&Dirty Lösungen einfallen lassen, um das Problem anderweitig in den 
Griff zu bekommen. Hauptsache es tut.. irgendwie. Solche Situationen gab 
es nicht nur einmal.
Erschwerend kam in dem Projekt hinzu, dass man versucht hat Geld zu 
sparen auf Kosten der Auslegungsreserve. Das ganze noch mit einem sehr 
straffen Terminplan, der eigentlich jegliche Vernunft sprengt. Da man 
immer viel Zeit verloren hatte durch Bugfixing, war relativ wenig Zeit 
übrig für neue Funktionen, Ideen oder grundlegende Überarbeitungen.
Die Denkweise der Projektleitung war stets "hauptsache raus damit, damit 
der Kunde ruhig ist".

Zweite Generation:

Mittlerweile arbeiten wir an einer neuen Generation. Seither dachte ich, 
dass wir jetzt die Möglichkeit haben, funktional sowie qualitativ etwas 
besseres präsentieren zu dürfen. Mittlerweile ist der Eindruch eher so, 
dass sich eigentlich zu vorher von der Projektplanung her nichts 
geändert hat.
Im Gegenteil, habe eher den Eindruck dass man jetzt noch schneller 
arbeiten muss. Ich lies mich durch das hohe Tempo der Projektleitung 
erstmal nicht aus der Ruhe bringen und dachte, ich versuche trotzdem 
noch die ein oder andere innovative Erneuerung einzubringen. Dann kam 
die große Ernüchterung. Projektleiter hat mich ausgebremst, mit der 
Begründung es wäre ein zu hohes Risiko und er sehe darüberhinaus an 
dieser Stelle keinen Änderungsbedarf, weil das alte Konzept ja schon 
tut. Er sieht meiner Meinung nach aber nicht das Potential, dass man 
ggf. mehr Sicherheit und Qualität mit dem neuen Konzept erzielt.
Mein Gruppenleiter hat nach längerem Betteln dann eine Studie zu dem 
Thema genehmigt. Während der Ausarbeitung musste ich aber erschreckend 
feststellen, dass gewisse Bauteile, dich ich dafür bräuchte, gar nicht 
auf die Platine passen, weil die mechanische Konstruktion ein Limit an 
maximaler Bauteilhöhe von 7.5mm über die gesamte Platine festgelegt hat.
Ähhm ... Hallo ??!! Das ist ungefähr so, wie wenn jemand einem 
Handschellen anlegt und dann aber sagt, er soll jetzt den Baum 
hochklettern !
Ich meine, ich frage mich wofür ich mich dann überhaupt anstrenge was 
neues auszudenken !
Ich werde aber trotzdem nicht aufgeben...

Und der Hammer von heute war:
"Wir haben das Budget für die neue Generation überzogen... es werden 
jetzt nur noch Änderungen genehmigt, die man unbedingt braucht, damit 
das Gerät tut" Soll heißen, wir sollen jetzt nur noch das was wir bisher 
haben, zum Laufen bringen, der Rest bleibt weg...

Ich bin im Moment gefrustet. Weiß nich wie ich mich verhalten soll.
Einerseits will ich nicht aufgeben und trotzdem das beste rausholen.
Anderseits merke ich, dass meine Motivation und Arbeitsmoral innerhalb 
der letzten Tage stark gesunken ist! Es schwirren zur Zeit Gedanken in 
mir rum, einen neuen Arbeitgeber zu suchen, da die Werte des Managements 
nicht (mehr) meiner Einstellung entsprechen.
Einerseits macht es mir sogar Spaß kostenoptimiert zu entwickeln, Kosten 
einzusparen, Schaltungen einfacher zu machen, nach dem Motto "KISS - 
keep it small and simple". Der Leistungsdruck stört mich eigentlich auch 
erstmal nur zweitrangig, solange ich das, was ich mir ausgedacht habe, 
auch in das Layout übernehmen DARF !! Ich erwarte an dieser Stelle auch 
eine gewisse Flexibilität von anderen Abteilungen, die im Projekt 
verwickelt sind, und vor allem der Mut vom Management, dem Kunden auch 
mal "nein" zu sagen, wenn es darum geht, den Terminplan auszuarbeiten.
Es heißt ja immer "Kunde ist König". Aber das heißt meiner Meinung nach 
nicht, dass man sich in die Hosen machen soll vor dem Kunden !

Deshalb auch die Frage an Euch:
Ist es in anderen Firmen wirklich besser ???
Oder laufe ich da tendenziell eher von einem Sumpf in den nächsten ?

Ein Kollege hat mal zu mir gesagt:
"Ich habe meine guten Gründe, warum ich in einem Ingenieurbüro arbeite, 
und nicht in einer größeren Firma"

Würde mich um zahlreiche Antworten freuen!
Danke fürs Lesen ;)

von Subbot (Gast)


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ihr habt projektplanung und einen zeitplan? sei froh. bei uns gibts 
nichts davon. wir fangen einfach ohne alle vorgaben an, und gucken ob 
was dabei rumkommt, oder ob das "projekt" nicht vielleicht sogar 
versandet. manchmal fragt keiner nach, ernsthaft! bei anderen 
"projekten" ändern sich andauernd die rahmenbedingungen. prototypen 
werden schonmal gern verkauft, wenn ein kunde den eben gerade will. 
wobei der kunde natürlich glaubt, ein ausgereiftes serienprodukt zu 
kaufen... sorgt immerwieder für herrliche überraschungen.

fehler werden auch gern mal in die komplette serie übernommen, auch wenn 
man sie frühzeitig erkannt hat. hauptsache das zeug ist verkauft, was es 
für kosten und ärger nach sich zieht? egal.

DAS ist wahnsinn!
wie das funktionieren kann? auf dem rücken der beschäftigten, die in 
diesem irrenhaus immerwieder den karren aus dem dreck ziehen. wenn aber 
ständig sonderschichten aufgrund von missverständnissen geschoben 
werden, oder man merkt, dass man die letzten wochen fürn arsch 
gearbeitet hat, weil das "projekt" nur ne fixe (mitlerweile verworfene) 
idee vom chef war, geht das an die substanz.

wer nicht über den entsprechenden galgenhumor verfügt, der geht von 
selbst.

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, stephan,

oh, Du engagierter!

„Du sollst deine Firma nicht gegen ihren Willen glücklich machen 
wollen.“  (11. Gebot nach Heiko Mell, Karriereberater mit wöchentlich ½ 
Seite in den VDINachrichten)
Dieselbe Regel gilt auch gegenüber Kunden.
Wer dagegen verstößt, der leidet zu Recht.

Euer Qualitäter kann Euer Freund sein, Dein Freund, wenn Du solche Dinge 
wie "Quality Function Deployment" und "Quality Defect Report" in der 
jeweils richtigen Phase einkippst.
Falls Ihr einen Risikomanager habt, dann hat der schon eine irgendeine 
Risikominierungsmethode, mit der Du Deiner Geschäftsführung Angst machen 
kannst, damit sie das tut, was getan werden muss.

Manager unter Zeitdruck managen oft, wie ein Skifaher die Abfahrt in 
Rücklage läuft oder wie ein Feuerwehrmann den Großbrand mit der 
Gießkanne löschen will.
Der eine ist nur noch Sklave seiner Ski, die mit ihm machen, was sie 
wollen.
Der andere hektikt als Sklave der Folgebrände hin und her, weil er weder 
die auslösenden Brände in den Griff bekommen hat, noch den Funkenflug. 
Er will gar nicht löschen, sondern mit viel Dampf nur den Eindruck 
erwecken, er habe alles im Griff.

Beide haben ihre Vernunft verloren. Beide handeln nicht mehr da, wo es 
vernünftig ist, beide wollen gar nicht mehr das Richtige richtig tun, 
sondern haben längst umgeschaltet auf die Strategie "Fehlervertuschung" 
("Der Kunde soll nichts merken...").

In dieser Situation haben Deine vernünftigen Vorschläge keine Chance. Du 
ruinierst Dir mit ihnen nur Deinen Ruf und rückst auf der 
betriebsinternen Stellenleiter weiter in die Abstiegszone.

Wer an der Qualität der Geschäftsführung spart, der kann auch mit klugen 
Fachkräften nix anfangen.

„In keinem anderen Beruf liegt die Ausbildung so im Argen wie im 
Management. Niemand würde sich in ein Flugzeug steigen, wenn die Piloten 
eine den Managern vergleichbare mangelhafte Ausbildung hätten.“ 
(Fredmund Malik)

Aber gleich sind die so Gescholtenen wieder in Schutz zu nehmen.
„Aber über 70% aller Change-Projekte scheitern an Soft-Fact-Risiken!“ 
(Entschuldigung eines Change Managers)
Denn wo diese Entschuldigung akzeptiert werden muss, da haben diejenigen 
versagt, die sich für die Aufklärung der "Soft Facts" haben bezahlen 
lassen, die darin aber total versagt haben.
Leider sind die arrogantesten Typen unter ihnen zu finden.

Such mal Deinen Qualitäter auf. Bitte ihn um Rat.
Sollte es ihn nicht geben, wäre diese Aufgabe ja vielleicht eine 
Perspektive für Dich. (Hinweis: Auch wer den letzten Entwickler hat 
entlassen müssen, der braucht immer noch Qualitäter zur Abwicklung der 
Garantiefälle.)


Ciao
Wolfgang Horn

von stephan (Gast)


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Danke für Eure Antworten...

Subbot schrieb:
> wobei der kunde natürlich glaubt, ein ausgereiftes serienprodukt zu
> kaufen... sorgt immerwieder für herrliche überraschungen.
das kenn ich woher...

Subbot schrieb:
> fehler werden auch gern mal in die komplette serie übernommen, auch wenn
> man sie frühzeitig erkannt hat. hauptsache das zeug ist verkauft, was es
> für kosten und ärger nach sich zieht? egal.
oh ja... da kann ich nur nicken.
man kann manchmal drüber lachen, weil es so irrsinnig ist.
Im Grunde genommen ist es aber einfach nur beschämend in meinen Augen.

Subbot schrieb:
> wer nicht über den entsprechenden galgenhumor verfügt, der geht von
> selbst.
Die Frage ist nur, wohin?
Einerseits will man ja seinen "sicheren" Arbeitsplatz ja auch nicht 
einfach so aufgeben. Arbeitswechsel ist in der heutigen Zeit zudem meist 
auch noch mit Umzug in Verbindung.
Es sei denn, man wechselt die Stelle innerhalb der Firma am selben 
Standort.

Wolfgang Horn schrieb:
> Such mal Deinen Qualitäter auf. Bitte ihn um Rat.
> Sollte es ihn nicht geben, wäre diese Aufgabe ja vielleicht eine
> Perspektive für Dich.
Naja... was es bei uns gibt, wäre die Qualitätssicherung von einzelnen 
Bauteilen. Ob es einen Qualitäter gibt, der die gesamte Platine 
betrachtet, ist mir erstmal nicht bekannt. Ich werd mich mal 
diesbezüglich schlau machen.

Mein Problem ist auch einfach, dass ich mich mit dem Produkt nicht mehr 
in der Form identifizieren kann. Wenn es zu Ausfällen kommt, dann sind 
immer wir die Dummen (hatten wir schon). Ich habe aber einfach keine 
Lust mehr meine Hand dafür ins Feuer zu legen.

Ich werde die Sache erstmal ruhen lassen und abwarten wie sich es weiter 
entwickelt bis Weihnachten. Im kommenden Jahr ziehe ich dann meine 
Konsequenzen, sofern nötig.

von Axel L. (axel_5)


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Was erwartest Du denn ?

Das Du nach Lust und Laune rumentwickeln darfst für Dinge, die die Kunde 
nicht bestellt hat und deswegen auch nicht bezahlen wird ?

Letztlich kann man Dich nur in der Realität willkommen heissen. Du 
bastelst nicht zu Deinem Spaß sondern musst konkurrenzfähige Produkte 
entwickeln. Und da ist es einfach so, dass jede Funktion, die nicht 
bezahlt wird, nur Ärger und Projektverzug bringt. Projekte sind dann 
erfolgreich, wenn sie im Budget und im Zeitplan bleiben und nicht, wenn 
sie mit 50% Budget und Zeitüberschreitung Funktionen haben, die keiner 
haben wollte.

Und wenn Deine Idee nicht auf die Platine passt, dann muss nicht die 
Platine falsch sein. Offensichtlich hat der Projektleiter das gleich 
richtig gesehen. Jetzt hast Du/bzw die Firma Geld und Zeit in eine Idee 
investiert, die sich nicht umsetzen lässt.

Dein Projektleiter scheint eher einer von der erfahrenen Sorte zu sein. 
Bleib bei dem, kannst Du viel von lernen.

Gruss
Axel

von prima (Gast)


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Es geht nicht darum, etwas so gut wie möglich zumachen, sondern es 
sollte nur so gut wie nötig werden. Ziel der ganzen Veranstaltung ist 
es, dass unter dem Strich möglichst viel für die Firma (und somit auch 
für Dich) übrig bleibt. Der Kunde honoriert i.A. nur das, was er 
wirklich benötigt. Alle Produkteigenschaften darüber hinaus schmälern 
nur den Gewinn, da die Gesamtsumme, die der Kunde bereit ist auszugeben, 
häufig limitiert ist.

von Spezialist (Gast)


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prima schrieb:
> Es geht nicht darum, etwas so gut wie möglich zumachen, sondern es
> sollte nur so gut wie nötig werden. Ziel der ganzen Veranstaltung ist
> es, dass unter dem Strich möglichst viel für die Firma (und somit auch
> für Dich) übrig bleibt. Der Kunde honoriert i.A. nur das, was er
> wirklich benötigt. Alle Produkteigenschaften darüber hinaus schmälern
> nur den Gewinn, da die Gesamtsumme, die der Kunde bereit ist auszugeben,
> häufig limitiert ist.

Genau! Ziel von Ingenioerskunst ist das Optimum unter vorgegebene 
Beschrenkungen zu erreichen. Das heist bei kommerzielle Projekte: Kosten 
zu minimieren unter Einhaltung alle Projektvorgaben.

von Mine Fields (Gast)


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Meine Empfehlung heißt auch: Gewöhn dich dran! Die Probleme werden dir 
in fast jeder Firma begegnen, ein Jobwechsel würde mit größter 
Sicherheit keine Verbesserung bringen. Mir ging es anfangs ähnlich, ich 
hatte mit solchen Dingen auch größte Probleme, aber du wirst lernen 
müssen, dass das Vorgehen durchaus sinnvoll ist.

Ein Produkt von vorne bis hinten durchzuentwickeln und alle Erfahrungen 
während des Entwicklungsprozesses noch in das Endprodukt einzubeziehen 
ist völlig utopisch. Das ist ein Luxus, den sich keine Firma mehr 
leisten kann.

Auch dass auf Bewährtes gerne Zurückgegriffen wird, auch wenn es 
eigentlich eine schlechte Lösung ist, ist völlig normal. Dein 
Projektleiter hat recht: Wenn die alte Lösung geht, wäre das Risiko, 
etwas völlig Neues zu entwickeln, viel zu hoch. Dass man nebenbei diese 
Lösungen untersucht, gehört aber auch dazu, das bringt man dann aber 
erst in den nächsten oder übernächsten Generation ein. Nur wenn etwas 
gar nicht funktioniert wird ein neues Konzept in Betracht gezogen.

Ein Entwickler hat die Aufgabe, ein Produkt zu entwickeln, dass genau 
die Anforderung des Kunden erfüllt und nicht mehr. Den Drang nach 
Selbstverwirklichung darfst du da nicht ausleben. Such dir dafür lieber 
ein Hobby.

Und wenn du damit gar nicht klar kommst, gibt es nur eine Konsequenz - 
suche dir einen Job außerhalb der Entwicklung.

von stephan (Gast)


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Oho... ich höre in den letzten 3 Antworten plötzlich einen anderen 
Tonfall.

Meine Stellungnahme:

Axel Laufenberg schrieb:
> Und da ist es einfach so, dass jede Funktion, die nicht
> bezahlt wird, nur Ärger und Projektverzug bringt.
Das ist erstmal richtig. Aber nur für den Anfang. Wenn diese Funktion 
jedoch
z.B. für mehr Eigensicherheit und Robustheit sorgt, kann es passieren, 
dass der Vogel irgendwann wieder zurückkommt! Und zwar genau dann, wenn 
die Geräte beim Kunden ausfallen... ! Mag sein, dass das nicht passiert. 
In dem Fall würde ich aber dann einfach behaupten: Glück gehabt !

prima schrieb:
> Der Kunde honoriert i.A. nur das, was er
> wirklich benötigt.
Er geht gleichzeitig aber auch davon aus, dass das, was er wirklich 
benötigt auch 100% funktioniert über Lebensdauer. Wenn die Funktion, die 
vielleicht das Gesamtgerät nur um 2% teuerer macht, dafür sorgt, dass 
seine gewünschte Funktion sicherer eingehalten wird, was ich indirekt 
unter Qualität verstehe, wäre es doch wenigstens Wert, darum 
nachzudenken, den Preis um 2% anzuheben, auch wenn man dann vielleicht 
beim Kunden erstmal auf lange Gesichter stößt.

Mine Fields schrieb:
> Ein Produkt von vorne bis hinten durchzuentwickeln und alle Erfahrungen
> während des Entwicklungsprozesses noch in das Endprodukt einzubeziehen
> ist völlig utopisch. Das ist ein Luxus, den sich keine Firma mehr
> leisten kann.
In der ersten Generation hab ich mir ja das noch gefallen lassen.
Wir befinden uns aber schon in der zweiten.
Ich rede nicht von Funktionen, die das Produkt schöner oder bunter 
machen, sondern davon, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu minimieren.
Wenn das nicht im Sinne der Firmen sein soll, dann sag ich nur:
Willkommen im Untergang der Deutschen Qualität !

Mine Fields schrieb:
> Auch dass auf Bewährtes gerne Zurückgegriffen wird, auch wenn es
> eigentlich eine schlechte Lösung ist, ist völlig normal. Dein
> Projektleiter hat recht: Wenn die alte Lösung geht, wäre das Risiko,
> etwas völlig Neues zu entwickeln, viel zu hoch. Dass man nebenbei diese
> Lösungen untersucht, gehört aber auch dazu, das bringt man dann aber
> erst in den nächsten oder übernächsten Generation ein. Nur wenn etwas
> gar nicht funktioniert wird ein neues Konzept in Betracht gezogen.
Wenn aber die zeitliche Möglichkeit besteht, die neue Lösung noch im 
vorgegebenen Terminplan so auszuarbeiten, dass man das Risiko möglichst 
minimiert, so hätte ich als Projektleiter dem Entwickler wenigstens die 
Chance gegeben, anstatt von vornerein zu sagen "nee machen wir nich".

Ich verstehe meine Aufgabe als Entwickler, das Produkt stets zu 
verbessert, mit allen Mitteln die mir zur Macht stehen.
Erst dann etwas zu verbessern, wenn es offensichtlich nicht mehr tut, 
halte ich für nicht sinnvoll.
Andersrum formuliert: Man sollte die Qualität des Produkts stets 
anzweifeln und überlegen, was man noch besser machen könnte unter 
Einhaltung der Kostenvorgabe versteht sich.

Mine Fields schrieb:
> Und wenn du damit gar nicht klar kommst, gibt es nur eine Konsequenz -
> suche dir einen Job außerhalb der Entwicklung.
Muss nicht unbedingt sein. Ich würde eher behaupten, außerhalb der 
Serienentwicklung. Es gibt ja auch den Bereich Prototypenentwicklung.
Ich versuche mich erstmal daran zu gewöhnen. Wenn ich es doch nicht 
schaffen sollte, dann werde ich solche Überlegungen anpeilen ...

Grüße

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Das ist erstmal richtig. Aber nur für den Anfang. Wenn diese Funktion
> jedoch
> z.B. für mehr Eigensicherheit und Robustheit sorgt, kann es passieren,
> dass der Vogel irgendwann wieder zurückkommt! Und zwar genau dann, wenn
> die Geräte beim Kunden ausfallen... ! Mag sein, dass das nicht passiert.
> In dem Fall würde ich aber dann einfach behaupten: Glück gehabt !

Und du als Neuling weißt ganz genau, dass das Produkt so sicherer ist 
und die erfahreneren Entwickler nicht?

stephan schrieb:
> Wir befinden uns aber schon in der zweiten.
> Ich rede nicht von Funktionen, die das Produkt schöner oder bunter
> machen, sondern davon, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu minimieren.

Und unter welchem Risiko? Bist du dir wirklich sicher, dass es so viel 
besser läuft?

stephan schrieb:
> Wenn aber die zeitliche Möglichkeit besteht, die neue Lösung noch im
> vorgegebenen Terminplan so auszuarbeiten, dass man das Risiko möglichst
> minimiert, so hätte ich als Projektleiter dem Entwickler wenigstens die
> Chance gegeben, anstatt von vornerein zu sagen "nee machen wir nich".

Der Projektleiter ist nicht dafür verantwortlich, die Wünsche jedes 
Entwicklers zu erfüllen. Er muss ein Produkt liefern. Und das im 
Zeitplan. Und gerade wenn du Anfänger bist, musst du erst einmal unter 
Beweis stellen, dass du es wirklich so viel besser kannst. Ein gutes 
Beispiel hast du ja schon genannt: Du hattest zwar vielleicht eine 
andere Lösung, sie hat aber einfach nicht die konstruktiven 
Rahmenbedingungen erfüllt und fällt damit aus. Verschwendete Zeit also, 
die dem Projekt teuer zu stehen kommen kann.

stephan schrieb:
> Ich verstehe meine Aufgabe als Entwickler, das Produkt stets zu
> verbessert, mit allen Mitteln die mir zur Macht stehen.

Dann verstehst du deine Aufgabe falsch. Du bekommst klare Anforderungen, 
die du zu erfüllen hast. In diesem abgesteckten Rahmen musst du 
natürlich dein bestes Tun, aber du kannst nicht den Rahmen eigenhändig 
verlassen, auch wenn du denkst, es würde das Produkt besser machen.

stephan schrieb:
> Muss nicht unbedingt sein. Ich würde eher behaupten, außerhalb der
> Serienentwicklung. Es gibt ja auch den Bereich Prototypenentwicklung.
> Ich versuche mich erstmal daran zu gewöhnen. Wenn ich es doch nicht
> schaffen sollte, dann werde ich solche Überlegungen anpeilen ...

Ja Vorausentwicklung und Forschung... das ist natürlich wie ein Paradies 
für den Entwickler. Die Leute dort sitzen aber auch nicht selten in 
einem Elfenbeinturm. Was da rauskommt ist häufig nicht wirklich 
praxistauglich, weil zu teuer oder schlicht nicht fertigungstauglich.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> stephan schrieb:
>> Wir befinden uns aber schon in der zweiten.
>> Ich rede nicht von Funktionen, die das Produkt schöner oder bunter
>> machen, sondern davon, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu minimieren.
>
> Und unter welchem Risiko? Bist du dir wirklich sicher, dass es so viel
> besser läuft?

100% sicher sein kann man sich nie !
Risiko einzugehen ist meiner Meinung nach Voraussetzung dafür um 
ÜBERHAUPT irgendwas zu ändern bzw. zu verbessern. Wenn jeder 
Projektleiter so denkt, nur eine 99,999% sichere Lösung umsetzen zu 
wollen, bedeutet das im meinen Augen totalen Stillstand! Es gibt nichts 
100% sicheres !
Du hast ja recht, ich bin mir in der Tat nicht 100% sicher. Aber wie 
soll ich mir sicher werden, wenn ich nicht die Möglichkeit eingeräumt 
bekomme, es zu zeigen, dass es sicherer ist ?
Ich könnte dem Projektleiter auch die Gegenfrage stellen:
"Bist Du dir so sicher, dass diese neue Lösung NICHT sicherer ist ??"

Mine Fields schrieb:
> Der Projektleiter ist nicht dafür verantwortlich, die Wünsche jedes
> Entwicklers zu erfüllen. Er muss ein Produkt liefern. Und das im
> Zeitplan.
Der Projektleiter sollte aber wenigstens mehr Verständnis für die 
Meinung der Entwickler entegegn bringen. Ein Projektleiter, der 
ausschließlich nur darauf schaut, ein Produkt zu liefern, will sich 
meiner Meinung nach leicht machen. Ihm ist die Qualität des Produkts in 
dem Moment möglicherweise egal... Er hat andere Interessen. 
Möglicherweise die Karriereleiter weiter rauf zu klettern. Etwas Risiko 
einzugehen lehnt er dann logischerweise ab, weil es ja im worstcase 
seine Karriere gefährden könnte.
Wenn das Produkt mal ne Weile in Serie ist, dann interessiert aber sowas 
dem Kunden nicht mehr. Er will ein Teil haben, das tut. Das bedeutet für 
uns eine Überareitung, im schlimmsten Fall ein komplettes Redesign. 
Gleichzeitig wird der Ruf unserer Firma angekratzt, weil es entweder 
Rückläufer gibt, oder der Kunde einfach nur unzufrieden ist.

Mine Fields schrieb:
> Ein gutes
> Beispiel hast du ja schon genannt: Du hattest zwar vielleicht eine
> andere Lösung, sie hat aber einfach nicht die konstruktiven
> Rahmenbedingungen erfüllt und fällt damit aus.
Ich gebe allerdings noch nicht auf. Ich starte gerade Anfragen beim 
Zulieferer, ob das Bauteil auch in kleinerer Bauform gibt.
Habe zwar schlechtes Gefühl, aber mein Pulver ist noch nicht 
verschossen.
Wenn ich so denken würde wie Du, dann hätte ich z.b. jetzt die Anfrage 
erst gar nicht gemacht, weil es ja eh keine so "sichere" Lösung ist ...

Mine Fields schrieb:
> In diesem abgesteckten Rahmen musst du
> natürlich dein bestes Tun, aber du kannst nicht den Rahmen eigenhändig
> verlassen, auch wenn du denkst, es würde das Produkt besser machen.
Wieso verlasse ich den Rahmen ?
Ich verändere nur etwas Bestehendes ohne die Kosten nennenwert dabei zu 
erhöhen.
Das mit der 2% Kostenerhöhung war ein anderes Beispiel.
Dass ich nicht unendlich große Freiheiten habe, ist logisch und 
verständlich. Habe ich auch nie bestritten und stört mich in der Form 
auch nicht, solange es nicht zu übertrieben ist.

Ich will doch eigentlich hinterher nur sagen können:
"Haja schau... WIR haben jetzt eine zweite Generation... 3 Schwächen von 
5 haben wir verbessert. Die anderen 2 Schwächen sind noch drin, aber 
darüber kann man hinweg sehen" Dann ist man auch stolz darauf, etwas 
erreicht zu haben.

von Mine Fields (Gast)


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Wie sieht es denn bei Euch jetzt mit erfahrenen Entwicklern aus? Was 
sagen die zu dem Thema? Oder seid ihr alles nur Neulinge? Dann kann das 
natürlich nichts werden.

stephan schrieb:
> Risiko einzugehen ist meiner Meinung nach Voraussetzung dafür um
> ÜBERHAUPT irgendwas zu ändern bzw. zu verbessern. Wenn jeder
> Projektleiter so denkt, nur eine 99,999% sichere Lösung umsetzen zu
> wollen, bedeutet das im meinen Augen totalen Stillstand! Es gibt nichts
> 100% sicheres !

Das Risiko schätzt aber dein Projektleiter ein. Nicht du. Du kannst 
natürlich immer zu deinem Linienvorgesetzten rennen, wie du es ja getan 
hast. Wenn dabei eine praktikable Lösung rauskommt, kannst du zusammen 
mit deinem Vorgesetzten zum Projektleiter gehen.

Dabei darfst du aber nie die Ressourcenvereinbarungen zwischen 
Projektleiter und Linienvorgesetzten verletzten. Wenn du 100% im Projekt 
bist, machst du das, was der Projektleiter möchte. Wenn du eine 
Verbesserung nebenbei entwickelst, ist das keine Arbeit für das Projekt. 
Wenn du trotzdem daran arbeitest, verletzt du im Prinzip deine 
vertraglichen Pflichten.

stephan schrieb:
> Ich könnte dem Projektleiter auch die Gegenfrage stellen:
> "Bist Du dir so sicher, dass diese neue Lösung NICHT sicherer ist ??"

Wenn es eine aus Sicht des Projektleiters eine akzeptable Lösung gibt, 
ist es völlig unwichtig, ob es nicht eine bessere gibt. Du bist in der 
Entwicklung und kein freier Forscher!

stephan schrieb:
> Ein Projektleiter, der
> ausschließlich nur darauf schaut, ein Produkt zu liefern

Aber genau das ist seine einzige Aufgabe! Für alles andere gibt es deine 
anderen Vorgesetzten. Wenn die mit ihm einer Meinung sind, musst du es 
schlucken. Wenn nicht, dann müssen sie es auf ihrer Ebene austragen. Du 
als Anfänger hast da eben nichts zu melden.

von Matthias L. (Gast)


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>Willkommen im Untergang der Deutschen Qualität !

Wie pflegt mein Vater bei sowas immer zu sagen:

"Das Label >Made in Germany< kehrt zu seinen Ursprüngen zurück"

von Mark B. (markbrandis)


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Matthias Lipinsky schrieb:
>>Willkommen im Untergang der Deutschen Qualität !
>
> Wie pflegt mein Vater bei sowas immer zu sagen:
>
> "Das Label >Made in Germany< kehrt zu seinen Ursprüngen zurück"

Hm? Der Ursprung war, dass die Engländer diese Markierung wollten, um 
deutsche Produkte eigentlich zu diskriminieren. Gelaufen ist die Sache 
freilich anders - "Made in Germany" wurde recht bald zu einer Art 
Qualitätssiegel.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Wie sieht es denn bei Euch jetzt mit erfahrenen Entwicklern aus? Was
> sagen die zu dem Thema? Oder seid ihr alles nur Neulinge? Dann kann das
> natürlich nichts werden.

Unser Team ist sehr durchwachsen. Viele sind sehr jung. Wir haben aber 
auch zwei erfahrene Entwickler.
Der eine ist mit Dr-Titel, kommt aber eher aus der Theorie. Der andere 
kommt aus der Praxis, hat aber zufällig mit der Schaltung um die es 
geht, noch keine Erfahrung. Somit ist es natürlich etwas schwierig, ihn 
für mich zu gewinnen, weil er sich folglich noch aus der Angelegenheit 
etwas heraushält.
Er meinte, dass die neue Methode gehen könnte, es aber nicht unbedingt 
trivial wäre. Sofern die Messungen aber gut aussehen sollten, wäre er 
überzeugt.

Mein Projektleiter hat die Studie noch nicht abgelehnt. Die Studie wird 
auch aus einem anderen Budget finanziert. Soll heißen, ich hab immernoch 
ne chance.
Natürlich kam jetzt das Problem mit dem Bauraum hinzu... was das ganze 
natürlich nochmal erschwert. Wenn ich kein kleineres Bauteil finden 
sollte, werde ich natürlich aufhören weiter daran zu arbeiten.

Wenn das ganze doch noch was werden sollte, wäre es bestimmt eine gute 
Idee meinen Vorgesetzten nochmal mit einzubeziehen...
Deine Idee war dahingehend nicht schlecht.
Letztendlich geht es darum, diese Idee dem Projektleiter gut zu 
"verkaufen"

Mine Fields schrieb:
> Wenn es eine aus Sicht des Projektleiters eine akzeptable Lösung gibt,
> ist es völlig unwichtig, ob es nicht eine bessere gibt. Du bist in der
> Entwicklung und kein freier Forscher!

Ok. Aber dann soll auch bitte keiner die Kompetenz von mir oder unseres 
Teams anzweifeln, sofern es doch zu Ausfällen kommen sollte! Ich fühle 
mich in so einem Fall nicht mehr verantwortlich für das, was zum Kunden 
verkauft wird (vorausgesetzt natürlich die Fehlerursache war 
tatsächliche dieser Schaltungsteil).

von eddie (Gast)


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Mark Brandis schrieb:
> Matthias Lipinsky schrieb:
>>>Willkommen im Untergang der Deutschen Qualität !
>>
>> Wie pflegt mein Vater bei sowas immer zu sagen:
>>
>> "Das Label >Made in Germany< kehrt zu seinen Ursprüngen zurück"
>
> ...dass die Engländer diese Markierung wollten, um
> deutsche Produkte eigentlich zu diskriminieren...

Genau - Das meinte der Schreiber wohl auch.

"Made in Germany" ist mittlerweile oftmals als Warnhinweis zu verstehen!

von Rainer (Gast)


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stephan schrieb:
> Während der Ausarbeitung musste ich aber erschreckend
> feststellen, dass gewisse Bauteile, dich ich dafür bräuchte, gar nicht
> auf die Platine passen, weil die mechanische Konstruktion ein Limit an
> maximaler Bauteilhöhe von 7.5mm über die gesamte Platine festgelegt hat.
> Ähhm ... Hallo ??!! Das ist ungefähr so, wie wenn jemand einem
> Handschellen anlegt und dann aber sagt, er soll jetzt den Baum
> hochklettern !

Und wie würde wohl der Konstrukteur reagieren, wenn er plötzlich 
Geometrie und Kinematik ändern dürfte nur damit die Elektroniker es 
einfacher haben? Natürlich unter Beachtung aller Kundenvorgaben.

stephan schrieb:
> Wenn die Funktion, die
> vielleicht das Gesamtgerät nur um 2% teuerer macht, dafür sorgt, dass
> seine gewünschte Funktion sicherer eingehalten wird, was ich indirekt
> unter Qualität verstehe, wäre es doch wenigstens Wert, darum
> nachzudenken, den Preis um 2% anzuheben, auch wenn man dann vielleicht
> beim Kunden erstmal auf lange Gesichter stößt.

Wieso lange Gesichter?
Die werden auf den Vertrag pochen und euch satte Vertragsstrafen in 
Aussicht stellen, wenn ihr nicht liefert. Einen Folgeauftrag könnte ihr 
euch in jedem Fall abschminken.

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Er meinte, dass die neue Methode gehen könnte, es aber nicht unbedingt
> trivial wäre. Sofern die Messungen aber gut aussehen sollten, wäre er
> überzeugt.

Ich denke er hat seine Gründe für sein Verhalten. Wenn er eine Lösung 
als "nicht trivial" bezeichnet, vermutet er wahrscheinlich versteckte 
Probleme, die du als Anfänger nicht siehst.

stephan schrieb:
> Natürlich kam jetzt das Problem mit dem Bauraum hinzu... was das ganze
> natürlich nochmal erschwert. Wenn ich kein kleineres Bauteil finden
> sollte, werde ich natürlich aufhören weiter daran zu arbeiten.

Der Bauraum ist nur ein Aspekt. Ich weiß jetzt natürlich nicht, um was 
es geht, aber wenn große Bauteile im Spiel sind, ist meistens auch 
Verlustleistung im Spiel. Und die kann gerade bei wenig Bauraum ein 
Killerkriterium sein, auch wenn die Schaltung dann gerade so reinpasst. 
Da kann es leicht sein, dass du ein paar Wochen damit beschäftigt bist, 
mit Thermographien, Belastungsmessungen, Klimatests und so weiter 
nachzuweisen, dass die Verlustleistung kein Problem ist. Gleiches gilt 
für EMV.

Beide Themen kannst du aber auch erst wirklich im fertigen Gerät testen. 
Das heißt im schlimmsten Fall fällt erst ganz am Ende auf, dass deine 
Lösung nicht funktioniert. Und das kann das Projekt killen.

Die Qualität eines Produktes kann man auch in kleineren Schritten 
verbessern. Stecke deine Energie lieber in die kleinen Dinge, die du 
noch verbessern kannst, anstatt gleich die ganze Welt verändern zu 
wollen.

stephan schrieb:
> Ok. Aber dann soll auch bitte keiner die Kompetenz von mir oder unseres
> Teams anzweifeln, sofern es doch zu Ausfällen kommen sollte! Ich fühle
> mich in so einem Fall nicht mehr verantwortlich für das, was zum Kunden
> verkauft wird (vorausgesetzt natürlich die Fehlerursache war
> tatsächliche dieser Schaltungsteil).

Natürlich wirst du als Entwickler am Ende immer verantwortlich gemacht, 
wenn etwas nicht geht. Ausreden interessieren keinen, es wird nur ein 
Schuldiger gebraucht. Als Entwickler bist du kundenseitig immer der 
Sündenbock. Gewöhn dich dran und steh über solchen Vorwürfen. Du musst 
dir nur selbst klar sein, dass du unter gegebenen Umständen dein Bestes 
gegeben hast und mit dir selbst im Reinen bist.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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eddie schrieb:

> "Made in Germany" ist mittlerweile oftmals als Warnhinweis zu verstehen!

Nur komisch, dass man das im Ausland ganz offensichtlich anders sieht.

Unsere Chinesen bspw. kaufen nicht die chinesischen Kopien, die kaufen 
die Originale.

Und die wissen, warum.

Glaubt Ihr denn wirklich, dass es bei chinesischen oder indischen 
Projektleitern anders läuft? Bei denen kommt noch die Kultur des 
Nichtkritisierens dazu.

Überall wird nur mit Wasser gekocht.
Aber hier in good old Germany heizt man eben etwas gründlicher.

Chris D.

von Matthias L. (Gast)


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eddie schrieb:
> Mark Brandis schrieb:
>> Matthias Lipinsky schrieb:
>>>>Willkommen im Untergang der Deutschen Qualität !
>>>
>>> Wie pflegt mein Vater bei sowas immer zu sagen:
>>>
>>> "Das Label >Made in Germany< kehrt zu seinen Ursprüngen zurück"
>>
>> ...dass die Engländer diese Markierung wollten, um
>> deutsche Produkte eigentlich zu diskriminieren...
>
> Genau - Das meinte der Schreiber wohl auch.


In etwa. Lt. meinem Vater wurde das Label von den Engländer für deutsche 
Produkte zwangseingeführt, da diese wohl um diese Zeit nichts taugen. So 
sollten die Engländer vor dem deutschen Müll geschützt werden..

von Mark B. (markbrandis)


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Matthias Lipinsky schrieb:
> In etwa. Lt. meinem Vater wurde das Label von den Engländer für deutsche
> Produkte zwangseingeführt, da diese wohl um diese Zeit nichts taugen.

Das hätten die Engländer gerne so gehabt mit dem nichts taugen - den 
Gefallen haben unsere Vorväter ihnen aber nicht getan.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Ich weiß jetzt natürlich nicht, um was
> es geht, aber wenn große Bauteile im Spiel sind, ist meistens auch
> Verlustleistung im Spiel.

Ich würde ja gern zugeben, was es genau ist... aber ich will jetzt 
nichts
über die Applikation sagen. Wäre mir unangenehm, wenn man dadurch 
Rückschlüsse auf das Produkt, um was es hier geht, schließen könnte.

Die Schaltung, die ich vorgeschlagen habe, ist eigentlich Stand der 
Technik.

Mine Fields schrieb:
> Beide Themen kannst du aber auch erst wirklich im fertigen Gerät testen.
> Das heißt im schlimmsten Fall fällt erst ganz am Ende auf, dass deine
> Lösung nicht funktioniert.

Das wäre auch das Ziel der Studie, das ganze bis ins Detail anhand einem 
neuen Layout, welches unabhängig vom Projekt finanziert wird, zu testen.

Mein Projektleiter findet es sogar gut, dass ich hier so engagiert bin !
Er würde es toll finden, wenn ich eine Lösung erarbeite, die man als 
"Hosenträger-Lösung" oder Plan-B verwenden könnte, sofern es tatsächlich 
an der Stelle wieder zu Ausfällen kommen sollte.
Mein Wunsch wäre aber gewesen, die Schaltung auch einzubauen, ohne der 
Bedingung dass es zu Ausfällen kommt.
Aber wie ich ja jetzt gelernt habe... es ist "sein" Projekt und nicht 
meins...

Ich könnte mir vorstellen, dass wir ihn weich kriegen, wenn die 
Ergebnisse tatsächlich gut aussehen sollten. Bin mir natürlich selber 
noch nicht ganz sicher.
Aber solang sich keiner damit beschäftigt, wird man sich nie sicher 
sein.

Mine Fields schrieb:
> Stecke deine Energie lieber in die kleinen Dinge, die du
> noch verbessern kannst, anstatt gleich die ganze Welt verändern zu
> wollen.

Dieser Satz motiviert mich wieder ein bischen... ;)
Ich werde drüber nachdenken.
Schade finde ich die Situation aber trotzdem.

Rainer schrieb:
> Und wie würde wohl der Konstrukteur reagieren, wenn er plötzlich
> Geometrie und Kinematik ändern dürfte nur damit die Elektroniker es
> einfacher haben?
Was mich stört ist, dass ich es jetzt erst erfahren habe, obwohl ich 
schon knapp 3 Jahre im Projekt bin. Die tatsache, dass es die anderen 
Teammitglieder genauso wenig wussten, lässt schließen, dass hier keine 
ausreichende Kommunikation stattgefunden hat zwischen den Konstrukteuren 
und den Elektronikern.!
Außerdem hätte ich sicherlich dagegen was gesagt, wenn ich damals, als 
das Höhenprofil beschlossen wurde, dabei gewesen wäre ...

Rainer schrieb:
> Die werden auf den Vertrag pochen und euch satte Vertragsstrafen in
> Aussicht stellen, wenn ihr nicht liefert.
Ist das wirklich so ? Kenne mich an der Stelle zu wenig aus.
Ich dachte das läuft Anhand eines Kostenvoranschlages...
Könnt ich mal fragen

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Die Schaltung, die ich vorgeschlagen habe, ist eigentlich Stand der
> Technik.

Diese Aussage ist für mich ein klares Anzeichen, dass du die technischen 
Risiken stark unterschätzt. Eine Schaltung kann in Tausenden Anwendungen 
supergenial passend sein, aber genau in deiner Anwendung aus 
irgendwelchen nicht offensichtlichen Gründen schlicht nicht 
funktionieren.

stephan schrieb:
> Mein Projektleiter findet es sogar gut, dass ich hier so engagiert bin !
> Er würde es toll finden, wenn ich eine Lösung erarbeite, die man als
> "Hosenträger-Lösung" oder Plan-B verwenden könnte, sofern es tatsächlich
> an der Stelle wieder zu Ausfällen kommen sollte.

Dann hast du doch dein Ziel zu 100% erreicht. Ich verstehe nun wirklich 
nicht mehr, wieso du mit der Situation noch unzufrieden bist.

stephan schrieb:
> Mein Wunsch wäre aber gewesen, die Schaltung auch einzubauen, ohne der
> Bedingung dass es zu Ausfällen kommt.

Wenn die andere Lösung alle Anforderungen erfüllt, gibt es keine 
Notwendigkeit, deine Lösung zu bevorzugen, auch wenn sie viel besser 
ist. Denke dran: Entwickelt wird so gut wie nötig, niemals so gut wie 
möglich! Das einzige Argument, was zieht, ist der Preis. Wenn die Lösung 
gleich gut oder besser ist und dabei deutlich günstiger, dann wird sie 
sicherlich in Betracht gezogen.

stephan schrieb:
> Außerdem hätte ich sicherlich dagegen was gesagt, wenn ich damals, als
> das Höhenprofil beschlossen wurde, dabei gewesen wäre ...

Und am Ende hättest du wahrscheinlich doch nicht das letzte Wort gehabt.

von Robocash (Gast)


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Theorie:
=========

Unser FH-Professor erzählte uns von dem 40-jährigen Konjunkturzyklus 
(Kondratjeff, man müsste es vielleicht "Condratyüev" schreiben). Dieser 
sei innovationsgetrieben (hier Informatik). Dummerweise ging der K.~ 
monatsgleich mit dem Ende unseres Studiums (2002)in die Depressionphase 
bis 2011. Der Prof. ist heute noch in Amt und Würden. In Wirklichkeit 
funktioniert der K.~ durch ein Pendeln zwischen hohen Geldvermögen und 
hohem Zinssatz. Auch der sechste K.~ wird in Deutschland, wie sein 
Urgroßvater, auch wieder von Anfang an von der Autoindustrie getragen.

Politik:
========

Im Internet gibt es auch ein Video über den Politiker SCHILY, der den 
elektronischen Fingerabdruck etabliert hat und jetzt die Früchte erntet.

Literatur:
==========

Das Buch "Grundwissen der Psychologie", 1. Auflage 2008 meint auf Seite 
160 über Ferdinant Pie"ch (ex VW): "Ferdinant Pie"ch wurde 1993 
Vorstandsvorsitzender des Volkswagenkonzerns. Eine ungewöhnliche 
Karriere, den Pie"ch ist von der Ausbildung her Entwicklungsingenieur 
... Mit seinem Aufstieg wechselt er von einem introversiven in einen 
extraversiven Beruf. ... Techniker und Ingenieure gelangen nur selten in 
derartig hohe Positionen, da Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler 
sowie Juristen zumeist kontaktfreudiger sind, eine Voraussetzung für 
Positionen in Chefetagen." Was taugt nun so ein Buch? Die Wikipedia 
meint jedenfalls, dass der Großvater von F.P. also Anton Pie"ch auch 
schon VW-Werksdirektor war und zwar bei den Faschisten. Ich nehme an, 
dass die meisten der Leser des Forums nicht VW-Werksdirektor werden 
können. Von der Leistung her müsste es möglich sein, denn ich habe noch 
keinen gefunden, der von eigenen fachlichen Schwächen geschrieben hätte.

Beispiel:
=========

Ein Erfinder hat die Idee eines Lautsprechers, der Stille schafft. Er 
baut einen Prototypen. Ein Tonband hat eine Bandschleife mit dem Text: 
"Ruhe bitte!" Er nimmt ein Mikrophon, das bei einem Geräusch im Raum das 
Tonband einschaltet. Das Mikro hört jetzt das Tonband und schaltet es 
erst am Ende des Textes ab (Man kann auch bei einem Notebook das 
/dev/audio und das /dev/snd verwenden).

Der Erfinder geht zum Arbeitsamt und beantragt Gründerzuschuss. Das 
Arbeitsamt schickt ihn zum einzigen akzeptierten BWL-Berater der 
Großstadt zu einem dreitägigen Kurs. Dort erfährt der Gründer, dass er 
bei der Bank einen Kredit aufnehmen und beim Arbeitsamt einen 
Gründerzuschuss beantragen soll. Er bezahlt den Eigenanteil des Kurses 
von 240,-€ während der Staat den größeren Teil der Gebühr an das 
private, staatsnahe aber gleichzeitig marktwollende Institut zahlt.

Es gibt auch den Effekt des abnehmenden Grenznutzens, wonach der Kunde 
die Ware nicht mal umsonst abnimmt, wenn er nur gesättigt ist. Aber 
davon ist in dem Kurs nicht die Rede. Der Kandidat soll eben nur bis zum 
Anschlag produzieren und auf die Konkurrenz keine Rücksicht nehmen (auch 
sie hat meist nur eine Eigenkapitalquote von 25%).

Der Erfinder geht zu einer privaten Geschäftsbank und stellt dort seine 
Idee vor. Die Bank schöpft augenblicklich Geld aus dem Nichts durch 
seine elektronische Buchung. Nach den Regeln der EZB braucht sie dazu 
nur 2% der Summe als notenbankfähiges Geld (das ist eben nicht der 
eigene Mist sondern Grundstücke und Bodenschätze, die sie aus Pfändungen 
der Sicherheiten bekommen kann) und etwa 9% der Summe als gekaufte 
Banknoten (Staats-Geldscheine), damit keiner misstrauisch wird.

Der Erfinder kauft Maschinen und Rohstoffe in exakter Menge und baut den 
Lautsprecher. Dann kauft er auch Kundenbestände und bringt sein 
Erzeugnis in den Handel. Er heuert einen LINKBUILDER an der das Produkt 
in Internetforen etabliert. Dabei geht er nach der Regel vor, seine 
Preise immer an der Grenze der Akzeptanz von Zulieferern oder auch 
Kunden zu halten. Gefällige Preise würde das Verschenken von Geld 
bedeuten und der Schuldendienst des Kredites wäre in Gefahr.

Das Ende: Entweder jemand kauft sein Unternehmen auf (wie z.B. Arcor 
oder Opel) oder der Unternehmenslifecycle endet mit der Gründung einer 
geheimen GmbH der das ursprüngliche Unternehmen zu 100% gehört. So 
sichert man sich vor unnützen Lohnnachzahlungen. Die Internetpage 
"Bundesanzeiger" hat die Bereitstellung dieser Informationen für 
interessierte Geschäftspartner vor einigen Jahren von den Amtsgerichten 
übernommen und kassiert dafür eine Gebühr.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Diese Aussage ist für mich ein klares Anzeichen, dass du die technischen
> Risiken stark unterschätzt. Eine Schaltung kann in Tausenden Anwendungen
> supergenial passend sein, aber genau in deiner Anwendung aus
> irgendwelchen nicht offensichtlichen Gründen schlicht nicht
> funktionieren.
Du hast schon recht. Ich hoffe du unterstellst mir jetzt aber nicht, 
dass ich mir bisher noch gar keine Gedanken über die Risiken oder 
Nachteile gemacht habe...

Mine Fields schrieb:
> Wenn die andere Lösung alle Anforderungen erfüllt, gibt es keine
> Notwendigkeit, deine Lösung zu bevorzugen, auch wenn sie viel besser
> ist.

Ich mache mal ein einfaches frei erfundenes Beispiel:
Es wird z.B. ein Bauteil eingesetzt, was laut Spec. 150°C aushält.
Laut neuster Rechnung kommt aber raus, dass das Bauteil 149°C heiß wird.
Die Tests zeigen aber, es geht nicht kaputt.
Während der Entwicklungsphase kommt der Entwickler und sagt "hey ich 
habe ein neues Bauteil gefunden, dass nur 120°C heiß wird anstatt 149°C, 
kostet genauso viel, nicht teurer! und wir haben es schon getestet und 
gemessen, funktioniert prima!"

Würdest du als Projektleiter dann sagen "nee, wir lassen das alte 
Bauteil drin, es tut doch, sehe kein Handlungsbedarf es zu tauschen" ??

Genau hier liegt nämlich der springende Punkt meiner Meinung.

Mine Fields schrieb:
> Entwickelt wird so gut wie nötig, niemals so gut wie
> möglich!
Mag sein. Ich kann es versuchen zu akzeptieren, dass es so ist. Ich muss 
diese Meinung aber nicht teilen! Oder muss ich das ?

Eins hab ich jedenfalls gelernt, für meine zukünftigen Folgeprojekte:
Man muss es von Anfang an richtig machen, zumindest das gröbste!
Später wird nämlich nichts mehr geändert, weil das Produkt bereits in 
die Erprobung raus muss, und die Projektleitung sich auf keine Risiken 
mehr einlassen möchte.

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Du hast schon recht. Ich hoffe du unterstellst mir jetzt aber nicht,
> dass ich mir bisher noch gar keine Gedanken über die Risiken oder
> Nachteile gemacht habe...

Doch, ich glaube dir natürlich, dass du dir darüber schon intensiv 
Gedanken gemacht hast. Ich habe ja auch schon erwähnt, dass ich selbst 
solche Situationen kenne. Ich wollte dich nur erklären, welche Denkweise 
bei einem Projektleiter oder verantwortlichen Entwickler vorherrscht und 
wieso diese durchaus sinnvoll sein kann.

stephan schrieb:
> Würdest du als Projektleiter dann sagen "nee, wir lassen das alte
> Bauteil drin, es tut doch, sehe kein Handlungsbedarf es zu tauschen" ??

Sofern das alte Bauteil mit den 149° bewährt ist und keine Probleme hat: 
Ja, auf jeden Fall! Auch wenn das neue Bauteil kühler bleibt, kann es 
andere Probleme im Gesamtsystem machen, schließlich gibt es viele 
Faktoren mehr als nur die Temperatur, die in einem solchen System 
Probleme machen können.

stephan schrieb:
> Mine Fields schrieb:
>> Entwickelt wird so gut wie nötig, niemals so gut wie
>> möglich!
> Mag sein. Ich kann es versuchen zu akzeptieren, dass es so ist. Ich muss
> diese Meinung aber nicht teilen! Oder muss ich das ?

Ja, das musst du. Ein Entwickler, der alles so gut wie möglich machen 
möchte, wird entweder ein Produkt bauen, dass niemand kaufen will, oder 
niemals mit der Entwicklung fertig werden. Eigentlich wird sogar beides 
passieren. An ein Produkt werden klare Anforderungen gestellt. Und nur 
die hast du zu erfüllen.

stephan schrieb:
> Eins hab ich jedenfalls gelernt, für meine zukünftigen Folgeprojekte:
> Man muss es von Anfang an richtig machen, zumindest das gröbste!
> Später wird nämlich nichts mehr geändert, weil das Produkt bereits in
> die Erprobung raus muss, und die Projektleitung sich auf keine Risiken
> mehr einlassen möchte.

Das ist schon richtig. Du wirst nur nie die Zeit bekommen, alles von 
Anfang an richtig zu machen. Gewöhne dich daran, mit Schwächen deines 
Produktes zu leben.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Sofern das alte Bauteil mit den 149° bewährt ist und keine Probleme hat:
> Ja, auf jeden Fall!

Zentrale Frage:
Was heißt für dich bewährt ?
Ab wann ist ein Bauteil oder eine Lösung für dich bewährt ?

Dass die 149 Grad sehr grenzwertig dimensioniert sind, kannst du nicht 
abstreiten!
Für mich persönlich ist eine Lösung erst dann bewährt, wenn der Kunde 
nach 5 oder 10 Jahren je nach Produkt immer noch zufrieden ist! d.h. 
keine Ausfälle oder Rückläufer!

Anderes Beispiel aus einem ganz anderem Bereich.
Möchtest du wenn du auf einem OP Tisch liegst vom Arzt so gut wie nötig 
oder so gut wie möglich behandelt werden?

Möchtest du von der Krankenschwester einfach den Hintern sauber gemacht 
bekommen oder möchtest du das sie sich dabei Mühe gibt, dabei möglichst 
sorgfältig und liebevoll umgeht auch wenn das für sie einen viel höheren 
Aufwand bedeutet? .

Wir sollten somit auch den Kunden ein möglichst gutes Produkt bieten und 
nicht nur ein nötigst gutes Produkt!

Mine Fields schrieb:
> Ein Entwickler, der alles so gut wie möglich machen
> möchte, wird entweder ein Produkt bauen, dass niemand kaufen will, oder
> niemals mit der Entwicklung fertig werden.

Warum sollte ein so gut wie möglich entwickeltes Produkt von niemandem 
gekauft werden?

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Zentrale Frage:
> Was heißt für dich bewährt ?
> Ab wann ist ein Bauteil oder eine Lösung für dich bewährt ?

Sobald sie in einem oder mehreren Serienprodukten in größeren 
Stückzahlen zum Einsatz kommt und damit nur wenige Probleme beim Kunden 
auftreten.

stephan schrieb:
> Für mich persönlich ist eine Lösung erst dann bewährt, wenn der Kunde
> nach 5 oder 10 Jahren je nach Produkt immer noch zufrieden ist! d.h.
> keine Ausfälle oder Rückläufer!

Keine Ausfälle ist so gut wie unmöglich.

stephan schrieb:
> Dass die 149 Grad sehr grenzwertig dimensioniert sind, kannst du nicht
> abstreiten!

Wenn es mit der grenzwertigen Dimensionierung kein Problem gibt, ist das 
aber völlig in Ordnung.

stephan schrieb:
> Anderes Beispiel aus einem ganz anderem Bereich.
> Möchtest du wenn du auf einem OP Tisch liegst vom Arzt so gut wie nötig
> oder so gut wie möglich behandelt werden?

Willst du, dass dir der Arzt bei einer Mandel-OP auch gleich den 
Blinddarm rausnimmt, nur weil er dich eh gerade da liegen hat? 
Sicherlich nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass er dann einen Fehler 
macht, ist deutlich höher.

Der Vergleich hinkt aber etwas. Wenn du Elektronik entwickelst, bei der 
es um Menschenleben geht, werden ganz andere Maßstäbe angesetzt. 
Trotzdem erfüllst du auch dort nur die gestellten Anforderungen, kein 
bisschen mehr.

stephan schrieb:
> Warum sollte ein so gut wie möglich entwickeltes Produkt von niemandem
> gekauft werden?

Weil es zu spät kommt oder zu teuer ist. Aber wie gesagt, ein Produkt, 
dass man so gut wie möglich bauen will, wird wahrscheinlich nie fertig. 
Es gibt immer irgendwelche Schwächen, die man noch beseitigen könnte.

Überleg doch mal was passiert, wenn du deine supertolle neue Lösung 
einführst - alles funktioniert soweit gut. Und dann fällst du damit 
durch die EMV-Prüfung. Das Produkt kommt mit einem halben Jahr 
Verzögerung und die Entwicklungskosten steigen um x Hunderttausend Euro. 
Was sagst du dann deinem Projektleiter? Ja, wir haben Millionenverlust 
gemacht, aber wir haben jetzt das bessere Produkt?

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, stephan,

wahrscheinlich wirst Du bei Hartz IV landen.
Falls nicht, in der Klinik wegen Herzinfarkt.

Das sind die üblichen Wege für Technik-Romantiker wie Du - die einen 
werden ausgenutzt, bis sie am Herzkasper ausfallen, die anderen 
wegselektiert.


Ich lese aus Deinen Worten den Geist, der "Made in Germany" zum weltweit 
anerkannten Qualitätssiegel gemacht hat, bevor bei uns das 
Qualitätsmanagement eingeführt wurde.

Manches dralle Mädel bedauert, nicht im Jahrhundert des Peter Paul 
Rubens geboren zu sein.
So könntest Du vielleicht bedauern, nicht in dem Jahrhundert geboren zu 
sein, das zu Deinem - guten - Qualitätsverständnis passt.

Ich bin in einem eigentümergeführten Ingenieurunternehmen groß geworden, 
wo die Ingenieure - und vor allem die Eigentümer als Ingenieure - ihrem 
Endkunden zugehört haben. Mit ihm zusammen Lösungen erarbeitet haben, 
die dann die Industrie überraschten.

Aber ich bedaure, heute bestimmt der Produktmanager aufgrund 
irgendwelcher Megatrends, womit der Kunde glücklich zu sein hat. 
Notfalls hat er seine Werbemillionen, mit denen er ihm einreden kann, 
das Produkt mache ihn endlich glücklich.
Der Produktmanager bestimmt die Eigenschaften dieses kundenfern 
entwickelten Produkts. Ein Dipl.-Inf. von einem Zeitarbeiterunternehmen 
ohne Ahnung von der Anwendung, aber von der Software Requirements 
Specification, zerlegt die Anforderungen des Produktmanagers mit Hilfe 
von Textbausteinen in eine dicke SRS, die seinen Fleiß anzeigt, aber vor 
Details unverständlich ist. Von der er auch nicht versteht, was da in 
der Anwendung passieren soll, aber weil die bewährte Dampfmaschine des 
Vorgängermodells einen Dampfregler hatte, sieht er für den neuen 
Dieselmotor auch einen vor.

Du und ich müssen nun das Produkt entwickeln, das nicht nur unseren 
Endkunden glücklich macht, sondern auch das Produktmanagement und den 
Informatiker.

Wer von uns den Hals zu weit vorstreckt, der hat schnell die 
Sündenbockschlinge drum. Indem er beispielsweise Dinge macht, wie das 
Kind mit des Kaisers neuen Kleidern, den Dampfregler für überflüssig 
erklärt und weglässt, was für ein Skandal, welch eine Beleidigung gegen 
den Produktmanager, gegen den Informatiker oder irgend jemand in der 
"Prozesskette" vor ihm.

Entwickler sollen kreativ sein, ja, aber nicht mit Ideen, die den gut 
bezahlten Produktmanager bloß stellen. Sondern sie sollen gefälligst den 
Riesenelko auf 7,4mm bringen, oder was immer das in Deinem Fall war.

Dafür darf der dann auch mal teurer werden. Denn noch teurer wäre eine 
Änderung an der Konstruktion mit erneutem Durchlauf aller Prüfzyklen.



Natürlich, stephan, gibt es auch heute noch Unternehmen mit Gründergeist 
und echtem Qualitätsverständnis. Wo sich der Unternehmer noch mit seinen 
Endkunden unterhält.
Aber nicht in "technisch gesättigten" Märkten. Nicht da, wo bereits 
alles von der Stange gekauft werden kann und die Hersteller Unsummen 
ausgeben für kleine Einsparungen in der Massenfertigung oder in der 
Zeitspanne bis zur Markteinführung.
Sondern in "innovativen Branchen", wo Ingenieur und Endkunde noch 
gemeinsam Ideen finden, welche die Fachpresse noch nicht breit getreten 
hat.

Auch nicht in einem Konzern, in dem die Leute von der OrgEntwicklung den 
Arbeitsprozess immer erneut zerstückelt haben einschließlich der 
Leseberechtigung für Dokumente, damit ja keiner über sein Qubicle hinaus 
schaut.


Ciao
Wolfgang Horn

von Michael K. (charles_b)


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stephan schrieb:

> Und der Hammer von heute war:
> "Wir haben das Budget für die neue Generation überzogen... es werden
> jetzt nur noch Änderungen genehmigt, die man unbedingt braucht, damit
> das Gerät tut" Soll heißen, wir sollen jetzt nur noch das was wir bisher
> haben, zum Laufen bringen, der Rest bleibt weg...

Die drehen die Sache aber auch immer so, als ob die Entwickler 
Änderungen aus privatem Interesse oder Spieltrieb entwickeln. Wenn sich 
dann eine technisch besser Lösung abzeichnet muss man sich schon fast 
dafür entschuldigen...

Idealerweise sollten sich solche Stress-Faktoren auf den häuslichen 
Bereich beschränken, wo die bessere Hälfte dann vor dem neuen Computer 
sitzt und sagt: "bei dem alten hab ich den Button aber immer gleich 
gefunden..."

Andererseits: Wie viel vom Budget noch übrig ist sollte man natürlich 
stets wissen bzw. den Leuten dann auch sagen.

von ROI (Gast)


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Die wesentliche Größe bei der Entwicklung ist die Wirtschaftlichkeit, 
sie bezahlt unsere Gehälter. Überzogene Kosten und nicht gehaltene 
Termine hören sich für mich nicht nach einer wirtschaftlichen Lösung an.

von Michael K. (charles_b)


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ROI schrieb:
> Die wesentliche Größe bei der Entwicklung ist die Wirtschaftlichkeit,
> sie bezahlt unsere Gehälter. Überzogene Kosten und nicht gehaltene
> Termine hören sich für mich nicht nach einer wirtschaftlichen Lösung an.

Es scheint nur so zu sein, dass man die Entwickler wursteln lässt und 
irgendwann sagt "Stopp". So wird wohl jedes Projekt dann erst mal 
halbfertig dastehen. Besser wäre es, wenn die Entwickler von vorneherein 
wissen, wie viel Zeit zur Verfügung steht. Dann kann man abschätzen, ob 
man das in den vorgegebenen Zeit schafft.

von Robocash (Gast)


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Man könnte ja einen Zufallscomputer alles konstruieren lassen und immer 
biologisch die profitablere Lösung selektieren.

Aber besser ist es, wenn ein Entwickler die Rolle des Zufallscomputers 
übernimmt. Den Chef stört es nicht, wenn die Arbeit für den Entwickler 
eine Qual ist. Jeder quält sich für sich allein.

von stephan (Gast)


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Hallo Mine Fields,

die Tatsache, dass ich gestern um Mitternacht noch auf deinen Post 
geantwortet habe, anstatt den Samstag Abend anderweitig zu verbringen,
deutet darauf hin, dass mich das Thema im Moment doch sehr beschäftigt.

ich möchte gerne weiter Stellung nehmen:

Mine Fields schrieb:
> Keine Ausfälle ist so gut wie unmöglich.
Das stimmt. Es macht für mich aber einen großen Unterschied, ob das 
Produkt gerade noch so die Garantiezeit überlebt, oder ob das Produkt 
weit über der Lebenserwartung, die von uns garantiert wird, 
funktionsfähig bleibt!
Letzteres sollte meiner Meinung nach doch wenigstens der Wunsch sein...

Mine Fields schrieb:
> Wenn es mit der grenzwertigen Dimensionierung kein Problem gibt, ist das
> aber völlig in Ordnung.
Wäre es dir als Kunde nicht lieber, wenn z.B. der Motor von deinem Auto 
im Durchschnitt 300.000km überlebt, anstatt nur 150.000km, obwohl du als 
Kunde aber nur 150.000km gefordert hast ?

Mine Fields schrieb:
> Der Vergleich hinkt aber etwas. Wenn du Elektronik entwickelst, bei der
> es um Menschenleben geht, werden ganz andere Maßstäbe angesetzt.
Aha! wir kommen der Sache näher. Der Begriff Maßstab taucht auf einmal 
auf.
Nun ja, das stimmt schonwas du sagst, es wäre ja auch umso 
bedauerlicher, wenn das nicht so wäre! Aber wäre es nicht besser, bei 
der Entwicklung darauf zu achten, dass die Anforderungen hinsichtlich 
Sicherheit und Robustheit nicht gerade so mit ach und krach erfüllt 
werden, sondern man aus Prinzip immer eine kleine Auslegungsreserve oben 
drauf setzt ? Klar wäre das vielleicht nicht bei jedem Bauteil oder 
Schaltungsteil möglich. Wie du bereits sagtest, allein schon aus 
Zeitgründen nicht. Aber es sollte zumindest das Bestreben danach sein, 
oder nicht ??

Aber bleiben wir bei dem begriff Maßstab. Es geht also darum, welche 
Maßstäbe ein Projektleiter, oder ganz global betrachtet, welche Maßstäbe 
eine Firma für sein Produkt setzt!
Insofern würde ich für mich persönlich dann sagen, dass ich 
möglicherweise auf Dauer in einer Firma glücklicher wäre, in der nicht 
nur darauf geachtet wird, dass das Projekt mit Erfolg abgeschlossen wird 
und Kohle gemacht wird, sondern auch gewisse Maßstäbe darüber hinaus 
angesetzt werden! ...

Mine Fields schrieb:
> Aber wie gesagt, ein Produkt,
> dass man so gut wie möglich bauen will, wird wahrscheinlich nie fertig.
Doch! Der Terminplan gibt vor, wann das Projekt fertig ist. Insofern 
wird jedes Projekt fertig, solange der Terminplan beim Kunden 
eingehalten wird!
Der Entwickler muss aber vorher wissen, wie lange er Zeit hat.

Ich bezeichne sowas auch als Leistung, wie bei einer Klausur während des 
Studiums.
"Ein Produkt so gut wie möglich innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu 
entwickeln!" Cool... diesen Spruch könnt ich mir über meinen PC hängen. 
:)

Mine Fields schrieb:
> Überleg doch mal was passiert, wenn du deine supertolle neue Lösung
> einführst - alles funktioniert soweit gut. Und dann fällst du damit
> durch die EMV-Prüfung. Das Produkt kommt mit einem halben Jahr
> Verzögerung und die Entwicklungskosten steigen um x Hunderttausend Euro.
> Was sagst du dann deinem Projektleiter? Ja, wir haben Millionenverlust
> gemacht, aber wir haben jetzt das bessere Produkt?
Da muss ich dir absolut recht geben! Dieses Risiko existiert in der Tat.
Es ist denke ich auch die Aufgabe des Projektleiters, zu beurteilen, 
wieviel Risiko ihm diese Verbesserung wert ist.
Ich als Projektleiter würde so vorgehen, eine Risikoabschätzung zu 
machen.
Als Variable müsste ich aber vorher wissen, welchen qualitativen 
Vorsprung ich mit dieser neuen Lösung erreiche, d.h. wird mein Produkt 
nur um 2% sicherer, oder möglicherweise um 40% sicherer ? Wenn ich 
abschätzen würde, dass das Risko recht minimal ist, ich dafür aber 40% 
mehr Sicherheit erkaufe, dann würde ich ganz klar die neue Lösung in 
Betracht ziehen, vorausgesetzt die Kosten bleiben zumindest gleich. Für 
2% mehr Sicherheit wäre mir der Benefit dagegen zu gering! Bei minimaler 
Verbesserung und gleichzeitg hohem Risko, würde ich die Änderung 
logischerweise ablehnen.
Letztendlich hängt es davon ab, welchen Maßstab ich persönlich setze !
Wie wichtig ist mir es, dass das Produkt qualitativ besser wird ?
Es ist wie eine Konstante, die als Proportionalfaktor mit in meiner 
Überlegung einfließt...

Laut deiner Argumentation würde ich beurteilen, dass diese Kostante bei 
dir eher gering ausfällt...
Dir geht es nur darum, das Produkt in Serie zu bringen. Alle 
Risikofaktoren, die in irgend einer Form dieses Ziel verhindern könnten, 
werden strikt abgelehnt. Du bist also nicht sonderlich risikobereit.
Ich will nicht abstreiten, dass das auch das oberste Ziel bleiben 
sollte, schließlich will ich auch meinen Lohn jeden Monat bezahlt 
bekommen.
Aber ich würde dieses Ziel nicht 100% Gewichtung geben... sondern 
vielleicht nur 90%. Genau das ist der Punkt.

Mag sein dass jetzt alle aufschreihen und sagen "mit dieser Einstellung 
begibst du dich der Gefahr, dass du als Projektleiter irgendwann deinen 
Job verlierst".
Dann sag ich als Antwort "seis drum, ich habe meine Wertvorstellung, und 
zu der stehe ich"

Ich respektiere nun meinen Projektleiter, wenn seine Maßstäbe nicht mit 
meinen gleichen sollten. Es ist sein Projekt! Ich werde mich mit ihm 
trotzdem zwischenmenschlich verstehen. Ich verstehe mich mit dem 
gesamten Team. Die Arbeit und auch die Applikation macht mir Spaß.
Und ich habe einen sicheren Arbeitsplatz.
Vermutlich werde ich aber in dieser Firma nie als Projektleiter arbeiten 
wollen, sofern dieser gewisse "Spirit" den ich gern hätte, dort leider 
nicht lebt. Das muss ich aber erst noch herausfinden.

Kurze Frage Mine Fields:
Bist du Projektleiter ?

Ich danke dir trotzdem für diesen Dialog.

Wolfgang Horn schrieb:
> Natürlich, stephan, gibt es auch heute noch Unternehmen mit Gründergeist
> und echtem Qualitätsverständnis. Wo sich der Unternehmer noch mit seinen
> Endkunden unterhält.
Wir werden sehen, wohin meine Reise langfristig geht :)
Ich bin erst 29 Jahre alt ;)

Ich denke ich werde wieder anfangen mir ein kleines Bastelhobby zu 
suchen, so wie ichs früher gemacht habe. Es darf mich natürlich nicht 
zeitlich überfordern, schließlich schuffte ich ja auch schon in der 
Firma genug :)
Aber ich könnte mir vorstellen, sowas als Ventil zu benutzen.

von Gastino G. (gastino)


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stephan schrieb:
> Deshalb auch die Frage an Euch:
> Ist es in anderen Firmen wirklich besser ???

In großen Firmen meistens nicht. Das, was Du da beschreibst, ist Alltag 
und führt bei sehr vielen engagierten Leuten irgendwann zur inneren 
Kündigung.

Im Laufe des Arbeitslebens werden dann auch zunehmend andere Dinge 
wichtiger. Frau, Kinder, Haus - die Arbeit wird Mittel zum Zweck und ist 
keinesfalls mehr Lebensinhalt. Will man kreativ sein, schafft man sich 
ein Hobby (zum Beispiel Elektronik-"Bastelei") an.

Und die gute Nachricht ist: Die anderen sind noch schlechter.

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Das stimmt. Es macht für mich aber einen großen Unterschied, ob das
> Produkt gerade noch so die Garantiezeit überlebt, oder ob das Produkt
> weit über der Lebenserwartung, die von uns garantiert wird,
> funktionsfähig bleibt!
> Letzteres sollte meiner Meinung nach doch wenigstens der Wunsch sein...

Nein, das ist meistens nicht der Wunsch der Firmen, denn es senkt 
Deckungsbeitrag und Umsatz.

stephan schrieb:
> Wäre es dir als Kunde nicht lieber, wenn z.B. der Motor von deinem Auto
> im Durchschnitt 300.000km überlebt, anstatt nur 150.000km, obwohl du als
> Kunde aber nur 150.000km gefordert hast ?

Wenn ich das Auto eh nur 150tkm fahre, will ich kein Auto, das länger 
hält, mich aber mehr Geld kostet.

stephan schrieb:
> "Ein Produkt so gut wie möglich innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu
> entwickeln!" Cool... diesen Spruch könnt ich mir über meinen PC hängen.
> :)

Richtig! Aber dann ist es nicht mehr so gut wie möglich, sondern du 
musst schon massive Kompromisse eingehen. Und genau das passiert in 
deinem Fall eben.

stephan schrieb:
> Ich als Projektleiter würde so vorgehen, eine Risikoabschätzung zu
> machen.

Genau das macht dein Projekleiter hier. Und er kommt eben zu dem 
Ergebnis, die alte Lösung zu behalten.

stephan schrieb:
> Dir geht es nur darum, das Produkt in Serie zu bringen. Alle
> Risikofaktoren, die in irgend einer Form dieses Ziel verhindern könnten,
> werden strikt abgelehnt.

Genau so läuft der Hase! Ich wiederhole mich: Du bist in der Entwicklung 
und nicht in der freien Forschung! Da geht es nun einmal darum, Produkte 
in Serie zu bringen und nicht an der besten Lösung zu forschen.

Eine sinnvolle Vorgehensweise wäre, deine Lösung weiterzuentwickeln, so 
dass du sie beim nächsten Projekt zu Beginn (!) als eine reife Lösung 
einbringen kannst. Dann wird auch dein Projektleiter nichts dagegen 
haben.

stephan schrieb:
> Kurze Frage Mine Fields:
> Bist du Projektleiter ?

Nein, ich bin auch nur Entwickler, der vor genau den gleichen Zweifeln 
gestanden war. Und mir gefällt es auch immer noch nicht. Aber ich sehe 
das inzwischen einfach realistischer.

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Nein, das ist meistens nicht der Wunsch der Firmen, denn es senkt
> Deckungsbeitrag und Umsatz.
Meinst du damit, dass die Firmen so kalkulieren, dass das Produkt 
absichtlich nur eine bestimmte Zeit überleben soll ? Sodass der 
Verbraucher gezwungen ist, wieder ein neues Produkt zu kaufen, damit 
dadurch der Umsatz steigt ?
Solche Überlegungen gibt es scheinbar in der Tat. Ich habe mich heute 
mit meiner Mutter darüber unterhalten :)
Manche Elektronikprodukte sind so ausgelegt, dass sie im Schnitt nur 
noch einen Generationszyklus überleben, damit hinterher mehr Leute das 
neue wieder kaufen.

Das Argument, dass ich für ein besseres Produkt mehr Zeit benötige, 
zieht allerdings bei mir nicht. Denn mit guten Entwicklern und etwas 
Risikobereitschaft könnte ich es als Konkurrent auch schaffen innerhalb 
der gleichen Zeit ein qualitativ besseres Produkt zu liefern, was die 
Anforderungen genauso erfüllt und nicht mehr Geld kostet!

Mine Fields schrieb:
> Richtig! Aber dann ist es nicht mehr so gut wie möglich, sondern du
> musst schon massive Kompromisse eingehen.
Richtig. Es besteht allerdings zumindest die Möglichkeit, die Anzahl an 
Kompromisse zu minimieren, indem ich bei der ein oder anderen Lösung 
etwas mehr auf Risiko gehe, anstatt auf Nummer Sicher!

Ich vermute langsam, dass wir beide eigentlich von der strukturellen 
Denkweise uns gar nicht so sehr unterscheiden. Ich aber dagegen einen 
etwas anderen Maßstab setze als Du ...

In diesem Sinne..
Gute Nacht erstmal ;)

von Christoph B. (christophbudelmann) Benutzerseite


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Mine Fields schrieb:
> stephan schrieb:
>> Wäre es dir als Kunde nicht lieber, wenn z.B. der Motor von deinem Auto
>> im Durchschnitt 300.000km überlebt, anstatt nur 150.000km, obwohl du als
>> Kunde aber nur 150.000km gefordert hast ?
>
> Wenn ich das Auto eh nur 150tkm fahre, will ich kein Auto, das länger
> hält, mich aber mehr Geld kostet.

Genau das ist der Punkt. Technisch kann man natürlich Geräte bauen, die 
länger halten als anvisiert, nur treibt das die Kosten für die 
Entwicklung und Fertigung nach oben. Die meisten Kunden sind dann aber 
(gerade im Consumer-Bereich) nicht bereit diesen Mehrpreis zu zahlen.

von Christoph B. (christophbudelmann) Benutzerseite


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stephan schrieb:
> Mine Fields schrieb:
>> Nein, das ist meistens nicht der Wunsch der Firmen, denn es senkt
>> Deckungsbeitrag und Umsatz.
> Meinst du damit, dass die Firmen so kalkulieren, dass das Produkt
> absichtlich nur eine bestimmte Zeit überleben soll ? Sodass der
> Verbraucher gezwungen ist, wieder ein neues Produkt zu kaufen, damit
> dadurch der Umsatz steigt ?
> Solche Überlegungen gibt es scheinbar in der Tat. Ich habe mich heute
> mit meiner Mutter darüber unterhalten :)
> Manche Elektronikprodukte sind so ausgelegt, dass sie im Schnitt nur
> noch einen Generationszyklus überleben, damit hinterher mehr Leute das
> neue wieder kaufen.

Nein, die Hintergründe habe ich ja schon oben beschrieben.

Mal ein konkretes Beispiel: Ein heutiger USB-Hub hat in der Regel nichts 
an Schutzbeschaltung drin - keinen ESD-Schutz, keine Strombegrenzung für 
die Ports, etc. Gleichwohl weisen Hubs, die wir in Industrie-Projekten 
auf den Boards implementieren, alle diese Komponenten auf. Die kosten 
natürlich schlicht Geld - vielleicht nicht viel pro Schaltung, aber wenn 
Kunden ausschließlich auf den Preis achten, ist dies ein 
Wettbewerbsnachteil. Im Industrie-Umfeld zahlt man auch immer für 
Ausfallsicherheit, im Consumer-Bereich ist dies (leider) in der Regel 
nicht der Fall.

stephan schrieb:
> Das Argument, dass ich für ein besseres Produkt mehr Zeit benötige,
> zieht allerdings bei mir nicht. Denn mit guten Entwicklern und etwas
> Risikobereitschaft könnte ich es als Konkurrent auch schaffen innerhalb
> der gleichen Zeit ein qualitativ besseres Produkt zu liefern, was die
> Anforderungen genauso erfüllt und nicht mehr Geld kostet!

Mit den gleichen Entwicklern und dem gleichen Management dahinter 
schaffst du es allerdings in der Regel nicht. Zwei unterschiedliche 
Entwicklungsabteilungen hingegen zu vergleichen, macht aus deiner 
(Produkt basierten) Argumentation meines Erachtens keinen Sinn, da die 
Unterschiede bei den Personen und nicht beim Produkt liegen.

von Timm T. (Gast)


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Christoph Budelmann schrieb:
> Im Industrie-Umfeld zahlt man auch immer für
> Ausfallsicherheit, im Consumer-Bereich ist dies (leider) in der Regel
> nicht der Fall.

Was aber nicht daran liegt, dass der Kunde es nicht nehmen würde und 
eventuell auch mehr bezahlen würde, sondern dass der normale Konsumer es 
nicht einschätzen kann, ob

- das wichtig ist
- das Gerät das kann
- er davon einen Mehrwert hat, der den höheren Preis rechtfertigt

Man sieht das so einem blöden Hub nunmal nicht an.

Dass der Wille, für Ausfallsicherheit Geld auszugeben da ist, zeigen ja 
die unsinnigen Überspannungsschutz-Steckerleisten, die für viel Geld 
weggehen.

von Christoph B. (christophbudelmann) Benutzerseite


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Timm Thaler schrieb:
> Christoph Budelmann schrieb:
>> Im Industrie-Umfeld zahlt man auch immer für
>> Ausfallsicherheit, im Consumer-Bereich ist dies (leider) in der Regel
>> nicht der Fall.
>
> Was aber nicht daran liegt, dass der Kunde es nicht nehmen würde und
> eventuell auch mehr bezahlen würde, sondern dass der normale Konsumer es
> nicht einschätzen kann, ob
>
> - das wichtig ist
> - das Gerät das kann
> - er davon einen Mehrwert hat, der den höheren Preis rechtfertigt

Ja, das stimmt absolut. Nur das Ergebnis ist genau das was ich 
beschrieben habe. Industriekunden kann ich den Mehrwert kommunizieren, 
im Consumer-Bereich ist das wesentlich schwieriger (zumal das Fachwissen 
von "Fach"-Verkäufern in den meisten "Fach"-Märkten sehr zu wünschen 
übrig lässt...).

von horst (Gast)


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Business as usual.
Dass Du parallel zur Entwicklung an deinem Vorschlag forschen darfst 
spricht doch sehr für deine Firma. In vielen Firmen / bei vielen 
Projektleitern wäre das einfach abgelehnt worden.
Willkommen in der Realität.

von stephan (Gast)


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horst schrieb:
> Dass Du parallel zur Entwicklung an deinem Vorschlag forschen darfst
> spricht doch sehr für deine Firma.

so kann mans natürlich auch sehen ;)

Sieht meine Erkenntnis also so aus, dass es in anderen Firmen vermutlich 
eher schlimmer ist ?

Apropos:
Ich arbeite im Automotive Bereich

von stephan (Gast)


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> Budelmann Elektronik

Der Name ist lustig !
Hört sich an wie ein Teddybär ;-)

von Mine Fields (Gast)


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stephan schrieb:
> Das Argument, dass ich für ein besseres Produkt mehr Zeit benötige,
> zieht allerdings bei mir nicht. Denn mit guten Entwicklern und etwas
> Risikobereitschaft könnte ich es als Konkurrent auch schaffen innerhalb
> der gleichen Zeit ein qualitativ besseres Produkt zu liefern, was die
> Anforderungen genauso erfüllt und nicht mehr Geld kostet!

Als kleine Firma kann man wahrscheinlich jeden größeren Betrieb 
hinsichtlich Zeitaufwand und Qualität schlagen, sofern man gleich 
qualifizierte Leute hat. Aber auch das muss man erst einmal finanzieren.

stephan schrieb:
> Ich vermute langsam, dass wir beide eigentlich von der strukturellen
> Denkweise uns gar nicht so sehr unterscheiden. Ich aber dagegen einen
> etwas anderen Maßstab setze als Du ...

Ich persönlich würde natürlich auch einen anderen Maßstab ansetzen. Ich 
weiß aber inzwischen, dass das meistens nicht möglich ist und wollte das 
dir nur nahelegen.

stephan schrieb:
> Sieht meine Erkenntnis also so aus, dass es in anderen Firmen vermutlich
> eher schlimmer ist ?

Ja, es gibt sicher Firmen, bei denen das noch schlimmer ist. Man findet 
sicher auch Firmen, bei denen es viel besser läuft, aber die 
Wahrscheinlichkeit, dass du durch einen Jobwechsel eine solche Firma 
findest, ist eher gering.

von Wilhelm F. (Gast)


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stephan schrieb:

> Apropos:
> Ich arbeite im Automotive Bereich

Ist das was besonderes gegenüber anderen Bereichen?

von stephan (Gast)


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Mine Fields schrieb:
> Man findet
> sicher auch Firmen, bei denen es viel besser läuft, aber die
> Wahrscheinlichkeit, dass du durch einen Jobwechsel eine solche Firma
> findest, ist eher gering.

Dann sollte ich auch nicht mehr darüber nachdenken.

Dass mir diese Studie überhaupt genehmigt wurde, ist ja schon viel Wert 
denke ich mitlerweile.
Und wer weiß, vielleicht habe ich ja doch noch Glück, je nach Ergebnis.
Wenn nicht, dann habe ich wenigstens schon die notwendige Erfahrung für 
die nächste Generation.

von Michael K. (charles_b)


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Christoph Budelmann schrieb:
stet.
>
> Genau das ist der Punkt. Technisch kann man natürlich Geräte bauen, die
> länger halten als anvisiert, nur treibt das die Kosten für die
> Entwicklung und Fertigung nach oben. Die meisten Kunden sind dann aber
> (gerade im Consumer-Bereich) nicht bereit diesen Mehrpreis zu zahlen.

Oft würde es ja schon genügen, wenn man die Geräte mit Schrauben 
ausstattet statt mit abbrechenden und klappernden Plastiknasen. Wer 
heute mal an seinem Auto was abmontieren möchte, hat doch ne große 
Chance dass er erst mal was zerstört.

Für ein Auto, welches mit anständigem Werkzeug zerlegbar ist, würden 
sicherlich viele Leute ein paar Prozent mehr hinlegen.

Beste Waffe gegen die Weg-Werfe: Quittungen aufheben. Kaum einer hat 
noch die Rechnung vom mp3-Player für 30 Euro, wenn dieser nach knapp 2 
Jahren den Geist aufgibt. Hin zum Laden und Garantie verlangen - dann 
hören sie auch auf, nur solchen Schrott anzubieten.

von asdfas (Gast)


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