Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik wozu negative Spannung zum Treiben von VFD-Displays ?


von Lochrasterfan (Gast)


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Hallo zusammen,

ich hab' mich in letzter Zeit mit VFD-Displays befasst.
Auf den Bastelseiten, die ich im Netz gefunden habe, werden die Gitter 
und die Segmente der Displays stets mit einer positiven Spannung 
angesteuert. Pulldown-Widerstände sorgen dafür, dass die Segmente auch 
wirklich aus gehen.
Das deckt sich auch mit dem bisschen "Röhrenkunde", die ich aus dem 
Physikunterricht noch behalten habe: Elektronen treten aus dem glühenden 
Heizdraht aus und werden in Richtung Gitter/Anode beschleunigt.

So weit so gut. Zwei Verständnisfragen habe ich:

--> Alle Schaltungen aus kommerziellen Geräten, die ich bisher 
untersucht habe (Controller: µA1704, MIC 10941/10939, 87CH74F), arbeiten 
mit negativen Spannungen. Die Datenblätter geben nicht wirklich 
Aufschluss, warum. Kann jemand was erhellendes dazu sagen?

--> Das Potenzial der Heizdrähte wird laut dieser Anleitung
http://hem.passagen.se/communication/vfd.html
über eine Mittelanzapfung mit GND verbunden. Die von mir untersuchten 
Schaltungen arbeiten aber mit einer einzigen Trafowindung, die mal "frei 
in der Luft hängt" oder über andere Schaltungen (Widerstand, Z-Diode, 
Elko) an das Potenzial der restlichen elektronik angeschlossen sind. 
Warum die Heizdrähte mit Wechselspannung betrieben werden, ist mir klar, 
aber welchen Sinn hat es, die Heizdrähte mit der restlichen Schaltung zu 
verbinden?

Wäre cool, wenn sich hier Leute finden, die sich damit auskennen.

: Verschoben durch Admin
von Thosch (Gast)


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Lochrasterfan schrieb:
> Warum die Heizdrähte mit Wechselspannung betrieben werden, ist mir klar,
> aber welchen Sinn hat es, die Heizdrähte mit der restlichen Schaltung zu
> verbinden?

Die Heizdrähte sind direkt geheizte Kathoden!

Gruß,
Thosch

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Thosch schrieb:
> Die Heizdrähte sind direkt geheizte Kathoden!

Zudem: aufgrund der vergleichsweise geringen Anodenspannung gibt es
ein nennenswertes Potenzialgefälle zwischen dem negativen und dem
positiven Ende der Katode, das, wenn man eine reine Gleichstromheizung
benutzen würde, zu deutlich sichtbaren Helligkeitsunterschieden führt.
Daher heizt man mit Wechselspannung und legt das Katodenpotenzial in
die Mitte der Heizwicklung (zumindest virtuell).

Warum die genannten ICs mit negativen Spannungen arbeiten, weiß ich
aber auch nicht.  Aktuelle ICs (wie ein MAX6921) arbeiten sehr wohl
auch mit positiven Spannungen.  Möglicherweise konnte man früher auf
diese Weise besser die Logikpegel gemeinsam mit den "Hochspannungs"-
Stufen auf einem IC integrieren.

von Lochrasterfan (Gast)


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Thosch schrieb:
> Die Heizdrähte sind direkt geheizte Kathoden!

... bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe: Heißt das: Deswegen 
muss ihr Potenzial gegenüber den Anoden definiert sein?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Lochrasterfan schrieb:
> Heißt das: Deswegen
> muss ihr Potenzial gegenüber den Anoden definiert sein?

Erstens das, und zweitens muss natürlich auch der Anodenstrom darüber
fließen.  Wolang denn sonst?

von Peter R. (pnu)


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Für ausreichende Helligkeit müssen die aus der Kathode ausgetretenen 
Elektronen schon 30V Beschleunigungsspannung durchlaufen haben,wenn sie 
auf den leuchtstoffbeschichteten Anoden auftreffen.

Da bei einfacher Logik die Signalverarbeitung zwischen 0V und +5V 
arbeitet, muss die Kathode eben auf -21V oder -26V liegen. Sonst 
entstehen ja die 30V Potentialdifferenz nicht.

Wenn man die Kathode auf 0V legt, müsste man recht aufwändige Treiber 
zwische Logik und Anoden/Gitter des Display legen, da diese dann +24V 
oder +30V schalten müssten.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Peter R. schrieb:
> Wenn man die Kathode auf 0V legt, müsste man recht aufwändige Treiber
> zwische Logik und Anoden/Gitter des Display legen, da diese dann +24V
> oder +30V schalten müssten.

Genau das ist es jedoch, was besagter MAX6921 tut.

Kann das sein, dass diese alten ICs einfach nur die 5 V ein- und
ausgeschaltet haben, und dadurch zusammen mit der negativen
Katodenspannung dann die Gitter- bzw. Anodenspannungsdifferenz
zwischen bspw. 25 V und 30 V umgeschaltet haben?  Das würde zumindest
die Benutzung der negativen Spannung für die Katode erklären,
wenngleich es mich wundert, dass die 5 V Unterschied wirklich genügen,
die nicht angesteuerten Stellen und Segmente dunkel genug zu bekommen.

von Sascha W. (sascha-w)


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oder die Treiber waren OC und haben die Anoden nur auf GND geschaltet 
und im ausgeschalteten Zustand haben die erwähnten PullDown's die 
Annoden auf -xV gezogen. Weiß zwar nicht was die Transistoren der 
OC-Ausgänge dazu sagen?

Sascha

von Nosnibor (Gast)


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Ich habe mir das auch immer mit OC-Treibern erklärt. Also daß die 
Ausgänge open-collector-PNP-Transistoren (oder das entsprechende 
FET-Äquivalent) sind. Die können die Anoden dann mit +5V verbinden, 
damit es leuchtet, oder eben sperren, so daß kein Strom fließen kann und 
nichts leuchtet. Für die Gitteranschlüsse spendiert man dann noch 
pull-down-Widerstände nach -25V, damit sie sicher sperren, wenn der 
dazugehörige Transistor sperrt.

Wenn man stattdessen +30V und open-collector-NPN verwenden will, braucht 
man für jede Anode einen Pullup, durch den beim Leuchten der Anodenstrom 
fließt und bei Dunkelheit noch mehr Strom, weil der Treibertransistor 
die Anode nach Masse zieht. Stromverschwendung.

Wenn man pro Pin zwei Transistoren spendiert, geht es auch mit +30V: 
einen OC-PNP, der den Ausgang nach +30V ziehen kann (damit es leuchtet), 
und davor einen OC-NPN, der dem PNP Basisstrom gibt, wenn's leuchten 
soll. Der NPN wird dann mit ganz normalem Logikpegel angesteuert. Das 
ist übersichtlicher, wenn man Vorurteile gegen negative Spannungen hat, 
und auf die zusätzlichen Transistoren kommt es nicht so an, wenn sie auf 
einem Chip stecken, dessen Zweck es ist, das VFD zu treiben. Aber die 
alten Taschenrechner- und Videorecorderchips waren ja universelle 
Microcontroller, da wäre es unpraktisch, wenn sich bestimmte Pins nur 
noch als VFD-Ausgang eignen. Durch den Trick mit der negativen Spannung 
kann man die VFD-tauglichen Ausgänge immer noch als normale 
Logikausgänge nutzen (ggf. mit pulldown), wenn man mal weniger VFD-Pins 
braucht.

von Sebastian (Gast)


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Die Erklärung von Nosnibor klingt für mich gut, aber ich erinnere mich 
schwach, mal in einem Datenblatt eines VFD-Treibers (war wohl OKI oder 
so, jedenfalls ein Japaner) gelesen zu haben, daß die negative Spannung 
ein Nachleuchten ausgeschalteter Segmente/Ziffern ("Ghosting") 
verhindern soll, also daß die Treiber offensichtlich einen Ausgangspegel 
von ca. +30V oder eine etwas unter Null (bezogen auf die Heizkathode) 
liegende Spannung liefern.
In Schaltungen, die solche aufwendigen Treiber nicht haben, wird gern 
die Verbindung zwischen Logikmasse und Heizung über eine Zenerdiode 
hergestellt, so daß die Logik um die Zenerspannung tiefer liegt.
Die meisten Schaltungen im Netz verzichten darauf. Vielleicht ist es 
viel Aufwand für wenig Nutzen?

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