Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Firmengründung


von eskr (Gast)


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Hallo,

ich habe mal eine prinzipielle Frage was Firmengründungen bzw. 
rechtliche Angelegenheiten betrifft:

Ich habe einen Abschluss als Dipl.-Ing. (FH) Elektrotechnik - 
Automatisierungstechnik und arbeite als Elektro-Konstrukteur in einer 
Maschinen-/Anlagenbaufirma.

Nehmen wir an, ich verfüge über mehrjährige Berufserfahrung in dieser 
Branche (inkl. elektrische / mechanische Inbetriebnahme, 
"Schraubarbeiten" etc.) und habe mir privat in Sachen Maschinenbau alle 
notwendigen Kenntnisse angeeignet, um Maschinen auch mechanisch 
konstruieren zu können, jedoch ohne jegliche Zertifikate/Abschlüsse.

Dürfte ich rechtlich gesehen auf selbstständiger Basis oder als 
Geschäftsführer einer selbst gegründeten Firma Maschinen vollständig 
konstruieren oder benötige ich zwingend einen Maschinenbauer hierfür?

Vielen Dank im voraus!

LG

eskr

von Purzel H. (hacky)


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Du kannst irgendeine Firma gruenden. Wissen und Koennen braucht man dazu 
nicht. Bei der Geschaeftsausuebung hat man sinnvollerweise etwas Wissen 
und Koennen. Irgendwas kommt dann die Haftung, und dann sollte man schon 
etwas koennen, sonst lehnt jede Versicherung die Haftung ab.

von Rudi Radlos (Gast)


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Es gibt Existenzgründerlehrgänge. Da werden Dir einige Sachen 
beigebracht, die Du nötig brauchen wirst. Rechtsberatung wird HIER aus 
gutem Grund keiner machen. Man könnte aber mal fragen ob einer einen 
analogen Fall kennt...

von Johannes V. (j-v)


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Hallo miteinander,

also meiner Meinung nach benötigst Du einen Mechanikermeister. Sonst 
darfst Du keine Maschine herstellen. Ich persönlich kenne einen 
altgedienten Maschinenbau-Ingenieur der dies mißachtet hat und deswegen 
einen riesen Ärger hatte. Er hat einfach gegründet(in den 70igern) und 
Anlagen gebaut. Es gibt aber einige Scheinkonstrukte um dies zu umgehen.
 Näheres dazu weiß ich aber nicht.

Gruß, Johannes

von Mark B. (markbrandis)


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Ich würde bei der IHK nachfragen. Oder bei einem Anwalt, der sich mit 
dem Themengebiet auskennt.

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Mark,

> Ich würde bei der IHK nachfragen. Oder bei einem Anwalt, der sich mit
> dem Themengebiet auskennt.

Bei der IHK. Die haben den Auftrag der Wirtschaftsförderung, die fassen 
auch mehrere Möchtegern-Gründer zusammen. Das ist effizienter. Der 
Anwalt wird hinterher auch gebraucht, aber der dürfte für den Einzelfall 
zu viel kosten pro Stunde.

Ciao
Wolfgang Horn

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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eskr schrieb:

> Nehmen wir an, ich verfüge über mehrjährige Berufserfahrung in dieser
> Branche (inkl. elektrische / mechanische Inbetriebnahme,
> "Schraubarbeiten" etc.) und habe mir privat in Sachen Maschinenbau alle
> notwendigen Kenntnisse angeeignet, um Maschinen auch mechanisch
> konstruieren zu können, jedoch ohne jegliche Zertifikate/Abschlüsse.
>
> Dürfte ich rechtlich gesehen auf selbstständiger Basis oder als
> Geschäftsführer einer selbst gegründeten Firma Maschinen vollständig
> konstruieren oder benötige ich zwingend einen Maschinenbauer hierfür?

Selbstverständlich darf jeder in diesem Lande Maschinen konstuieren, 
herstellen und auch verkaufen. Ich bin selbstständiger Informatiker und 
wir entwicklen auch elektronische Schaltungen, Geräte usw.

Einen Meisterbrief benötigst Du nur, wenn es um wirklich Handwerkliches 
geht. Ein wichtiges Indiz dafür ist, dass es sich um auf den jeweiligen 
Kunden Zugeschnittenes und Angepasstes handelt, also quasi Einzelstücke; 
oder auch Reparaturen usw. (aber auch dann kann es sich immer noch um 
eine Ingenieurleistung handeln, wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe 
hat)

Stellst Du Deine Maschinen bspw. in Serie her, ist das industrielle 
Fertigung, die jeder durchführen kann.

Schreib das so auch in die Gewerbeanmeldung: "industrielle Fertigung".

Aber ich würde mich auch bei der IHK beraten lassen - ist üblicherweise 
kostenfrei. Und da die Dich auch gerne haben wollen, werden Sie Dir auch 
die nötigen "Tricks" verraten, um nicht in die HWK-Zuständigkeit zu 
fallen ;-)

Chris D.

von Purzel H. (hacky)


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>also meiner Meinung nach benötigst Du einen Mechanikermeister. Sonst
darfst Du keine Maschine herstellen.

Das wird ja hoechstens kleines Zeug betreffen. Eine Spritzform oder so. 
Bei einem Tunnelbohrgeraet hilft ein Mechanikermeister nichts.

von Johannes V. (j-v)


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Milli Oschi schrieb:
> Das wird ja hoechstens kleines Zeug betreffen. Eine Spritzform oder so.
> Bei einem Tunnelbohrgeraet hilft ein Mechanikermeister nichts.

Das ist ja immer so. Das sind Regeln aus dem Mittelalter. Es ist auch 
überhaupt nicht so, daß ich das gut finde. Ich habe selber bei als 
MB.-Student bei einem kleinen Sondermaschinenbauer gearbeitet. Da war 
das auf jeden Fall so. Mein Chef war Mechanikermeister.

Meiner Meinung nach sorgen die Handwerkskammern sehr gut für ihr 
Clientel.
So sind dann halt diese abstrusen Regeln zu erklären.

Das Beispiel mit der Tunnelbohrmaschine trifft es ja ganz gut, aber es 
ist nunmal so. Wie es bei einer Anmeldung als Industriebetrieb(IHK) 
aussieht kann ich nicht sagen.

Johannes

von Gästle (Gast)


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Der TO will ja nur konstruieren, von einer Fertigung schreibt er nichts. 
Das darf er auch. Das mit dem Meisterzwang kommt aus dem klassischen 
Handwerk und gilt nur für die "gefahrgeneigten" Berufe.

von Tommy S. (tommys)


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Hi,

ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen: wurde nicht vor 
einigen Jahren der Meisterzwang bei vielen Berufen rausgenommen? Ich 
habe in Erinnerung, dass es irgendwo eine Liste gibt, in der die ganzen 
"Meisterpflichtigen" Berufe/Gewerbe aufgeführt sind...

Grüsse,
TommyS

http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article191070/Fuer-diese-Berufe-bleibt-der-Meisterzwang.html

von Harry U. (harryup)


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...'gefahrgeneigten'...
jepp, wie zum Beispiel der Gebäudereinigermeister, zu Altdeutsch 
Fensterputzer...

von eskr (Gast)


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Hallo,

danke für die zahlreichen Antworten!

Es bestehen Momentan keine konkreten Pläne, das war nur aus reinem 
Interesse, da ich vorhabe, in den nächsten Jahren beruflich nach und 
nach auf den eigenen Beinen zu stehen. Ich wollte einfach nur mal nach 
eurer Meinung fragen. Selbstverständlich werde ich wenn alles Ernst wird 
mich von entsprechenden Stellen ausführlich beraten lassen ;)

In meinem Fall wäre das ganze tatsächlich zunächst reine 
Konstruktionsarbeit mangels passender Bearbeitungsmaschinen. Fertigung 
wäre also extern. (Wenn alles glatt läuft nur vorerst ;) ).

Wie bereits von Rudi Radlos angesprochen, würde ich mich falls analoge 
Fälle bekannt sind sehr dafür interessieren ;)

LG

eskr

von robocash (Gast)


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Es wird Maschinen geben, die Personenschäden verursachen können. 
Stichworte sind:

+ Dauerfestigkeit, Wöhlerkurve (wie bei der ICE Radachse).
+ Zug- und Scherfestigkeitsnachweis.
+ Schweißarbeiten.
+ Druckbehälter.
+ Gespannte Federn.

Ja und da habe ich die Idee, dass der TÜV dir das vielleicht begutachten 
könnte. Es kann dazu kommen, dass du irgendwelche Entwicklungsprozesse, 
wie ISO-9001 einhalten musst, was der TÜV dann mit dir verhandelt. 
Angenommen du baust ein Fahrradschutzblech, das bei einem Sturz nicht 
nachgibt und jemanden verletzt. Dann würde der Prozess da Tests 
verlangen, z.B. Fehler-Bäume.

Für die Selbständigen verlangt man auch verschiedenes Geld-Wissen, wie 
BWL und Steuern. Das kommt aber im Studium dran.

von Purzel H. (hacky)


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Ja. Man braucht als Selbstaendiger vieles zusaetzliches Wissen. Die 
Pruef- und Sicherheitsnormen muessen bekannt sein. Man muss Beziehungen 
zu Pruefzentren haben. Mann muss nicht nur einen Prototypen konstruieren 
und bauen lassen koennen, sondern auch Serien konstruieren, planen, und 
vergeben koennen.
Es wird Kunden geben, die sind vom Fach, wissen worum's geht und haben 
ein Problem : Sie haben keine Kapazitaet, muessen es sofort und 
ultraguenstig haben. Dann gibt es fachfremde Kunden. Die haben eine 
loose Idee, lassen dich Ideen produzieren, und aendern die Anforderungen 
laufend. Sie kommen mit immer neuen Details, die man besser haette am 
Anfang wissen sollen. Wenn man denen einen Entwurf zu detailiert gibt 
und sie das Gefuehl haben der Preis sei zu hoch - er ist immer zu hoch - 
gehen sie damit zu einem Anderen, den den ganzen Vorlauf nicht machen 
muss und daher guenstiger sein kann. Dann gibt es die Schnorrer, die 
immer von 10000er Serien reden, aber erst mal den Prototypen zu 
Selbstkosten wollen - die richtige Kosten wuerden dann auf die Serie 
abgewaelzt. Die Serie kommt aber nicht. Sie wollten nur das eine Stueck.

von Michael S. (technicans)


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robocash schrieb:
> ISO-9001

Ich kenne das nur als Bestandteil/Grundlage eines
Qualtätsmangementsystems, was aber freiwillig ist,
sofern Kunden dies nicht verlangen.

Im Maschinenbau gibts doch das Maschinenschutzgesetz,
und das wird man wohl beachten müssen.

von Mine Fields (Gast)


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Milli Oschi schrieb:
> Ja. Man braucht als Selbstaendiger vieles zusaetzliches Wissen. Die
> Pruef- und Sicherheitsnormen muessen bekannt sein.

Das brauchst du nicht nur als Selbstständiger, sondern immer als 
Ingenieur in Konstruktion und Entwicklung! Sollte daher mit mehrjähriger 
einschlägiger Berufserfahrung kein Thema sein.

Und ein Meister hilft dir da auch nicht weiter, der lernt das erst recht 
nicht.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Ah, was ich noch vergaß :-)

Als Selbstständiger benötigst Du vor allem auch kaufmännisches Wissen!

Das kann man sich natürlich selbst aneignen, aber es sollte vor der 
Gründung passieren.

Dieses Wissen ist wichtiger als Dein fachspezifisches Wissen!

Merke:
Ein guter Ingenieur und schlechter Kaufmann scheitert -
Ein schlechter Ingenieur und guter Kaufmann nicht!

Chris D.

von Tommy S. (tommys)


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Hi,

ich kann Chris D. nur vollkommen zustimmen. Ich musste das kaufmännische 
Wissen auf die harte Tour lernen, weil ich auch gedacht habe, dass man 
als guter Techniker automatisch erfolgreich sein wird. Das war vor knapp 
12 Jahren. Vor 10 Jahren kam dann die Ernüchterung. Das "auf die 
Schnautze fliegen" hat also nur 2 Jahre gebraucht. In dieser Zeit habe 
ich allerdings viel Geld in den Sand gesetzt...

Ich kann daher nur empfehlen: Idee haben, Existenzgründerseminar 
besuchen, kaufmännische Grundlagen und Buchhaltung lernen (nicht bis ins 
kleinste Detail, aber ein etwas tiefergehender Überblick ist notwendig), 
Marketing- und Vertriebsgrundlagen lernen, Überprüfung der Idee, 
zuletzt: durchstarten.

Grüsse,
TommyS

von Mine Fields (Gast)


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Man muss aber aufpassen, dass man "kaufmännische Kenntnisse" nicht auf 
das Handwerkszeug wie Buchhaltung reduziert. Das wäre ein großer Fehler, 
denn die Buchhaltung ist eigentlich nur ein Randthema, das allenfalls 
zum Verständnis der Zusammenhänge beiträgt. Die Buchhaltung selbst kann 
dann in der Regel der Steuerberater erledigen.

Das wichtigste Thema in diesem Bereich ist sicherlich das Marketing. 
Ohne Marketing verkauft sich das beste Produkt nicht. Wichtige Themen 
sind dann auch noch Liquidität und Kostenrechnung/Kalkulation. Wenn man 
das beherrscht hat man sicherlich die meisten Hürden in dem Bereich 
genommen.

Inzwischen sollten diese Themen auch in jedem Ingenieursstudiengang 
behandelt werden.

von Christoph B. (christophbudelmann) Benutzerseite


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Mine Fields schrieb:
> Man muss aber aufpassen, dass man "kaufmännische Kenntnisse" nicht auf
> das Handwerkszeug wie Buchhaltung reduziert. Das wäre ein großer Fehler,
> denn die Buchhaltung ist eigentlich nur ein Randthema, das allenfalls
> zum Verständnis der Zusammenhänge beiträgt. Die Buchhaltung selbst kann
> dann in der Regel der Steuerberater erledigen.

Volle Zustimmung. Die Buchhaltung jemand anders machen zu lassen rechnet 
sich auch durchaus, da man die Zeit für Projekte meist besser nutzen 
kann.

> Das wichtigste Thema in diesem Bereich ist sicherlich das Marketing.
> Ohne Marketing verkauft sich das beste Produkt nicht. Wichtige Themen
> sind dann auch noch Liquidität und Kostenrechnung/Kalkulation. Wenn man
> das beherrscht hat man sicherlich die meisten Hürden in dem Bereich
> genommen.

Ja, Marketing einerseits, Controlling andererseits. Letzteres klappt 
selbst in vielen größeren mittelständischen Firmen nicht wirklich, 
gerade wenn die Geschäftsführer nur aus dem technischen Bereich kommen.

> Inzwischen sollten diese Themen auch in jedem Ingenieursstudiengang
> behandelt werden.

Ja, "BWL für Ingenieure" ist leider nicht ausreichend.

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