Ich schreibe hier gerade die Dokumentation zu meiner Studienarbeit. Ich möchte meinem Dozenten weder Dummheit noch Faulheit unterstellen, aber dennoch habe ich das Gefühl, ziemlich viel Bullshit mit abgeben zu können, ohne dass dieser erkannt werden könnte: a) Erklärungen, wie das Zeugs funktioniert: Ob eine Erklärung gut ist, kann man in weitem Rahmen nicht genau beurteilen. Also kann höchstens bewertet werden, ob alles irgendwie dokumentiert ist, aber nicht wie gut. Mit sowas kommen ja selbst Uniprofessoren durch, da die Studenten bei katastrophalen Erklärungen einfach denken, es sei zu kompliziert. b) Genauigkeit und Wahrheitsgehalt: Bei vielen Experimenten können Daten so ausgewählt oder gar frisiert werden, dass das gewünschte Bild entsteht. Ohne genaue Kenntnis und erneutes Ausführen der Experimente kann sowas nicht entdeckt werden. c) Korrektheit und Bugs: Gerade in Signalverarbeitungssystemen können kleine Programmierfehler zu signifikanten Genauigkeitseinbussen führen. Es ist dann oft nicht ersichtlich, ob das Ding "an sich" ungenau ist oder ob eben ein Fehler vorliegt. Auch hier bestehen kaum Chancen, ohne detailierte Untersuchungen eine vernünftige Bewertung zu machen. Unter dem Strich: Mein Dozent hat doch eigentlich kaum Chancen, meine Arbeit objektiv zu bewerten, ohne einen gewissen Teil davon selbst nochmals durchzuführen. Letztenendes ist also wichtiger, dass sich die Dokumentation irgendwie gut anhört als dass ich wirklich etwas geleistet habe. Das setzt schon gefährliche Anreize...
Naja zumindest zu meiner Zeit war es so, dass Studien- und Diplomarbeiten immer durch 2 Personen betreut wurden, einen Hochschulbetreuer und einen betrieblichen Betreuer. Weiterhin haben Studienarbeiten im Wesentlichen das Ziel auf wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftliches Schreiben vorzubereiten, sprich auf die Diplom-, Bachelor- oder Masterarbeit. Wenn dein Hochschulbetreuer eine Arbeit bewerten soll, die nicht direkt in seinem Institut oder seinem Labor läuft, magst du Recht haben mit deinen Zweifeln, aber dazu ist i.d.R. dann der betriebliche Betreuer da. Der Hochschulprofessor bewertet bei Arbeiten außerhalb seiner Hochschule im Wesentlichen das vorliegende Papier. Aber daraus kann man schon eine Menge entnehmen, u.A. wie ist der Kandidat in der Lage: - komplexe Sachverhalte zu beschreiben, - den Stand der Technik zu analysieren und seine Arbeiten von diesem abzuheben - nachvollziehbar seine Messergebnisse // Funktionalitäten // Stabilitätsbeweise darzustellen - Probleme zu erkennen und richtige Schlüsse abzuleiten - Vorschläge zu weiterführenden Arbeiten zu machen (es gibt nichts was fertig ist) - eine Art „roten Faden“ durch die gesamte Arbeit zu gewährleisten - wissenschaftlich zu schreiben Würde es für die Programmierung und Dokumentation einer Anlagensteuerung, (mal angenommen ein Zementwerk bzw. Teile davon) wenn man diese als Masterarbeit einreicht, einen Master geben, müssten ja viele Elektriker oder Techniker einen Master erhalten. Den eben würden sie aber nicht erhalten, auch wenn die Steuerung einwandfrei arbeitet. In einer wissenschaftlichen Arbeit (vorgelagert halt als „Übung“ die Studienarbeit“) geht es vielmehr um die Hintergründe: - wie ist der Prozess ? - was wird wo, wie, wann und warum gesteuert / geregelt ? - was ist durch die neue Steuerung nun besser als durch die alte ? - was haben andere auf dem Gebiet so getan (Stand der Technik) ? - welche Hardware/Softwarekomponenten wählt man aus und warum ? In Bezug auf Schaltungsentwicklung und/oder Layouts: - Was ist an der Schaltung neu im Vergleich zu anderen ? - Warum wurde diese so konzipiert und nicht anders ? - Erklärungen zur Funktionsweise wichtiger Schaltungsbestandteile - Was wurde beim Layout besonders beachtet ? - Welche Probleme traten auf bei Inbetriebnahme und Tests und wie wurden sie versucht zu beseitigen ? Meist ist hier ja auch Informatik (PC-Ankopplung oder Firmeware) gefragt: - Wie läuft die Datenkommunikation (Handshakes, etc.) - Herausstellen wichtiger Softwarefunktionalitäten und deren Erläuterung - Laufzeittests, wenn es um Realtime geht Das „Zusammenhämmern“ eines Softwareprogrammes oder das Layouten und Bauen einer Schaltung macht noch keinen Diplom-Ingenieur/Bachelor/Master. Für ein Hochschulstudium geht es vor Allem um ingenieurmäßiges Herangehen an Problemstellungen und deren ingenieurmäßige Lösung. Dies in Verbindung mit der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten. Und das genau soll in einer Diplom-/Bachelor-/Masterarbeit unter Beweis gestellt werden. Und dies anhand des abgegebenen Papiers bewerten kann ein Professor durchaus. Sicherlich hat dies Grenzen aber im Großen und Ganzen lässt sich anhand der abgegebenen Arbeit schon relativ viel erkennen. Für die Funktionalität des „Meisterstücks“, sprich ob nun die Schaltung / das Programm // die Regelung // die Messerfassung oder was auch immer nun korrekt bzw. ausreichend funktioniert, hat bei mir zumindest der betriebliche Betreuer beurteilt, in dessen Entwicklungsabteilung ich saß während meines Praxissemesters, über welches ich dann meine Diplomarbeit anfertigte, sprich das beschrieb, was ich dort gemacht habe unter Beachtung sämtlicher Randbedingungen und dem was ich weiter oben schrieb. Es gibt übrigens auch Diplomarbeiten, die beschreiben warum irgendetwas eben nicht zu realisieren ist, z.B. die Regelung eines Bioreaktors mit einem konventionellen Regler, weil eine Reihe Parameter unbekannt sind, die dann zum Ergebnis kommt Fuzzy-/Neuro-Regler einzusetzen und entsprechende Vorschläge erarbeitet. Kern der Arbeit sind dann eben die Prozessanalyse, Messungen und das Beschreiben warum etwas so nicht geht und die Herausarbeitung von anderen Lösungen für weiterführende Arbeiten. Diese Arbeiten können auch mit "sehr gut" bewertet werden auch wenn nichts funktioniert in diesem Fall, weil eben ingenieurmäßig herausgefunden wurde und wiss. erklärt, warum es nicht funktionieren kann. Ansonsten haben die meisten Institute Leitlinien für das wissenschaftliche Arbeiten, u.A. auch für die Durchführung und Dokumentation von Mess-/Versuchsergebnissen. Wenn du also nicht gerade allein im Labor sitzt und i.d.R. arbeitet man dort in Teams ist da nichts mit Messwertfälschen oder Hindrehen durch Interpolation. Bei Schaltungen oder Softwareprogrammen kommen Fehler auch irgendwann mal heraus, bei der weiteren Entwicklung bzw. der Nachnutzung. Fehler / Softwarebugs sind da auch „normal“ solange man halt nichts absichtlich „verschönbessert“ in seiner schriftlichen Arbeit. Das wäre mir persönlich auch viel zu heikel, da so etwas bei Vorsatz auch nach Jahren noch zur Aberkennung des Titels führen kann. Zu a): hatte ich beschrieben, es geht um eine ingenieurmäßige Herangehensweise/Lösung und die wiss. Beschreibung des „Ganzen“ unter Beachtung wesentlicher Randbedingungen und dem Stand der Technik. Es geht nicht darum eine Bedienungsanleitung für ein Gerät oder eine Software zu schreiben. Zu b): Dem ist wohl so. Aber solch bahnbrechend neue Versuche mit Messwerten, die die Welt noch nicht gesehen hat, gibt es nur äußerst selten und wenn werden sie mit Sicherheit verifiziert . Die meisten Versuchsreihen, die ich so kenne im Rahmen von angewandter F&E, bestätigen mehr oder weniger den Stand der Technik mit gewissem Optimierungspotenzial, was dann in Grenzen versucht wird auszuschöpfen z.B. durch eine bessere Prozessregelung. Zu c) In einer wiss. Arbeit sind eben genau diese detaillierten Untersuchungen einer Software mit dem Ziel einer vernünftigen Bewertung das „A & O“, z.B. in Bezug auf signifikante Genauigkeitseinbußen. Das ist viel wichtiger als eine kundenfertige absolut fehlerfreie Software, die es im Rahmen einer Studienarbeit von einem halben Jahr sowieso nicht geben kann. Klar kann man wie Guttenberg vorgehen, aber Lügen haben meistens kurze Beine, wie man sieht. ;-)
ich bin mir ziemlich sicher, dass 'mein Prof' weder meine Studienarbeit noch meine Diplomarbeit gelesen hat (vielleicht mal durchgeblättert), sondern einfach den Notenvorschlag meines Betreuers übernommen hat. Und gerade mit dem Betreuer war die Zusammenarbeit ziemlich eng, da wäre schon aufgefallen, wenn auf einmal ganz andere Sachen in der Ausarbeitung auftauchen... Und bei uns war die Benotung auch 60% Durchführung der Arbeit + 30% Ausarbeitung + 10% Vortrag
Ich denke da hast du schon recht mit dem was du schreibst. Alles wirklich einzeln nachzuvollziehen müsste unmöglich sein. Allerdings passts ja wenn das Gesamtbild stimmig ist. Damals bei meiner Facharbeit wars das gleiche: Hab meinem Physiklehrer die ausgedruckte Facharbeit + CD mit Assemblercode, Platinen usw. gegeben. Letztendlich hat er nur ein paar Rechtschreibfehler angestrichen (und die CD vermutlich nie angesehen). Er hatte keine Chance wirklich zu verstehen wie das alles im Detail funktioniert. Natürlich wars alles genau beschrieben aber es erforderte auch einige Sachkenntnis die man sich erst aneignen müsste. Da es letztendlich aber so funktioniert hat wie es sollte und ich es ihm auch vorführen konnte wars kein Problem ;-)
Immer dran denken : nicht alle, die die Arbeiten lesen sind Deppen. Diese Arbeit kann nach Jahrzehnten wieder auftauchen und an deinem Stuhl saegen. Dann heisst es ploetzlich : schon als Absolvent war er eine aufgeblasene Pfeife - und das war's dann mit dem Vorstandsjob.
Es gibt aber Punkte, die relativ "einfach" prüfbar sind: - Konsistenz: Gibt es an irgend einer Stelle einen Widerspruch, bzw. geht etwas nicht auf? - Realitätsbezug: Arbeit setzt auf vorhandenes Wissen auf (Literaturverzeichnis ???) - Passt das zusammen mit dem Standard-Stoff, den man einfach kennt? - Vollständigkeit: Wurde auf Auffälligkeiten in den Messergebnissen eingegangen? - bzw. Ursache-Wirkungsbezug: Entscheidung nicht begründet?, Wirkung festgestellt, aber auf Ursache nicht eingegangen?, Evtl. Auswirkungen einer Ursache nicht diskutiert?, Ursache und Wirkung vertauscht?, Mögliche Ursachen nicht sinnvoll bewertet? (Beliebter Fehler: alles aufzählen, was einem einfällt: "300 % Abweichung können durch Ablesefehler oder Messungenauigkeit des Hochpräzisions-Digital-Messgerätes kommen.") Es ist jedenfalls häufig, dass man Dokumente liest, wo viele beschrieben ist, aber es kommt einfach nicht der gewisse "Kick" rüber, kein "Warum?". Manchmal rutschen Fehler durch, welche spektaktuläre Effekte beschreiben und viel Aufruhr verursachen, z. B. negative Hysterese bei Magnetmaterialien. - Wurde schnell widerlegt. Ich kann nur empfehlen alles, was komisch erscheint genau zu prüfen. Es kann mitunter sehr peinlich werden, insbesondere bei Dissertationen, die veröffentlicht und von fremden Wissenschaftlern gelesen werde. Bei Guttenberg gab es nur deshalb soviel öffentliches Theater, weil er kapitelweise abschrieb. In der Praxis kommen jedoch andere massive Fehler vor, welche nicht so Medienwirksam sind, weil sie keiner begreifen würde. Unser Prof. hat da schon einige Schoten erzählt: kein Konfidenzintervall angegeben, Konfidenzintervall viel größer als beobachtete Abweichungen, Fehler in der Simulationssoftware bzw. Software falsch bedient - Es kommt Unsinn raus, was absolut nicht sein kann.
Im Prinzip ist es so wie du schreibst. Ich habe z.B. (für einen Spezialfall) eine der Maxwellschen Gleichungen widerlegt. Entweder wurde das überlesen, der Beweis nicht verstanden oder man wollte sich nicht auf eine Quantentheoretische Diskussion mit mir einlassen. Gefragt wurden Banalitäten.
Michael Lieter schrieb: > Im Prinzip ist es so wie du schreibst. Ich habe z.B. (für einen > Spezialfall) eine der Maxwellschen Gleichungen widerlegt. > > Entweder wurde das überlesen, der Beweis nicht verstanden oder man > wollte sich nicht auf eine Quantentheoretische Diskussion mit mir > einlassen. > > Gefragt wurden Banalitäten. Richtig, wahrscheinlich hat dein Prof. nicht zu den 2 Personen gehört die das verstehen... Eine DA ist ja grundsätzlich ein öffentliches Dokument, willst du es nicht mal zur Diskussion stellen? Oder war das nur wieder übliches Getrolle?
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