Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Wie genau können Arbeiten bewertet werden?


von student (Gast)


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Ich schreibe hier gerade die Dokumentation zu meiner Studienarbeit. Ich 
möchte meinem Dozenten weder Dummheit noch Faulheit unterstellen, aber 
dennoch habe ich das Gefühl, ziemlich viel Bullshit mit abgeben zu 
können, ohne dass dieser erkannt werden könnte:

a) Erklärungen, wie das Zeugs funktioniert: Ob eine Erklärung gut ist, 
kann man in weitem Rahmen nicht genau beurteilen. Also kann höchstens 
bewertet werden, ob alles irgendwie dokumentiert ist, aber nicht wie 
gut. Mit sowas kommen ja selbst Uniprofessoren durch, da die Studenten 
bei katastrophalen Erklärungen einfach denken, es sei zu kompliziert.

b) Genauigkeit und Wahrheitsgehalt: Bei vielen Experimenten können Daten 
so ausgewählt oder gar frisiert werden, dass das gewünschte Bild 
entsteht. Ohne genaue Kenntnis und erneutes Ausführen der Experimente 
kann sowas nicht entdeckt werden.

c) Korrektheit und Bugs: Gerade in Signalverarbeitungssystemen können 
kleine Programmierfehler zu signifikanten Genauigkeitseinbussen führen. 
Es ist dann oft nicht ersichtlich, ob das Ding "an sich" ungenau ist 
oder ob eben ein Fehler vorliegt. Auch hier bestehen kaum Chancen, ohne 
detailierte Untersuchungen eine vernünftige Bewertung zu machen.

Unter dem Strich: Mein Dozent hat doch eigentlich kaum Chancen, meine 
Arbeit objektiv zu bewerten, ohne einen gewissen Teil davon selbst 
nochmals durchzuführen. Letztenendes ist also wichtiger, dass sich die 
Dokumentation irgendwie gut anhört als dass ich wirklich etwas geleistet 
habe. Das setzt schon gefährliche Anreize...

von Schiller72 (Gast)


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Naja zumindest zu meiner Zeit war es so, dass Studien- und 
Diplomarbeiten immer durch 2 Personen betreut wurden, einen 
Hochschulbetreuer und einen betrieblichen Betreuer. Weiterhin haben 
Studienarbeiten im Wesentlichen das Ziel auf wissenschaftliches Arbeiten 
und wissenschaftliches Schreiben vorzubereiten, sprich auf die Diplom-, 
Bachelor- oder Masterarbeit.
Wenn dein Hochschulbetreuer eine Arbeit bewerten soll, die nicht direkt 
in seinem Institut oder seinem Labor läuft, magst du Recht haben mit 
deinen Zweifeln, aber dazu ist i.d.R. dann der betriebliche Betreuer da. 
Der Hochschulprofessor bewertet bei Arbeiten außerhalb seiner Hochschule 
im Wesentlichen das vorliegende Papier. Aber daraus kann man schon eine 
Menge entnehmen, u.A. wie ist der Kandidat in der Lage:
-  komplexe Sachverhalte zu beschreiben,
-  den Stand der Technik zu analysieren und seine Arbeiten von diesem 
abzuheben
-  nachvollziehbar seine Messergebnisse // Funktionalitäten // 
Stabilitätsbeweise  darzustellen
-  Probleme zu erkennen und richtige Schlüsse abzuleiten
-  Vorschläge zu weiterführenden Arbeiten zu machen (es gibt nichts was 
fertig ist)
-  eine Art „roten Faden“ durch die gesamte Arbeit zu gewährleisten
-  wissenschaftlich zu schreiben

Würde es für die Programmierung und Dokumentation einer 
Anlagensteuerung, (mal angenommen ein Zementwerk bzw. Teile davon) wenn 
man diese als Masterarbeit einreicht, einen Master geben, müssten ja 
viele Elektriker oder Techniker einen Master erhalten. Den eben würden 
sie aber nicht erhalten, auch wenn die Steuerung einwandfrei arbeitet. 
In einer wissenschaftlichen Arbeit (vorgelagert halt als „Übung“ die 
Studienarbeit“) geht es vielmehr um die Hintergründe:
-  wie ist der Prozess ?
-  was wird wo, wie, wann und warum gesteuert / geregelt ?
-  was ist durch die neue Steuerung nun besser als durch die alte ?
-  was haben andere auf dem Gebiet so getan (Stand der Technik) ?
-  welche Hardware/Softwarekomponenten wählt man aus und warum ?

In Bezug auf Schaltungsentwicklung und/oder Layouts:
-  Was ist an der Schaltung neu im Vergleich zu anderen ?
-  Warum wurde diese so konzipiert und nicht anders ?
-  Erklärungen zur Funktionsweise wichtiger Schaltungsbestandteile
-  Was wurde beim Layout besonders beachtet ?
-  Welche Probleme traten auf bei Inbetriebnahme und Tests und wie 
wurden sie versucht zu beseitigen ?
Meist ist hier ja auch Informatik (PC-Ankopplung oder Firmeware) 
gefragt:
-  Wie läuft die Datenkommunikation (Handshakes, etc.)
-  Herausstellen wichtiger Softwarefunktionalitäten und deren 
Erläuterung
-  Laufzeittests, wenn es um Realtime geht

Das „Zusammenhämmern“ eines Softwareprogrammes oder das Layouten und 
Bauen einer Schaltung macht noch keinen 
Diplom-Ingenieur/Bachelor/Master.

Für ein Hochschulstudium geht es vor Allem um ingenieurmäßiges 
Herangehen an Problemstellungen und deren ingenieurmäßige Lösung. Dies 
in Verbindung mit der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten. Und das 
genau soll in einer Diplom-/Bachelor-/Masterarbeit unter Beweis gestellt 
werden.
Und dies anhand des abgegebenen Papiers bewerten kann ein Professor 
durchaus. Sicherlich hat dies Grenzen aber im Großen und Ganzen lässt 
sich anhand der abgegebenen Arbeit schon relativ viel erkennen.
Für die Funktionalität des „Meisterstücks“, sprich ob nun die Schaltung 
/ das Programm // die Regelung // die Messerfassung oder was auch immer 
nun korrekt bzw. ausreichend funktioniert, hat bei mir zumindest der 
betriebliche Betreuer beurteilt, in dessen Entwicklungsabteilung ich saß 
während meines Praxissemesters, über welches ich dann meine Diplomarbeit 
anfertigte, sprich das beschrieb, was ich dort gemacht habe unter 
Beachtung sämtlicher Randbedingungen und dem was ich weiter oben 
schrieb.

Es gibt übrigens auch Diplomarbeiten, die beschreiben warum irgendetwas 
eben nicht zu realisieren ist, z.B. die Regelung eines Bioreaktors mit 
einem konventionellen Regler, weil eine Reihe Parameter unbekannt sind, 
die dann zum Ergebnis kommt Fuzzy-/Neuro-Regler einzusetzen und 
entsprechende Vorschläge erarbeitet. Kern der Arbeit sind dann eben die 
Prozessanalyse, Messungen und das Beschreiben warum etwas so nicht geht 
und die Herausarbeitung von anderen Lösungen für weiterführende 
Arbeiten. Diese Arbeiten können auch mit "sehr gut" bewertet werden auch 
wenn nichts funktioniert in diesem Fall, weil eben ingenieurmäßig 
herausgefunden wurde und wiss. erklärt, warum es nicht funktionieren 
kann.

Ansonsten haben die meisten Institute Leitlinien für das 
wissenschaftliche Arbeiten, u.A. auch für die Durchführung und 
Dokumentation von Mess-/Versuchsergebnissen. Wenn du also nicht gerade 
allein im Labor sitzt und i.d.R. arbeitet man dort in Teams ist da 
nichts mit Messwertfälschen oder Hindrehen durch Interpolation. Bei 
Schaltungen oder Softwareprogrammen kommen Fehler auch irgendwann mal 
heraus, bei der weiteren Entwicklung bzw. der Nachnutzung. Fehler / 
Softwarebugs sind da auch „normal“ solange man halt nichts absichtlich 
„verschönbessert“ in seiner schriftlichen Arbeit. Das wäre mir 
persönlich auch viel zu heikel, da so etwas bei Vorsatz auch nach Jahren 
noch zur Aberkennung des Titels führen kann.

Zu a): hatte ich beschrieben, es geht um eine ingenieurmäßige 
Herangehensweise/Lösung und die wiss. Beschreibung des „Ganzen“ unter 
Beachtung wesentlicher Randbedingungen und dem Stand der Technik. Es 
geht nicht darum eine Bedienungsanleitung für ein Gerät oder eine 
Software zu schreiben.

Zu b): Dem ist wohl so. Aber solch bahnbrechend neue Versuche mit 
Messwerten, die die Welt noch nicht gesehen hat, gibt es nur äußerst 
selten und wenn werden sie mit Sicherheit verifiziert . Die meisten 
Versuchsreihen, die ich so kenne im Rahmen von angewandter F&E, 
bestätigen mehr oder weniger den Stand der Technik mit gewissem 
Optimierungspotenzial, was dann in Grenzen versucht wird auszuschöpfen 
z.B. durch eine bessere Prozessregelung.

Zu c) In einer wiss. Arbeit sind eben genau diese detaillierten 
Untersuchungen einer Software mit dem Ziel einer vernünftigen Bewertung 
das „A & O“, z.B. in Bezug auf signifikante Genauigkeitseinbußen. Das 
ist viel wichtiger als eine kundenfertige absolut fehlerfreie Software, 
die es im Rahmen einer Studienarbeit von einem halben Jahr sowieso nicht 
geben kann.

Klar kann man wie Guttenberg vorgehen, aber Lügen haben meistens kurze 
Beine, wie man sieht. ;-)

von Justus S. (jussa)


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ich bin mir ziemlich sicher, dass 'mein Prof' weder meine Studienarbeit 
noch meine Diplomarbeit gelesen hat (vielleicht mal durchgeblättert), 
sondern einfach den Notenvorschlag meines Betreuers übernommen hat. Und 
gerade mit dem Betreuer war die Zusammenarbeit ziemlich eng, da wäre 
schon aufgefallen, wenn auf einmal ganz andere Sachen in der 
Ausarbeitung auftauchen...

Und bei uns war die Benotung auch 60% Durchführung der Arbeit + 30% 
Ausarbeitung + 10% Vortrag

von aaa (Gast)


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Ich denke da hast du schon recht mit dem was du schreibst.
Alles wirklich einzeln nachzuvollziehen müsste unmöglich sein. 
Allerdings passts ja wenn das Gesamtbild stimmig ist.

Damals bei meiner Facharbeit wars das gleiche: Hab meinem Physiklehrer 
die ausgedruckte Facharbeit + CD mit Assemblercode, Platinen usw. 
gegeben.

Letztendlich hat er nur ein paar Rechtschreibfehler angestrichen (und 
die CD vermutlich nie angesehen). Er hatte keine Chance wirklich zu 
verstehen wie das alles im Detail funktioniert. Natürlich wars alles 
genau beschrieben aber es erforderte auch einige Sachkenntnis die man 
sich erst aneignen müsste.
Da es letztendlich aber so funktioniert hat wie es sollte und ich es ihm 
auch vorführen konnte wars kein Problem ;-)

von uii (Gast)


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Immer dran denken : nicht alle, die die Arbeiten lesen sind Deppen. 
Diese Arbeit kann nach Jahrzehnten wieder auftauchen und an deinem Stuhl 
saegen. Dann heisst es ploetzlich : schon als Absolvent war er eine 
aufgeblasene Pfeife - und das war's dann mit dem Vorstandsjob.

von Stefan H. (Firma: dm2sh) (stefan_helmert)


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Es gibt aber Punkte, die relativ "einfach" prüfbar sind:
- Konsistenz: Gibt es an irgend einer Stelle einen Widerspruch, bzw. 
geht etwas nicht auf?
- Realitätsbezug: Arbeit setzt auf vorhandenes Wissen auf 
(Literaturverzeichnis ???) - Passt das zusammen mit dem Standard-Stoff, 
den man einfach kennt?
- Vollständigkeit: Wurde auf Auffälligkeiten in den Messergebnissen 
eingegangen?
- bzw. Ursache-Wirkungsbezug: Entscheidung nicht begründet?, Wirkung 
festgestellt, aber auf Ursache nicht eingegangen?, Evtl. Auswirkungen 
einer Ursache nicht diskutiert?, Ursache und Wirkung vertauscht?, 
Mögliche Ursachen nicht sinnvoll bewertet? (Beliebter Fehler: alles 
aufzählen, was einem einfällt: "300 % Abweichung können durch 
Ablesefehler oder Messungenauigkeit des 
Hochpräzisions-Digital-Messgerätes kommen.")

Es ist jedenfalls häufig, dass man Dokumente liest, wo viele beschrieben 
ist, aber es kommt einfach nicht der gewisse "Kick" rüber, kein 
"Warum?".

Manchmal rutschen Fehler durch, welche spektaktuläre Effekte beschreiben 
und viel Aufruhr verursachen, z. B. negative Hysterese bei 
Magnetmaterialien. - Wurde schnell widerlegt.

Ich kann nur empfehlen alles, was komisch erscheint genau zu prüfen. Es 
kann mitunter sehr peinlich werden, insbesondere bei Dissertationen, die 
veröffentlicht und von fremden Wissenschaftlern gelesen werde. Bei 
Guttenberg gab es nur deshalb soviel öffentliches Theater, weil er 
kapitelweise abschrieb. In der Praxis kommen jedoch andere massive 
Fehler vor, welche nicht so Medienwirksam sind, weil sie keiner 
begreifen würde. Unser Prof. hat da schon einige Schoten erzählt: kein 
Konfidenzintervall angegeben, Konfidenzintervall viel größer als 
beobachtete Abweichungen, Fehler in der Simulationssoftware bzw. 
Software falsch bedient - Es kommt Unsinn raus, was absolut nicht sein 
kann.

von Michael L. (Firma: Desert Irrigation Systems) (overingenieur)


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Im Prinzip ist es so wie du schreibst. Ich habe z.B. (für einen 
Spezialfall) eine der Maxwellschen Gleichungen widerlegt.

Entweder wurde das überlesen, der Beweis nicht verstanden oder man 
wollte sich nicht auf eine Quantentheoretische Diskussion mit mir 
einlassen.

Gefragt wurden Banalitäten.

von D. I. (Gast)


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Michael Lieter schrieb:
> Im Prinzip ist es so wie du schreibst. Ich habe z.B. (für einen
> Spezialfall) eine der Maxwellschen Gleichungen widerlegt.
>
> Entweder wurde das überlesen, der Beweis nicht verstanden oder man
> wollte sich nicht auf eine Quantentheoretische Diskussion mit mir
> einlassen.
>
> Gefragt wurden Banalitäten.

Richtig, wahrscheinlich hat dein Prof. nicht zu den 2 Personen gehört 
die das verstehen...

Eine DA ist ja grundsätzlich ein öffentliches Dokument, willst du es 
nicht mal zur Diskussion stellen? Oder war das nur wieder übliches 
Getrolle?

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