Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik "Neue" Definition von 1 Volt: Verständliche Erklärung für einen Laien gesucht.


von Laie (Gast)


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Hallo,

laut Wikipedia ist 1Volt aktuell wie folgt definiert:

"Da die obige Definition in der Praxis nur schwer als genaue Referenz 
eingesetzt werden kann, wird seit 1990 ein Volt mittels des 
Josephson-Effekts und der Josephson-Konstante, des Kehrwerts des 
magnetischen Flussquantums, festgelegt. Diese Konstante beträgt:

    (siehe Bild im Wiki Artikel)

Damit kann mit Referenzmessungen die Festlegung von einem Volt auf eine 
sehr genaue Frequenzmessung (Zeitmessung) zurückgeführt werden."


Eine Spannung (1Volt) wird auf eine Frequenzmessung zurückgeführt ?

Kann das einer bitte mal für einen durchschnittlich gebildeten erklären

Begriffe wie Flussquantum tauchen nun leider bei alltäglichen 
Klönschnack ehr selten auf.

Warum bleibt es eigentlich nicht bei einer solch einfachen und gut 
verständlichen Definition wie es die historische war ?
Darunter kann sich "jeder" etwas vorstellen:


"Früher wurde die Definition von einem Volt von dem Weston-Normalelement 
abgeleitet. Dieses Element liefert bei einer Temperatur von genau 20 °C 
eine elektrische Spannung von

    UN = 1,01865 V. "


mfg


       Laie

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Laie schrieb:
> Kann das einer bitte mal für einen durchschnittlich gebildeten erklären

Eine einfache Erklärung ist eine Zeile aus dem Wikipedia-Artikel zum 
Josephson-Effekt:
"Josephsonkontakte sind sehr genaue Frequenz-zu-Spannung-Konverter."

Man kann also durch eine genau definierte Frequenz eine genau definierte 
Spannung erzeugen.

Laie schrieb:
> Warum bleibt es eigentlich nicht bei einer solch einfachen und gut
> verständlichen Definition wie es die historische war ?
>
> UN = 1,01865 V

Vermutlich weil diese Definition nur auf 5 Nachkommastellen genau ist.

Für genaue Zeitmessungen sind hochpräzise Atomuhren bzw. Frequenznormale 
vorhanden, so dass man damit eine noch genauere Spannungs-Referenz 
erzeugen kann.

von Chris (Gast)


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Weil man damit kein Normalelement und kein Null-Voltmeter mehr braucht,
sondern die Referenz dann mit IC-s herstellen kann.
Wenn du dir das im Englischen auf wikipedia ansiehst,
http://en.wikipedia.org/wiki/Volt ist so ein Chip abgebildet, sowie auch
dessen Wirkungsweise verlinkt. Unweigerlicher Vorteil ist keine Alterung
der Referenz sowie direkt Messbar mit elektronischen (Steuerbaren) 
Messgeräten.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Die Definition des Volt über den Josephson-Effekt besitzt den Vorteil, 
dass man in der Lage ist, zwei Größen über fudamentale Naturkonstanten 
fest aneinander zu koppeln, d.h. in diesem Fall Spannung und Frequenz. 
Will man die Genauigkeit des Spannungsnormals durch technische 
Entwicklungen verbessern, kann man also versuchen, alle Störeinflüsse zu 
reduzieren, die Einfluss auf die aus den Naturkonstanten gewonnene 
Umrechnung haben. Alternativ bzw. zusätzlich kann man die Genauigkeit 
des Frequenznormals erhöhen.

Frequenz- und Längennormale sind die physikalischen Normale, die sich 
mit der höchsten Genauigkeit herstellen lassen, d.h teilweise um viele 
Größenordnungen besser als die meisten anderen Größen.

Bei einem Weston-Normalelement kann man nichts mehr verbessern. Jeder 
Eingriff in die Funktionsweise würde die Definition als solche 
verändern. Die einzigen Möglichkeiten, die da bestehen, sind die 
Temperaturstabilisierung sowie immer reinere Zutaten (Cadmiumsulfat und 
Quecksilber). Und das ist eben ausgereizt. Daher ist die Spannung auch 
nur auf so wenige Stellen genau definiert.

Frequenznormale kann man jedoch mit relvativen Unsicherheiten von 10^-13 
und genauer aufbauen. Die Naturkonstanten h und e sind definitionsmäßig 
exakt. Stellte man also fest, dass z.B. e fehlerhaft wäre, hätte das in 
der Tat zur Folge, dass eine ganze Reihe darauf basierender Normale neu 
definiert werden müssten.

von R2D2 (Gast)


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Das "Problem" ist einfach, dass sich die Wissenschaft weiter entwickelt 
und man immer genauere Messungen machen will. Das geht natürlich nur, 
wenn man seine Referenzwerte auch genau genug vermessen kann. Weil sonst 
sind die Werte unterschiedlicher Gruppen nicht vergleichbar.

Wenn ich jetzt durch Unsicherheiten im Messaufbau (genaue Konzentration 
der Chemikalien, etc) nur eine Gewisse Genauigkeit hinbekomme muss ich 
mir irgendwann etwas anderes überlegen.

Ein Josephson-Kontakt bietet sich dabei an, weil sehr viele Parameter 
keine Rolle spielen:
- Verunreinigungen im Supraleiter: egal
- Genauer Abstand/Isolatordicke: egal
- Temperatur: egal (solang noch supraleitend, sonst verschwindet der 
Effekt aber ganz)
- Material des Supraleiters: egal

und die Frequenz ist wie schon angesprochen extrem genau vermessbar.

Man definiert auch andere Einheiten neu, z.B. wird an einem neuen 
Kilogramm gearbeitet.

von Harald W. (wilhelms)


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Laie schrieb:

> laut Wikipedia ist 1Volt aktuell wie folgt definiert:
> "Da die obige Definition in der Praxis nur schwer als genaue Referenz
> eingesetzt werden kann, wird seit 1990 ein Volt mittels des
> Josephson-Effekts und der Josephson-Konstante, des Kehrwerts des
> magnetischen Flussquantums, festgelegt.
> Damit kann mit Referenzmessungen die Festlegung von einem Volt auf eine
> sehr genaue Frequenzmessung (Zeitmessung) zurückgeführt werden."
> Eine Spannung (1Volt) wird auf eine Frequenzmessung zurückgeführt ?
> Kann das einer bitte mal für einen durchschnittlich gebildeten erklären?

Vielleicht hilft Dir ja die Erklärung auf den Seiten der PTB weiter.
Falls dort für Dich unbekannte Wörter auftauchen, kannst Du diese
ja einzeln bei Google nachschlagen.
Grundsätzlich gilt: Man möchte möglichst alle Grundeinheiten nicht
mehr durch eine sog. Maßverkörperung, sondern durch eine passende
physikalische Formel darstellen.
Bei der Maßverkörperung besteht nämlich das Problem, das man bei
verschiedenen Normalen auch verschiedene Meßwerte hat. Welchen
dieser Meßwerte soll man dann als den richtigen annehmen?
Gruss
Harald

von Udo S. (urschmitt)


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Schönes Beispiel ist die Maßeinheit Meter. Heute wird die Maßeinheit 
Meter auch nicht mehr nach dem französischen Urmeter definiert sondern 
als Vielfaches einer bestimmten Wellenlänge.
Weils genauer ist, weniger Seiteneffekte eine Rolle spielen und weltweit 
besser bestimmbar ist.

von Harald W. (wilhelms)


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Udo Schmitt schrieb:
> Schönes Beispiel ist die Maßeinheit Meter. Heute wird die Maßeinheit
> Meter auch nicht mehr nach dem französischen Urmeter definiert sondern
> als Vielfaches einer bestimmten Wellenlänge.

Stimmt auch nicht mehr. Das Meter ist über die Lichtgeschwindigkeit
auch an die Zeit "angebunden".
Ein typisches Gegenbeispiel ist übrigens das Urkilogramm. 1 Kilogramm
entspricht per Definition dem Urkilogramm in Paris. Nun gibt es die
absurde Situation, das viele Kopien in den sog. Staatsinstituten in
einer Richtung deutliche Abweichungen zu diesem Pariser Normal zeigen.
Haben sich jetzt gleichzeitig die auf viele Staaten verteilten Kopien
alle in eine Richtung verändert oder hst sich das Normal in Paris
verändert? Das ist der Grund dafür, das man sich z.Z in vielen Labors
damit beschäftigt, Atome in einer Siliziumkugel zu zählen und deren
Durchmesser festzustellen. :-)
Gruss
Harald
PS: Mit der Definition des Amperes kämpft man z.Z. auch noch.
Z.Z. nimmt man einfach den Quotienten aus Spannung und Widerstand.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Harald Wilhelms schrieb:
> PS: Mit der Definition des Amperes kämpft man z.Z. auch noch.
> Z.Z. nimmt man einfach den Quotienten aus Spannung und Widerstand.

Das war vielleicht vor 1948 so, aber heute gilt folgende Definition:

> 1 A ist die Stärke des zeitlich konstanten elektrischen Stromes, der im
> Vakuum zwischen zwei parallelen, unendlich langen, geraden Leitern mit
> vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt und dem Abstand von 1
> m zwischen diesen Leitern eine Kraft von 2·10−7 Newton pro Meter
> Leiterlänge hervorrufen würde.

Die Unsicherheit dabei liegt in der Größenordnung von 3*10^-7, da die 
geometrische Abmessunge der Leiter nicht genauer bestimmt werden können. 
Die Leiter in einer Stromwaage können nicht unendlich lang sein und 
müssen außerdem als Spule angeordnet werden.

von Harald W. (wilhelms)


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Johannes E. schrieb:
> Harald Wilhelms schrieb:
>> PS: Mit der Definition des Amperes kämpft man z.Z. auch noch.
>> Z.Z. nimmt man einfach den Quotienten aus Spannung und Widerstand.
>
> Das war vielleicht vor 1948 so, aber heute gilt folgende Definition:
>
>> 1 A ist die Stärke des zeitlich konstanten elektrischen Stromes, der im
>> Vakuum zwischen zwei parallelen, unendlich langen, geraden Leitern mit
>> vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt und dem Abstand von 1
>> m zwischen diesen Leitern eine Kraft von 2·10−7 Newton pro Meter
>> Leiterlänge hervorrufen würde.

Diese Definition besteht wohl nur noch deshalb, weil man bislang nichts 
besseres hat. Ein Nachteil ist z.B. das sie an das unsichere Urkilogramm
gebunden ist. Spannung und Widerstand hat man ja schon erfolgreich an
physikalische Konstanten angebunden.
Gruss
Harald

von Udo S. (urschmitt)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Stimmt auch nicht mehr. Das Meter ist über die Lichtgeschwindigkeit
> auch an die Zeit "angebunden".
Stimmt, wusste ich noch gar nicht :-) Zitat Wikipedia:
"Seither ist also ein Meter definiert als „die Strecke, die das Licht im 
Vakuum in einer Zeit von 1 / 299.792.458 Sekunde zurücklegt“."

Harald Wilhelms schrieb:
> Das ist der Grund dafür, das man sich z.Z in vielen Labors
> damit beschäftigt, Atome in einer Siliziumkugel zu zählen und deren
> Durchmesser festzustellen. :-)
Sie sind sich aber noch nicht einig. Auf dem nordamerikanischen 
Kontinent arbeiten sie an einer "Wattwaage".

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Diese Definition besteht wohl nur noch deshalb, weil man bislang nichts
> besseres hat.

Das ist doch bei allen Definitionen so...

von Harald W. (wilhelms)


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Udo Schmitt schrieb:

>> Das ist der Grund dafür, das man sich z.Z in vielen Labors
>> damit beschäftigt, Atome in einer Siliziumkugel zu zählen und deren
>> Durchmesser festzustellen. :-)
> Sie sind sich aber noch nicht einig. Auf dem nordamerikanischen
> Kontinent arbeiten sie an einer "Wattwaage".

Das ist auch nicht sinnvoll. In der Meßtechnik benutzt man gern zwei
völlig unterschiedliche Verfahren zur Ermittlung des Ergebnisses.
Wenn dann beide Ergebnisse annähernd gleich sind, hat man eine
grössere Wahrsxcheinlichkeit dafür, das man richtig gemessen hat.
Ausserdem ist ja noch nicht raus, welches der beiden Verfahren
nun die genaueren Ergebnisse liefert. Der SI-Würfel, den man für
Vorversuche benutzt hat, ist z.B. schon verworfen...
Gruss
Harald

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