Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Keramikkondensatoren zwischen Gleichrichterein- und ausgang


von Gregor (Gast)


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Hallo

Hab in einem Schaltplan einen Gleichrichter entdeckt, bei dem zwischen 
dem ersten AC Eingang und dem Plus und Minuspol, sowie auch zwischen dem 
zweiten AC Eingang und Plus und Minus je ein Keramikkondensator 
geschaltet ist. Ich hab mich im Internet informiert, dass die zur 
Unterdrückung von Störungen, die von den Dioden kommen, dienen sollen. 
Nur welche Störungen sind dies genau, und wieso entstehen sie? Eine 
weitere Frage betrifft die Spannungsfestigkeit, die diese Kondensatoren 
haben müssen. Soviel ich aus dem Schaltplan schließen kann, müssen es ja 
mindestens 400V sein.

von Harald W. (wilhelms)


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Gregor schrieb:

> Nur welche Störungen sind dies genau, und wieso entstehen sie?

Es handelt sich da um die steilen Spitzen, die beim Umschalten
der Dioden entstehen.

> Eine weitere Frage betrifft die Spannungsfestigkeit, die diese
> Kondensatoren haben müssen.

Spitzenspannung der Eingangsspannung plus Reserve.

> Soviel ich aus dem Schaltplan schließen kann, müssen es ja
> mindestens 400V sein.

Das würde gerade so für die 230V-Netzspannung reichen.
Gruss
Harald

von Schutzi (Gast)


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Die Streukapazität zwischen Primär und Sekundärwicklung des Netztrafos 
und die Gleichrichterdiodenkapazitäten ergeben einen Spannungsteiler, 
bei dem steile Störimpulse aus dem Netz oder ins Netz gefährliche 
Spannungen am Gleichrichter erzeugen können (Surge, Burst, ESD, etc.). 
Caps über den Gleichrichterdioden verschieben das Teilungsverhältnis und 
schützen die Gleichrichterdioden.

von Anja (Gast)


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Gregor schrieb:
> Soviel ich aus dem Schaltplan schließen kann, müssen es ja
> mindestens 400V sein.

Zusätzlich müssen diese auch noch kurze Spannungsspitzen von 2000-4000V 
aushalten. Und dürfen hierbei keinen Kurzschluß erzeugen.

http://www.vishay.com/docs/23105/25y.pdf
http://www.murata.com/products/catalog/pdf/c85e.pdf

Gruß Anja

von Anja (Gast)


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Gregor schrieb:
> Nur welche Störungen sind dies genau, und wieso entstehen sie?

Die Sperrverzögerungszeit der Dioden beim Übergang vom leitenden in den 
Sperrzustand ergibt zusammen mit der Zuleitungsinduktivität eine 
abklingende Schwingung im HF-Bereich. Rundfunk und Fernsehempfang können 
hierdurch gestört werden.

Gruß Anja

von Bastler (Gast)


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Hallo.

Anja, das Entstörmaßnahmen an einen Gleichrichter manchmal notwendig 
sind ist mir aus der Praxis und eigener Erfahrung bekannt.
Und das das irgendwas mit den "ein- und abschalten" zu tun hat auch.

Aber woran das im Detail liegt wusste ich vorher nicht - danke für die 
Info.

Leider sind ja Elektronikbücher entweder auf einfachsten Bastlerniveau 
oder so "abgehoben" beschrieben das ein nachvollziehen der Vorgänge 
schwer möglich ist, nicht jeder ist auf den Niveau eines Abiturienten 
mit Leistungskurs Mathematik - andere haben die Schule schon viele Jahre 
hinter sich und haben außer mit den Grundrechnungsarten, Dreisatz und 
Prozentrechnung nie mehr etwas mit Mathematik gemacht, ich kenne da 
sogar einen... ;-)

Kannst du irgendwelche Links oder Bücher empfehlen die tief ins Detail 
gehen, aber bei den mathematischen Berechnungen einen "bei der Hand" 
nehmen und Schritt für Schritt anhand eines Beispiels aus der Praxis die 
berechnung vorführen (z.B. Integration bei Kondensatorentladung) ?

mfg

    "Bastler"

von Harald W. (wilhelms)


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Bastler schrieb:

> Kannst du irgendwelche Bücher empfehlen die tief ins Detail
> gehen, aber bei den mathematischen Berechnungen einen "bei der Hand"
> nehmen und Schritt für Schritt anhand eines Beispiels aus der Praxis die
> berechnung vorführen (z.B. Integration bei Kondensatorentladung) ?

Ich bin früher immer gut mit dem Tietze/Schenk "Halbleiterschaltungs-
technik" zurechgekommen. Wenn Du gut Englisch kannst, auch Horowitz
Hill" "Art of Electronics". Grundsätzlich ist es das beste, wenn Du
in eine gute (Uni-)leihbücherei gehst und Dir die Bücher vor dem Kauf
selbst ansiehst. Dann kannst Du am besten beurteilen, ob sie Deinem
Niveau entsprechen oder nicht. Wenn Du hier im Forum immer fleißig
mitliest, wird sich Dein Niveau auch automatisch immer mehr anheben.
:-)
Gruss
Harald

von Gregor (Gast)


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Danke euch für die Antworten. Bin jetzt wieder etwas Klüger :)

Wie sieht es eigentlich mit dem Kapazitätswert aus. Ist das schlimm wenn 
er etwas höher oder niedriger ist. Ich habe nämlich das Problem, dass 
ich ein altes Schaltnetzteil habe, bei dem sich eines schönen Tages 
einer dieser vier Kondensatoren in Rauch aufgelöst hat. Hab daraufhin 
die anderen drei ebenfalls ausgelötet, weil ich den Verdacht gehabt hab, 
dass es sie auch bald erwischen wird. Seitdem betreibe ich das Netzteil 
ohne diese Kondensatoren. Jedoch vermeide ich es, es voll zu belasten. 
Hat bis jetzt eigentlich keine Probleme deswegen gegeben, jedoch schiebe 
ich den Einbau von neuen Kondensatoren schon so lange her, weil es 
ansich sehr schwer ist 3.9nF >300VAC Kondensatoren mit einem Rastermaß 
von 5mm zu bekommen. Jetzt hab ich bei RS- Components jedoch 
Kondensatoren mit 3.3nF 400Vac und 5mm Rastermaß gefunden. Wäre es also 
möglich die kapazitätsmäßig etwas kleineren Kondensatoren statt den 
3.9nF zu verwenden? Die Dämpfung der Umschaltspitzen sollte ja trotzdem 
gewährleistet sein oder?

von Schutzi (Gast)


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Kannst du mal den ganzen Schaltplan posten, anstatt nur das kleine 
Snippet?

von Gregor (Gast)


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Ja hier bitte. Es ist ein SPS9540 von ELV. Vor dem Gleichrichter sind 
nur eine Netzfilterstufe und nach dem Gleichrichter eine Aktive PFC.

Lg Gregor

von Gregor (Gast)


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Hab nach meinen alten Thread gesucht:
Beitrag "Gleichrichter KBU6G explodiert" ... ist der Thread den ich 
damals nach der Explosion des einen Kondensators gestartet hab. Weil der 
Kondensator an dem Gleichrichter extrem viel Schmauchspuren hinterlassen 
hat, hab ich ursprünglich gedacht der Gleichrichter wäre explodiert :)

von Peter D. (peda)


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Die Kondensatoren waren früher in AM-Radios nötig. Der Netzanschluß 
wirkte dabei als HF-Erde.
Im Nulldurchgang, sind die Dioden gesperrt und damit die Erde 
unterbrochen bzw. gedämpft. Das ergab dann eine Amplitudenmodulation mit 
100Hz und damit ein hörbares Brummen.
Die Kondensatoren überbrücken die Dioden für die HF und das Brummen ist 
weg.


Peter

von Gregor (Gast)


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Somit sollte es aber dann eigentlich nicht so kritisch sein wenn man 
3.3nF oder 4.7nF Kondensatoren anstatt den 3.9nF verwendet. Denn wie ich 
schon geschrieben hab, finde ich keine 3.9nF Kerkos mit den passenden 
Werten, vorallem dem passenden Rastermaß, bei Farnell oder RS. Bei den 
3.3nF und 4.7nF Kondensatoren ist die Auswahl jedoch um einiges größer 
und es gibt welche die passen würden wie z.B. der hier:

http://at.farnell.com/murata/debf33a472zc1b/kondensator-4-7nf-1000v/dp/9527249

von Schutzi (Gast)


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Caps der E6-Reihe stehen oft für > 20% Toleranz und schlechte 
Eigenschaften. Wenn in einer Schaltung ein Cap aus einer höheren E-Reihe 
eingesetzt wird, dann ist das oft ein Wink mit dem Zaunpfahl, also eine 
Ermahnung, ein Bauteil mit besseren Eigenschaften zu verwenden.

In deiner Schaltung sollte also auch ein 3n3 bzw. 4n7 Cap gehen, aber du 
solltest eben eine Ausführung mit hochwertiger keramischer Masse 
verwenden.

Was steht denn in der Stückliste über diesen Cap?

von Peter D. (peda)


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Gregor schrieb:
> Soviel ich aus dem Schaltplan schließen kann, müssen es ja
> mindestens 400V sein.

Bei Kondensatoren an Netzspannung kenne ich es so, daß die mindestens 
1000V Typen sind. 630V ist schon die Billiglösung.

Kondensatoren sollte man generell spannungsmäßig reichlich 
dimensionieren.
Modernen Kondensatoren sind ja wesentlich kleiner als früher und haben 
daher keine Reserven mehr.


Peter

von Peter R. (pnu)


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Wem der Trägerstaueffekt bei Leistungsgleichrichtern bekannt ist, kennt 
auch die Ursache für diese Dioden:

Nach einem Stromdurchfluss dauert es einige us bis die Diode wieder 
sperrt. In dieser Zeit ist der Nulldurchgang des Stromes vorbei und es 
beginnt ein Rückwärtsstrom zu fließen. Wenn dann aber durch den 
Rückwärtsstrom die Diode ausgeräumt ist sperrt sie innerhalb weniger 
100ns. Zusammen mit der Trafoinduktivität entsthen da auch in 
24V-Gleichrichtern Spannungen im kV-Bereich.

Bei Leistungsgleichrichtern und Triacs verwendet man meistens ein 
RC-Glied (Snubber)gegen den Trägerstaueffekt, in der 
Unterhaltungselektronik genügt meist ein Kondensator alleine.

von Gregor (Gast)


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Schutzi schrieb:
> Was steht denn in der Stückliste über diesen Cap?

Da steht nur lapidar 3.9F/ker. Ohne irgendwelche Angaben bzgl. 
Spannungsfestigkeit.

Peter Dannegger schrieb:
> Bei Kondensatoren an Netzspannung kenne ich es so, daß die mindestens
> 1000V Typen sind. 630V ist schon die Billiglösung.

Dann haben die Geräteentwickler aber ganz schön gepfuscht. Denn ich kann 
mich erinnern, dass Kondensatoren eingebaut waren, die dem linken 
Exemplar auf dem folgenden Bild genau ähnelten.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/c1/MLCC-Scheiben-Kerkos-P1090142c.jpg/220px-MLCC-Scheiben-Kerkos-P1090142c.jpg
An der Spitze hatten diese Kondensatoren einen gelben Farbring. Daher 
wäre laut Tabellenbuch, die Betriebsspannung 400V, was schon sehr 
grenzwertig wäre. Einen 1000V Typen, denke ich, hätte es wahrscheinlich 
nicht gebraucht, da ja bereits vor den Kondensatoren, ein Varistor und 
das Netzfilter geschaltet ist, die ja die meisten "Surges" aus dem 
Versorgungsnetz abfangen sollten.

Alles in Allem sollte ich aber mit dem 4.7nF 1000V Kondensator von 
Farnell gut beraten sein.

Gregor schrieb:
> Bei den
> 3.3nF und 4.7nF Kondensatoren ist die Auswahl jedoch um einiges größer
> und es gibt welche die passen würden wie z.B. der hier:
>
> http://at.farnell.com/murata/debf33a472zc1b/konden...

Werde diese bestellen. Mit den 1000V ist auch noch viel Spielraum nach 
oben.

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