Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wie sind Widerstandstoleranzen zu interpretieren?


von Tolerator (Gast)


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Ich habe ein paar Fragen Richtung Statistik.

Jeder Widerstand hat eine Toleranzangabe, z.B. 1%. Aber was bedeutet das 
genau?

1.) Ist die Verteilung der Widerstandswerte spezifiziert? Gauss?
2.) Was bedeutet die Angabe genau? Bedeutet es, dass nicht ein 
Widerstand eine größere Toleranz besitzen kann als die angegebene, oder 
bezieht sich die Angabe z.B. auf die Halbwertsbreite bei einer 
Gaussverteilung, oder ähnliches.
3.) Heisst es evtl. nur sowas wie: 95% aller Widerstände haben die 
Toleranz?

Das mag jetzt nach Korintenkacker klingen, aber das ist halt eine 
fundamentale Frage, die ich mir immer zwischendurch stelle.

Das Betrifft natürlich nicht nur Widerstände, sondern auch andere 
analoge Bauelemente.

Kann jemand was dazu sagen?
Ist es Herstellerspezifisch?

von radiostar (Gast)


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die Episoden 215 und 216 bei www.eevblog.com können Deine Fragen sicher 
beantworten.

von Widerstand (Gast)


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Ein 100 ohm Widerstand mit der Toleranz von 5% bewegt sich in einem 
Toleranzbereich von 95-105 ohm.

von GaussKurve (Gast)


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Widerstand schrieb:
> Ein 100 ohm Widerstand mit der Toleranz von 5% bewegt sich in einem
> Toleranzbereich von 95-105 ohm.
Mit welcher Wahrscheinlichkeit?

von el Cheffe (Gast)


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Ja dann versuchen wir es einmal.


> 1.) Ist die Verteilung der Widerstandswerte spezifiziert? Gauss?

Ist eine falsche Definition. Der Werrt ist nicht spezifiziert, sondern 
er ergibt sich bei der Herstellung. z.B.: Werden die Widerstände mittels 
Laser oder mechanischer Abtrag (Wendel) auf den Nennwwert gebracht. 
Durch diese Verfahren entstehen natürliche Abweichungen des Nennwertes. 
Damit ergibt sich automatisch eine Gausche Verteilung.
Also die Verteilung der Werte entspricht der Gausschen Verteilung.

> 2.) Was bedeutet die Angabe genau? Bedeutet es, dass nicht ein
> Widerstand eine größere Toleranz besitzen kann als die angegebene, oder
> bezieht sich die Angabe z.B. auf die Halbwertsbreite bei einer
> Gaussverteilung, oder ähnliches.

Nein. Dies bedeutet, dass der Widerstandswert innerhalb der Toleranz 
liegt. Bei deiner Frage wäre das Nennwert +- 1%. Falls der Wert darüber 
oder darunter liegen würde (bei den heutigen Herstellungsverfahren wird 
dies nicht passieren, d.h. die Maschinen sind schon genau) würde er 
bereits einem anderen Nennwert zugeteilt. Deshalb auch die Reihen.
am einfachsten: Wikipedia E-Reihen

> 3.) Heisst es evtl. nur sowas wie: 95% aller Widerstände haben die
> Toleranz?

Nein. 100% der Widerstände besitzen diese Toleranz. Da du dir die 
Toleranz als "Bandbreite" ansehen kannst, müssen alle R's innerhalb der 
Toleranz liegen. Dies stimmt ja auch wenn ein Widerstand exakt dem 
Nennwert entspricht. --> 0% Abweichung


> Das Betrifft natürlich nicht nur Widerstände, sondern auch andere
> analoge Bauelemente.


Ja natürlich. Anwendbar auf alle herstellungsspezifische Parameter. z.B. 
auch hfe beim Transistor.


> Ist es Herstellerspezifisch?

Nein

Hoffe es ist einigermassen verständlich.

von Klaus (Gast)


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Ich habe mal vor vielen Jahren eine Messung an 100 Stk. gekauften,
bedrahteten, noch zusammen an einem Gurt hängenden Widerständen gemacht.
(also sowas wie eine Charge)

Es waren auch 5%tige. (100kOhm)
Die hatten alle 95kOhm !
Kein einziger davon hatte 100 oder gar 105 kOhm.

Ich denke die wurden nach der Herstellung gemessen und
die 5%tigen zu einem Gurt zusammengefasst.

Die 2%tigen oder gar die 1%tigen wurden dann vermutlich zu jeweils
eigenen Chargen zusammen gefasst und entsprechend teurer verkauft.

Daher gehe ich seitdem bei 5%tigen davon aus
dass sie immer 5% neben ihrem Wert liegen.


Klaus

von Harald W. (wilhelms)


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Tolerator schrieb:
> Ich habe ein paar Fragen Richtung Statistik.
>
> Jeder Widerstand hat eine Toleranzangabe, z.B. 1%. Aber was bedeutet das
> genau?
>
> 1.) Ist die Verteilung der Widerstandswerte spezifiziert? Gauss?
> 2.) Was bedeutet die Angabe genau? Bedeutet es, dass nicht ein
> Widerstand eine größere Toleranz besitzen kann als die angegebene, oder
> bezieht sich die Angabe z.B. auf die Halbwertsbreite bei einer
> Gaussverteilung, oder ähnliches.

Wenn Dich das ganze im Rahmen einer Studienarbeit interessiert,
solltest Du mal bei einem der einschlägigen Hersteller nach-
fragen. Diese Angaben stehen sicherlich in einer Art erweitertem
Datenblatt.
Gruss
Harald

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Klaus schrieb:
> Ich denke die wurden nach der Herstellung gemessen und
> die 5%tigen zu einem Gurt zusammengefasst.
Nein, die wurden eher einfach alle hintereinander mit der selben 
Maschineneinstellung produziert, und die Überwachung hatte noch nicht 
angeschlagen...

von U. B. (Gast)


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>> Ein 100 ohm Widerstand mit der Toleranz von 5% bewegt sich in einem
>> Toleranzbereich von 95-105 ohm.

> Mit welcher Wahrscheinlichkeit?

( Fast ) 100%; die, die ausserhalb liegen, sind Reklamationsfall ...

von Tolerator (Gast)


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Danke für die netten Erklärungen!

Nochmal etwas weitergesponnen...

Die Verteilung entspricht also der Gaussverteilung, allerdings ist die 
Gausskurve links und rechts abgeschnitten (Danke "el Cheffe"!). Aber wo 
liegt das "Zentrum" der Gausskurve?
Die Aussage, dass das Zentrum bei dem nominalen Widerstandswert liegt, 
kann ja praktisch nur über mehrere Chargen gelten (siehe Post von 
Klaus).

Wie verhält es sich mit den Toleranzen, wenn ich sagen wir mal 10 
Widerstände gleichen wertes und gleicher Toleranz parallelschalte?

Wie berechne ich korrekt die sich ergebene Gesamttoleranz?

Bisher hätte ich immer angenommen => Wurzel aus der Quadratsumme, 
aber...

von Purzel H. (hacky)


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Ich wuerd nicht von einer Gaussverteilung aufgehen.  Die Widerstände 
werden mit einer kontinuierlichen Verteilung gefertigt. Von den 10% 
werden die 5%igen subtrahiert. Und von denen werden die 2%igen 
subtrahiert, und von diesen werden die 1%igen subtrahiert.

von Tolerator (Gast)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Wenn Dich das ganze im Rahmen einer Studienarbeit interessiert,

Bin normaler Entwicklungsingenieur, das Studium ist schon nen weilchen 
her :-)

von Achim M. (minifloat)


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Pico Oschi schrieb:
> 5%igen subtrahiert. Und von denen werden die 2%igen
> subtrahiert, und von diesen werden die 1%igen subtrahiert.

Die 1%er haben +-1%
Die 2%er haben  -2% bis -1% oder 1% bis 2%, liegen mindestens 1% daneben
Die 5%er haben  -5% bis -2% oder 2% bis 5%, liegen mindestens 2% daneben
Die 10%er kann man gleich in eine andere E96er Kategorie 
umdeklarieren...

Wie kann es dann sein, dass ich selbst unter 5%ern auch treffer fand?
Ich denke es wird nicht grundsätzlich selektiert, das wär zu teuer.

mfg mf

PS: 1%er oder 2%er 0603 oder kleiner sind eh ein Witz. Beim Löten können 
die schon knappe 2% "weglaufen". Und dann kommt noch die Betriebsdauer 
hinzu...

von Ulrich (Gast)


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Von eine Gauss-Verteilung würde ich auch nicht ausgehen. Wie die 
Verteilung ist kann vom Typ und Hersteller abhängen. Die meisten 
Widerstände werden erst produziert und dann per Stichprobe Kontrolliert. 
Wenn nur die eine tolleranz (z.B. 5%) hergestellt wird, wird alles was 
innerhalb von etwa +-4,5% liegt als OK akzeptiert, und was darüber geht 
ist Abfall oder wird ggf. als 10% oder 20% Type oder halt als anderer 
Wert verkauft, sofern dafür ein Bedarf da ist. Je nach Qualität der 
Herstellung kann es sein das die Werte näherungsweise gleich häufig 
vorkommen (wenig Präzise Herstellung), oder man hat ggf. auch eine 
nährungsweise Gauss verteilung, allerdings abgeschnitten bei knapp 5%. 
Dabei kann der Mittelwert aber auch etwas daneben liegen, z.B. um für so 
etwas wie Alterung vorzusorgen.

Es kann noch passieren das die 1% oder 2 % Typen rausgesucht werden, 
also in der 5% Gruppe seltener oder gar nicht mehr vorkommen. Das kann 
sein, muss aber nicht.

Die Widerstände die hintereinander auf dem Gurt sind, liegen oft vom 
Wert sehr viel dichter zusammen als die Tolleranz angibt. Ich hab mal 20 
Stück 1% Widerstände verglichen, die lagen alle weniger als 0,05% 
auseinander.

Bei der Prallelschaltung kommt es darauf an wo die Widerstände 
herkommen. Wenn das alles Widerstände aus einer Serie sind, nimmt sich 
das vermutlich nicht viel gegenüber einem Widerstand - die Fehler der 
einzelnen Widerstände sind stark korreliert. Falls man wirklich 10 
Widerstände aus verschiedenen Serien hat, kann es zu einer teilweisen 
kompensation der Fehler kommen und man bekommt näherungsweise eine 
Gaussverteilung mit einer Erwartungswert für die Abweichung der kleiner 
(z.B.  1/3) ist als die Toleranz der Widerstände. Der Worst case Fall 
bleibt aber bei der Toleranz.

von Harald W. (wilhelms)


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Tolerator schrieb:
> Harald Wilhelms schrieb:
>> Wenn Dich das ganze im Rahmen einer Studienarbeit interessiert,
>
> Bin normaler Entwicklungsingenieur, das Studium ist schon nen weilchen
> her :-)

Wenn Du Grosskunde bist, wirst Du die Infos sicherlich auch
bekommen.
Gruss
Harald

von Tolerator (Gast)


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Ich sehe schon, es gibt wohl keine allgemeingültige Antwort.

Wenn es bei jedem Hersteller wieder anders ist und nirgendwo konkret in 
irgendeiner Norm spezifiziert, muss man wohl vom Worst-case ausgehen, 
sprich die Häufigkeitswahrscheinlichkeit innerhalb des Toleranzbandes 
ist unbekannt und zudem noch asymetrisch.

Doof.

von Anja (Gast)


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Tolerator schrieb:
> sprich die Häufigkeitswahrscheinlichkeit innerhalb des Toleranzbandes

wieso innerhalb des Toleranzbandes?

Die Toleranzangabe gilt ausschließlich zum Zeitpunkt der Fertigung und 
das auch noch bei 25 Grad.
Bis der Widerstand bei Dir ist kann er schon deutlich gealtert sein.
Und nach dem löten sowieso.

Gruß Anja

von Tolerator (Gast)


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Ups, erstmal sorry, sah gerade zufällig, dass es einen Thrad mit fast 
identischem Inhalt gab...

Das man mit den Toleranzen leben muss, ist klar. Sie aber besser zu
verstehen kann nützlich sein. z.B. wenn man die Messunsicherheit eines
Messgerätes berechnen will.

Bei der Betrachtung von anderen Messunsicherheiten ist es immer wichtig
zu wissen, wie die "Verteilung" der Fehler ist, ob Fehlerquellen
miteinander verknüpft sind, etc.
Ohne dieses Wissen ist es nicht möglich eine vernünftige Aussage zur
Gesamtmessunsicherheit von Systemen zu machen.

Und gerade bei Widerständen habe ich schon oft bei alteingesessenen
Kollegen gesehen, dass sie von einer auf nominalwert zentrierten
Gaussverteilung ausgehen, wass sich in dem Thread nicht gerade
bestätigt.

@Anja: Ja, das spielt natürlich auch noch mit rein, ich wollte die Sache
jetzt nur nicht komplizierter machen, als sie schon ist.

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