Forum: Ausbildung, Studium & Beruf HF- und Analogtechnik - wie lernen?


von Bert (Gast)


Lesenswert?

Hallo,
ich habe da mal eine etwas allgemeine Frage.
Zur Zeit studiere ich an einer FH Elektrotechnik. Es ist extrem 
interessant, und in vielen Bereichen schauen wir das ganze auch extrem 
detailiert und genau an, z.B. Regelungstechnik, da wird alles sehr genau 
gemacht. Das ist sehr interessant, und RT ist ja auch wichtig, das macht 
schon sinn.
Dafür wird Analog- und HF-Technik nicht so genau angeschaut. Mein Dozent 
für diese Fächer hat mir mal erzählt:
"Früher haben wir mit diskreten Transistoren im Labor HF-Verstärker und 
Oszillatoren und so weiter aufgebaut, und diese dann mit dem 
Netzerkanalyzer durchgemessen. Mit h- und y-Parametern wurde da herum 
gerechnet, um eine Schaltung zu dimensionieren. Das lernen wir heute 
aber alles nicht mehr, weil das braucht man gar nicht - wer einen 
HF-Verstärker aufbauen will, nimmt ein dafür vorgesehenes MMIC und baut 
das so auf, das ist viel einfacher." Nun, ich weiss nicht was von dieser 
Einstellung zu halten ist.
Ich sehe nur hier im Forum, dass es offenbar noch immer Leute gibt, die 
sowas diskret aufbauen können. Ich hab mal die Website von einem 
Forummitglied hier gefunden, wo der seine selber gebastelten, diskret 
aufgebauten Funkgeräte im 12 GHz-Band vorstellte. Natürlich alles 
analog, selber berechnet und diskret aufgebaut. Ich möchte sowas auch 
können.
Bin zwar erst im 3. Semester. Aber trotzdem wurmt es mich, dass ich 
"nur" so Zeug kann wie im Simulink irgendwelche Regler berechnen, oder 
Mikroprozessorschaltungen aufbauen etc. Aber so die "Basics", sage ich 
dem mal, das lernt man offenbar (zumindest an meiner FH) nicht mehr?
Was kann man da machen?
Ich muss noch anfügen, dass ich selber ein sehr interessierter Bastler 
bin. Ich habe eine gut ausgestattete Werkstatt mit Oscilloscopen und 
dergleichen, meine Sammelwut für alte hp-Geräte hat mir via ebay und 
Konsorten einen hübschen Messgerätepark beschert. Aber eben, viel mehr 
Analogtechnik als ein paar poplige OP-Schaltungen bringe ich nicht 
zustande, weil mir das Wissen fehlt. Ansonsten bastle ich immer mit uCs 
rum. Ich könnte jetzt nicht mal eben einen diskreten 
Transistorverstärker aufbauen, das wurmt mich extrem! Was macht man da?

von mikrofunker (Gast)


Lesenswert?

Ganz einfach:
MACHEN
Such Dir ein schönes Projekt und mach es.
Zum Beispiel einen Empfänger.

von Bert (Gast)


Lesenswert?

Ja, ich wollte schon lange mal einen Empfänger bauen.
Ein FM-Radioempfänger z.B. wär sicher ein interessantes Projekt. Nur: 
wie? Ich habe noch keinen aufgebaut. Ich habe zwar schon einmal eine 
Schaltung gesehen. Der Witz dabei war: ich habe sogar zum grossen Teil 
verstanden, wie die Schaltung funktioniert - z.B. der 
Antennenverstärker. Aber selber entwerfen hätte ich die niemals können. 
Es fängt bei so trivialen Sachen an wie:
welchen FET soll ich für die Eingangsstufe wählen? Wie soll ich den 
beschalten? Gateschaltung wäre wohl nicht übel, aber wie man die 
dimensioniert - keine Ahnung.

von mikrofunker (Gast)


Lesenswert?

Ich würde mich erst mal durch bestehende Designs wurschteln:
http://www.dxzone.com/catalog/Technical_Reference/Preamplifiers/

von mikrofunker (Gast)


Lesenswert?

Ich mach mal ein Beispiel:
(Ich muss sagen, dass ich selbst noch keinen FET Verstärker mit 2 gates 
dimensioniert hab.)
http://sv1bsx.50webs.com/vhfpre/vhf-pre.html

Zuerst würde ich mal die C's um den FET "wegdenken".
Ich starte damit, die Schaltung für Gleichspannung zu dimensionieren. 
Ich lege den Arbeitspunkt des FETs fest.
Spannung an G2 lässt sich über R1/R2 berechnen.
Die Spannung am Drain ist um die Gatespannung geringer. Daraus lässt 
sich dann über R3 der Drain-Strom bestimmen.

L1,L2 transformieren die Eingangsimpedanz und bilden einen 
Bandpassfilter.

Für RF müssen jetzt die C's mit berücksichtigt werden. Ich denke mal, C2 
schließt R3 sogar komplett kurz, so dass Du die volle Verstärkung des 
Transistors hast.

.... usw.

Wenn was nicht klar ist, kannst Du ja wieder hier im Forum fragen. 
Vielleicht dann unter HF & Funk & Felder

von Michael S. (technicans)


Lesenswert?

Vielleicht liest man sich erst mal schlau und fängt mit den Grundlagen 
an:
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberlagerungsempf%C3%A4nger
...wäre schon mal ein Anfang.

von Maik H. (Gast)


Lesenswert?

Hi Bert,
auch HP Sammler ? Hat bei mir im Studium auch angefangen. Kurz danach 
war Wirtschaftskrise und die Geräte gab es deutlich billiger... - Beim 
Reparieren von alten HF - Messgeräten lernt man auch so einges - für die 
alten HP Geräte bekommt man ja noch Schaltpläne auf Bauteilebene - teils 
sogar bei HP im Download.

Was oft interessant ist - aktuellen kommerziellen HF Schrott angucken 
und umbauen. Wenn man irgendwo professionelle frisch ausgemusterte 
Funktechnik und die dazugehörigen Schaltpläne bekommt wirds 
interessant. Das ist mir mal mit KW Funkgeräten aus dem Marinebereich 
gelungen - die Dinger waren keine 5 Jahre alt - uns Schaltpläne gabs im 
Netz.

Hatte mir während des Studiums mal auf einer Versteigerung einige Kisten 
mit Entwicklungsmustern einer pleitegegangenen HF Bude für den Gegenwert 
einiger Kästen Getränke ersteigert. Danach wusste ich dann was an 
Bauteilen hier in Europa halbwegs aktuell und beschaffbar ist.

Alternativ auch im Amateurfunkbereich schauen: z.B. die Zeitschrift 
Funkamateur. Oder die UKW Berichte. Die Homepage von "Burkard Kraus" von 
der Elektronikschule Tettnang ist auch eine Fundgrube. Der hat einige 
Tutorien incl. Simulation uund Berechnung von Höchstfrequenzverstärkern 
und Antennen auf seiner Internetseite.
Eine Idee könnte auch der Kauf eines gut beschriebenen Sendeempfänger 
-Baustzes aus dem AFU Berich sein. Teils gibt es da QRP Geräte mit 
schönen Baumappen - die die gesamte Auslegung des Gerätes dokumentieren.

Desweiteren kann ich das US Buch "Eperimental methods in RF Design" von 
Wes Hayward empfehlen.

vg

Maik

von omglol (Gast)


Lesenswert?

Willst du Theorie?
Hier kannst du einiges nachlesen:
http://www.hochfrequenzelektronik.ch/hfg/
Ist ein Dozent an der ZHAW. Falls noch was fehlt.. Grundlagen gibts hier
https://home.zhaw.ch/~kunr/

von A. $. (mikronom)


Lesenswert?

omglol schrieb:
> Ist ein Dozent an der ZHAW. Falls noch was fehlt.. Grundlagen gibts hier
> https://home.zhaw.ch/~kunr/

Cool, es gibt noch Vorlesungen Analoge Signalverarbeitung!

Die mathematischen Grundlagen macht er aber nicht sehr intensiv. Na gut, 
ist ja nur eine Fachhochschule.

von Gästchen (Gast)


Lesenswert?

mikrofunker schrieb:
> Ganz einfach:
> MACHEN
> Such Dir ein schönes Projekt und mach es.
> Zum Beispiel einen Empfänger.

Yep, bau dir z.B. ein SDR Radio zusammen. So etwas ist sehr interessant 
und du kannst noch mehr evtl. über Modulationsarten lernen usw.

von tom (Gast)


Lesenswert?

Hallo Bert,

mir hat dieses Buch einen recht guten Einstieg gegeben:
http://www.amazon.de/Experimental-Methods-Design-Amateurs-Library/dp/0872598799

Das gibts vom Author auch als pdf.

von tom (Gast)


Lesenswert?

omglol, danke für die Links. Sehr Interessant.

von Paul (Gast)


Lesenswert?

Mit Verlaub, Dein Prof. ist ein Versager. Es ist eben nicht Aufgabe 
einer Hochschule, die Bedienung eines Programmes oder den Einbau einers 
Fertig-ICs zu üben, sondern die Grundlagen, wie Wellentheorie, 
S-Paramter und Arbeiten im Smith-Diagramm beizubringen. Ich denke, es 
hat auch weniger mit "nur FH" zu tun, sondern liegt am Unvermögen des 
Profs. Wird er gegen einen Fähigen ausgewechselt (oder Du wechselst die 
Hochschule) gibt es auch fundierte HF-Vorlesungen und nicht so ein 
Bastelkram.

von Funkamateur2 (Gast)


Lesenswert?

Hallo Bert,
wie wäre es mal mit der Realität. Der Amateurfunk deckt praktisch deine 
Felder ab. www.darc.de Mach die Prüfung und leg mit den Kollegen im Club 
Team los.

von Paul (Gast)


Lesenswert?

>Hallo Bert,
>wie wäre es mal mit der Realität. Der Amateurfunk deckt praktisch deine
>Felder ab. www.darc.de Mach die Prüfung und leg mit den Kollegen im Club
>Team los.

Ich denke, ein Ingenieur, der später im HF-Bereich tätig werden will, 
sollte heute eher im Mikrowellen- und GHz-Bereich fit sein, als im 
Amateurfunk.

von Maik (Gast)


Lesenswert?

Mikrowellen und GHz Technik ist interessant, aber es gibt da auch noch 
den großen Bereich zwischen NF und UHF.
Der wird meiner Meinung nach mittlerweile eher vernachlässigt.
Für Anwendungen wie z.B. RFID kommt man bei komplexen Systemen oft in 
Bereiche - die sich mit dem Überlappen, was man als klassischen 
Amateurfunkelektronikbererich sehen kann. Nötige Tricks und Kniffe kann 
man da auch aus der AFU - Literatur entnehmen. Auch im doch in annähernd 
jeder Elektronikfirma relevantem EMV Bereich gibt es Schnittmengen.

Dazu ist zum Einstig mit Sicherheit der Bereich deutlich unter 1GHz sehr 
Sinnvoll - die Messtechnik steht in jedem Feld- Wald- und Wiesenlabor. 
Gemeine parasitäre Effekte gibt es im zweistelligen MHz Bereich auch 
schon genug.
Was man jedoch feststellen kann - der Markt trennt sich in Fastfood 
ähnliche HF, wo man den Transceiverchip nur noch nach 
Herstellerreferenzdesign und BOM auf die Platine kippen kann ohne viel 
nachdenken zu müssen. Hat man aber etwas speziellere Anforderungen, dann 
gibts oft nichts fertiges und man muß /darf ans Eingemachte gehen.

vg

Maik

von Ham (Gast)


Lesenswert?

Hallo,

irgendwo müssen ja auch die Module entwickelt werden, z.B. fällt ja ein 
GPS oder WLAN Modul nicht vom Himmel sondern wird von irgendjemanden 
auch designed.
Also sind die Grundlagen immer noch erforderlich - wahrscheinlich in der 
tagtäglichen Praxis nur von einen gringen Prozentsatz der Entwickler 
aber trotzdem darf das Wissen und vor allen die praktische Erfahrung 
nicht verlorengehen


mfg
    Ham

von Galenus ein Reisender (Gast)


Lesenswert?

Hallo Bert,Paul,
nur eben zur Info. Es steht mal wieder eine Amateurfunktagung an. Klar 
die sind immer natürlich nicht im Ghz Bereich. HI. Der Amateurfunk lebt 
im Jahr 2012
http://www.ghz-tagung.de/

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


Lesenswert?

www.amateurfunktagung.de
am Samstag/Sonntag 10./11.3.2012 in München

von Hercules (hercules)


Lesenswert?

Was für ein toller Zufall, dass ich diesen alten Beitrag hier finde! 
Hoffentlich kann ich diesen wieder zum Leben erwecken, ich würde gerne 
mit dem Veröffentlicher dieses Themas in Kontakt treten.

Gute zehn Jahre sind vergangen, seit dem der Kollege Bert sein Problem 
mit der Lehre in Analogtechnik an der Hochschule erläutert hat. Ich bin 
im 6. Semester studierender Mechatronik Student und kann so viele Jahre 
später zu 100 % nachvollziehen, was er meint, denn bei mir ist es 
momentan genau so.

Warum schreibe ich diesen Kommentar? Ganz einfach aus dem Grund, wie 
Bert auch. Ich möchte auch mehr in die Analogtechnik einsteigen und das 
lernen. Mir fehlt das auch sehr. Ich möchte Bert gleichzeitig hiermit 
fragen, was in den Jahren geschehen ist und wie er sich der 
Analogtechnik genähert hat.

Ich fände es so unfassbar schön, wenn man hier in Kontakt käme.

von OKW (Gast)


Lesenswert?

Naja, also nur mit
> dieses Buch
reisst man gar nichts.
Und die Amateurfunker/Funkamateuere koennen auch kaum
in der wirklichen Breite HF-Zeug entwicklen.
Dafuer sorgen schon die Nutzungsplaene.
Breite ist naemlich woertlich gemeint...

Dem neu Hinzugekommenen: Viel Spass und Erfolg!

P.S.: Viel Frust und Aerger laesst sich mit guter Messtechnik
vom Hals halten. Der eigentliche Schluessel ist und bleibt
aber die Intuition. Die kann man leider nicht studieren.

von Kilo S. (kilo_s)


Lesenswert?

OKW schrieb:
> Der eigentliche Schluessel ist und bleibt
> aber die Intuition. Die kann man leider nicht studieren.

Von den Anfängen bis heute hab ich allerdings durch viel Praktische 
Erfahrung langsam meine Intuition entwickelt.

Als Beispiel sei sowas wie die Messung einer Antenne mit einem VNA 
genannt.
Auf den ersten Blick kann ich da schon sagen ob der Strahler zu kurz 
oder lang ist, ob ich bei der Anpassung (zb. L/2 mit 
Parallelschwingkreis und Impedanzanpassung über Anzapfung) zu hoch oder 
zu tief liege oder ob der Kondensator zu groß oder klein ist.

Natürlich hab ich davor aber auch viel "Müll" produziert. Das "Fiese" an 
HF bzw. Antennebau ist zb. das eine Anpassung eben auch mit völlig 
unbrauchbaren Strahlern (Zu Kurz zb.) Super werte vorgaukeln kann. Merkt 
man allerdings ganz gut beim Senden, man kommt eben nicht sehr weit in 
so einem Fall.

Intuition kann man also nicht "Studieren", sie entwickelt sich 
selbständig aus den eigenen Erfahrungen heraus.

So meine Meinung.

Beitrag #7155365 wurde von einem Moderator gelöscht.
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.