Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Operationsverstärker - Grundlagen


von TT1 (Gast)


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Hallo Community,

ich habe eine Frage bezüglich OP - Grundlagen.

Angenommen ich habe:
- OP-Schaltung: nichtinvertierender Verstärker
- konstante Verstärkung (über Widerstände)
- Eingangssignal: sinus

Wie bekomme ich nun hier Parameter, wie die Grenzfrequenz des Systems 
raus? Also bis wann ist am OP Ausgang noch ein ordentlicher Sinus zu 
sehen. Dieser Punkt ist stark von der Amplitude des Eingangssignals 
abhängig. Hier müsste die Slew-Rate der entscheidene Wert sein?! Aber 
müssten nicht eigentlich schon alle Informationen im 
Verstärkungs-Bandbreiten-Produkt stecken (Grenzfrequenz bei bestimmter 
Verstärkung, unabhängig von Eingangsamplitude)?

Besten Dank!

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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TT1 schrieb:
> Also bis wann ist am OP Ausgang noch ein ordentlicher Sinus zu
> sehen.
Die Frage sollte eher lauten: ab welcher Frequenz ist nur noch ein 
Sinus zu sehen?

TT1 schrieb:
> Hier müsste die Slew-Rate der entscheidene Wert sein?!
> Aber müssten nicht eigentlich schon alle Informationen im
> Verstärkungs-Bandbreiten-Produkt stecken?
Das sind eh' nur zwei Seiten der selben Medaille...
Die Slew-Rate bezieht sich allerdings eher auf sprungartige Änderungen 
des Ausgangssignals. Sie gibt also die maximale Steigung an. Bei einem 
Sinus tritt diese Steigung nur im Nulldurchgang auf.

von Helmut S. (helmuts)


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Die erreichbare Slewrate wird sowohl durch den Wert im Datenblatt als 
auch durch das Verhältnis Frequenz_des_Signal*Verstärkung zu GBW 
bestimmt. Die Slewrate im Datenblatt ist dabei der maximal erreichbare 
Wert.

von TT1 (Gast)


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Danke für eure Antworten!

Was ich einfach noch nicht verstehe:
Es gibt OP's, welche eine hohe Slew Rate haben allerdings auch ein 
relativ kleines GBW. Wie kann man sich das erklären?

Viele Grüße

von Jens G. (jensig)


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Slew Rate und GBW sind nicht unbedingt automatisch gekoppelt.
Hohe SlewRate bedeutet üblicherweise auch eine rel. gute 
Großsignalfähigkeit bei rel. hohen Frequenzen. Wenn die nur eine geringe 
SlewRate hätten, würde die GBW nur bei kleinen Signalspannungen stimmen. 
Bei größeren Signalen klappen die dann ein, wenn die SlewRate  nicht 
mehr ausreicht (das Signal wird dann eher dreieckig).
SlewRate wird übrigens vorrangig von der Endstufe des OPV bestimmte, 
weil es dort um größere Spannungshübe geht. GBW eher von der Gesamtheit 
des OPV.

von TT1 (Gast)


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Super Antwort, vielen Dank!

Wenn man einen Sinus hernimmt und nur die Amplitude variert bekommt man 
auch verschiedene Steilheiten ohne das die Frequenz verändert wird.

Demnach wird die GBW durch die interne Gegenkopplung (Miller-Effekt?) 
verursacht und die Slew Rate durch die Kapazitäten der 
Endstufentransistoren, bzw. wie schnell da ein und ausgeräumt werden 
kann um eine gewisse Spannung zu erzeugen. Sehe ich das richig?

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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TT1 schrieb:
> Sehe ich das richig?

Fast.

Die meisten Opamps haben an den Eingängen einen Differenzverstärker, der
die Eingangsspannungsdifferenz in einen Strom umsetzt. Dieses Stromsig-
nal wird durch die Miller-Kapazität der nachfolgenden Verstärkerstufe
tiefpassgefiltert. Die Slewratebegrenzung entsteht wie die GBW genau an
dieser Stelle.

Die GBW ist u.a. proportional zur Transkonduktanz des Differenzverstär-
kers, die Slewrate zu dessen maximalem Ausgangsstrom, der wiederum durch
den Ruhestrom bestimmt wird.

Da Transkonduktanz und Ruhestrom zwei voneinander unabhängige Größen
sind, sind es die GBW und die Slewrate ebenfalls.

von Helmut S. (helmuts)


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Hier mal die Formel für die Grenzfrequenz.

v0 eingestellte Verstärkung, z. B. 10.
v(f) ist die tatsächliche Verstärkung abhängig von der Frequenz.
GBW ist das Verstärkungsbandbreitenprodukt

v(jf) = v0/(1+jf*v0/GBW)

|v(f)| = v0/sqrt(1+(f*v0/GBW)^2)

Das ergibt die Grenzfrequenz fg

fg = GBW/v0
------------

Die Formel gilt, solange die "slewrate" nicht überschritten wird.

von TT1 (Gast)


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Super, in den Erklärungen steckt viel Verständnis!

Ich nehme an das ein Überschreiten der Slew-Rate mit der Überschreitung 
der Steigung im Nulldurchgang (max. Steigung) des Sinus definiert ist?

Mal etwas konkreter:
Ich habe ein Messsignal was ich verstärken (Großsignalverstärkung => 
Slew-Rate wichtig) möchte.

Details:
- Frequenz: 20 kHz - 500 kHz (also kein Sinus)
- Verstärkungsfaktor: 4
- hoher Scheitelfaktor (niedriger Effektivwert, hohe Peaks)
- maximale Eingangsamplitude: 2,5 V (Ausgang: 10 V)

Rechnung:
max. Steigung Funktion = A * w = 10 V  2  PI * 500 kHz = 31 V/us

Ich habe den Baustein AD 746 ausgewählt. Hat eine Slew Rate von 75 V/us.

V0 = 4, f = 500 kHz, GBW = 13 MHz
|v(f)| = v0/sqrt(1+(f*v0/GBW)^2) = 3,95 (rel. Fehler: -1,2 %)

Ist das Vorgehen gut oder habe ich etwas relevantes vergessen? Ist die 
Gruppenlaufzeit eigentlich Amplituden- und Verstärkungs unabhängig? In 
welchen Fällen ist ein niedriger Biasstrom und eine niedrige 
Offsetspannung wichtig bzw auf was ist zu achten?

Vielen Dank !!!

von Helmut S. (helmuts)


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Ja deine Rechnung stimmt.

Sinusausgangsspannung:  10V*sin(2*pi*f*t)

Steigung ist die Ableitung also 10V*2*pi*f*cos(2+pi*f*t)

Maximale geforderte Steigung: 10V*2*pi*f

Die mögliche slwerate im Datenblatt muss dann größer als dieser Wert 
sein.

von kann nit verstahn (Gast)


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TT1 schrieb:
> Details:
> - Frequenz: 20 kHz - 500 kHz (also kein Sinus)

Helmut S. schrieb:
> Sinusausgangsspannung:  10V*sin(2*pi*f*t)

Ist das ein Widerspruch zwischen "kein Sinus" und 
"Sinusausgangsspannung"?


Bei 500kHz Rechteck und 10Vss komme ich auf eine Slew Rate von 400 V/µs.
Bei 500kHz Sinus und 10Vss komme ich auf eine Slew Rate von 16,7 V/µs.

Die andere Möglichkeit ist natürlich, das ich was falsch verstanden 
habe, was öfters vorkommt ;)

von ArnoR (Gast)


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> Bei 500kHz Rechteck und 10Vss komme ich auf eine Slew Rate von 400 V/µs.

Falsch, beim Rechteck ist die SlewRate immer unbegrenzt groß, und zwar 
unabhängig von der Frequenz oder Amplitude.

von kann nit verstahn (Gast)


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ArnoR schrieb:
> beim Rechteck ist die SlewRate immer unbegrenzt groß,

Richtige Bemerkung - falscher Thread!

von TT1 (Gast)


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Danke für die Antworten.

Das Signal ist kein Sinus, kein Rechteck, kein Dreieck, es ist 
undefiniert in seiner Form. Man kann allerdings jedes Signal in seine 
Spektralanteile (Sinus) zerlegen. Demnach habe ich zur Worst-Case 
Abschätzung den höchsten Spektralanteil (500 kHz) zusammen mit der 
höchsten Amplitude betrachtet.

Hat noch wer Tips wegen:
"Ist die Gruppenlaufzeit eigentlich Amplituden- und Verstärkungs 
unabhängig? In welchen Fällen ist ein niedriger Biasstrom und eine 
niedrige
Offsetspannung wichtig bzw. auf was ist zu achten?"

von Jens G. (jensig)


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Solange Du mit den Frequenzen deutlich unter den Grenzen des OPV 
bleibst, dürften Laufzeiten keine Rolle spielen.
Die Laufzeiten dürften aber mit der Aussteuerung variieren, denn je nach 
gerade aktuellem Pegel befinden sich die internen Transis immer in 
bestimmen Arbeispunkten, die dann diverse andere Parameter (z.B. 
Sperrschichtkapazitäten) ändern. (in der Amplidute hängt ja irgendwie 
die Verstärkung mit drin - ist also nicht separat betrachtungswürdig ;-)

Bias/Offset: was hat das jetzt mit den dyn. Dingen zu tun? Klar, wenn Du 
den Offset änderst, andern sich auch gewisse Arbeitspunkte - also s.o.
Und Bias kannste doch sowieso nicht ändern, wenn einmal für einen 
bestimmten OPV festgelegt.

von Helmut S. (helmuts)


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> Hat noch wer Tips wegen:
"Ist die Gruppenlaufzeit eigentlich Amplituden- und Verstärkungs
unabhängig?

Die Gruppenlaufzeit hängt nicht von der Amplitude ab.

Die Gruppenlaufzeit steigt mit der Verstärkung da die Bandbreite sinkt.

von TT1 (Gast)


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Danke für die Antworten!

Noch ein paar Fragen:

1.) Messung der Slew-Rate: Rechteck auf Eingang geben und die lineare 
Steigung am Ausgang beobachten?

Bei dieser Messung kam ich auf eine Slew Rate von 5 V/us, obwohl es laut 
Datenblatt 9 V/us sein sollten. Ich denke der Fehler ist zu groß um ihn 
mit Toleranzen erklären zu können. Kann dies an Punkt 2 liegen?

2.) Wie schaut der Zusammenhang zwischen Ausgangswiderstand, 
Versorgungsspannung zur Slew-Rate aus?

3.) Hat jmd von euch eine gute Informationsquelle über 
Operationsverstärker? Kann auch etwas theoretischer sein (Stromspiegel 
usw.), ich will die Dinger aber auch nicht bauen können.

Vielen Dank!

von ArnoR (Gast)


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1) Ja.

2) Wovon die SlewRate bestimmt wird, hat Yalu X. oben gesagt. Die 
Arbeitspunktströme im OPV sind etwas von der Vcc abhängig und ebenso die 
sonstigen parasitären Kapazitäten. Beides ergibt eine mit der Vcc 
steigende SR.

3) Tietze/Schenck

von Purzel H. (hacky)


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Offset und Bias, sollte man je nach Anwenduung im augebehalten.

Der Offset ruft einen Fehler im amplituden endwert hervor. Der Offset 
ist auf den Eingang bezogen und wird mit der Verstaerkung verstaerkt. 
Bei einem Offset von 10mV und einer Verstaerkung von 4 kann der Endwert 
um 40mV falsch sein.

Der Bias ist der Eingangssstrom. Wenn man einen Integrator baut ist 1uA 
Bias nicht besonders guenstig, denn der Integrator integriert den 
Eingangsstrom der Schaltung, hier minus den Bias. Ebenso ist er zu 
beachten, wenn man hochohmige Quellen verwendet. Dann fuehrt er zu einem 
Offsetfehler.

Schnelle OpAmps haben meist einen hoeheren Offset und einem hoeheren 
Bias.
All diese Dinge sind unter Theorie des Opamp zu finden.

von Christian L. (cyan)


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TT1 schrieb:
> Hat jmd von euch eine gute Informationsquelle über
> Operationsverstärker?

Wie sieht es mir deinen Englisch Kenntnissen aus?
http://www.ti.com/lit/an/slod006b/slod006b.pdf

LG Christian

von Jens G. (jensig)


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>1.) Messung der Slew-Rate: Rechteck auf Eingang geben und die lineare
>Steigung am Ausgang beobachten?

>Bei dieser Messung kam ich auf eine Slew Rate von 5 V/us, obwohl es laut
>Datenblatt 9 V/us sein sollten. Ich denke der Fehler ist zu groß um ihn
>mit Toleranzen erklären zu können. Kann dies an Punkt 2 liegen?

Die SlewRate wird oft/meistens wohl nur für einen bestimmten Sprung 
angegeben, also z.B. nur eine 5V hohe Flanke in der Mitte des 
Aussteuerungsbereiches, und definierten Bedingungen, wie Last, 
Verstärkung, Eingangpegel ....

von TT1 (Gast)


Angehängte Dateien:

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Danke!

Ich habe leider ein Problem mit Überschwingern (siehe Anhang). Das 
Orange ist die Sollkurve, das grüne nach der Verstärkerstufe. Es 
existiert eine kleine Verzögerung, ist aber irrelevant. Von der 
Slew-Rate (20 V/us) sollte der Baustein eigentlich ausreichend sein und 
das GBW spielt keine Rolle. Woher kommt das Problem?

von ArnoR (Gast)


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> Woher kommt das Problem?

Die Frequenzgangkorrektur des Verstärkers ist nicht richtig ausgelegt 
(wie üblich bei intern korregierten OPV).

von TT1 (Gast)


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Es handelt sich bei dem Bauteil (Grafik) auch nicht um einen 
Operationsverstärker, sondern um einen Multiplizierer 
(Verstärkungsfaktor 1).
Von den Begrifflichkeiten sind Multiplizierer ähnlich wie 
Operationsverstärker.


1.) Tip wie man das Problem mit den Überschwingern beheben kann? Es 
tritt halt erst auf, wenn die abfallende Flanke eine gewisse Steilheit 
(kann man einstellen) erreicht, obwohl es nicht im Konflikt mit der 
Slew-Rate steht.

2.) Interessant fande ich, dass der Effektivwert im Zusammenhang mit der 
Bandbreite steht, was ja beim OPV nicht existiert (Erklärung?). Können 
Probleme wie die Verzögerung von der Bandbreite kommen?

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