Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Berechnung Thermal Runaway von Schottky-Dioden


von stephan (Gast)


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Hallo zusammen,

ich versuche gerade die kritische Umgebungstemperatur zu berechnen, ab 
wann die von uns verwendete Schottky Diode (PMEG3010EH) in den sog. 
thermal Runaway hineinläuft.
Leider tue ich mich da etwas schwer, bzw. bin mir auch gar nicht sicher, 
ob es mit den Angaben aus dem Datenblatt alleine überhaupt geht. Kann 
mir von euch jemand dazu helfen ?

Es handelt sich um eine Brückengleichrichterschaltung einer 
Rechteckspannung, d.h. die Diode wird in einer Halbwelle in 
Flussrichtung und in der nächsten Halbperiode in Sperrrichtung 
betrieben. Die Verluste in Flussrichtung hab ich schon berechnet.
Für die Sperrrichtung kenne ich laut Datenblatt den Leckstrom in 
Abhängigkeit der Umgebungstemperatur. Daraus hab ich ebenfalls die 
Verluste berechnet und miteinadner addiert. Ebenso bekannt ist mein Rth. 
Daraus ergibt sich die gesamte T-junction der Diode.

Im Normalfall ist ja die erzeugte Verlustleistung immer gleich der in 
Wärme abgeführten Verlustleistung. Sobald die erzeugte Verlustleistung 
aber größer wird als die in Wärme umgesetzte Leistung, entsteht nach 
meinem Verständnis der thermal Runaway.
-->
Ich habe nun versucht das ganze grafisch zu ermitteln, indem ich die 
Verlustleistungskurve (erzeugte Verlustleistung in Abhängigkeit der 
resultierenden T-junction) gegenüber der Rth-Kennlinie (abgeführte 
Leistung) darstelle.
Allerdings habe ich festgestellt, dass aufgrund des exponentiell 
ansteigenden Reverse-Stroms die T-junction auch proportional mit 
ansteigt, was ja aber nicht wirklich stimmt. Der Effekt ist ja genau 
der, dass die T-Junction irgendwann nicht mehr proportinal zur 
Verlustleistung verläuft.
Aber wie finde ich diesen Punkt heraus ?

Ich hoffe ihr konntet folgen...

Vielen Dank!
Stephan

von Jens G. (jensig)


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>Wärme abgeführten Verlustleistung. Sobald die erzeugte Verlustleistung
>aber größer wird als die in Wärme umgesetzte Leistung, entsteht nach
>meinem Verständnis der thermal Runaway.

Den Satz mußt Du dir nochmal durch den Kopf gehen lassen, denn wie soll 
die Verlustleistung größer als die Wärmeleistung werden. Die 
Wärmeleistung ist doch die Verlustleistung (/also zwei Begriffe für 
daselbe).
Du meinst vermutlich erzeugte Verlustleistung > abgebbare Wärmeleistung

von Purzel H. (hacky)


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Eine Diode hat einen Temperaturkoeffizienten von -2mV/K (zumindest die 
Si-PN dioden). Dh bei hoeherer Temperatur ist die Vorwaerts-Spannung 
kleiner.
Moeglicherweise kann da trotzdem was weglaufen.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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stephan schrieb:
> Leider tue ich mich da etwas schwer, bzw. bin mir auch gar nicht sicher,
> ob es mit den Angaben aus dem Datenblatt alleine überhaupt geht.
Nein, denn im Datenblatt sind ja nur Daten für den zulässigen Bereich 
angegeben (z.B. max. 130°C). Laut Wikipedia werden solche Effekte erst 
ab 160°C beobachtet/erwartet:
1
Silicon shows a peculiar profile, in that its electrical resistance 
2
increases with temperature up to about 160 °C, then starts decreasing, and 
3
drops further when the melting point is reached. This can lead to thermal 
4
runaway phenomena within internal regions of the semiconductor junction;

von stephan (Gast)


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Jens G. schrieb:
> Du meinst vermutlich erzeugte Verlustleistung > abgebbare Wärmeleistung
ja, hatte mich leider falsch ausgedrückt

Lothar Miller schrieb:
> Laut Wikipedia werden solche Effekte erst
> ab 160°C beobachtet/erwartet:
Meinst du damit 160°C Tamb (Umgebung) oder Tj (junction) ?

Wir messen einen thermal Runaway bei 126°C Ambient. Der Strom in 
Vorwärtsrichtung war in dem Test Null, um den Einfluss von benachbarten 
Schaltungen auszuschließen.

Nach meinem Verständnis kann der thermal Runaway sogar bei Tj unterhalb 
der Tjmax-Grenze laut Datenblatt auftreten. Der thermal Runaway ist vom 
Arbeitspunkt abhängig und hat mit der Tjmax laut Datenblatt erstmal 
nichts zutun. Wenn laut Datenblatt z.b. 150°C Tj zulässig sind, heißt 
das nicht, dass ich die Diode auch bis 150°C Tj bei jedem Arbeitspunkt 
betreiben darf.
(es sei denn, man betreibt die Diode NUR in Vorwärtsrichtung, sodass der 
Sperrstrom keine Rolle mehr spielt)

Habe zwischenzeitlich ein Application Note gefunden, wo die Auslegung 
erklärt wird. Auf dem ersten Blick lag ich mit meinem grafischen Ansatz 
gar nicht so weit daneben. Bin gerade dabei, die Sache nochmal zu 
überarbeiten um den Fehler zu finden.
Es gibt noch einen rechnerischen Ansatz den ich gesehen habe, und zwar 
mit Hilfe einer e-Funktion (Sperrstrom in Abhängigkeit von Tj), die man 
sich aber durch Interpolation erst herleiten muss.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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stephan schrieb:
> Meinst du damit 160°C Tamb (Umgebung) oder Tj (junction) ?
Da der Effekt auf dem Silizium stattfindet, ist das auf die Sperrschicht 
bezogen...

stephan schrieb:
> Wenn laut Datenblatt z.b. 150°C Tj zulässig sind, heißt das nicht, dass
> ich die Diode auch bis 150°C Tj bei jedem Arbeitspunkt betreiben darf.
Warum nicht? Sie darf nur nicht heißer werden...
Wenn sie heißer wird, reicht in erster Näherung die Kühlung nicht aus.

von Ulrich (Gast)


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Die kritische Größe für den thermal runaway ist die Ableitung der 
Leistung nach der Temperaur geteilt durch den Wärmewiderstand. Wenn das 
etwas größer als 1 rauskommt wird das System instabil. Wegen lokaler 
Effekte muss man noch ein bisschen drunter bleiben - bei BJTs im 
linearen Bereich zum Teil auch viel.

Graphisch ist der Kritische Punkt, wenn die Steigung der Kurve 
entstehenden Verlustleistung (hier Spannung mal Leckstrom) als Funktion 
der Temperatur die Steigung der Kurve zur Wärmeableitung erreicht.

Es ist eine Frage der Kühlung (und ggf. der Schaltung) ob die Grenze 
noch im sonst erlaubten Arbeitsbereich oder ggf. auch erst außerhalb 
kommt.

von stephan (Gast)


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Ulrich schrieb:
> Graphisch ist der Kritische Punkt, wenn die Steigung der Kurve
> entstehenden Verlustleistung (hier Spannung mal Leckstrom) als Funktion
> der Temperatur die Steigung der Kurve zur Wärmeableitung erreicht.

ich glaub ich habs jetzt.
Habe den Sachbearbeiter vom Hersteller gefragt bzgl. der Kennlinie vom 
Leckstrom, weil die Tamb statt Tj angegeben haben. Er meinte, dass die 
ihre Tests so gemacht haben, dass keine Eigenerwärmung stattfand und 
demnach Tamb mit Tj gleichzusetzen ist. Insofern kann ich nun direkt 
ablesen, bei welchem Tj welcher leckstrom fließt.
Wenn ich das mache, dann kommt in meiner Berechnungskurve auch was 
brauchbares raus.

Den rechnerischen Ansatz habe ich noch nicht ausprobiert.

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