Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik seltsamer MOSFET-Defekt: braucht mehr U_GS


von Dieter_G (Gast)


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Hallo liebe Gemeinde,

Vorab : Die Ergruendung der hier aufgeworfenen Frage ist rein 
sportlicher natur, es geht nicht um die Loesung eines akuten Problems 
sondern lediglich um das Verstaendnis.

ich habe gestern eine (schlechte) Konstantstromquelle aufgebaut, 
aehnlich der vermutl. bekannten "Transistor-LED-Konstantstromquelle von 
"Elektronik-Kompendium"), siehe Schaltplan.

Sie hat auch funktioniert und obwohl der BSP315P nicht fuer den 
Linearbetrieb ausgelegt ist liege ich weit in der SOA...

An dem Stromabgriff rechts unten flieszen dann ~180mA. Natuerlich ist
das ganze ein wenig Temperatur- und noch viel mehr 
Primaerspannungsabhaengig (oder anders gesagt : Pfusch) aber das ist 
fuer meinen Zweck egal.

Dann habe ich jedoch ein Tischmultimeter (Netzbetrieben) an den 
Stromabgriff angeschloszen und in Reihe dazu einen Poti. Ich wollte 
sehen, wie weit der Transistor aufmacht, wenn der Stromflusz durch einen 
(zu) hohen Widerstand im Strompfad begrenzt wird (Durch den sinkenden 
Strom verringert sich der Spannungsabfall am 2.2-Ohm Widerstand der an 
Source haengt und dadurch erhoeht sich die Gate-Source-Spannung des 
Transistors und er macht weiter "auf"). Als alles angeschloszen war, 
floszen jedoch ploetzlich nur noch 0.2mA. Der MOSFET schien defekt. Habe 
daraufhin U_GS gemessen und diese war (unveraendert) bei ~-2.55V. Habe 
dann die PMLL4148 herausgeloetet, so dasz U_GS auf die vollen 5V stieg. 
Dann hat der MOSFET wieder aufgemacht. Durch variieren der 
Versorgungsspannung habe ich festgestellt, dasz er ploetzlich ~-3.7V 
U_GS "gebraucht" hat um 180mA flieszen zu lassen. Zuvor waren es ~2.2V 
gewesen.

MOSFET ausgetauscht, Schaltung hat wieder funktioniert (2.55V ueber den 
Dioden -> ~(2.55 - 0.18*2.2 ~= 2.15V U_GS), I ~= 180mA.

Tischmultimeter erneut angeschloszen -> nur noch 70mA. Tischmultimeter 
wieder weggemacht, Stromabgriff kurzgeschloszen -> unveraendert 70mA. 
MOSFET war wieder defekt.

Habe ihn dann erneut ausgetauscht und anschlieszend ein 
batteriebetriebenes Handmultimeter (Potentialfrei) angeschloszen, dann 
ist nichts mehr passiert.

Ich habe eine Strippe des TischMM mal ans Oszi gehaengt, da waren so sie 
ueblichen 2-3V 50Hz drauf, also nix wildes.

Was mich jetzt wundert ist die Tatsache dasz der Transistor offenbar 
durch das Tisch-MM kaputt ging und viel mehr noch, die Art des Defekts 
naemlich die, dasz er "danach" lediglich eine etwas hoehere U_GS 
"gebraucht" hat als "davor" im Prinzip aber noch funktionierte.

Bisher hatte ich nur erlebt, dasz durch eine zu hohe 
Gate-Source-Spannung die Isolierschicht des Gates durchschlagen worden 
ist und dieses dann nicht mehr hochohmig war. Das war hier aber nicht 
der Fall, denn nach dem Ausloeten der PMLL4148 hatte ich die volle 
Versorgungsspannung zwischen Gate und dem 5V-Versorgungsanschlusz 
(sprich : Gate lag durch den 1K-Widerstand gaenzlich auf 
Massepotential).

Nun die eigentliche Frage(n) :
Hat jemand schon einmal einen solchen Defekt an einem MOSFET erlebt ?
Kennt moeglicherweise jemand den halbleiterphysikalischen Hintergrund 
und hat eine Theorie was da im Transistor passiert ist ? und somit auch
Eine fundierte Theorie ueber die genaue Ursache des Defekts ?

Moeglicherweise kennt auch jemand einen Link zu einer Seite wo gaengige 
Defektmechanismen in MOSFETs aufgezeigt und deren Ursachen dargelegt 
werden (?)

Vielen Dank fuer eure Antworten

von ArnoR (Gast)


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> Kennt moeglicherweise jemand den halbleiterphysikalischen Hintergrund
> und hat eine Theorie was da im Transistor passiert ist ? und somit auch
> Eine fundierte Theorie ueber die genaue Ursache des Defekts ?

Es ist doch sehr wahrscheinlich, dass der Transistor entweder durch eine 
zu große negative Drain-Source-Spannung (wobei die Gate-Source-Spannung 
durch die Dioden geklemmt ist) oder durch einen zu großen Rückwärtsstrom 
durch die Drain-Source-Diode (dabei kann durch den Spannungsabfall an Rs 
auch die Ugs zu groß werden) zerstört wurde.

von M. K. (sylaina)


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Dieter_G schrieb:
> Kennt moeglicherweise jemand den halbleiterphysikalischen Hintergrund
> und hat eine Theorie was da im Transistor passiert ist ? und somit auch
> Eine fundierte Theorie ueber die genaue Ursache des Defekts ?

Der MOSFET ist mit einem Ptot von 1.8W angegeben. Dabei ist die 
unmittelbare Umgebung auf 25°C zu halten. Mit 180mA und den oben 
angegebenen 5V Betriebsspannung hast du im Kurzschlussfall 0,8W. Und 
jetzt die große Preisfrage: Hast du den FET auch auf 25°C gehalten? 
Nein? Na, schaut doch nach dem klassischen Fall der Überlast zu riechen. 
Dafür spricht auch das Verhalten, dass nun eine höhere Spannung 
erforderlich ist um den gleichen Strom fließen zu lassen.

von ArnoR (Gast)


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Hast du den FET auch auf 25°C gehalten?

Muss er doch nicht. Laut DB darf der Fet bei 0,8W bei Ta=95°C betrieben 
werden.

von Dieter_G (Gast)


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Michael Köhler schrieb:
> Der MOSFET ist mit einem Ptot von 1.8W angegeben. Dabei ist die
> unmittelbare Umgebung auf 25°C zu halten. Mit 180mA und den oben
> angegebenen 5V Betriebsspannung hast du im Kurzschlussfall 0,8W. Und
> jetzt die große Preisfrage: Hast du den FET auch auf 25°C gehalten?

Nenene, so einfach ist das nicht, Arnor hat schon recht :

T_A musz 25°C sein, nicht T_C(ase). Leider ist in diesem Datenblatt 
nicht angegeben mit welcher Kuehlflaeche das gilt (manche geben in einer 
kleinen "Note 1" an, dasz man eine 1 quadrat-Zoll Kupferflaeche braucht 
um die angegebene Verlustleistung abfuehren zu koennen, insbesondere bei 
Transistoren im kleinen SOT-23 die auf wundersame weisze 0.5W oder gar 
mehr vetragen koennen sollen) aber ich bin ja kein newb, 1W im SOT-223 
geht locker auch ohne Kuehlflaeche. Und alleine durch den 2.2 Ohm 
SourceWiderstand komme ich sogar "nur" auf 0.82W, zudem habe ich eine 
ca. 1cm² Kuehlflaeche.
Ich habe den Transistor auch angefasst und der wurde nicht wirklich 
heisz. Der thermische Widerstand von 25°K/W von Junction zu Case ist 
auch niedrig genug, so dasz die Junction locker unter den 150°C blieb.

Aber auch der Versuchsablauf stellt sicher, dasz es keine Ueberhitzung 
war :
Der Transistor wurde zuvor auch mit hoeherer Spannung (~6V) ueber 
langere Zeit betrieben. Unmittelbar vor dem Anschlieszen des Tisch-MM 
hat die Schaltung noch funktioniert und danach nicht mehr.
Beim zweiten Transistor das selbe.
Diesem habe ich aus Zorn, nachdem er auch kaputt war fuer ca. 3sec. 18V 
eingeschenkt (Strom ging dann von 70mA wieder auf ueber 200mA :D) und 
sogar das hat er ohne weitere Veraenderung ueberstanden, er war dann 
allerdings wirklich heisz :D

Also thermische Ueberlast kann ausgeschloszen werden.

von Dieter_G (Gast)


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@Arnor

bzgl. deines ersten Beitrags :
Wenn ich das richtig einschaetze vermutest du aber auch nur, richtig ?
Klar, es musz ja fast zwangslaeufig eines von beidem gewesen sein, wobei 
ich die zu grosze Drain-Source-Spannung (also Durchbruch) fuer das 
unwahrscheinlichere halte und eher die andere Variante, also dasz durch 
einen ESD-Puls (egal welcher Polaritaet), der vom aus irgendwelchen 
schleierhaften Gruenden geladenen Tisch-MM ausging und der daraus 
resultierende Stromspitze in Verbindung mit R_S die max. zulaessige U_GS 
ueberschritten wurde.

Dagegen spricht aber wiederum, dasz das Gate (zumindest bis -5V) noch 
voll zu isolieren schien.

Ich hatte gehofft, dasz es vielleicht jemanden gibt der diese Art von 
Defekt (und seine Ursache) aus Erfahrung kennt.

von Jonathan S. (joni-st) Benutzerseite


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Mir fällt jetzt nur das hier dazu ein: 
http://www.elektronik-labor.de/Notizen/BS107.html

von M. K. (sylaina)


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Dieter_G schrieb:
> Also thermische Ueberlast kann ausgeschloszen werden.

Eure Einwendungen sind gut, aber außer thermischer Überlast fiele mir 
jetzt spontan kein physikalischer Effekt ein, der ein Anstieg von Uth 
verursachen würde um auf den gleichen Stromfluss zu kommen bei ansonsten 
identischer Peripherie.

ArnoR schrieb:
> zu große negative Drain-Source-Spannung

Wo sollte die nur her kommen? lt Plan stehen dem System nur 5 V zur 
Verfügung.

ArnoR schrieb:
> oder durch einen zu großen Rückwärtsstrom
> durch die Drain-Source-Diode

Das würde wiederum eine zu große Drain-Source-Spannung bedeutet und mit 
maximal -5 V ist die alles andere als zu groß. Sie dürfte gar -50V 
betragen. Kann also auch nicht sein.

von ArnoR (Gast)


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> Wo sollte die nur her kommen? lt Plan stehen dem System nur 5 V zur
> Verfügung....

Ich meinte damit irgendwelche Potential- oder Isolationsprobleme des 
zuerst verwendeten Tischmultimeters. Denn:

> Habe ihn dann erneut ausgetauscht und anschlieszend ein
> batteriebetriebenes Handmultimeter (Potentialfrei) angeschloszen, dann
> ist nichts mehr passiert.

von Dieter_G (Gast)


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@Michael Köhler

Michael Köhler schrieb:
> Eure Einwendungen sind gut, aber außer thermischer Überlast fiele mir
> jetzt spontan kein physikalischer Effekt ein, der ein Anstieg von Uth
> verursachen würde um auf den gleichen Stromfluss zu kommen bei ansonsten
> identischer Peripherie.

Kennst du dich da aus ? Kannst du näheres dazu sagen, wie die thermische 
Ueberlast letztlich einen Anstieg von U_th bewirkt ? Das interssiert 
mich sehr. Auch wenn ich thermische Ueberlast wie schon gesagt 
ausschliesze, ist es dennoch interessant.

Michael Köhler schrieb:
> ArnoR schrieb:
>> zu große negative Drain-Source-Spannung
>
> Wo sollte die nur her kommen? lt Plan stehen dem System nur 5 V zur
> Verfügung.

Ja, wie Arno bereits geschrieben hat waere die zu hohe Spannung (wenn 
sie es denn war) von Potentialdifferenzen her kommen, also 
elektrostatischer Aufladung.
Es gibt diesen Effekt z.B. bei dem von mir verwendeten Oszi wenn ich 
dessen Erde abklebe - eigentlich um es Potentialfrei zu machen, Aber:
Das Ding hat vermutlich ein Schaltnetzteil, jedenfalls hat es offenbar 
Filterkondis von den Netzleitungen gegen Erde. Dadurch ist dann auf dem 
Gehaeuse Netzpotential (vermutl. "halbe" Phase, da je ein Kondi von P 
und N gegen Erde).

von Dieter_G (Gast)


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Dieter_G schrieb:
> Dadurch ist dann auf dem
> Gehaeuse Netzpotential (vermutl. "halbe" Phase, da je ein Kondi von P
> und N gegen Erde).

also natuerlich mit wenig Dampf (Stromstaerke) dahinter da die Kondis ja 
klein sind, aber ein hochohmiger Punkt, z.B. ein MOSFET-Gate "sieht" 
eine grosze Spannung und verreckt. Ist mir auch schon passiert.

von Dieter_G (Gast)


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@Jonathan Strobl

Aha, ist ja witzig, bei dem hats die Kennlinie nach unten verschoben.

von M. K. (sylaina)


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ArnoR schrieb:
> Ich meinte damit irgendwelche Potential- oder Isolationsprobleme des
> zuerst verwendeten Tischmultimeters.

Achso, ich dachte aus der Schaltung, daher meine Verwirrung.

Dieter_G schrieb:
> Kennst du dich da aus ? Kannst du näheres dazu sagen, wie die thermische
> Ueberlast letztlich einen Anstieg von U_th bewirkt ?

Ein wenig. Durch die thermische Last kann die Dotierung beeinflusst 
werden was durchaus in einem Wegwandern der Threshold-Spannung münden 
kann.

von Otto_kar (Gast)


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Hmm, für mich sieht das nach einem halbseidenen Gate-Source-Schaden aus. 
Dass aussen die maximale Source-Gate-Spannung anliegt, heißt ja nicht, 
dass auch automatisch die richtige Spannung da anliegt, wo es darauf 
ankommt. Das ist über dem Kanal-Gebiet am dünnen Gate-Oxid mit dem 
richtigen Overdrive. Mir fallen da spontan 2 Mechanismen ein.
1) Auf dem Weg dahin kann einiges durch Beschädigungen --> Leckströme 
--> resultierende Spannungsabfälle verloren gehen. Hatte ich schon, sehr 
unangenehm und Stelle ist schwer zu lokalisieren.
2) Durch Ladungsträgereinbau in das dünne Gateoxid kann sich die 
Einsatzspannung verschieben. Das entspricht sehr gut dem, was ich unter 
Kennlinienverschiebung verstehe.
Wenn ich raten müsste, hat das netzbetriebene Messgeraet gut in 
negativer Richtung am Source ausgeteilt. In dieser Richtung mittels 
transienter Großsignalspannung ist der MOS nämlich hochohmig und nicht 
gut geschützt. Die positive Transientenrichtung am Source-Knoten als 
Ursache ist eher unwahrscheinlich, aber je nach Einprägungsstärke auch 
möglich.

ser's Otto_kar

von Dieter_G (Gast)


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Otto_kar schrieb:
> 2) Durch Ladungsträgereinbau in das dünne Gateoxid kann sich die
> Einsatzspannung verschieben. Das entspricht sehr gut dem, was ich unter
> Kennlinienverschiebung verstehe.
> Wenn ich raten müsste, hat das netzbetriebene Messgeraet gut in
> negativer Richtung am Source ausgeteilt. In dieser Richtung mittels
> transienter Großsignalspannung ist der MOS nämlich hochohmig und nicht
> gut geschützt. Die positive Transientenrichtung am Source-Knoten als
> Ursache ist eher unwahrscheinlich, aber je nach Einprägungsstärke auch
> möglich.

Bist du jetzt von einem N-MOS ausgegangen ?

Sehr interessant, dasz sich im Gateoxid Ladungstraeger einnisten 
koennen, hab ich nicht gewuszt. Kennst du eine Website wo man mehr ueber 
solche Defektmechanismen nachlesen kann ?

Zu deinem Punkt 1.) musz ich sagen, dasz ich dies fuer eher 
unwahrscheinlich halte, auszer die Leckstroeme waeren so gering, dasz 
sie an meinem 1K-Widerstand keinen sichtbaren Spannungsabfall 
verursachen wuerden. Dann mueszte aber die Strecke zum Gate ihrerseits 
sehr hochohmig sein, damit auf ihr ein signifikanter Spannungsabfall 
durch diese winzigen Leckstroeme entsteht und ueblicherweise ist sie das 
ja nicht (Beim BSP315 fehlt diese Angabe, aber wenn ich mich recht 
erinnere liegt die "Gate-Resistance" (ich glaube so oder so ahnlich 
heiszt das) ueblicherweise im Bereich weniger Ohm)

Ach ja : Vielen Dank an alle fuer eure bisherigen Antworten

von Otto_kar (Gast)


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Nein, ich meinte schon P-Kanal. Ein N-Kanal wäre in negativer Richtung 
am Source niederohmig.

ser's Otto_kar

von Georg A. (georga)


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>  2) Durch Ladungsträgereinbau

War das nicht der NBTI bei p-MOS?

http://en.wikipedia.org/wiki/Negative_bias_temperature_instability

Ich weiss nur nicht, ob das nur bei kleinen Chipstrukturen auftritt oder 
auch bei "normalen" Power-MOS...

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