Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Wechsel des Arbeitsgebietes


von Michi (Gast)


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Hallo,

ich arbeite momentan bei einem großen Automobilzulieferer als 
Projektleiter im Bereich Embedded SW Entwicklung in großen 
Serienprojekten.

Die Arbeit ist recht hart und anstrengend, da ständig aufgrund des 
Zeitdrucks die vom Management festgelegten Deadlines verschobenen werden 
müssen, Freigaben nicht eingehalten werden und es entsprechend ständig 
alles gegenüber dem Kunden eskaliert.
Überstunden sind an der Tagesordnung (50-60+ keine Seltenheit), sowie 
das Gefühl absolut keine Zeit irgendetwas zu haben die Sachen richtig 
umzusetzen, Hauptsache irgendwie. Alles brennt und Druck ohne Ende!

Langsam verliere ich die Lust an solch einer Arbeitsweise und überlege 
deshalb den Arbeitsplatz/Arbeitgeber/Arbeitsgebiet zu wechseln. In der 
Hoffnung, dass es woanders bessere Arbeitsbedingungen gibt. Im Auge habe 
ich Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik bzw. andere Industriegebiete im 
Auge, wo meine Kenntnisse ebenfalls eingesetzt werden können.

- Hat vielleicht jemand entsprechende Erfahrungen, was den Wechsel des 
Arbeitsgebietes angeht?

- Kommt man als Quereinsteiger auf mindestens gleiche Position bzw. 
sogar höher?

Besonderes Interesse habe ich bei der Luft- und Raumfahrt, wie ist da 
das Wetter, auch so stürmisch?

Ich hoffe es gab analoge Fälle mit einem Happy End :)


Gruß
Michael

von mighty (Gast)


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Zufällig im Raum Ingolstadt tätig?

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Michi,

> ...Alles brennt und Druck ohne Ende!
Tja, wenn das Feuer auf Dich übergegriffen hat, nennt das mancher wohl 
"Burnout".

> Langsam verliere ich die Lust an solch einer Arbeitsweise
Lustverlust an der Arbeit steigert die Qualitätskosten.

> - Hat vielleicht jemand entsprechende Erfahrungen, was den Wechsel des
> Arbeitsgebietes angeht?
Alter, guter Rat von Heiko Mell, dem Karriereberater der 
VDI-Nachrichten: "Entweder den Arbeitgeber wechseln oder das 
Arbeitsgebiet, aber niemals beides gleichzeitig!"

Begründung: Einen Lernschritt akzeptieren Personaler und Manager eher 
als einen doppelten Lernschritt - letzterer ist ein Hinweis auf 
Probleme, wie Du sie gerade geschildert hast, in denen von einem wie Dir 
aber einwandfreie Funktion wird und sogar "Resilienz", also klaglose 
Duldung von Inkompetenz im Management.

> - Kommt man als Quereinsteiger auf mindestens gleiche Position bzw.
> sogar höher?
Kaum. Betrachte die drohende Einbusse an Gehalt als Investition in die 
Rettung Deiner Gesundheit.

Ciao
Wolfgang Horn

von Tim (Gast)


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Wolfgang Horn schrieb:
>> - Hat vielleicht jemand entsprechende Erfahrungen, was den Wechsel des
>> Arbeitsgebietes angeht?
> Alter, guter Rat von Heiko Mell, dem Karriereberater der
> VDI-Nachrichten: "Entweder den Arbeitgeber wechseln oder das
> Arbeitsgebiet, aber niemals beides gleichzeitig!"
>
> Begründung: Einen Lernschritt akzeptieren Personaler und Manager eher
> als einen doppelten Lernschritt - letzterer ist ein Hinweis auf
> Probleme, wie Du sie gerade geschildert hast, in denen von einem wie Dir
> aber einwandfreie Funktion wird und sogar "Resilienz", also klaglose
> Duldung von Inkompetenz im Management.
>
Damit ist es doch unmöglich von z.B. der Automobil- in die 
Medizintechnik zu welchseln, wenn der bisherige Arbeitgeber nur in einer 
der beiden Branchen vertreten ist.

Wie stellt man es denn an, wenn man wirklich die Branche wechseln will?

von Michi (Gast)


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@mighty: Nein, ist nicht in Bayern.

@Wolfgang: Danke für die ernüchternde Worte. Fast hatte ich auch sowas 
befürchtet.

Burnout würde ich nicht sagen, sondern eher Frust wegen der vom 
Management fast gewollten Arbeitsweise. Den Traum eigene Ideen in das 
Projekt einzubringen und zu realisieren habe ich schon lange aufgegeben, 
ich habe das Gefühl nur mit einem Löschfahrzeug von einer Stelle zur 
nächsten zu fahren um die Brände zu löschen. Es wird nur das absolut 
notwendigste gemacht, nicht mehr.

Es bleibt nicht einmal Zeit, um die festgelegten Qualitätsprozesse 
richtig umzusetzen, aber Hauptsache im Vertrag ist ein hoher SPICE Level 
zugesichert worden. Naja, ok genug gejammert!

Die gehaltmäßigen Rückschritte sind natürlich nicht schön, jedoch wenn 
sich der Verlust im Rahmen hält und der neue Job eine Besserung der 
Arbeitsbedingungen mit sich bringt, würde ich es machen.

Ich würde dennoch die Option anderer Arbeitgeber und Arbeitsgebiet nicht 
ausschließen mit der Hoffnung, dass evtl. der Umstand vor dem neuen 
Arbeitgeber geschickt kaschiert werden kann. Einen Versuch ist es Wert 
...
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Wissen in ähnlicher Position, 
aber anderer Branche generisch und gut transferierbar ist.


Gruß
Michael

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Michi,

> @Wolfgang: Danke für die ernüchternde Worte. Fast hatte ich auch sowas
> befürchtet.
Tja. Zumindest für mich gilt: Lieber eine schlimme Wahrheit als tausend 
gefällige Lügen. (Ich vermute, gälte das auch in Deinem Management, 
wären Deine Probleme viel kleiner.)

> ich habe das Gefühl nur mit einem Löschfahrzeug von einer Stelle zur
> nächsten zu fahren um die Brände zu löschen.
Sicherlich unter der erschwerenden Bedingung, dass der Löschbehälter in 
Deinem Fahrzeug nur eine Gießkanne fasst pro Großbrand... und nur 
tröpfchenweise nachgefüllt wird. Aus Kostengründen natürlich, weil die 
sich mit Zahlen, Daten und Fakten rechtfertigen lassen, was Dir in 
Deiner Not schwer fällt. (Aber ich arbeite an der Lösung dieses 
Problems.)

> Es bleibt nicht einmal Zeit, um die festgelegten Qualitätsprozesse
> richtig umzusetzen, aber Hauptsache im Vertrag ist ein hoher SPICE Level
> zugesichert worden. Naja, ok genug gejammert!
Toll, damit ist der Sündenbock bereits gefunden - Du!


> Die gehaltmäßigen Rückschritte sind natürlich nicht schön, jedoch wenn
> sich der Verlust im Rahmen hält und der neue Job eine Besserung der
> Arbeitsbedingungen mit sich bringt, würde ich es machen.
Gerade die Abwanderung der Besten schmerzt solch unmenschliche 
Arbeitgeber am Meisten. Wie war das noch - wenn der letzte embedded 
entwickler die Firma fluchtartig verlassen hat, werden die Controller 
merken, dass sie nur noch die Abwicklung ihrer eigenen Arbeitsplätze 
controllen können....

Wenn das Management seine kollektive Inkompetenz nicht begreifen will, 
dann muss es diese an solcher Abwanderung spüren.

> Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Wissen in ähnlicher Position,
> aber anderer Branche generisch und gut transferierbar ist.
Klar. Die Vorschriften werden andere sein, aber die eigentliche Arbeit 
namens "embedded" ist dieselbe.

Toi, toi, toi!
Wolfgang Horn

von voodoofrei (Gast)


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Was spricht gegen einen Wechsel vom Zulieferer zum Hersteller? (Das 
würde ich an der Stelle probieren)

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Tim,

> Damit ist es doch unmöglich von z.B. der Automobil- in die
> Medizintechnik zu welchseln, wenn der bisherige Arbeitgeber nur in einer
> der beiden Branchen vertreten ist.
Habe ich mich mißverständlich ausgedrückt?
Ich habe Mell so verstanden - und das vertrete ich auch aus eigenen 
Überlegungen - Wechsel von Arbeitgeber A nach B ist akzeptabler, wenn 
die Aufgabe in beiden "embedded" heißt. Wohl eher, wenn man sagen kann 
"ich habe die Fehler im Compiler XYZ analysiert und patches gefunden" - 
wenn B auch gerade diesen Prozessor einsetzen will.

Vielleicht auch, wenn sie "Mikroprozessor-Programmierung" heißt. Schon 
weniger, wenn sie nur "Programmierung" heißt.

Wechsel der Aufgabenstellung ist auch eher akzeptabel beim selben 
Arbeitgeber A, beispielsweise "erst embedded programmierung, jetzt 
Qualitätssicherung in Sachen embedded programming", dann vielleicht mal 
"Vorstand Qualität" ;-).

Das Wie? "Chef, unser Qualitätsmanagement setzt nicht die falschen 
Schwerpunkte. Wenn wir wirklich Qualität brauchen, dann helfen 
überkandidelte, akademische und arbeitsfremde Standards kaum. Sondern 
nach Dr. Edwards Demming brauchen die Entwickler handfeste Hilfen, wir 
müssen investieren in frühzeitige Simulationen, und, und, und."
Wenn der Chef dann aufrichtig beeindruckt ist und seinen persönlichen 
Vorteil sieht, dann hilft er auch.

Ciao
Wolfgang Horn

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, voodoofrei,

> Was spricht gegen einen Wechsel vom Zulieferer zum Hersteller?
Passiert ja auch. Du musst mit Deinem Angebot für den neuen Arbeitgeber 
nur attraktiver sein als Deine persönlichen Konkurrenten.
Ob dieser Vorgesetzte nun in einer anderen Abteilung sitzt oder in einer 
anderen Firma.

Hier ist der Gesichtspunkt der "Schmalspur-Ingenieure", deren Ausbildung 
spezialisiert war - und die in anderen Aufgaben weniger glaubhaft sind.
Ich glaube, so was nennt man "Mitarbeiterbindung".

Ciao
Wolfgang Horn

von jjkkll (Gast)


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Wolfgang Horn schrieb:

> Begründung: Einen Lernschritt akzeptieren Personaler und Manager eher
> als einen doppelten Lernschritt - letzterer ist ein Hinweis auf
> Probleme, wie Du sie gerade geschildert hast, in denen von einem wie Dir
> aber einwandfreie Funktion wird und sogar "Resilienz", also klaglose
> Duldung von Inkompetenz im Management.

Das habe ich überhaupt nicht verstanden. Was soll denn insbesondere der 
zweite Teil bedeuten ?? Und wie sieht es aus, wenn ich mich für zwei 
Lernschritte bewerbe und auch genommen werde?

von Wolfgang Horn (Gast)


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Hi, jjkkll,

>> Begründung: Einen Lernschritt akzeptieren Personaler und Manager eher
>> als einen doppelten Lernschritt - letzterer ist ein Hinweis auf
>> Probleme, wie Du sie gerade geschildert hast, in denen von einem wie Dir
>> aber einwandfreie Funktion wird und sogar "Resilienz", also klaglose
>> Duldung von Inkompetenz im Management.

> Das habe ich überhaupt nicht verstanden. Was soll denn insbesondere der
> zweite Teil bedeuten ?? Und wie sieht es aus, wenn ich mich für zwei
> Lernschritte bewerbe und auch genommen werde?

Ich schrieb über die Attraktivität eines Bewerbers aus Sicht des 
potenziellen Arbeitgebers.
Wenn Dir auf dem Gebrauchtautomarkt wie München-Aschheim zwei Traumautos 
angeboten werden, das eine bockt aber beim Anlassen und seine Lenkung 
scheint ihre eigenen Ideen zu haben, wo es hin will, wie viel billiger 
müsste es sein, damit Du es trotzdem kaufst?
Vorab zu Deinem "wenn Du doch genommen wurdest": So groß die Not nach 
Gebrauchtautos, so knapp das Angebot, so leicht finden auch Fahrzeuge 
mit Blechschäden und gelegentlich klemmender Lenkung einen Abnehmer ;-).

Der potenzielle Arbeitgeber will auch keine solchen Probleme. Er will 
keine Ecken und Kanten bei dem Bewerber, vor allem keine 
Auseinandersetzungen über den Weg. Sondern der Neue soll flexibel sein, 
formbar, anpassungsfähig, anpassungswillig bis zur Selbstaufopferung, 
gehorsam, arbeitswillig, erfüllt vom alleinigen Wunsch, seinen 
Arbeitgeber glücklich zu machen - wie der VW-Käfer im Hollywood-Film 
"Herbie".

Sollte er nicht so formbar sein wie Silicongummi (weich plastisch 
umformbar auf sanften Druck, bei Schlägen aber beinhart allen 
Verletzungen widerstehend), dann möge er doch bitte wenigstens 
verlässlich sein, also mit einer erkennbar berechenbaren Vision seines 
Lebensweges - der aber muss zu den Zielen des potenziellen Arbeitgebers 
passen.

Zur Resilienz.
wikipedia: "Resilienz (v. lat. resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘, 
deutsch etwa Widerstandsfähigkeit) ist die Fähigkeit, Krisen durch 
Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern 
und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen."
In einer Organisation von Radfahrern ("Nach oben buckeln, nach unten 
treten", je größer der Konzern, desto eher beschreibt das den Stil des 
"Miteinander". Mehr noch: "Bewegt der Dackeln den Kopf, peitscht sein 
Schweif hin und her".) bedeutet die Forderung nach Resilienz der jeweils 
Unteren, dass sie bei Fehlern und kräftigen Tritten von oben nicht 
maulen, klagen oder gar zum Betriebsrat rennen, sondern in hellen Jubel 
ausbrechen und sich den gehärteten Panzerbuckel auf eigene Kosten 
kaufen.
Die Forderung nach Resilienz der Unteren ist die Freifahrtkarte für 
unbegrenzte Willkür der jeweils Oberen.
Das ist unmenschlich, das ist Barbarei. Aber was sollen die wachen und 
klugen Leute im Personalwesen denn machen, die das wegen ihres Studiums 
längst erkannt haben? Das Personalwesen hat aber vielerorts seinen 
eigenen Vorstand verloren ("Kosten sparen!"), die Aufgabe hat eher der 
Materialeinkäufer als Nebenjob angehängt bekommen, das Personalwesen ist 
aus einer der hohen Etagen im Managementbau über dem Prachteingang 
umgezogen worden ("Kosten sparen!") in die weissgetünchten ausgebauten 
Räume neben dem Personaleingang und hört monatlich den Gedanken, völlig 
outgesourct zu werden an eine superbillige Personalserviceagentur in 
Weissrussland mit Büro in Deutschland.

Mein harter Ausdruck ist Ausdruck meiner Trauer über die erheblichen 
Schläge und Verluste an Einfluss, die das Personalwesen als Vertreter 
eines der wichtigsten Produktionsfaktoren, des Faktors "Personal", 
erlitten hat und immer noch erleiden muss.
Es heißt zwar immer "bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt", allein, 
die Praxis höhnt dem zu oft.
Dem Personalwesen gebührt ein Einfluss der Größe, die der Wirkung des 
Produktionsfaktors entspricht, also Sitz im Vorstand und Platz über dem 
Prachteingang.

Zurück zum "wenn ich trotz Doppel-Lernschritt doch genommen werde": Jede 
Bewerbung eines "Gebraucht-Arbeitnehmers" schürt die Frage "warum hat er 
seinem bisherigen Arbeitgeber gekündigt?", "wieso hat er sich mit seinem 
Vorgesetzten nicht einigen können über die Fortsetzung des bisher 
fruchtbaren Weges?" "gibt es Anzeichen auf rechtzeitige Flucht vor dem 
Bekenntnis "mir ist mitten bei Arbeitnehmermangel als Einzigem im 
Quartal gekündigt worden"?
Völlig legitim wäre ein Bewerbungsgrund "ich will mehr Geld. Mein 
bisheriger Arbeitgeber ist zu knauserig", verbunden mit einer Forderung 
nach einer fast untragbaren Gehaltssteigerung.
Legitim wäre auch eine Begründung wie "ich habe ein Ingenieurstudium an 
einer Fernuni erfolgreich absolviert, passe deshalb aber nicht mehr in 
mein bisheriges Technikerteam und wegen meines Techniker-Geruches leider 
auch nicht in die Entwicklung".
Aber zwei unmotivierte "Lernschritte" auf einmal, das erweckt Argwohn.

Ciao
Wolfgang Horn

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