Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Thermoelement Typ S verstärken


von Theophrastus G. (theophrastus)


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Liebe Experten,

ich muß einen Ofen steuern, in dem als Temperaturfühler ein 
Typ-S-Thermoelement verbaut ist; ich habe mich grundsätzlich eingelesen, 
und habe alle Foreneinträge bez. Thermoelementen gelesen, würde mich 
aber über Eure Einschätzung und etwaige Tipps freuen, da Typ-S-TE ja 
aufgrund ihrer besonders kleinen Seebeck-Koeffizienten (und der 
überdurchschnittlichen Non-Linearität) etwas gefinkelt sind.

Die zu messende Temp. liegt - auflösungsbedingt - zw. 0°C und 950°C. Das 
TE liefert V im Bereich von 0 mV bis 9 mV. Diese Werte möchte ich ums 
366-Fache verstärken, um sie mit einem Arduino auszulesen, der eine 
V[Ref] von 3,3 V hat.
Außerdem hat der Arduino eine Auflösung von 10 Bit - weshalb ich nicht 
höher als 950°C heizen „kann‟, da sonst die Messung/Steuerung zu ungenau 
wird - muß ich (einstweilen) aber auch nicht.

Meine Anforderung an die Genauigkeit beträgt einige °C; +/- 5°C wäre 
gut, +/- 10°C die Schmerzgrenze.
Mir ist klar, daß dazu eine Kaltstellenkompensation notwendig ist: die 
realisiere ich programmseitig.

Müsste ich noch einen Filter-Widerstand vor den Eingang schalten? Ich 
möchte nur aufgrund der geringen Spannungswerte aus dem TE so wenig wie 
möglich zusätzliche/unnötige Irritation hineinbringen - was ein R 
täte...

Ein sich über Rückmeldungen sehr freuender
Theophrastus

von nur ich (Gast)


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warum machst du dir nen kopp über sachen die in der industrie schon 
lange fertig sind

platin rhodium platin ist standard in einigen bereichen


also fertigen wandler mit hiterlegter kurve kaufen un mit 4-20 ma 
weitermachen die an 250 ohm ja gleich 1 bis 5 volt sind.

http://www.roessel-messtechnik.de/images/dm/Thermoelemente_in_der_industriellen_Praxis.pdf

zb

von Loooser (Gast)


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Ich wuerd das einfach handhaben. Einen 24bit ADC mit internem 
Verstaerker, zB einem AD7799. Den Verstaerker auf 128mal ausfahren und 
gut ist.

von Ulrich (Gast)


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Ein Widerstand am Eingang wäre ggf. schon sinnvoll, wenigstens aber eine 
Ferriteperle, um HF Störungen draußen zu halten.
Sonst könnte es hinkommen, wenn auch vielleicht nicht ganz bis 3,3 V am 
Ausgang. Für den LTC1050 sind 5 V schon recht wenig Spannung. Da gäbe es 
geeignetere Typen für kleine Versorgungsspannung, z.B: AD8551 oder 
LTC2050.

Die Kennlinie des TE ist stark nichtlinear: bei kleinen Temperaturen bis 
200 C wird die Auflösung und Genauigkeit sehr schlecht - nach ober wird 
es aber besser. So lange die Raumtemperatur nicht viel schwankt, geht es 
ggf. sogar auch ohne Kaltstellenkompensation, denn eine Änderung der 
Temperatur um Raumtemperatur hat kaum Einfluss. Da hat die 
Nichtlinearität auch mal Vorteile.

von Theophrastus G. (theophrastus)


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@nur ich:
Weil mir 150 € für einen programmierbaren Messwandler zu teuer ist, und 
die Analogen auch wieder nur Typ-K-TE verarbeiten können. Oder habe ich 
etwas übersehen?
Grundsätzlich hast Du recht: das wäre die einfachste Lösung, und sie 
reizt mich auch - aber der günstigste Wandler, den ich gefunden habe, 
der Typ-S-TE verarbeitet, kostet > 90 €. Das ist mir zu teuer...

Eine Eigenbauversion kostet wenige €, und ist - wenn man erstmal einen 
funktionierenden Aufbau hat - günstig beliebig um weitere Messfühler 
erweiterbar.
Wenn also nichts Schwerwiegendes gegen einen Eigenbau spricht (wie 
unüberwindliche Ungenauigkeitsprobleme), würde ich doch gerne bei meinem 
Ansatz bleiben.

Sollte ich etwas übersehen haben, und es eine günstige Fertiglösung 
geben, freue ich mich natürlich über meinen Irrtum...

Jedenfalls danke für die Anregung!

=================

@Ulrich:
Vielen Dank für Deine ausführliche Hilfe.

Wie groß würdest Du den Eingangswiderstand dimensionieren? 5k? Oder 
ginge noch kleiner?

Die von Dir empfohlenen OPs sind wohl geeigneter, danke dafür.

Keine Kaltstellenkompensation? Das würde ja bedeuten, daß ich 
standardmäßig schonmal um ~ 20°C danebenliege, oder?

von Theophrastus G. (theophrastus)


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@Loooser:
Du hast bestimmt Recht, daß das ein guter Weg wäre, aber ich steuere den 
Arduino mittels LabView vom PC aus. Keine direkte MC-Programmierung; 
kann ich nicht - ist also (leider) keine Option.

Oder verstehe ich das miss?

von Arc N. (arc)


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Wenn SPI über den Arduino geht, wäre der MAX31855 eine Möglichkeit oder 
so was http://www.ti.com/lit/an/sbaa189/sbaa189.pdf
Ansonsten http://cds.linear.com/docs/Design%20Note/dn302f.pdf

Im unteren Temperaturbereich (deltaT 0 °C - 100 °C) liefert ein Typ-S 
Element ~6 uV/K im oberen (deltaT 900 °C) ~11 uV/K. Die geforderte 
Genauigkeit entspricht +-30 uV bzw. +-55 uV.
Wie sieht es mit Vergleichsmitteln/Meßgeräten aus?

von Andrew T. (marsufant)


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Theophrastus G. schrieb:
> Keine Kaltstellenkompensation? Das würde ja bedeuten, daß ich
>
> standardmäßig schonmal um ~ 20°C danebenliege, oder?

Du schreibst doch oben selber das Du schlicht in der Software abziehst.



Wenn Deine Schaltung zw. 15 und 25 Grad Celsius betrieben wird, liegst 
Du halt um zusätzliche 5 Grad daneben.

Etc.


Mußt Du selber entscheiden, ob das für Deine Anwendung relevant ist.

von Ulrich (Gast)


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Ohne Messung der Ref. Lötstelle liegt man etwa um die möglichen 
Schwankungen der Temperatur daneben, den geschätzten Wert z.B. für die 
Raumtemperatur kann man aber natürlich nutzen. Wegen der nichtlinearen 
Kennlinie kann man nicht direkt die Änderung der Temperatur der kalten 
Lötstelle auf das heiße Ende übertragen. Wegen der bei niedriger 
Temperatur kleinere Steigung ist der Fehler bei der Spannung und damit 
der Temperatur der heißen Seite kleiner. Aus den vielleicht +-10 Grad 
für den Raum werden eher +-7 Grad für die heiße Seite.

Es spricht aber auch nichts dagegen die Ref. Temperatur wenigstens grob 
zu messen. Da reicht dann auch eine Diode und ein Widerstand als Sensor.

Der Widerstand vor dem Eingang kann so im Bereich 100 Ohm - 10 K liegen 
- ein hoher Widerstand bietet ggf. noch etwas mehr Schutz vor 
Fremdspannung. Als Schutz wären da ggf. auch 2 Antiparallel Dioden nicht 
schlecht. Bei mehr Widerstand kann einen aber ein Leckstrom aus dem 
Verstärker stören.

von Theophrastus G. (theophrastus)


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> Wenn SPI über den Arduino geht, wäre der MAX31855 eine Möglichkeit [...]
Damit hast Du den Vogel abgeschossen! Habe mir gerade Muster bestellt...

>Wie sieht es mit Vergleichsmitteln/Meßgeräten aus?
Gut; Referenzmessungen sind über den ganzen Temp.-Bereich möglich.

>> Keine Kaltstellenkompensation? Das würde ja bedeuten, daß ich standardmäßig 
schonmal um ~ 20°C danebenliege, oder?

>Du schreibst doch oben selber das Du schlicht in der Software abziehst.
Ja, Andrew, das stimmt. Ich habe „keine Kaltstellenkompensation‟ so 
verstanden, daß ich das gar nicht zu berücksichtigen brauche - also auch 
nicht programmseitig addieren. Habe ich wohl mißverstanden...
Jetzt frage ich mich aber: wie viel soll ich dazurechnen? Ulrich schrieb 
ja:
>Wegen der nichtlinearen Kennlinie kann man nicht direkt die Änderung der 
>Temperatur der kalten Lötstelle auf das heiße Ende übertragen.
Ich gestehe: ich schäme mich ein bisschen, aber ich kappier' g'grade den 
Zusammenhang zur Kennlinie nicht. Könnte mir da ein gütiger Mitmensch 
auf die Sprünge helfen?


Bis ich den MAX31855 habe werde ich das mal so aufbauen und schauen, wie 
nahe ich der Realität damit komme.
Ob ich den MAX mit LabView über SPI am Arduino dann ansprechen kann, 
kann ich nur hoffen... Aber gehen tut's offenbar: 
https://decibel.ni.com/content/message/39075

Ich danke Euch einstweilen für die tolle und liebenswürdige Hilfe!
Theo

von Michael_ (Gast)


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Hallo! Wenn du schon mit den Typ-S arbeitest, kannst du mir einen Tip 
geben, wo man so einen Sensor herbekommt.
Ich habe ein Meßgerät, aber keinen Sensor. Leider war die Suche bisher 
erfolglos.
In dem Meßgerät geht der Eingang auf eine kleine Platine um sie für die 
Anzeige anzupassen. Bei Interesse kann ich ein Foto davon machen.
Danke für einen Hinweis.

von Theophrastus G. (theophrastus)


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@Michael_:
Ich würde mal bei Omega.de anfragen; die sind wohl eine ziemliche 
Kapazität auf diesem Gebiet. Schau mal hier: 
http://www.omega.de/produkt/t2/nb12cp.html
Je nach Anwendung könntest Du auch einfach nur Typ-S-Ausgleichsleitung 
kaufen (z.B. hier: 
http://de.rs-online.com/web/p/temperatursensor-zubehor/3708729/), und 
daraus selber ein Thermoelement bauen (→ Schweißpunkt...).

Sonst kannst Du noch bei Keramikbrennofenbauern anfragen - die müßten 
das wohl haben. (z.B.: 
http://www.keramik-kraft.de/KEKR_Site/WebPagesDE/index_lev3.html?Ofenbau%20-%20Reparatur_Temperaturmessung_Thermoelemente%20Platin%20Typ%20S&&25gB5A0obDuox2NvxMpoLGxolJgo2bbBeJ1gaIJUWISvKbcd81mOghf714VI_Tqaqulaukqaua)

Viel Glück auf Deiner Suche!


p.s.: Ja, ein Photo der Platine könnte mir helfen. Würde ich mich drüber 
freuen.

von Ulrich (Gast)


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Hier noch mal eine Erklärung zu nichtlinearen Kennline:

Die Spannung vom Thermoelement hängt von den beiden Temperaturen ab, 
nicht nur von der Differenz. Die Vereinfachung auf die 
Temperaturdifferenz entspricht einer konstanten Thermokraft und damit 
linearen Kennline.

Bei der nichtlinearen Kennline hat man je nach Temperatur eine andere 
Steigung: bei der niedrigen Temperatur eher wenig Steigung (z.B. 6 µV/k) 
und bei hoher Temperatur im Ofen dann eher 10 µV/K.

Zur Kompensation der Temperatur der Ref. Lötstelle(n) wird die 
Thermospannung addiert, und nicht direkt die Temperatur. Wenn also die 
Kennline durch U(T) gegeben ist, als Spannung gegen eine feste Ref. von 
z.B. 0°C, dann gibt es für die Spannung mit anderer Temperatur an der 
Ref. Lötstelle: U(T1,T2) = U(T1) - U(T2) , oder halt aufglöst nach T1: 
T1 = U^-1( U + (U(T2))

Nur wenn der Zusammenhang linear ist kann man das weiter vereinfachen zu
T1 = U^-1(U) + U^-1(U(T2)) = U^-1(U) + T2 .

von Theophrastus G. (theophrastus)


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Jetzt hab' ich's begriffen. Dann ist auch klar, warum der Fehler auf der 
heißen Seite kleiner ist...
Vielen Dank Ulrich für die ausführliche Erklärung.

von Henrik V. (henrik_v)


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Ulrich schrieb:
> Hier noch mal eine Erklärung zu nichtlinearen Kennline:
>
> Die Spannung vom Thermoelement hängt von den beiden Temperaturen ab,
> nicht nur von der Differenz. Die Vereinfachung auf die
> Temperaturdifferenz entspricht einer konstanten Thermokraft und damit
> linearen Kennline.
>

/rosinenscheissermodus

Die EMF (Spannung) ist das Integral über den Temperaturgradienten mal 
(temperaturabhängigen, nichtlinearen) Seebeckkoeffizient der 
Materialpaarung entlang des TE.
http://de.wikipedia.org/wiki/Seebeck-Effekt#Seebeck-Effekt
/rosinenscheissermodus

Das kann bei Mehrzonendurchlauföfen, die gerne mit einem langem TE das 
da durchgezogen wird um den Temperaturverlauf zu checken, zu lustigen 
effekten führen ;) (insbesondere, wenn das TE älter, viel verbogen etc 
ist)

Auch für Typ S gilt grob 1% +-1K , die Unsicherheit bei 900°C ist also 
schon 10K ohne Auswertung.

Gruß Henrik

von nur ich (Gast)


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Also wenn noch interesse besteht an einem messwandler type s von 0 bis 
950 grad c  auf 4 bis 20 ma
ich habe hier ein paar rumliegen die ich versenden könnte

kurze mail an h o l t h a u s e n (ät) Online.de

gruß

von Arc N. (arc)


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Henrik V. schrieb:
> Das kann bei Mehrzonendurchlauföfen, die gerne mit einem langem TE das
> da durchgezogen wird um den Temperaturverlauf zu checken, zu lustigen
> effekten führen ;) (insbesondere, wenn das TE älter, viel verbogen etc
> ist)
>
> Auch für Typ S gilt grob 1% +-1K , die Unsicherheit bei 900°C ist also
> schon 10K ohne Auswertung.

Nicht bei Typ R und S
Ansi MC96.1
Bis 1450 °C
Standard +-1.5 °C oder +-0.25% bzw. (max. 3.625 °C)
Special +-0.6 °C oder +-0.1% (max. 1.45 °C)

EN 60584-2
Klasse 1
0 °C - 1100 °C
Zulässige Abweichung: +-1.0 °C
1100 °C - 1600 °C
Zulässige Abweichung: +-[1 + 0.0034 (|T| - 1100)]°C = +- 2.7 °C

Klasse 2
0 °C - 600 °C
Zulässige Abweichung: +- 1.5 °C
600 °C - 1600 °C
Zulässige Abweichung: +-0.0025 |T| (~max 4. °C)

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