Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Heizungsregelung für Kapillarrohr


von Sven H. (Firma: Uni-Frankfurt) (shofmann)


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Hallo zusammen,

ich arbeite hier an der Uni (bevor Fragen kommen, nein kein Student, bin 
technischer Angestellter). Leider sind in unserem Fachbereich die 
Elektroniker eher dünn gesät.
Ich hab jetzt folgendes Problem.
Ein ca. 20cm langes Stück einer 1/16" Kapillare (Außendurchmesser ca 
1,6mm) aus Edelstahl wird mit flüssigem Stickstoff auf etwa -200°C 
gekühlt, um eine Probe anzureichern.
Um diese Probe dann freizusetzen für die Analyse muß diese Kapillare 
dann möglichst schnell (max. 2 Sekunden) auf 150 - 200°C aufgeheizt 
werden. Die Endtemperatur ist dabei nicht so kritisch, und kann ruhig in 
diesem Bereich schwanken. Sie darf aber 250°C nicht überschreiten, dann 
geht die Packung in der Kapillare kaputt.

Mein Lösungsansatz ist die Kapillare durch Stromfluß direkt aufzuheizen. 
Die Temperatur der Kapillare würde ich über ihren Widerstand ermitteln. 
Bei Raumtemperatur hat das Stück 0,3 Ohm, für die anderen Temperaturen 
finde ich das noch über Experimente raus.
Mein Gedanke war jetzt beim Einschalten des Heizstromes zuerst die volle 
Leistung des Netzteils auf das Rohr zu geben, und dann, bei erreichen 
des für 175°C typischen Widerstands (gemessen mit dem Spannungsabfall 
direkt am Rohr) den Strom entsprechend runter zu regeln, dass dieser 
Wert dann gehalten wird.
Also praktisch das komplette Gegenteil einer Anlaufstrombegrenzung.

Ich bin zwar kein Elektronikneuling, aber die Entwicklung von 
Schaltungen und deren Dimensionierung stand nicht gerade im Mittelpunkt 
meiner Ausbildung. Ich hoffe Ihr könnt mir da Schaltungstechnisch etwas 
helfen.

Viele Grüße
Sven

von mindfull (Gast)


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Also ich bezweifle, dass Du ohne einen schnellen PID-Regler viel Freude 
haben wirst.

von Udo S. (urschmitt)


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Was mir spontan einfällt.
1. Du musst beim Anschluss aufpassen. Meist hat man dort einen 
Übergangswiderstand der höher ist als der spezifische Widerstand und 
damit wird an den Punkten mehr Wärme freigesetzt.
2. Der Anschluss muss mechanisch stabil sein, von -200° bis +250°.
Gar nicht so einfach bei unterschiedlichen Materialien
3. Du hast einen Spannungsabfall an dem Rohr. Kann es da zu 
Elektrolyseeffekten bei dem Stoff im Rohr kommen?

Ansonsten, der Regler muss maximal im 1/100s Bereich arbeiten. Schnell 
ist was anderes.

Alternativ könnte Induktionsheizung was für dich sein. Wie beim 
Induktionsherd.

Wenn die Masse des Rohres samt Inhalt annähernd immer gleich ist und die 
Umgebung etwa gleich warm und keine Luftbewegung könnte man sogar nach 
einer Messreihe komplett ohne Regelung auskommen, rein über die Zeit und 
Heizleistung. Es wird ja nur kurz erhitzt oder?

Viel Erfolg
Udo

von Georg A. (georga)


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Warum Regelung? Wenn die Ausgangsbedingungen halbwegs konstant sind, 
reicht es doch, eine vordefinierte Kurve zu durchfahren. Muss man halt 
ein paar Versuche machen.

von Clemens S. (zoggl)


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deinen Ansatz finde ich sehr gut.

worauf ist dein experiment empfindlich?
darf man direkt mit PWM auf das rohr? dann nur ordentlichen 
Mosfettreiber und einen kräftigen Fet ansonsten noch eien spule dazu.

soll das auch idiotensicher werden oder nur für einen internen 
versuchsaufbau?

zudem noch einen Stromsensor (lem oder allegro) und dazu noch irgend 
einen kleinen AVR oder PIC der das dann regelt.

hast du schon eine idee wie viel leistung du benötigst, um das rohr in 2 
sec um400°C zu erwärmen?

von Harald W. (wilhelms)


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Sven Hofmann schrieb:

> Die Temperatur der Kapillare würde ich über ihren Widerstand ermitteln.

Du musst damit rechnen, das die Temperatur Deiner Kapillare nicht
über die ganze Länge gleich ist. Speziell an den Enden wird es
Abweichungen geben. Dann lässt sich die Temperatur nicht über den
Widerstand rückrechnen.
Gruss
Harald

von Quack & Salb (Gast)


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Ich denke nicht, dass das moeglich ist. Stromfluss, oder induktive 
Erwaermung eher nicht denn dort wo der Strom auf ein anderes Material 
oder andere Geometrie uebergeht wird's Probleme geben. Zum Einspeisen 
von Strom oder fuer den induktiven Kurzschluss wird es ein anders 
Material brauchen, oder eine andere Geometrie desselben Materials. 
Jedenfalls wird das Material durch den Temperaturwechsel von 400 Grad in 
1 Sekunde zermuerbt, ein elektrischer Kontakt ist Glueckssache. 
Mechanischer Kontakt zum Kuehlen und Heizen faellt auch wegen der 
Ausdehnung weg. zB um einen Keramik oder metallgehaeusten Widerstand 
rum.

von EGS (Gast)


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Induktionsheizung bei Edelstahl?!? Nee denke nicht, da muss das dann 
schon Eisen, Nickel oder andere ferromagnetische Stoffe enthalten.

Als sicheren mechanischen Anschluss würde ich versuchen eine 
Rohrschelle/angeschweissten Kontaktstift+Öse oder ähnliches zu 
verwenden, anstelle löten.

Dann muss dein Netzteil noch Kurzschlussfest sein, daher lieber ne 
Konstantstromquelle verwenden. Zusätzlich würde ich an deiner Stelle 
noch klären, ob das Rohr gegen Wärmeübertragung oder elektrisch isoliert 
werden muss.

Die Regelungsgeschwindigkeit hängt im wesentlichen von der elektrischen 
Leistung ab. Wenn du viel Leistung reinbringst wird sich das Rohr 
schneller erwärmen, bei weniger dauerts länger.

Ob du ne Regelung brauchst hängt auch davon ab, ob du mit deiner 
elektrischen Leistung über deinen Temperaturbereich hinauskommst, wenn 
nicht, braucht es auch keine Regelung (also nur ne Steuerung nach Zeit, 
bei festen bekannten Größen).

MfG EGS

von Udo S. (urschmitt)


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EGS schrieb:
> Induktionsheizung bei Edelstahl?!? Nee denke nicht, da muss das dann
> schon Eisen, Nickel oder andere ferromagnetische Stoffe enthalt

Und warum gibts Wirbelstrombremsen aus Alu?
Oder warum ist der Käfigläufer eines Drehstrommotors aus Alu?
Warum wird Silizium induktiv erhitzt beim Reinigungsprozess?

von Sven H. (Firma: Uni-Frankfurt) (shofmann)


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OK, zum Übergangswiderstand beim Anschluß. Ich würde zum Anschluß 
Rohrverschraubungen mit Graphitdichtungen einsetzen. Das ist ausreichend 
stabil auch in dem Temperaturbereich, und der Übergangswiderstand ist 
auch in Ordnung.
Bei dem Stoff im Rohr kommt es nicht zu Elektrolyseeffekten.

Das Rohr würde sich in einem etwas größeren Glasrohr befinden, um es 
dort kühlen zu können. Es kommt also auch kaum Konvektion als Störung 
dazu.
Eigentlich ist es richtig, dass eine einfache Zeitkurve reichen würde. 
Allerdings, wenn das Rohr mal getauscht werden muß, dann muß ich wieder 
aufwändig mit Try and Error die neuen Werte ermitteln. Darum wäre mir 
die Temperaturmessung lieber. Dann brauch das neue Rohr nur auf den 
Sollwert erwärmen, messe den Widerstand und fertig.

Ob der Temperaturgradient im Rohr von Bedeutung ist wird sich zeigen. 
Dann muß ich mir was anderes einfallen lassen.

Wieviel Leistung nötig ist muß ich mal noch berechnen. Die 2 Sekunden 
zum Aufheizen sind die maximale Zeit. Je schneller, umso besser.

von Harald W. (wilhelms)


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Sven Hofmann schrieb:

> Das Rohr würde sich in einem etwas größeren Glasrohr befinden,

Heisst das, Du kannst das Rohr sehen? Dann könntest Du die Temperatur
vielleicht mit einem Strahlungspyrometer messen.
Die Stromanschlüsse würde ich in Form von  Edelstahldrähten anschweis-
sen. Dann gibts auf keinen Fall Kontaktprobleme.
Gruss
Harald

von Sven H. (Firma: Uni-Frankfurt) (shofmann)


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Das geht leider nicht, da Glas die Infrarotstrahlung super absobiert.

von zu warm (Gast)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Die Stromanschlüsse würde ich in Form von  Edelstahldrähten anschweis-
> sen.

Sven Hofmann schrieb:
> Die Endtemperatur ... darf aber 250°C nicht überschreiten, dann
> geht die Packung in der Kapillare kaputt.

Beim Schweißen werden meist höhere Temperaturen erreicht.

von Ulrich (Gast)


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Das die Temperaturmessung per Strahlung nicht geht, ist nicht gesagt. 
Für Temperaturen um 200 C geht auch schon eine normale Si Fotodiode, 
also Wellenlängen so um 800-1000 nm, und da ist die Absorbtion von 
normalem Glas noch nicht so hoch. Die Intensität ist nicht hoch, aber 
gut abgedunkelt geht es. Es gibt allerdings keine Absolutwerte, man 
braucht also noch eine Kalibrierung.

Der TK bei Edelstahl ist relativ klein, so dass die Temperaturmessung 
über den Widerstand nicht einfach ist.
Eine Alternative zur Temperaturmessung wäre sonst ein direkt 
angeschweißtes (Punktschweißung) Thermoelement.

Punktschweißen erzeugt auch keine so hohen Temperaturen im inneren des 
Röhrchens. Da macht es ggf. auch nicht viel wenn der Draht als Zuleitung 
relativ viel Widerstand hat, solange der einigermaßen konstant ist.

Wenn der Elektrische Kontakt durch Klemmen hergestellt werden muss, 
sollte man auf einen kleinen Übergangswiderstand achten. Also die 
Oxidschicht entfernen und mit recht viel Druck ein eher weiches Material 
wie Kupfer anpressen. Durch relativ massive Klemmen beleibt die 
Temperatur in dem Bereich aber wohl etwas kühler - was immerhin den 
Vorteil hat, das die zusätzliche Heizleistung durch einen kleinen 
Übergangswiderstand nicht so sehr ins Gewicht fällt.

von Sven H. (Firma: Uni-Frankfurt) (shofmann)


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Stimmt.
Man kann die Packung aber auch erst nach dem Schweißen einfüllen.

Nun aber zurück zum eigentlichen Problem. Die Mechanik und auch die 
elektrischen Anschlüsse bekomm schon ganz gut hin. Bei der Elektronik 
brauch ich Hilfe.

Um das Rohr in 1 Sekunde die 400°C aufzuheizen brauch ich bei dem 
vorliegenden Material 400W.
Die Endtemperatur sollte über etwa 30 Sekunden lang gehalten werden.

Es wird nur ein interner Versuchsaufbau. Da ich aber nicht ausschließen 
kann, das nicht doch mal jemand anderes am Gerät steht sollte es schon 
ein wenig idiotensicher sein.

von Elektronikkleber (Gast)


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Dir ist aber klar, daß da wo die Kupferklemmen sind die Temperatur 
deutlich niedriger sein wird. Dort wird also das innere nicht so schnell 
aufztauen /ausgasen oder was auch immer.
Bei 400W und 0,3 Ohm ist nach P = RI² I etwa 35A bei einer Spannung von 
etwa 11V (im Kopf überschlagen).
Im Prinzip könnte man ein Schaltnetzteil nehmen, das einen Steuereingang 
hat.
Die Regelung und vor allem der Temperatursensor muss aber schnell genug 
sein.

von Solid state (Gast)


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Wenn es die Versuchsanordnung hergibt, dann könnte man die Probe doch 
auch in eine vorgeheizte Röhre einbringen?

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