Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Phasenmodulation von Zeitzeichensendern


von Harald W. (wilhelms)


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Hallo Leute,
in diesem Beitrag:
http://www.elektor.de/elektronik-news/neues-modulationsverfahren-fur-us-zeitsender.2429010.lynkx
wird von einer neuen Generation von Auswerte-ICs für Phasendemodulation
von Zeitzeichensendern gesprochen. Da der DCF77 schon länger eine
Phasenmodulation hat, wäre es ja auch hier in D sinnvoll, solche ICs
zur Phasendemodulation zu nutzen. Gibt es da schon irgendwelche
Schaltvorschläge?
Gruss
Harald

von Christian B. (casandro)


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Naja, die vermutlichst billiste Lösung wäre es, das Signal zu filtern, 
und einen Nulldurchgangsdetektor dahinter zu schalten.
Das Signal geht dann direkt auf dem Timer wo die Zeit (relativ zum 
CPU-Takt) bestimmt wird. Kurz darauf läuft die ISR an, die dann genau 
berechnen kann wie das Signal im Moment moduliert ist, und dann die 
Phasenlage im RAM abspeichern kann.


Eine Strategie wäre die folgende:
Am Anfang bestimmt man erst mal die durchschnittliche Frequenz, in dem 
man zum Beispiel die Zeit für 10000 Durchgänge bestimmt. Dann schreibt 
man mal für eine Sekunde, bzw einen Bruchteil einer Sekunde die 
Phasenlage mit und korreliert das mit der Sequenz. Dadurch kann man den 
Anfang der Sekunde, zumindest grob bestimmen. (weil man ja nicht die 
Phasenlage für jeden Durchgang speichern kann, sondern nur mit einer 
niedrigeren Rate)
Hat man den Sekundenanfang, so kann man bei jedem Durchgang die 
Kreuzkorrelation an 2 Punkten bestimmen. Einmal mit einer Verzögerung 
ein weniger kleiner 0 und einmal ein wenig größer 0. Je nach dem welche 
größer ist, wird der geschätzte Sekundenanfang verschoben. Sind beide 
ungefähr gleich groß, so passt die Zeit.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Christian,

bei guter Signalqualität brauchst Du keine PN-Demodulation.

Wer des Nachts auf Zeiten hoher Signalqualität warten kann, der wird 
manchen Quarzofen als Referenzfrequenz billiger finden als einen 
PN-Demodulator.
Wer dagegen meint, auch zu Tageszeiten der Interferenz von Boden- und 
Raumwelle präzise empfangen zu müssen, der wird das Versagen der 
Nulldurchgangserkennung des Trägers erleben. Nämlich Phasendrehungen im 
Summensignal von Boden- und Raumwelle.

Der Trick, den sich Herr Dr. Hetzel von der PTB ausgedacht - oder auch 
nur verwirklicht - hat, ist die Spreizung des Tragersignals auf so um 
die 300 Hz spektrale Weite. (Promotion: "Zeitübertragung auf Langwelle 
durch amplitudenmodulierte Zeitsignale und pseudozufällige Umtastung der 
Trägerphase", Uni Stuttgart, 1987)

Mit einem guten KW-Einseitenbandeempfänger auf Längstwelle ist das 
periodische Rauschen sehr gut zu erkennen und auszumessen.

Die dafür passende Detektion ist die De-Spreizung, die das gespreizte 
Signal wieder zusammenführt durch Korrelation. Auf Seite 56 seiner 
Doktorarbeit hat er das Blockschaltbild dafür gezeichnet - oh Schreck, 
lass nach, das erinnert mich an die Klimmzüge zur Demodulation von 
Spread-Spectrum-Signalen oder gar des GPS-Signals. Da passiert nämlich 
im Prinzip dasselbe.
Und leider passiert dort dermaßen viel, dass ich den Quarzofen schon 
längst gekauft und eingelagert habe, damit ich in Ruhe auf Nachtzeiten 
mit hoher Signalqualität warten kann.

Aber wenn ich mal nichts besseres zu tun habe und eine FPGA mich 
anfleht, programmiert zu werden, warum nicht.

Zu WWWVB - ich hoffe, diesmal hören die USA auf die Kräfte des freien 
Marktes und bauen die Hetzel-Schaltung nach, damit die Chipproduzenten 
in China es nicht schwerer haben als notwendig und der Algorithmus 
weltweit verwendet werden kann.

Ciao
Wolfgang Horn

von Christian B. (casandro)


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Ach es geht nicht darum das möglichst effizient zu machen, sonst würde 
man sich ja einfach einen GPS-Zeitempfänger mit Ofenquarz kaufen. 
(kostet so 100-200 Euro gebraucht aus China und geht richtig gut mit 
<<100ns zwischen zwei Empfängern)

Es geht darum, dass man es kann.

Und der Rest der Schaltung ist längst nicht so kompliziert wie Du das 
darstellst. Selbst wenn Du das "richtig" machen willst ist das relativ 
einfach.

Zunächst filterst Du einen möglichst schmalen Bereich um das Signal 
heraus. Der sollte das Signal komplett drin haben, aber bei +-5 kHz 
schon sehr deutlich unterdrücken, so stark dass die stärksten zu 
erwartenden Störer dort schon idealerweise schon 60 dB unter dem Träger 
liegen.
Dann tastet man das Signal ab, und zwar mit einer zu geringen Frequenz. 
Man bekommt dann Spiegelfrequenzen, die einem aber im Prinzip nicht groß 
zu jucken haben. Hier müsste die Abtastfrequenz zum Beispiel > 20 kHz 
sein. Wenn der Filter besser ist geht auch eine kleinere Abtastfrequenz.

Was man dann macht ist, das Signal digital komplex herunter zu mischen, 
in dem man es mit gedachten 77,5 kHz Sinus und Kosinus mischt. Das 
Ergebnis filtert man dann und korreliert es mit einem abgespeichertem 
Signal. Hat man mehre Ausbreitungswege, so bekommt man mehrere Spitzen, 
wobei die wohl meistens so ziemlich auf dem gleichen Abtastwert sein 
werden und somit nur zu einer Drehung der Spitze führen werden.

Hypothetisch müsste man diese Mischung auch mit zwei invertierbaren 
Verstärkern machen können, die um 90° verschoben mit 77,5 kHz betrieben 
werden. Dabei muss man vorher sicherstellen, dass bei >=2*77,5 kHz 
nichts mehr da ist.

Mein vorheriger Vorschlag von oben macht im Prinzip nur erst mal die 
PM-Demodulation, und korreliert dann die. Da dort die Sequenz nur aus +1 
-1 und 0 besteht, ist die Korrelation da besonders einfach.

Von der Rechenleistung her könnte evtl. sogar ein AT-Mega reichen.

Ich verstehe nicht woher Du da einen Schreck bekommen kannst. Das ist 
alles ganz einfach, auf einem Rechner mit FFT-Bibliothek war das grob 2 
Stunden Implementierungsaufwand.

von Harald W. (wilhelms)


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Christian Berger schrieb:

> ...interessante technische Lösungen...

Es ging mir eigentlich weniger um eine Lösung "um jeden Preis",
ich hatte eher gedacht, das man jetzt komplette ICs mit Schalt-
vorschlag im Datenblatt bekommen könnte, ähnlich wie man früher
komplette ICs für das "Frontend" von MW-Empfängern hatte. Da
ich ca. 300km von Frankfurt entfernt wohne, habe ich eigentlich
noch einen recht guten Empfang; andererseits ist das, glaube ich,
schon der Bereich, wo sich Boden- und Raumwelle überlagern können.
Gruss
Harald

von Christian B. (casandro)


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Naja, die Frage ist, welchen Markt es für fertige Lösungen gibt. Es ist 
nicht so schwierig das selber zu machen. Dafür speziell einen IC 
anzufertigen, der in 99% der Fälle nicht besser sein wird als ein 
simpler Geradeausempfänger ist nicht wirklich effektiv. Besonders da man 
bei den meisten Anwendungen (z.Bsp. Funkwecker) eh daneben gleich einen 
Mikrocontroller hat, der schnell genug ist. Im Extremfall reicht es ja 
schon vollständig, wenn der Empfänger einmal den Anfang einer Sekunde 
bestimmt (braucht viel Rechenleistung) und dann nur die Korrelation in 
einem kleinen Bereich macht um die Drift des lokalen Oszillator 
auszugleichen.

Ich würde mir da keine großen Hoffnungen auf was fertiges machen. Falls 
es was gibt so wird das relativ teuer sein. Der Markt ist einfach zu 
klein.

von Thorsten S. (thosch)


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zum Empfang der DCF77 Signale, auch der pseudozufälligen 
Phasenmodulation,
gibts einige Publikationen auf dem Server der PTB.

Da wäre zum einen ein Themenschwerpunkt in den PTB-Mitteilungen 114 
(2004) Heft 4: "Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77"
http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/fachabteilungen/abteilung_4/4.4_zeit_und_frequenz/pdf/dcf77.pdf

Dort wird ab Seite 353 die Phasenmodulation beschrieben incl. der 
LFSR-Implementierung für die Pseudozufallsfolge.


Die zugrundeliegende Technik wird im Detail in der Dissertationsschrift 
von
Peter Hetzel behandelt. "Zeitübertragung auf Langwelle durch 
amplitudenmodulierte Zeitsignale und pseudozufällige Umtastung der 
Trägerphase"
http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/fachabteilungen/abteilung_4/4.4_zeit_und_frequenz/pdf/1987_Hetzel_-_Dissertation.pdf

Der aktuellste Beitrag zu DCF77 ist
PTB-Mitteilungen 3/2009, 119. Jahrgang, "50 Jahre Zeitaussendung mit 
DCF77"
http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/mitteilungen/2009/PTB-Mitteilungen_2009_Heft_3.pdf

Dort fehlt allerdings die Beschreibung der Phasenmodulation.
Zitat:
1
Seit Juni 1983 wird dem Träger von DCF77 zusätzlich zur Amplitudenmodulation (AM)
2
noch eine pseudozufällige Phasenumtastung aufmoduliert. Die Ankunftszeitpunkte der so
3
modulierten DCF77-Signale können unter Verwendung geeigneter Empfänger störsicherer
4
bestimmt werden, als dies unter üblichen Empfangsbedingungen mit den AM-Zeitmarken
5
möglich ist. Auch die Genauigkeit der Zeitübertragung mit DCF77 für ausgewählte
6
Anwendungen wird damit erhöht. Zahlreiche Empfänger dieser Art sind im Einsatz 
7
und funktionieren sehr zufrieden stellend.
8
Insgesamt wird aber von der Phasenmodulation weniger Gebrauch gemacht,
9
als dies bei ihrer Einführung erwartet wurde. 
10
Ein Grund dafür ist die weltweite Verfügbarkeit der Signale des
11
Satellitennavigationssystems GPS (Global Positioning System).
12
13
[...]
14
15
Aus Platzgründen wird daher in diesem Aufsatz auf die Phasenmodulation
16
nicht weiter eingegangen.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Christian,


> Ich verstehe nicht woher Du da einen Schreck bekommen kannst. Das ist
> alles ganz einfach,...
Ja,ja, ganz einfach...

Klar, nachts um halb vier, insbesondere im Winter, wenn die Ionosphäre 
tot ist, da ist die DCF-Welt noch in Ordnung. Solange die Qualität des 
Signals eben so gut ist, dass die PN-PM gar nicht notwendig wäre.

Aber wenn die Interferenz von Boden- und Raumwelle zu signifikanten 
Phasendrehern im Träger führt, dann ist es eben nicht mehr einfach.

Schmalbandigkeit ist dann auch keine Lösung mehr, weil bei Interferenz 
die Phasendrehung im Nachbarabschnitt des Signals schon wieder anders 
sein kann.

Was soll ich hier ein Wortgefecht kämpfen, das Dr. Hetzel schon für sich 
entschieden hat und für die breitbandige Korrelation?

Ciao
Wolfgang Horn

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Es ging mir eigentlich weniger um eine Lösung "um jeden Preis",
> ich hatte eher gedacht, das man jetzt komplette ICs mit Schalt-
> vorschlag im Datenblatt bekommen könnte

Dafür gibt es keinen Markt. DCF77-Empfänger-ICs für marktübliche Geräte 
kommen mit AM-Demodulation aus. Das sind dann simple Geradeausempfänger 
mit Quarzfilter.


XL

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Es soll halt billig und stromsparend sein und vor allem will man keine 
Patentlizenzen bezahlen. Kommen ja noch die Markenrechte-Kosten für 
"AEG", "Grundig" usw. drauf, der Großhändler will verdienen und die 
Handelskette die's vor Ort bringt auch. Achso, dann noch die Prospekte 
Werbebüro Druckerei Austräger, Rücklagen für finanzielle Probleme, 
usw....

Es darf also in der Produktion fast nichts kosten!

von Arno H. (arno_h)


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Zur Auswertung der Phasenmodulation gabs einen Beitrag in der elektor 
Januar 2012. Allerdings nicht als Uhr, sondern als Frequenzreferenz.
Die Website der Autoren: http://www.marvellconsultants.com/DCF

Arno

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