Forum: Offtopic Satellitenrecycling


von Sascha F. (sfleiss)


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Hallo,

derzeit ist die gängige Praxis ja das man alte Satelliten mit dem 
letzten Rest Treibstoff in eine Friedhoffsumlaufbahn schiesst, oder 
diese in der Atmosphäre verglühen lässt.

Ist das sinnvoll? Die Satelliten bestehen doch durchweg aus 
vergleichsweise kostbaren Materiel, das unter enormen Energieaufwand in 
den Orbit gebracht wurde.

Wäre es vielleicht nicht sinnvoller diese an der IIS anzukoppeln und sei 
es nur als zusätzlicher Schutz gegen Strahlung und Weltraumschrott?
Langfristig könnten diese sicher auch als Quelle für Material oder im 
Notfall als Ersatzteillager dienen.


Das im Orbit Recycling ist derzeit sicher noch utopie, aber langfristig 
bestimmt machbar.

Gruß,

Sascha

von Robert L. (lrlr)


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>vergleichsweise kostbaren Materiel,

du kannst auch 5kg 1000€ Scheine an die ISS liefern
dass ist auch vergleichsweise kostbar
(nur helfen wird es ihnen nix...)

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Du bräuchtest halt eine Menge des kostbaren Satellitentreibstoffes (der 
ja am Ende der Lebensdauer fast alle ist) um den Sat auf eine ISS 
kompatible Umlaufbahn zu bringen. Das erfordert neben dem Treibstoff 
auch noch hochpräzises Navigieren von Sat und ISS. Das lohnt sich nicht 
und es besteht auch noch Kollisionsgefahr.
Und wie soll dann der Sat eingefangen werden? Hubble kreist sehr niedrig 
und war für den Onboard Service vorbereitet mit Halterungen für den 
Canada-Arm, aber die ganzen kommerziellen Telekom- und Wettersatelliten 
haben das nicht.

von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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Geostationäre Satelliten wie z.B. Telekommunikations- und 
Fernsehsatelliten sind von der ISS sehr, sehr weit entfernt (Höhe über 
Erdoberfläche im einen Fall etwa 30000 km, im anderen 400 km).

von (prx) A. K. (prx)


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Sascha Fleiss schrieb:
> Wäre es vielleicht nicht sinnvoller diese an der IIS anzukoppeln und sei
> es nur als zusätzlicher Schutz gegen Strahlung und Weltraumschrott?

Abgesehen vom extrem begrenzten Nutzen befinden sich grad jene 
Satelliten, die sich am Ende in Friedhofsbahnen verdrücken, auf der 
geostationären Umlaufbahn in 35000km Höhe, die ISS jedoch in grad mal 
400km Höhe. Unpraktisch.

von Georg A. (georga)


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> bestehen doch durchweg aus vergleichsweise kostbaren Materiel,

Eher nicht. Das Zeug ist nur so schweineteuer, weil es Einzelstückweise 
und mit einem unheimlichen Test/Qualifikationsaufwand gefertigt wird. 
Sowohl technisch als auch von den Rohstoffen her hat das eher den Wert 
eines 20 Jahre alten Autos...

von Uwe R. (aisnmann)


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Hier ist ein sehr interessanter Podcast dazu:
http://raumzeit-podcast.de/2011/01/21/rz007-weltraumschrott/

Zusammengefasst: Man ist sich des Problems bewusst und arbeitet an 
mehreren Fronten. Erstens die Verbesserung von eben den 
Friedhofssystemen, kontrollierter Absturz etc. Das war vor 20 Jahren 
noch nicht üblich das Satelliten Treibstoffvorräte hatten um den Orbit 
nochmal zu wechseln. Zweiterns arbeitet man an Systemen Satelliten die 
ansich noch funktionieren, oder solche die Defekt sind, mit einer Art 
abschleppdienst entweder weiter zu Lageregeln wenn Transponder etc. noch 
laufen, oder eben bei toten Satelliten diesen zu fangen und seinen Orbit 
zu ändern (Absturz oder Friedhof). Es sind ja auch Positionen von 
Satelliten besetzt die nichtmehr gesteuert werden können und eben nur 
die Position blockieren.

Schwierig ist, neben anderen dingen, das andocken an einen alten 
Satelliten, der dafür ja nich gebaut ist. Man kann den ja nicht einfach 
anfassen, zumindest nicht praktisch jeden beliebigen Satelliten.
Eine mögliche Lösung besteht darin dem Sat quasi in den Hintern zu 
fassen, denn die Dinger haben praktisch alle einen Apogäumsmotor, also 
eine Düse, die stabil angebracht ist und im Prinzip immer weitgehend 
gleich angebracht ist. Halbwegs in der Längsache durch den Schwerpunkt.

Naja, mehr hab ich mir nicht gemerkt, wer es genauer will muss selber 
hören ;o))))

bye uwe

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Uwe R. schrieb:
> denn die Dinger haben praktisch alle einen Apogäumsmotor

Aus Kostengründen ist der Apogäumsmotor oft nur dafür ausgelegt, ein 
einziges Mal zu feuern, nämlich genau dann, wenn der 36000 km Orbit 
erreicht ist und der Satellit tangential beschleunigt wird. Danach wird 
dieser Motor nie wieder benutzt, sondern nur noch die kleinen 
Korrekturdüsen. Ob der Motor am Ende der Lebensdauer nochmal zündet, 
selbst wenn er dafür ausgelegt ist, ist eine andere Frage. Dieser Motor 
ist aber der einzige, der in der Lage wäre, den Orbit signifikant zu 
ändern, sei es richtig weit weg, oder eben in die Erdatmosphäre.
Das sich daran was ändern muss ist klar, aber die Betreiber wollen 
natürlich den letzten Euro rausquetschen.

von (prx) A. K. (prx)


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Matthias Sch. schrieb:
> Ob der Motor am Ende der Lebensdauer nochmal zündet,
> selbst wenn er dafür ausgelegt ist, ist eine andere Frage.

Naheliegenderweise verwendet man bei solchen Motoren zur Förderung des 
Treibstoffs Druckgas. Wenn man einen Neustart nach jahrelanger Pause 
nicht eigens vorgesehen hat, dann wird von dem Gas wohl kaum noch etwas 
da sein.

> ein einziges Mal zu feuern

Oder mehrfach innerhalb relativ kurzer Zeit. So ein Triebwerk ist kein 
schwerer Oschi mit viel Schub, sondern ein schwaches leichtes Triebwerk 
mit langer Brenndauer. Da kann eine mehrfache Zündung jeweils im Apogäum 
nötig sein, bis aus der Ellipse ein Kreis wird.

von Timm T. (Gast)


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Matthias Sch. schrieb:
> der Apogäumsmotor oft nur dafür ausgelegt, ein
> einziges Mal zu feuern

Es ging auch darum, den Sat an dieser Düse packen zu können, da sie 
relativ zentral, fest und eventuell baugleich ist.

Ich wäre ja für ein großes Netz, um den Schrott einzufangen. ;-)

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Timm Thaler schrieb:
> Es ging auch darum, den Sat an dieser Düse packen zu können, da sie
> relativ zentral, fest und eventuell baugleich ist.
>
> Ich wäre ja für ein großes Netz, um den Schrott einzufangen. ;-)

Ja, aber du musst doch den Sat erstmal in eine Umlaufbahn bekommen, die 
man einigermassen kostengünstig erreichen kann. Der beliebte 24h Orbit 
ist verdammt weit draussen im Vergleich zu dem, was ISS, Proton oder 
Verne erreichen können und deswegen kostet es eine Menge Treibstoff, 
Hohmannbahn hin oder her, diesen zu ändern. Einer der wenigen 
Satelliten, die sowas mal geschafft haben, war Artemis, ein Komm-Sat der 
ESA, der in einem niedrigen Orbit 'gestrandet' war wegen Defektes an der 
Trägerrakete.
Glücklicherweise hatte Artemis als Versuchssatellit ein elektrisches 
(Ionen-)Triebwerk und konnte in monatelanger Kleinarbeit langsam auf 
seinem Sollorbit gebracht werden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Artemis_%28Satellit%29
Die Jungs haben damals sogar einen Preis dafür bekommen.
Aber die kommerziellen Sats haben alle einen wohlbemessenen 
Treibstoffvorrat, der gerade mal die 10-12 Jahre geplante Lebensdauer 
reicht und dann das 'nach mir die Sintflut' Denken der Betreiber.

von Uwe R. (aisnmann)


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Matthias Sch. schrieb:
> Timm Thaler schrieb:
>> Es ging auch darum, den Sat an dieser Düse packen zu können, da sie
>> relativ zentral, fest und eventuell baugleich ist.

Genau. Wie die Räder beim Auto, die sind immer unten, aus Gummi und 
Rund.

> Ja, aber du musst doch den Sat erstmal in eine Umlaufbahn bekommen, die
> man einigermassen kostengünstig erreichen kann. Der beliebte 24h Orbit
> ist verdammt weit draussen im Vergleich zu dem, was ISS, Proton oder

Tja, leider. Allerdings kann der "Traktor" den Satelliten vielleicht 
Lageregeln und dieser seine Transponder dann weiter betreiben. 
Lebensdauerverlängerung sozusagen.

> Aber die kommerziellen Sats haben alle einen wohlbemessenen
> Treibstoffvorrat, der gerade mal die 10-12 Jahre geplante Lebensdauer
> reicht und dann das 'nach mir die Sintflut' Denken der Betreiber.

Zumindest in der Vergangenheit, die sich hier halt noch einige 
Jahrtausende Auswirken wird. Wenn ein Betreiber eine Position hat und 
dort nun den 5., 6. oder 7. Satelliten positioniert, von denen nur noch 
3 in Betrieb sind, wird er merken das es zweckmässig ist die alten 
irgendwie zu entsorgen, bzw. die neuen entsorgbar zu machen um bei 7 
Stück bleiben zu können. Das spricht sich schnell rum.
Dazu gibt es im verlinkten Podcast auch Zahlen.
Letztlich ist es wie auf der Erde. Wenn ich mir noch ein Auto kaufe, 
muss ich irgendwann man damit anfangen eins zu verschrotten. Irgendwann 
ist jede Garage voll.

bye uwe, der aber garkein auto hat ;o))

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Uwe R. schrieb:
> und dieser seine Transponder dann weiter betreiben.
> Lebensdauerverlängerung sozusagen.

Wäre der Satellit nach der normal geplanten Lebensdauer noch gut 
funtionsfähig, würden die Betreiber ihn ja mit mehr Treibstoff 
ausrüsten, um noch mehr Lebensdauer rauszuquetschen. Aber nach 12 Jahren 
in dem 'ungesunden' Umfeld des 24h Orbit ist da einfach zu viel kaputt. 
Die Solarzellen sind von Sonnenwind und kosmischer Strahlung 
zertrümmert, einige Reservetransponder vermutlich schon in Betrieb, die 
Lageregelung und sonstiger Pipapo sind einfach unzuverlässig geworden 
und nicht mehr profitabel zu betreiben.
Der Van-Allen Strahlungsgürtel liegt ja leider genau dort mit Maxima in 
ungünstigen Zeiten und zermanscht die Hightech gerne mal. Insofern ist 
es schon eine beachtenswerte technische Leistung, die Satelliten so 
lange am laufen zu halten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Van-Allen-G%C3%BCrtel

In den Zeiten des analogen Sat-TV konnte ich mit meinem Grundig die 
abfallende Leistung des ersten Astra (1A) gut beobachten. 1990 erreichte 
er auf dem Instrument eine '7' (Skala von 0-10) und um 1999 war es nur 
noch eine '5', meine Anlage war dabei unverändert.

von Lasst mich A. (ich_bin_durch)


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Mal angenommen man könnte die Satelliten irgendwie fangen, dann fehlt 
immer noch der Wertstoffhof, der die Materialien wieder verwertbar 
macht. Das wird eine größere Einrichtung werden die vermutlich alleine 
so groß ist wie eine ISS.

Das ist mit jetztigen Mitteln garantiert ineffektiv, und ich bin ehrlich 
gesagt pessimistisch ob sich in den nächsten 50 Jahren etwas daran 
ändert.

von (prx) A. K. (prx)


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Der Restwert eines Schrott-Satelliten besteht ausschliesslich in seinem 
Platz. Den er in der Geostationären mitsamt Sicherheitsabstand anderen 
Satelliten weg nimmt. Eine kostenintensive Materialverwertung ist daher 
reichlist sinnlos.

Ausnahmen wären gescheiterte Raumsonden mit Radionuklidbatterien oder 
die früher von den Soviets eingesetzten Satelliten mit Kernreaktoren. 
Aber nicht aufgrund des Restwerts.

von Uwe R. (aisnmann)


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A. K. schrieb:
> Der Restwert eines Schrott-Satelliten besteht ausschliesslich in seinem
> Platz. Den er in der Geostationären mitsamt Sicherheitsabstand anderen
> Satelliten weg nimmt.

Genau, alle noch nutzbaren Geräte sind Zugabe und können für Apfel+Ei 
genutzt werden, sofern man den Platz nicht heute braucht sondern 
kommendes Jahr braucht. Ohne die Platzverwertung wartet man ja 
Jahrhunderte.

bye uwe

von Martin P. (billx)


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Wie sehr mag so ein Satellit strahlen wenn er 12 Jahre ständig der 
kosmischen Strahlung ausgesetzt war?

von Reinhard S. (rezz)


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Robert L. schrieb:
>>vergleichsweise kostbaren Materiel,
>
> du kannst auch 5kg 1000€ Scheine an die ISS liefern
> dass ist auch vergleichsweise kostbar
> (nur helfen wird es ihnen nix...)

Naja, 1000€-Scheine sind nicht wirklich kostbar, da es offiziell maximal 
500€-Scheine gibt ;)

von Purzel H. (hacky)


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Die Geschwindigkeiten im Orbeit liegen alle um die 8km/s. Zum Einfangen 
ist die Differenzgeschwindigkeit wichtig, welche zwischen Null und 
16km/s sein kann. Ohne Puffer und Knautschzone wuerde ich schon 1m/s 
(3.6km/h) als genuegend heftigen Aufprall betrachten.

Zudem ist der Satellitenguertel im Orbit ein excellenter Schutzschild 
gegen Aliens.

von Timm T. (Gast)


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Uwe R. schrieb:
> Genau. Wie die Räder beim Auto, die sind immer unten, aus Gummi und
> Rund.

Ach komm. Wenn man eine 20 Jahre alte russische Marssonde mit der einem 
Roboter geklauten Batterie starten kann, und mit der Sonde denn wieder 
in den Orbit gelangt, wird man wohl so eine blöde Düse packen können.

von Uwe R. (aisnmann)


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Timm Thaler schrieb:
> Uwe R. schrieb:
>> Genau. Wie die Räder beim Auto, die sind immer unten, aus Gummi und
>> Rund.
>
> Ach komm. Wenn man eine 20 Jahre alte russische Marssonde mit der einem
> Roboter geklauten Batterie starten kann, und mit der Sonde denn wieder
> in den Orbit gelangt, wird man wohl so eine blöde Düse packen können.

Ähm, zwar weiss ich jetzt nicht was mit der alten russischen Marssonde 
gemeint ist, aber natürlich wird man den Satelliten an der Düse packen 
können, davon rede ich ja. Wie der Aufladeabschlepper das Auto an den 
Rädern packt.

bye uwe

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Timm Thaler schrieb:
> wird man wohl so eine blöde Düse packen können.

Einmal haben die Shuttle Jungs das ja mal gemacht und ihr werdet euch 
erinnern, was das für ein Aufwand war. Der Canada-Arm hat die Tonne 
nicht packen können und schlisslich haben sich 3 Austronauten im Kreis 
aufgestellt und das Dings am Rand zu fassen gekriegt. Der Satellit war 
zwar nagelneu, aber selbst dafür war der Aufwand unverhältnismässig hoch 
und wohl mehr als Machbarkeitsstudie gedacht. Zu allem Überfluss waren 
die Pläne des Satelliten ja anders als der Satellit.
Und die Bodenstation hat gezittert, das keiner der Jungs sich verletzt, 
vor dem Einsatz gabs ein langes hin und her.

von Steffen I. (echo)


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@ Uwe:

Bei der alten Marssonde und dem Roboter gehts um den Film Red Planet.

von Timm T. (Gast)


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Matthias Sch. schrieb:
> schlisslich haben sich 3 Austronauten im Kreis
> aufgestellt

Die haben sich aufgestellt? Worauf denn? ;-)

Das ist wie im Spiegel-Artikel gestern zum letzten ISS-Transfer: Die 
Fahrt dauert 6 Stunden statt 3 Tage, der Nachteil sei, dass die 
Kosmonauten* nicht zwischendurch aufstehen und sich die Füße vertreten 
können.

*) Wenn sie mit einer russischen Sojus fliegen, müssten es ja 
Kosmonauten sein. Wenn es aber Amerikaner sind, wären es vielleicht doch 
eher Astronauten? Also waren dass dann zwei Kosmonauten und ein 
Astronaut? Ich bin verwirrt...

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Timm Thaler schrieb:
> Die haben sich aufgestellt? Worauf denn? ;-)

Hier ist ein bisschen Video von STS-51A, die Nummer mit dem Einfangen:
http://www.youtube.com/watch?v=jDGOti82TIM
http://www.youtube.com/watch?v=HTy0dQidPGM

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