Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Gehört das "wir" zum guten Ton?


von jk (Gast)


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Hallo zusammen,

eine vielleicht etwas komisch anmutende Frage...

Ich habe desöfteren erlebt, dass Kleinstunternehmen/Selbständige oft in 
der "wir"-Form sprechen, obwohl eigentlich komplett ersichtlich ist, 
dass das Unternehmen aus genau einer Person besteht. Nämlich dieser 
Selbständigen.

Gehört es also zum guten Ton bzw. wirkt es etwa professioneller, wenn 
ein Ein-Mann-Betrieb von "Unser Unternehmen" oder "wir sind für sie da" 
spricht, anstatt von "mein Unternehmen und "ich bin für sie da"?

Ist es eine Knigge der Selbständigen?



Danke und Gruß

von M. S. (bugles)


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Wie würde es denn klingen wenn der Chef immer sagen würde "habe ich 
super gemacht" und das Team aussenvor lässt?

von Mich (Gast)


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Im Plural hat man immer einen (virtuellen) Schuldigen, wenn was schief 
läuft.

von Selbständiger (Gast)


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Das ist der pluralis majestatis.

von Georg W. (gaestle)


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Das machen Erpresser auch um ihrer Forderung mehr Gewicht zu verleihen.

Mein ehemaliger Chef sprach auch gerne im "wir". Z.B. so: Das müssen wir 
dann am Wochenende fertig machen, das heißt primär Sie!

von icke (Gast)


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(Fast) jeder Selbständige hat jemanden, der im Hintergrund z.B. die 
Buchhaltung, Bestellung, Rechnungswesen und Telefondienst macht. Also 
Sachen, die, wenn sie gut laufen, niemandem groß auffallen. im anderen 
Fall schon.
Auch bei vielen 1-Mann-Firmen ist also das wir durchaus angemessen.

von Testfall (Gast)


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Das wir wird bei Unternehmen immer nach außen verwendet.
Alles andere klingt unprofessionell.

Außerdem handelt es sich ja häufig um GmbHs, die ja tatsächlich aus 
mehreren (juristischen) Personen bestehen (Angestellter und eben die 
GmbH).

von Viktor N. (Gast)


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Als Selbstaendiger ist man haeufig in einem Netzwerk eingebettet. Hat 
also durchaus Resourcen um von "wir" zu reden.

von nnl (Gast)


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Selbständiger schrieb:
> Das ist der pluralis majestatis.


Der Pluralis Majestatis findet im geschäftlich – höflichen 
Schriftverkehr keine Anwendung. Denn der Autor würde damit seine eigene 
Position ganz weit über der des Empfängers ansiedeln, was im 
Geschäftsleben gar nicht gut ankommt.

Wenn hier 'wir' anstelle von 'ich' verwendet wird, so deutet das meist 
auf den Pluralis Modestiae hin, also den Bescheidenheitsplural, der die 
eigene Person nicht in den Vordergrund stellt.

Dieser Plural wird übrigens im englischsprachigen geschäftlichen 
Schriftverkehr so gut wie immer benutzt.

von Selbständiger (Gast)


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@ nnl

Endlich einmal ein sinnvoller Beitrag in diesem Forum - manchmal war mir 
das "wir" schon peinlich, weil es mir wie ein leichter Anflug von 
Größenwahn vorkam.
Jetzt kann ich es wieder ohne Gewissensbisse benutzen.

von Viktor N. (Gast)


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Man kann uebertreiben. Wenn ein Firmenchef von "wir" redet, bedeutet das 
ueblicherweise die Angestellten muessen ran. Wenn der Selbststaendige 
von "wir" redet, bedeutet das er muss selbst ran.

von A. $. (mikronom)


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Viktor N. schrieb:
> Man kann uebertreiben. Wenn ein Firmenchef von "wir" redet, bedeutet das
> ueblicherweise die Angestellten muessen ran. Wenn der Selbststaendige
> von "wir" redet, bedeutet das er muss selbst ran.

Nicht ganz. Wenn der Selbstständige von "wir" redet, dann muss er 
mindestens für zwei arbeiten.

von STK500-Besitzer (Gast)


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Wie bescheuert hört es sich denn an, wenn man "ich biete Ihnen folgendes 
an"?
Klingt irgendwie nach hozontalem Gewerbe.
Auch wenn man ein Einzelunternehmer ist, ist man ja ein Firma.
Dem Kunden dürfte die Anzahl an Mitarbeitern oder Kompanions ziemlich 
egal sein.

nnl schrieb:
> Wenn hier 'wir' anstelle von 'ich' verwendet wird, so deutet das meist
> auf den Pluralis Modestiae hin, also den Bescheidenheitsplural, der die
> eigene Person nicht in den Vordergrund stellt.

Richtig.

von P. M. (o-o)


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STK500-Besitzer schrieb:
> Wie bescheuert hört es sich denn an, wenn man "ich biete Ihnen folgendes
> an"?

Kommt völlig darauf an, was du anbietest. Wenn du Experte mit einem 
gewissen Ruf bist, dann ist das "ich" besser als das "wir". Du willst ja 
z.B. vom renommierten Dr. X behandelt werden, nicht von irgend jemandem 
aus dem "wir" seiner Praxis. Du willst von Starkoch Y bekocht werden, 
nicht vom "wir" seines Küchenpersonals, das Y am betreffenden Abend 
vielleicht nichtmal enthält. Das gilt für alle Bereiche, wo die Leistung 
stark mit den speziellen Fähigkeiten einer Person verknüpft ist.

von STK500-Besitzer (Gast)


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P. M. schrieb:
> Kommt völlig darauf an, was du anbietest. Wenn du Experte mit einem
> gewissen Ruf bist, dann ist das "ich" besser als das "wir". Du willst ja
> z.B. vom renommierten Dr. X behandelt werden, nicht von irgend jemandem
> aus dem "wir" seiner Praxis. Du willst von Starkoch Y bekocht werden,
> nicht vom "wir" seines Küchenpersonals, das Y am betreffenden Abend
> vielleicht nichtmal enthält. Das gilt für alle Bereiche, wo die Leistung
> stark mit den speziellen Fähigkeiten einer Person verknüpft ist.

Der Dr. X macht also alles alleine? Er ist nicht in der Lage, triviale 
Dinge zu deligieren? Macht für micht keinen guten Eindruck.
Als Kunde ist mir ein "wir" angenehmer, da ich davon ausgehen kann 
(können sollte), dass bei einem Ausfall des einen, jemand anders seinen 
Job weiter machen kann.

von Jürgen W. (lovos)


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Gutti hätte die wir-Form in seiner Dr-Arbeit verwenden sollen.
Damit hätte er seinen Ghostwriter mit eingeschlossen.

von M. N. (Gast)


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P. M. schrieb:
> Das gilt für alle Bereiche, wo die Leistung
> stark mit den speziellen Fähigkeiten einer Person verknüpft ist.

So ist es mir (als 'ich') auch deutlich lieber, mein Gegenüber sagt mir: 
"Ich kümmere mich darum" als dass sich von "wir" darum gekümmert wird. 
Beim Ich weiß ich, woran ich bin, beim Wir kann u.U. auch garkeine 
Antwort kommen oder fachlich sehr bescheiden ausfallen.

von Wutbürger (Gast)


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Der Ausdruck "wir" ist bei einem Einzelunternehmer schizophren.

von J. A. (gajk)


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Wutbürger schrieb:
> Der Ausdruck "wir" ist bei einem Einzelunternehmer schizophren.

Sehen wir jetzt nicht so streng.

Im Schriftwechsel sieht ein "ich" aber auch nicht so gut aus. Vorschlag: 
Texte so formulieren, dass das ich oder das wir nicht so ins Auge 
stehen.

Beispiel:

Ich bin im Urlaub = Zwischen dann und dann bleibt die Firma XYZ wg. 
Urlaub geschlossen.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Hallervorden hat den Begriff "Ich-AG" mal so beschrieben, er ist sein 
eigener Arbeitgeber und einziger Angestellter (der stellt immer so 
unverschämte Lohnforderungen). Das wären dann zwei.

von P. M. (o-o)


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STK500-Besitzer schrieb:
> P. M. schrieb:
>> Kommt völlig darauf an, was du anbietest. Wenn du Experte mit einem
>> gewissen Ruf bist, dann ist das "ich" besser als das "wir". Du willst ja
>> z.B. vom renommierten Dr. X behandelt werden, nicht von irgend jemandem
>> aus dem "wir" seiner Praxis. Du willst von Starkoch Y bekocht werden,
>> nicht vom "wir" seines Küchenpersonals, das Y am betreffenden Abend
>> vielleicht nichtmal enthält. Das gilt für alle Bereiche, wo die Leistung
>> stark mit den speziellen Fähigkeiten einer Person verknüpft ist.
>
> Der Dr. X macht also alles alleine? Er ist nicht in der Lage, triviale
> Dinge zu deligieren? Macht für micht keinen guten Eindruck.

"Wir" heisst in diesem Fall: Irgend jemand aus dem Team wird die 
Leistung erbringen. Positiv gesehen heisst das für dich, dass du dich 
nicht darum sorgen musst, wer es tut oder was geschieht, wenn die Person 
ausfällt. Negativ gesehen heisst es, dass du vielleicht gar nicht vom 
renommierten Dr. X behandelt wirst, sondern von einem Assistenten. Wenn 
du aber Dr. X oder Musiker Y oder Starkoch Z haben willst, dann willst 
du genau ihn. Also zeigt er am besten mit der "ich"-Formulierung an, 
dass tatsächlich er die Leistung erbringen wird.

von Bernd F. (metallfunk)


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Interessantes Thema.

" Ich mache das Angebot bis morgen fertig"

" Wir tun Alles, damit die Anlage morgen läuft"

( Kleinstbetrieb mit 3 MA )

" Leider rufen sie außerhalb der Geschäftszeit an, was kann ich
für sie tun? " ( Nachts 1.30 h !)

Ich glaube das " wir " gehört auch zum Umgang mit den Mit-
arbeitern. Niemand ist allein auf dieser Welt.

von STK500-Besitzer (Gast)


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Bernd Funk schrieb:
> " Leider rufen sie außerhalb der Geschäftszeit an, was kann ich
> für sie tun? " ( Nachts 1.30 h !)

Eine Salami-Pizza und eine große Cola light. ;)
SCNR

von der mechatroniker (Gast)


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Das Gegenteil wäre das Behörden-Ich, also im Namen des Behördenleiters, 
in dessen Auftrag man handelt, in der Ich-Form schreiben.

"Das Verfahren gegen Sie wegen Tankbetrugs habe ich eingestellt"

wobei "ich" nicht der Sachbearbeiter ist, der das Schreiben verfasst 
hat, sondern der Staatsanwalt.

Käme von einem Privatunternehmen wohl etwas schräg.

von STK500-Besitzer (Gast)


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Bernd Funk schrieb:
> " Ich mache das Angebot bis morgen fertig"
> " Wir tun Alles, damit die Anlage morgen läuft"
> ( Kleinstbetrieb mit 3 MA )
> " Leider rufen sie außerhalb der Geschäftszeit an, was kann ich
> für sie tun? " ( Nachts 1.30 h !)

> Ich glaube das " wir " gehört auch zum Umgang mit den Mit-
> arbeitern. Niemand ist allein auf dieser Welt.

Man muss wohl auch den Zusammenhang unterscheiden:
Bei schriftlicher Korrespondenz ist das "wir" oder eine noch etwas 
weniger personenbezogene Aussage angebracht. Bei persönlichem Kontakt 
und je nach Kunde wird es personenbezogener, da es für Kunden wichtig 
ist, möglichst nur einen (kompetenten) Ansprechpartner zu haben.

Bei Artzpraxen ist es ja häufig so, dass die Arzthelferin im Namen des 
Herrn Dr. spricht (man möge mir die Geschlechterwahl verzeihen, da sie 
sich aus meiner persönlichen Statistik ergeben hat).
Auch beim Steuerberater-Büro ist es ähnlich.
Wenn man vom "wir" in einer Firma spricht, dann setzt man sich mit den 
Kollegen/Mitarbeitern gleich, auch wenn man selber der Chef ist. Das 
zeigt, dass man Vertrauen zu seinen Mitarbeitern hat.
Wenn man das "ich" in den Vordergrund stellt, dann hat man nur einen 
Haufen Lakaien unter sich...

von Wegstaben V. (wegstabenverbuchsler)


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um den Thread etwas zu erweitern:

ganz_ _schimm finde ich das "man" anstelle das "ich". Das schiebt dann 
den "Personenbezug" auf "die ganze Welt" bzw. auf nieMANd.

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