Wie geht ihr damit um, wenn ihr für ein Projekt oder einen neuen Job Erfahrungen abverlangt bekommt, die ihr nicht habt? Vor einiger Zeit wurde mir ein Projekt angeboten, aus der Raumfahrtindustrie. Elektronik, Software, Design, Microcontroller, FPGAs - alles ist abgedeckt und es täte hervorragend passen. Leider hat sich der Kunde darauf versteift, dass der Bearbeiter Kenntnisse in der Raumfahrtnorm EC...irgendwas haben muss, die ich nicht habe, weil ich noch nie eine Raumfahrtprojekt gemacht habe. Und: Ich werde sie auch nicht bekommen, wenn ich nicht mal eines mache. Nun verstehe ich den Kunden, dass er einen optimalen Mitarbeiter haben will, aber wie soll man Erfahrung sammeln, wenn man niemals ein erstes mal beginnt? Ich glaube auch nicht, dass er einen findet, denn das ist so speziell, dass es mich wundern würde, wenn da jemand verfügbar wäre und dies auch noch ausgerechnet sofort. Gestern kam ich aus dem Urlaub zurück und habe die mailbox voll: Noch zwei weitere Anbieter, offerieren mir die Stelle. Der Kunde hat also noch nix gefunden. Jetzt frage ich mich, ob man nicht einfach behaupten soll, man habe damit Erfahrung, denn bis es zu einem Vertragsabschluss kommt, vergehen locker 2 Wochen und mehr und in der Zeit kann ich die Norm dreimal lesen.
Der Kunde sucht vermutlich nicht jemanden, der sich die Norm durchgelesen hat, sondern Praxiserfahrung in der Anwendung hat. Wenn das so wichtig ist, wird er seine Gründe dafür haben. Willst du als Scharlatan gelten? Ich würde damit offen umgehen und dann abwarten, wie der Kunde reagiert. Mit Scharlatenen arbeite ich jedenfalls höchstens einmal zusammen und ist der Ruf ruiniert, ..
Gut, was Normung an geht, ist die "Praxis" ja sehr fimenbezogen. Will heissen, jeder legt das anders aus, hat andere Prozesse und interpretiert die nötigen Handlungen anders. Damit steht einem Erfahrung auch immer mal gerne im Wege. Und gerade bei den Formalismen wissen wir ja, das Vieles nur im Buch steht und die reale tägliche Arbeitswelt ein andere ist. Ich will aber nicht die Notwendigkeit von Normenkenntnis in Abrede stellen und schon gar keine Scharlatanerie betrieben. Erfahrung soll und muss man haben, wenn man mit einem Thema beginnt und es dem potenziellen Chef zusichert. Allerdings ist es so, dass manche Kollegen in der Branche sehr schnell bei der Hand sind, angebliches Wissen zu behaupten und es sich dann zum Projektstart erst beizubringen. Das ist sozusagen der Volkssport bei den Dienstleistern. Wenn man bestehen will, muss man mitmachen, wie der Sporler beim Doping. Genau so stellte es erst jüngst wieder ein Vertreter einer der grossen Vermittleragenturen dar. > Mit Scharlatenen arbeite ich jedenfalls höchstens einmal zusammen Reicht ja, dann kommt der nächste Kunde. > und ist der Ruf ruiniert, .. Wie prüfst Du den Ruf eines neuen Mitarbeiters? Zeugnisse? Wie tust Du das bei externen Mitarbeitern? Das ist doch Illusion.
Markus Wagner schrieb: > > Leider hat sich der Kunde darauf versteift, dass der Bearbeiter > Kenntnisse in der Raumfahrtnorm EC...irgendwas haben muss, die ich nicht > habe, weil ich noch nie eine Raumfahrtprojekt gemacht habe. > Steht das mit der Norm nur in der Stellenausschreibung oder hat man dir das schriftlich/telefonisch bestätigt? Falls letzteres: Mit wem hast du kommuniziert? Mit jemandem aus der Technik oder nur mit einem Personaler? Meistens ist es so, dass die Personaler, die die Stellen veröffentlichen, keine Ahnung von der Technik haben. Ich würde hartnäckig sein, und versuchen, mich telefonisch zum Projektleiter durchstellen zu lassen, um mit ihm die Details zu klären. Dann hast du auch gleich eine Ansprechpartner, auf den du dich bei der schriftlichen Bewerbung berufen kannst. Falsche Angaben in der Bewerbung kommen jedenfalls ganz schlecht rüber, wenn das beim Vorstellungsgespräch auffällt.
Entweder ist die Norm nicht so wichtig, dann soll das vermutlich eine höfliche Absage sein, oder diese Norm ist tatsächlich wichtig. Falls diese Norm tatsächlich wichtig ist, lies sie durch und nimm nochmal Kontakt auf, um mehr Information über das Projekt rauszufinden. Wichtig ist, daß du nur das versprichst, was du tatsächlich anbieten kannst. Weil Du hier keine Erfahrung mit dieser geforderten Norm hast und der Kunde das mitbekommt, ist das sehr schlecht. Das wäre ein falsches Versprechen und das wird dir später sehr schlecht angerechnet werden. Dann würdest du tatsächlich als Scharlatan gelten, was D.K. schon angemerkt hat. Ich würde Kontakt aufnehmen, um mehr über das Projekt rauszufinden und um im Gespräch zu bleiben.
Markus Wagner schrieb: > Jetzt frage ich mich, ob man nicht einfach behaupten soll, man habe > damit Erfahrung, denn bis es zu einem Vertragsabschluss kommt, vergehen > locker 2 Wochen und mehr und in der Zeit kann ich die Norm dreimal > lesen. Ich glaube Du unterschätzt das. Raumfahrtanforderungen sind ähnlich wie Ex- oder SIL3-Anforderungen ein ganz schön dicker Brocken, wo der Know-How-Aufbau eher Jahre als nur wenige Tage benötigt.
Nun gut, das kann gut sein. Jedenfalls wurde von anfang an klar gemacht, dass dem Kunden das seh wichtig sei.
Markus Wagner schrieb: > Nun gut, das kann gut sein. Jedenfalls wurde von anfang an klar > gemacht, > dass dem Kunden das seh wichtig sei. Dein Verhalten wirft kein gutes Licht auf dich und glaube mir: Die Welt ist klein.
Markus Wagner schrieb: >> Mit Scharlatenen arbeite ich jedenfalls höchstens einmal zusammen > Reicht ja, dann kommt der nächste Kunde. Dies sagt viel aus, wie man über seine Kunden denkt...
Herbert schrieb: > Markus Wagner schrieb: >>> Mit Scharlatenen arbeite ich jedenfalls höchstens einmal zusammen >> Reicht ja, dann kommt der nächste Kunde. > > Dies sagt viel aus, wie man über seine Kunden denkt... Das war nicht meine Meinung sondern ein Zitat. Bitte mal meinen Text genau lesen. Ich kritisiere ja die Haltung ausdrücklich. Sonst würde ich sie nicht zur Diskussion stellen.
Wenn es eine Norm gibt und der Kunde besteht drauf, dann wird es schon einen Grund haben, warum dies so ist. Es gibt genügend Fälle, bei denen etwas nicht klappt, sei es jetzt im Bereich Weltraum, Luftfahrt, Medizin oder ähnliche sicherheitsrelevante Bereiche. Und da geht es dann meist auch um viel Geld, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll. Möchtest du dann dafür gerade stehen, weil die Rakete mit den 4 Satelliten nicht in den Orbit kommt, weil dein kleiner Lagesensor halt manchmal falsche Daten liefert, weil z.B. Beschleunigungswerte beim Start nicht berücksichtigt wurden? Der kleine Lagesensor kostet kleines Geld, aber die 4 Satelliten sind richtig teuer... Kannst du vielleicht irgendwie über Trainings dein Wissen in diesem Bereich aufbessern? Vielleicht sogar mit einem Zertifikat? Oder vielleicht kann man auch mit dem Kunden vereinbaren, dass man die Arbeit als eine Art "Co-Worker" erledigt, damit man die Besonderheiten lernt? Keine Ahnung, ob so etwas möglich ist? Ich gehe davon aus, dass du Freiberufler bist? Vielleicht kann man den Teil in Festanstellung lernen?
Ich glaube, das wäre ja sogar eine Festanstellung gewesen, die Personalvermittlerin war da nicht 100% klar. Ich will da die Bedeutsamkeit der Normung gar nicht in Frage stellen, wie ich oben schon erwähnt habe. Mir stösst es nur immer wieder auf, dass andere offenbar legerer mit dem Thema umgehen. Wie auch immer... >Kannst du vielleicht irgendwie über Trainings dein Wissen >in diesem Bereich aufbessern? Vielleicht sogar mit einem >Zertifikat? Das ist theoretisch sicher möglich, aber weil einmal in 5 Jahren so eine Option vorbei kommt, kann man sich nicht erst darauf spezifisch vorbereiten, schon gar nicht im Vorhinein. Der nächste will ja wieder was komplett anderes. Das ist ja überhaupt die Krux mit dem Dienstleistergeschäft: Egal, was man sich für Knowhow aufstapelt, der nächste Kunde kann es nicht gebrauchen und will es auch nicht bezahlen.
Markus Wagner schrieb: > > Ich glaube auch nicht, dass er einen findet, denn das ist so speziell, > dass es mich wundern würde, wenn da jemand verfügbar wäre und dies auch > noch ausgerechnet sofort. > > Gestern kam ich aus dem Urlaub zurück und habe die mailbox voll: Noch > zwei weitere Anbieter, offerieren mir die Stelle. Der Kunde hat also > noch nix gefunden. In der Branche stehen etliche ähnliche Projekte (Avionic) vor dem Abschluß resp. Abwicklung (EUROHAWK, MEADS), dann suchen etliche Ingenieure mit passenden Berufshintergrund ein Anschlußprojekt. Da kann man als Kunde schon mal warten bevor man branchenfremde Möchtegerneinsteiger ausbildet. MfG,
>etliche ähnliche Projekte
Die sind nur scheinbar ähnlich. Wenn Avionikkenntnisse gereicht hätten,
würde man nicht die Raumfahrtnorm hervorgehoben haben.
Luftfahrterfahrung habe ich inzwischen genug, daher senden mir die
Vermittler ja die Anfrage.
Markus Wagner schrieb: > Ich glaube auch nicht, dass er einen findet, denn das ist so speziell, > dass es mich wundern würde, wenn da jemand verfügbar wäre und dies auch > noch ausgerechnet sofort. Ich hatte auch schon die Ehre mit Vermittlern, die mich darum baten, das Profil für eine Kundenanforderung etwas aufzupeppen, bzw. mich mal darin einzuarbeiten. Das ist ja zunächst mal ein schönes Geschwätz und Geschwurbele. Es ist und bleibt Murkserei, am Ende bei einem zustande gekommenen Arbeitsverhältnis würde man da endlos schwitzen, mit etwas, was man eben doch noch nicht hatte.
Dann laß Dir einen Kontakt herstellen und frage direkt bei der Raumfahrtfirma nach was genau notwendig ist und ob sie Dir eine entsprechende Weiterbildung in Aussicht stellen können, so denn der Rest paßt. Mehr als nein sagen können sie nicht.
Markus Wagner schrieb: > Leider hat sich der Kunde darauf versteift, dass der Bearbeiter > Kenntnisse in der Raumfahrtnorm EC...irgendwas haben muss, die ich nicht > habe, weil ich noch nie eine Raumfahrtprojekt gemacht habe. > Jetzt frage ich mich, ob man nicht einfach behaupten soll, man habe > damit Erfahrung, denn bis es zu einem Vertragsabschluss kommt, vergehen > locker 2 Wochen und mehr und in der Zeit kann ich die Norm dreimal > lesen. Eine "Norm" zu kennen ist eins. Ein produkt zu bauen was der Norm genügt ein anderes. Und wiederum nach einem genormten Prozeß zu entwickeln ein drittes. Das fängt schon mit der ISO 9001 an (http://de.wikipedia.org/wiki/Qualit%C3%A4tsmanagementnorm). Da heißen Kapital ganz allgemein "Managment von Ressourcen" "Kundenbezogene Prozesse" . Aber wie das nun konkret für BüroSoftware/Embedded Software/webseitendesing/Schaltpläne/Layouts/Baupläne/etc zu realisieren ist umzustezen ist das das ISO-Zertifikat erteilt wird, muss du selbt per try and error herausfinden. Also Versionsverwaltung/Bug-tracking/configuration managment/requiremts/Verifikationsplänen/Intergrationspfade aufsetzen und etablieren. Und in dieser Branche checkt man gern die vorgelegten Referenzen, flunkern ist da kontraproduktiv. Da schon Lücken offenlegen und akzeptieren das man sich bei einer Wahl zwischen ungelernten Absolventen und unerfahren branchenfremden Älteren für den formbaren und (in den ersten Jahren) preiswerteren entscheidet. MfG,
Fpga Kuechle schrieb: > Und in dieser Branche checkt man gern die vorgelegten Referenzen, Noch so ein nettes Thema. Bei Selbständigen steht immer in den Verträgen, dass man die Projektinhalte nicht offenlegen darf und die Vermittler lassen sich unterschreiben, dass man keine Kenntnisse an andere weitergibt, die aus den Projekten entstanden sind und dazu zählen auch Kontaktadressen. Mein aktuelles Projekt ist ja auch aus der Branche und niemand möchte, dass ich anderen erkläre, was ich da genau mache. Wie will man da eine Referenz angeben? Ich kann natürlich allgemein damit werben, die DO-254 zu kennen, aber nicht konkret bennen, was ich auf der Basis dieser Norm entwickelt habe und schon garnicht für wen.
Fpga Kuechle schrieb: > Eine "Norm" zu kennen ist eins. Ein produkt zu bauen was der Norm genügt > ein anderes. Und wiederum nach einem genormten Prozeß zu entwickeln ein > drittes. Allerdings wird in all diesen Normen (QM) auch nur mit Wasser gekocht: ich kenne es von CMMI, Automotive Spice und teilweise aus der Medizintechnik: all diese Normen basieren auf dem V-Modell, allerdings nicht nur auf Software bezogen. Kennste eins, weisste auch wie der Rest in Theorie funktioniert. Wie es in der Firma umgesetzt wird, ist noch mal ein ganz anderer Schuh. Problem dabei: Du kennst eine Norm, der neue AG aber nur die für ihn Spezifische. Der neue AG kennt Deine Norm nicht. Er wäre somit davon zu überzeugen, dass die Norm, die Du kennst, ähnlich zu seiner ist. Das dürfte VOR Projektstart (im Vorstellungsgespräch) eher schwierig sein.
Markus Wagner schrieb: > Leider hat sich der Kunde darauf versteift, dass der Bearbeiter > Kenntnisse in der Raumfahrtnorm EC...irgendwas haben muss, die ich nicht > habe, weil ich noch nie eine Raumfahrtprojekt gemacht habe. (Freiwillige) Mitarbeit an Nichtkommerziellen Raumfahrtprojekten um die Erfahrungslücken zu schließen? -OSCAR (http://de.wikipedia.org/wiki/OSCAR) -UWE (http://de.wikipedia.org/wiki/UWE-3) -SSIMUC (http://www.ssimuc.de/content/) MfG,
So kann es ausgehen, wenn man ein Projekt dann ohne Erfahrung realisiert: http://www.heise.de/newsticker/meldung/US-Gericht-Motorelektronik-von-Toyota-schuld-an-Unfall-2036380.html Wer daran schuld ist, ist ein anderes Thema, welches ich jetzt hier nicht näher ansprechen will...
Kein weltfremdes Beispiel. Biete heute mal ein Entwicklungsprojekt vernüftig an. Dann kommen 10 Dienstleister, die Dir vorrechnen, dass sie viele billige Jakobs kennen, die es für die Hälfte machen. Ich finde das richtig, dass die Firmen richtig zur Kasse gebeten werden, denn dann können die Billigheimer im Markt nicht mehr auf Billiganbieter zurückgreifen und die guten in der Branche, die vernüftige Arbeit machen und auch fair zahlen, habe keine Konnkurrenz mehr, weil die ihre unkalkulierbaren Risiken an ihre Dienstleister weitergeben müssen und die Freiberufler solche Riskiken nicht eingehen werden, jedenfalls nicht die billigen Jabkobs.
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