Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Transistorschaltungen - Lehre vs. Realität


von Lukas K. (carrotindustries)


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Hallo Zusammen,
in der Lehre wird viel auf Kennlinienfeldern zur Bestimmung des 
DC-Arbeitspunktes rumgeklopft, allerdings findet man in kaum einem 
(keinem?) Datenblatt eines noch erhältlichen Transistors die dafür 
notwendigen Kennlinien. Bestenfalls noch die h-Parameter für die 
Kleinsignal-Analyse sowie thermische Daten. Insofern stellt sich die 
frage, weshalb in der Lehre Kennlinienfelder nachwievor ausgiebig 
behandelt werden, wenn man in der Realität keine Kennlinien gegeben hat.

Liegt dies an der heute stark zurückgegangen Bedeutung von diskret 
aufgebauten Transistorschaltungen, mal von Extrembereichen wie sehr 
rauscharm, hohe Frequenzen/Spannungen/Ströme abgesehen?

MfG,
Lukas

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Nein. Es hängt daran, dass die ganzen Arbeitsblätter und 
Unterrichtsinhalte noch aus den letzten Jahrtausend sind. Eines ist 
klar: diese einfache grafische Lösung mir einer KL ignoriert die 
Tatsache, dass die ganzen Parameter zum Teil extrem streuen. Aber es ist 
eben einfacher, sowas visuell zu erfassen, als sich aus Zahlen ein Bild 
zu machen...

von Helmut L. (helmi1)


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Lukas K. schrieb:
> in der Lehre wird viel auf Kennlinienfeldern zur Bestimmung des
> DC-Arbeitspunktes rumgeklopft, allerdings findet man in kaum einem
> (keinem?) Datenblatt eines noch erhältlichen Transistors die dafür
> notwendigen Kennlinien.

Weil man die dafuer auch eigentlich nicht braucht. Im grossen und ganzen 
verhalten sich die Transistoren alle gleich. Was man braucht ist die 
Minimumstromverstaerkung, den man sollte seine Schaltung so auslegen das 
es mit jedem Exemplar gleich gut funktioniert. Fuer die anderen 
Berechnung wie Eingangswiderstand etc. gibt es die Shockley Gleichung 
die das Uebertragungsverhalten von Ube nach Ic wiedergibt bzw. 
Ableitungen davon wo man die dynamischen Widerstaende im Arbeitspunkt 
berechnen kann. Bis sich sowas im Unterricht durchsetzt brauchst es halt 
ein paar Jahrzehnte.

Lukas K. schrieb:
> Liegt dies an der heute stark zurückgegangen Bedeutung von diskret
> aufgebauten Transistorschaltungen,

Diese Zusammenhaenge gelten auch in Integrierten Schaltungen.

von Jens G. (jensig)


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Ich finde es sogar noch gut so, daß in der Lehre/Studium noch auf 
solchen Kennlinien herumgeklopft wird. Denn sowas vermittelt doch eher 
im bildlichen Sinne die Abhängigkeiten der Transistorparameter, und 
deren Wirkung in einer Schaltung.
Man sieht doch hier im Forum, daß viele überhaupt kein "Transitorgefühl" 
entwickeln, nur noch allgemeines Blabla ohne größere Differenzierung 
kennen, und dann schon bei der einfachsten Aufgabe scheitern.
Klar wird das heutzutage wohl kaum noch einer anwenden, aber für's 
Verständnis ist sowas allemal noch ziemlich gut.

von Lothar S. (loeti)


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> allerdings findet man in kaum einem (keinem?) Datenblatt eines noch
> erhältlichen Transistors die dafür notwendigen Kennlinien.

Du musst nur die Datenblätter der renommierten original Hersteller 
downloaden dann findest Du alle benötigten Angaben.

In Datenblättern meist asiatischer "Raub"-Kopien sind diese Angaben mit 
Absicht nicht enthalten um sich diesen "Offenbarungseid" nicht stellen 
zu müssen.

Du arbeitest also mit den falschen Datenblättern und/oder Herstellern.

Grüße Löti

von Klaus R. (klara)


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Lukas K. schrieb:

> in der Lehre wird viel auf Kennlinienfeldern zur Bestimmung des
> DC-Arbeitspunktes rumgeklopft, allerdings findet man in kaum einem
> (keinem?) Datenblatt eines noch erhältlichen Transistors die dafür
> notwendigen Kennlinien. Bestenfalls noch die h-Parameter für die
> Kleinsignal-Analyse sowie thermische Daten.

Sei froh, noch ein paar Jahre früher fing man in der Elektronik mit 
Löcherstrom an. Ungefähr so, das vor dem Taschenrechner es 
Rechenschieber gab.

> Kleinsignal-Analyse sowie thermische Daten. Insofern stellt sich die
> frage, weshalb in der Lehre Kennlinienfelder nachwievor ausgiebig
> behandelt werden, wenn man in der Realität keine Kennlinien gegeben hat.

Es hat sich etwas getan. Siehe Tietze/Schenk, da baut man seit einiger 
Zeit auch auf Spice.

Gruss Klaus.

von Lukas K. (carrotindustries)


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Lothar S. schrieb:
> Du musst nur die Datenblätter der renommierten original Hersteller
> downloaden dann findest Du alle benötigten Angaben.

Beim Chinamann hab ich erst garnicht nachgesehen, zeig' mir ein 
Datenblatt, das das aus den Lehrbüchern bekannte 
4-Quadranten-Kennlinienfeld enthält und ich bin zufrieden.

von Wilhelm F. (Gast)


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Heute kann man sich aber auch anhand von Spice-Parametersätzen die 
Kennlinien damit selbst malen. Wenn man sie detailliert braucht.

Ich hatte damals an der FH das Glück, daß der Halbleiter-Prof. der beste 
Spice-Spezialist weit und breit war, und er auch bekundete, früher als 
Ingenieur bei Telefunken Transistor-Parametrierer gewesen zu sein. Der 
wußte schon, was er machte.

Wir quälten damals in Vorlesungen und Laboren ausführlich den BCY58, in 
ziemlich allen möglichen Parametern und auch Grundschaltungen. Z.B. 
Ermittlung des Klirrfaktors über Spice für einen einfachen 
Eintaktverstärker.

Heute sehe ich in Datenblättern ein paar Eckpunkte, und nähere die 
einfach etwas an, wie ich es brauche.

Eine elektronische Schaltung mit mehreren Maschen und Transistoren lösen 
hatte ich mal in Elektronik. Das war dann auch nicht mehr simpel, und 
endete mal in einer transzendenten Gleichung, die nur noch numerisch auf 
einem modernsten Taschenrechner auflösbar war.

von Lothar S. (loeti)


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> das das aus den Lehrbüchern bekannte 4-Quadranten-Kennlinienfeld enthält
> und ich bin zufrieden.

Jedes vollständige Datenblatt enthält Das, in Einzelteilen.
Sollte für einen halbwegs intelligenten Betrachter kein Problem sein
die einzelnen Kurven zum gesuchten Kennlinienfeld zusammenzufügen.

Grüße Löti

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