Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Arbeitsvertrag / Überstunden: was ist "günstiger"?


von Überstunden_sind_wertvoll (Gast)


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Hallo Kollegen,

ich habe einen Arbeitsvertrag zur Unterzeichnung bekommen, welcher sich 
in einem Punkt vom ursprünglich vorgelegten "Mustervertrag" 
unterscheidet:


Enthalten in der aktuellen und der Musterfassung:

"Der Mitarbeiter verpflichtet sich, darüber hinaus zumutbare 
Überstunden, Mehrarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, Nachtarbeit, 
Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Schichtarbeit zu leisten, soweit 
dies gesetzlich zulässig und im Einzelfall aus betrieblichen Gründen 
notwendig ist."


Zusätzlich nur in der ursprünglichen "Musterfassung" enthalten:

"Der Arbeitgeber ist berechtigt, etwaige Über- und Mehrarbeit durch 
Freizeitgewährung innerhalb von 3 Monaten nach dem Entstehen 
auszugleichen. Ist die Mehrarbeit bis dahin nicht durch Freizeit 
ausgeglichen, wird sie ohne Zuschläge vergütet. Mit der vereinbarten 
monatlichen Vergütung sind bis zu 10 Überstunden monatlich abgegolten."


Wenn ich mich nicht irre, ist die aktuelle Fassung eher zu Gunsten des 
zukünftigen Arbeitgebers.

Anmerkung:

Ich werde zeitweise im Aussendienst eingesetzt, wobei dann mal eben in 
einer Woche gut 10-25 Überstunden anfallen können. Diese Aussendienste 
finden (geschätzt) rund 6 mal pro Jahr statt.


Was denkt Ihr darüber?

von MaWin (Gast)


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> Wenn ich mich nicht irre, ist die aktuelle Fassung eher zu Gunsten des
> zukünftigen Arbeitgebers.

Natürlich.

> Was denkt Ihr darüber?

Was macht der Handwerker, den du zum Fliesenlegen eines 40m2 Zimmers zum 
Festpreis holst, der dann feststellt, daß er nun 60m2 legen soll ?

> Diese Aussendienste finden (geschätzt) rund 6 mal pro Jahr statt.

Oder 44 mal, da es den Arbeitgeber nichts kostet.

von Tom (Gast)


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Im Mustervertrag stand, dass mit dem Gehalt bis zu 10 Überstunden 
abgegolten sind. Man könnte argumentieren, dass mit dem aktuellen 
Vertrag alle Überstunden ausbezahlt oder abgefeiert werden. Wie es 
praktisch in der Firma gehandhabt wird kann dir hier keiner sagen, ob 
evtl. Überstünden erwartet werden, keine ausbezahlt werden oder 
abgefeiert werden können.

>Diese Aussendienste finden (geschätzt) rund 6 mal pro Jahr statt.
6 mal 2 Monate? ;)

Wichtig beim Aussendienst wäre z. B. noch: Wie werden die Reisezeiten 
vergütet? Spesen? Welche Unterkunft? Deutschland  Europa  weltweit?

von Kire L. (Firma: HTW) (sachse88)


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Überstunden_sind_wertvoll schrieb:
> Mit der vereinbarten
> monatlichen Vergütung sind bis zu 10 Überstunden monatlich abgegolten

Du schenkst deinem Arbeitgeber 6% Lohn, musst du selbst wissen ob das 
für dich ok ist.

Ich würde aber keine der Fassungen so unterschreiben, ohne Zulagen an 
Sonn- und Feiertagen arbeiten, ja nee is klar ...

: Bearbeitet durch User
von An U. (ananas)


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Ich glaube mit neuer Fassung wird alles ausbezahlt, da nach 
einschlägigen Gerichtsentscheidungen, müssen Überstunden ausbezahlt 
werden, wenn es nicht anders vereinbart ist.

Wenn du Geld möchtest ist neue Fassung besser. Wenn du die Möglichkeit 
zu Freizeitausgleich möchtest - ist alte Fassung besser. Zuschläge 
bekommst du sowieso nicht.

von Sven (Gast)


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Der aktuelle ist sogar besser für dich, da keine abgeltungsklausel mit 
einer Anzahl (wichtig, pauschale Klauseln sind unwirksam, da gibt es 
urteile) enthalten ist. Daher können die Stunden nicht verfallen. Es sei 
denn du möchtens 10 Stunden per se verschenken.

Dem neuen zufolge müssen sie bezahlt werden oder irgendwie ausgeglichen 
werden.

von Erfahrener (Gast)


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Wie wird denn die Arbeitszeit rechtsverbindlich erfasst?

Überstunden_sind_wertvoll schrieb:
> "Der Mitarbeiter verpflichtet sich, darüber hinaus zumutbare
> Überstunden, Mehrarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, Nachtarbeit,
> Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Schichtarbeit zu leisten, soweit
> dies gesetzlich zulässig und im Einzelfall aus betrieblichen Gründen
> notwendig ist."

Was zumutbar ist, dürfte auch fraglich sein. Hier sollte der Wortlaut
"Einvernehmlich" mit eingefügt werden. Sonst hängt man nur noch an der
Leine und man wird zu jeder Tag und Nachtzeit belästigt weil man
verfügbar wäre. Muss ja nun nicht sein.

> Zusätzlich nur in der ursprünglichen "Musterfassung" enthalten:
>
> "Der Arbeitgeber ist berechtigt, etwaige Über- und Mehrarbeit durch
> Freizeitgewährung innerhalb von 3 Monaten nach dem Entstehen
> auszugleichen. Ist die Mehrarbeit bis dahin nicht durch Freizeit
> ausgeglichen, wird sie ohne Zuschläge vergütet. Mit der vereinbarten
> monatlichen Vergütung sind bis zu 10 Überstunden monatlich abgegolten."

Das hört sich doch viel positiver an, aber "ohne Zuschläge" ist
schon mal unvorteilhaft und der letzten Satz ist nach meiner
Kenntnis nur bei "leitenden" Tätigkeiten üblich, bzw. zulässig.
Für den normalen Arbeitnehmer ist lt. Urteil des europäischen
Gerichtshof nur eine maximale Arbeitszeit von 48 Stunden pro WOCHE 
zulässig. Man kann die Klausel ja akzeptieren, wenn man ohnehin nie
dagegen klagen will, aber das weiß man ja vorher nicht oder man ändert 
sie. Ich würde mir das Beste raus picken und den Vertrag so gestalten,
dass man auch etwas Mitbestimmung und Mitgestaltung hat, bzw. für
seine Arbeit auch bezahlt wird, je nach eigenen Vorstellungen.
Man muss sich nicht verheizen lassen.

Meine persönliche Meinung ist keine Rechtsberatung.

von Marx W. (Gast)


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Überstunden_sind_wertvoll schrieb:
> Was denkt Ihr darüber?

Wenn du in der Woche 15000€ bekommst, würde ich nur mehr fragen ob man 
in den Dschungel muß um Taliban zu köpfen!

MM ist das eine etwas sehr krude Vertragsgestalltung!
1.
Der Vertrag wird im Vorfeld geändert. Also Absprachen sind nur Schall 
und Rauch.
2.
Der ganze Vertragstext ist mir so noch nie bekannt geworden. Würde hier 
als Firma auf eine kleine Klitsche mit gerissenen Unternehmertypen 
tippen.
3.
Ich würde da jezt nachbohren, was und wie das in einzelnen bedeuten 
kann!

Aber eigentlich denke ich, dass man da am besten nicht hingeht, oder die 
Belohnung ist aussergewöhnlich im Vergleich zum geforderten.

von Überstunden_sind_wertvoll (Gast)


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Danke für die bisherigen Antworten.

Habe im Netz mal was informatives gefunden:

http://www.hensche.de/Ueberstunden_Arbeitsrecht_Ueberstunden.html

Demnach ist die aktuelle (gekürzte) Formulierung sogar besser, da ich 
nicht offiziell 10 unbezahlte Überstunden leisten müsste.


http://www.hensche.de/Ueberstunden_Arbeitsrecht_Ueberstunden.html#tocitem11

Muss der Arbeitgeber Überstunden bezahlen ?

Ja, im Allgemeinen sind Überstunden zusätzlich zum normalen Lohn bzw. 
zum normalen Gehalt zu bezahlen. Wäre es anders, würde der Arbeitnehmer 
ja mehr Arbeit leisten, als ihm bezahlt wird. Und das ist mit dem 
Austauschcharakter des Arbeitsvertrags (Arbeit gegen Lohn) nicht zu 
vereinbaren.


http://www.hensche.de/Ueberstunden_Arbeitsrecht_Ueberstunden.html#tocitem12

Kann der Arbeitgeber statt Bezahlung von Überstunden einen
Freizeitausgleich gewähren ?

Im Regelfall sind Überstunden zusätzlich zu bezahlen. Sie können nur 
dann durch Freizeitausgleich (Abbummeln) ausgeglichen werden, wenn der 
Arbeitnehmer damit im konkreten Einzelfall einverstanden ist oder wenn 
sich der Arbeitgeber diese Möglichkeit des Überstundenabbaus im 
Arbeitsvertrag vorbehalten hat.

Der Grund dafür, dass ein Freizeitausgleich dem Arbeitnehmer nicht 
„aufgedrückt“ werden kann, liegt daran, dass er einen Anspruch auf 
Beschäftigung hat. Eine einseitige Freistellung von der Arbeit durch den 
Arbeitgeber ist im Regelfall rechtlich unzulässig.

von Marx W. (Gast)


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Überstunden_sind_wertvoll schrieb:
> Der Grund dafür, dass ein Freizeitausgleich dem Arbeitnehmer nicht
> „aufgedrückt“ werden kann, liegt daran, dass er einen Anspruch auf
> Beschäftigung hat. Eine einseitige Freistellung von der Arbeit durch den
> Arbeitgeber ist im Regelfall rechtlich unzulässig.

Aber Ü-Stundenkonten wurden doch bei der letzten Krise massiv bei den 
Firmen abgebaut!
Was war dann das?
Oder:
Im Manteltarifvertrag Zeitarbeit werden doch auch Stunden angesammelt 
die der AN vor der "Entlassung" abbauen muß, quasi als ALG, das vom 
Arbeitnehmer zu 100% finanziert wird!

Wie soll man das sehen?

von Erfahrener (Gast)


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Marx W. schrieb:
> Aber Ü-Stundenkonten wurden doch bei der letzten Krise massiv bei den
> Firmen abgebaut!
> Was war dann das?
> Oder:
> Im Manteltarifvertrag Zeitarbeit werden doch auch Stunden angesammelt
> die der AN vor der "Entlassung" abbauen muß, quasi als ALG, das vom
> Arbeitnehmer zu 100% finanziert wird!
>
> Wie soll man das sehen?

Das war ja Tarifvertraglich geregelt, sonst wäre das für die
Firmen ziemlich teuer, zu teuer.


Überstunden_sind_wertvoll schrieb:
> Eine einseitige Freistellung von der Arbeit durch den
> Arbeitgeber ist im Regelfall rechtlich unzulässig.

In der Praxis wird das aber trotzdem oft gemacht. Ich hatte
das schon mehrfach bei verschiedenen AGs. Da wird dann die
Abhängigkeit einfach auf die Spitze getrieben. Kritisch wirds
dann wenn man zich Überstunden vor sich hin wälzt bzw. gewälzt
hat und die Kündigung ansteht. Dann werden AGs so richtig
kreativ.;-b

Da muss man sich dann nicht wundern wenn man in der Kündigungsfrist
freigestellt wird.

von Überstunden_sind_wertvoll (Gast)


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Beim Arbeitgeber handelt es sich übrigens NICHT um eine 
Zeitarbeitsfirma!

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