Forum: HF, Funk und Felder CE-Kennzeichnung in der Praxis (EMV)


von Christian (Gast)


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Hallo,

bevor ich ein CE-Kennzeichen auf ein Produkt klebe, muss sich sicher 
sein, dass die EMV des Produktes gewährleistet ist.

Da die meisten Firmen keine Ahnung von EMV haben, gehen sie den 
(vermeintlich)* sicheren (und teuren) Weg und geben das Produkt in ein 
EMV-Labor. Wenn alle EMV-Tests nach 61000-6 bestanden werden, stellt die 
QS des Inverkehrbringers ruhigen Gewissens eine Konformitätserklärung 
aus. Leider behaupten viele (Qualitätssicherungs- und EMV-Ingenieure), 
dass das die einzige Möglichkeit sei.

Dabei kann man eine Konformitätserklärung auch ausstellen, wenn man auf 
andere Art und Weise sichergestellt hat, dass die EMV gewährleistet ist, 
z.B. durch improvisierte Messsungen im eigenen Labor und/oder durch 
technische Überlegungen. Eine Messung in einem akkreditieren externen 
Labor ist grundsätzlich erstmal nicht erforderlich.

Meine Frage ist nun: Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht, wie handhabt 
Ihr es bzw. wird es in Euren Unternehmen gehandhabt? CE-Kennzeichnung 
nur nach Messung im akkreditieren EMV-Labor oder ausschließlich auf 
Basis eigene Bewertungen?


* vermeintlich deshalb, weil erstens im EMV-Labor nur eine 
Momentaufbahnme gemacht wird (es ist unmöglich alle Betriebszustände zu 
prüfen) und man sich meistens auch mit einer Ausrichtung des Prüflings 
begnügt und weil zweitens das Erfüllen der Normen noch nicht die 
Erfüllung der EMV-Richtlinie bedeutet, sondern nur eine widerlegliche 
Vermutung darstellt (der Gegenbeweis, dass das Gerät in der Praxis zu 
EMV-Problemem führt, kann jederzeit kommen).

von MaWin (Gast)


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Normale Module werden mit einem CISPR Spitzenwertempfänger in 4 
Frequenzbereichen von 10kHz bis 2GHz belauscht zusätzlich zum normalen 
Umgebungsfunkwellenmüll und so lange dort alles unter den Grenzwerten 
ist nicht ins Labor geschleppt. Sender und KFZ Elektronik jedoch muss 
begutachtet werden. Störfestigkeit ist normalerweise kein Thema.

von TTL (Gast)


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die EMV Norm muss im ungünstigsten Betriebszustand eingehalten werden

deine Bastelmessung ist im Streitfall vor Gericht nichts wert, kannst 
dir also sparen

von Martin (Gast)


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Bei meinem Ex-Arbeitgeber (Zulieferer von Motorsteuerungen) gab es 
Untersuchungen im Labor nur wenn der Kunde ein VDE Zeichen wollte, die 
Kosten der Prüfung hat der Kunde natürlich auch bezahlt. Sonst und für 
lange Jahre gab es nur Funktionistests und raus mit der Steuerungen (zig 
Tausende weltweit).
In den letzten Jahren haben wir dann ein paar Geräte extra für solche 
Messungen gekauft.

von Ralph B. (rberres)


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Man kann schon auch selbst die Messungen machen.

Es ist aber notwendig, das die Messungen glaubhaft und nachvollziehbar 
dokumentiert sind, und den Messvorschriften der jeweiligen Norm 
entsprechen. Auch müssen die Messgeräte selbst nachweislich von einen 
akkreditierten Messlabor kalibriert sein.

Schon alleine die zutreffende Normen zu finden und zu erwerben ist schon 
nicht ganz billig.


Du must im Zweifelsfalle vor Gericht glaubhaft machen können, das deine 
Messungen zutreffend sind, vollständig sind, und den Vorschriften 
entsprechen.

Das ist mit einen akkreditierten Messlabor eindeutig leichter. Den 
könnte man glaube ich sogar haftbar machen.

Ralph Berres

von Christian (Gast)


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Ralph Berres schrieb:

> Auch müssen die Messgeräte selbst nachweislich von einen
> akkreditierten Messlabor kalibriert sein.

Aber wieso? Wenn ich weiß, dass meine Messgeräte richtig anzeigen, wozu 
müssen sie dann kalibriert sein?

Es kann doch vor Gericht auch nicht darum gehen, warum man meint alles 
richtig gemacht zu haben und das dann zu belegen. Vielmehr muss es doch 
darum gehen, die tatsächliche EMV des Gerätes zu bewerten. Ich meine, 
nur weil die Messgreäte kalibriert waren, wer sagt denn das richtig 
gemessen wurde? Vielleicht war ja ein 40 dB-Dämpfungslied in der Leitung 
und niemand hat es gemerkt? Ich denke eher, dass es im Streitfall so 
abläuft, dass das Gericht ein Gutachten beauftragt, das auch eine 
Messung in einem akkreditieren Labor beinhaltet und wenn dann dort 
massive Störungen sichtbar werden, dann hat der Inverkehrbringer ein 
Problem, selbst wenn er vor Jahren eigene Messungen gemacht hat (egal ob 
selbst oder in einem EMV-Labor) und nicht grade zufällig glaubhaft 
machen kann, dass die Störungen durch unsachgemäße 
Lagerung/Bedienung/Manipulation des Nutzers erst entstanden sind.

von Martin (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Du must im Zweifelsfalle vor Gericht glaubhaft machen können, das deine
> Messungen zutreffend sind, vollständig sind, und den Vorschriften
> entsprechen.

Weiß jemand ob sowas schon mal passiert ist?

von Ralph B. (rberres)


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Es ist aber ein Unterschied für das Gericht, ob du glaubhaft darlegen 
kannst, das du dich um die Einhaltung der Normen gekümmert hast, oder 
einfach das Bapperl draufgeklebt hast.

Im letzteren Fall wird dir nämlich ein Vorsatz attestiert, und man geht 
von aus das alle Geräte nicht der Norm entsprechen.

Im ersteren Falle , also wenn du glaubhafte Messungen vorlegen kannst, 
die der Norm entsprechend, wird man sicher von einen Ausreiser des 
Gerätes ausgehen.

Es ist schon ein Unterschied, ob du sämtliche schon ausgelieferte Geräte 
zurückrufen musst, oder ein einzelnes Gerät nachbessern musst.

Ralph Berres

von Ralph B. (rberres)


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Martin schrieb:
> Weiß jemand ob sowas schon mal passiert ist?

Ja ich weis von einem Fall, wo der Hersteller das Gerät vom Markt nehmen 
musste, und sämtliche schon verkaufte Geräte zurück ordern musste, weil 
es gestört hatte. Die damalige BAPT hatte dafür gesorgt.

Ich möchte aber hier keine Firma öffentlich nennen, da das 
geschäftsschädigend wäre.

Ralph Berres

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Christian schrieb:
> Wenn ich weiß, dass meine Messgeräte richtig anzeigen, wozu müssen sie
> dann kalibriert sein?

Woher willst du das wissen, wenn du sie nie gegen ein Normal verglichen
hast?  Was anderes ist ja „Kalibrieren“ erstmal nicht: du weiß danach,
mit welchem Messfehler du rechnen musst.

von EMC (Gast)


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Christian schrieb:
> Wenn ich weiß, dass meine Messgeräte richtig anzeigen, wozu
> müssen sie dann kalibriert sein?

Woher weisst Du das, Intuition? Ein Gefühl, im Urin?

Weshalb braucht das EMV Labor kalibrierte Geräte? Wenn sie wissen das 
sie richtig anzeigen...

Mann oh mann.

von Martin (Gast)


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Was kostet (nur ein Richtwert) so eine "CE" Untersuchung im Labor für 
24VDC Steuerungen?

Ich glaube damals haben wir um die 10.000€ und wir durften zusätzlich 
ein VDE Zeichen auf der Steuerung.

von Georg W. (gaestle)


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Ralph Berres schrieb:
> Schon alleine die zutreffende Normen zu finden und zu erwerben ist schon
> nicht ganz billig.
Man kann sie auch in der Bibliothek einer Hochschule lesen. Diesen 
Abzockern vom Beuth-Verlag muss man nicht noch unnötig Geld hinterher 
werfen. Die Früchte der Arbeit ehrenamtlicher Ausschussmitglieder teuer 
verkaufen ist in meinen Augen kein ehrenwertes Geschäftsgebaren.

Ralph Berres schrieb:
> Es ist aber ein Unterschied für das Gericht, ob du glaubhaft darlegen
> kannst, das du dich um die Einhaltung der Normen gekümmert hast, oder
> einfach das Bapperl draufgeklebt hast.
Und nicht mal denen (oder der Fraktion China-Export) ist jemals etwas 
geschehen. Zunächst ist es wichtig dass etwas getan wurde und dies auch 
ausreichend dokumentiert wird. Bei meiner alten Firma haben wir gar 
nichts in dieser Richtung unternommen und die EMV den Kunden überlassen. 
Die haben dass dann für die gesamte Anlage gemacht (oder auch nicht), 
aber dieses Vorgehen wurde von der RegTP akzeptiert. Viele, gerade 
kleinere Firmen, stellen irgendwelche Einzelstücke oder Kleinserien her. 
Wenn das alles für jeweils einige k€ zum Dienstleister müsste gäbe es 
keine Innovationen für Nischenmärkte mehr.

Wenn ein Gerät einmalig beim Dienstleister überprüft wurde und dann 
jahrelang keiner mehr die Produktion überwacht könnte auch irgend wann 
mal ein Richter einen Strick daraus drehen. Vor Gericht und auf hoher 
See ist man in Gottes Hand.
Ärger droht aber in erster Linie von der RegTP, und die verlassen sich 
auf keine fremden Messprotokolle, sondern messen im Zweifelsfall selbst 
nach. Und das ist in jedem Fall kostenpflichtig.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Jörg Wunsch schrieb:
> Christian schrieb:
>> Wenn ich weiß, dass meine Messgeräte richtig anzeigen, wozu müssen sie
>> dann kalibriert sein?
>
> Woher willst du das wissen, wenn du sie nie gegen ein Normal verglichen
> hast?  Was anderes ist ja „Kalibrieren“ erstmal nicht: du weiß danach,
> mit welchem Messfehler du rechnen musst.

Ich denke, Christian verwechselt das mit einer Eichung.

Im Übrigen sollte man bei einem halbwegs sauberen Design durchaus ohne 
EMV-Labor auskommen können. Gerade wenn man selbst über halbwegs 
brauchbare Messgeräte verfügt, kann man ja die Schaltung bei jedem 
Schritt ihrer Entwicklung begleiten - ein deutlicher Vorteil gegenüber 
einer Prüfung erst gegen Ende.

Ich (und die Unternehmer"kollegen", die ich in dem Bereich kenne, und 
auch die IHK) kennen allerdings auch keinen einzigen Fall, in dem es 
wirklich zu einer Rückrufaktion kam. Und Ralph spricht ja offenbar von 
einem Fall in der Antike ;-)

Die Störfestigkeit interessiert ja außer den Kunden - für den es 
natürlich ärgerlich ist - eh keinen (mal wirklich sicherheitskritische 
Bereiche ausgenommen). Aber natürlich achtet man darauf, dass das Gerät 
nicht aussteigt.

Bleibt noch die Abstrahlung. Wenn man da ein paar Cent für ein 
vernünftiges Gehäuse ausgeben kann, erledigt sich das meist von selbst. 
Dann noch die Leitungen vernünftig verdrosseln - fertig.

Schnüffelt man dann noch mit dem SA regelmäßig die Prototypen ab, dann 
erkennt man "böse" Dinge recht schnell und kann noch leicht korrigieren.

Man sollte darum nicht zu viel Tamtam machen: sauber und mit 
Nachdenken(!) entwickeln, dann gibt es auch keinen Ärger.

von EMC (Gast)


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Chris D. schrieb:
> Die Störfestigkeit interessiert ja außer den Kunden - für den es
> natürlich ärgerlich ist - eh keinen

Ja für wen denn dann, wenn nicht für den Kunden?

Solche pauschalen Aussagen sind nicht richtig. Unsere Geräte werden bei 
einem Prozess eingesetzt, bei dem es betriebsbedingt zu elektrostischen 
Entladungen kommt. Die Störfestigkeit ist dann elementar wichtig.

von Ralph B. (rberres)


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Chris D. schrieb:
> Ich denke, Christian verwechselt das mit einer Eichung.

Eichung ist eine hoheitliche Aufgabe und dürfen nur die Eichämter.

Chris D. schrieb:
> Und Ralph spricht ja offenbar von
> einem Fall in der Antike ;-)

Es war 1996 gewesen. Ob es damals die Babt oder die schon die regtp war 
weis ich jetzt nicht, ist aber auch egal.

Chris D. schrieb:
> Bleibt noch die Abstrahlung. Wenn man da ein paar Cent für ein
> vernünftiges Gehäuse ausgeben kann, erledigt sich das meist von selbst.
> Dann noch die Leitungen vernünftig verdrosseln - fertig.

Und genau hier tappt man oft im dunkeln. Das Gerät welches vom Markt 
genommen wurde, hatte auch ein Metallgehäuse. Und trotzdem hat das Gerät 
eine empfindliche Störstrahlung gehabt, welche drahtlose Mikrofone 
einfach lahmgelegt hatte. Es war übrigens ein Hersteller aus der 
Beschallungsbranche.

Ein verdrosseln der Leitung hilft Garnichts, wenn die HF durch 
Sichtfenster , Gehäuseritzen usw. entfleucht.

Chris D. schrieb:
> Schnüffelt man dann noch mit dem SA regelmäßig die Prototypen ab, dann
> erkennt man "böse" Dinge recht schnell und kann noch leicht korrigieren.

Es ist schlicht eine Frage des Aufwandes, ob man Störstrahlungen 
ausreichend unterdrückt, oder viel mehr als ausreichend. Das schlägt 
sich wohl direkt in den Produktionskosten nieder.

Wenn man mit solch einfachen Messmethoden auf die sichere Seite will, 
dann muss man den Aufwand viel höher treiben, als eigentlich notwendig.

Ralph Berres

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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EMC schrieb:
> Chris D. schrieb:
>> Die Störfestigkeit interessiert ja außer den Kunden - für den es
>> natürlich ärgerlich ist - eh keinen
>
> Ja für wen denn dann, wenn nicht für den Kunden?
> Solche pauschalen Aussagen sind nicht richtig. Unsere Geräte werden bei
> einem Prozess eingesetzt, bei dem es betriebsbedingt zu elektrostischen
> Entladungen kommt. Die Störfestigkeit ist dann elementar wichtig.

Genau das meinte ich ja. Aber sie ist eben nur für den Kunden wichtig, 
nicht für die RegTP, nicht für den Wettbewerber.

Ralph Berres schrieb:
> Ein verdrosseln der Leitung hilft Garnichts, wenn die HF durch
> Sichtfenster , Gehäuseritzen usw. entfleucht.

"Ach?" :-)

> Chris D. schrieb:
>> Schnüffelt man dann noch mit dem SA regelmäßig die Prototypen ab, dann
>> erkennt man "böse" Dinge recht schnell und kann noch leicht korrigieren.
>
> Es ist schlicht eine Frage des Aufwandes, ob man Störstrahlungen
> ausreichend unterdrückt, oder viel mehr als ausreichend. Das schlägt
> sich wohl direkt in den Produktionskosten nieder.

Natürlich - wir bauen unsere Gehäuse bspw. komplett selbst.
Und wenn es HF-technisch richtig heftig wird, dann wird auch gerne mal 
aus dem Vollen gefräst.

> Wenn man mit solch einfachen Messmethoden auf die sichere Seite will,
> dann muss man den Aufwand viel höher treiben, als eigentlich notwendig.

Diese "einfachen Messmethoden" haben bei uns zumindest dazu geführt, 
dass wir die Messungen selbst durchführen können und sporadisch im 
EMV-Labor getestete Geräte immer ohne Probleme durchkommen.

Viel wichtiger als der Gerätepark ist ganz klar Erfahrung: dass man 
weiss, was und wo man misst und messen sollte.

Ein teurer Messgerätepark beeindruckt mich schon lange nicht mehr - 
dafür kam aus solchen Buden schon viel zu oft Murks.

Ich hatte es ja schonmal erwähnt: 95% der Konsumergeräte (natürlich alle 
schon mit CE-Kennzeichnung), die wir 2008 zum Spaß an der Uni vermessen 
haben, sind glatt durchgefallen. Interessiert aber keine Sau, solange es 
keinen wirklich stört.

von Ralph B. (rberres)


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Chris D. schrieb:
> Genau das meinte ich ja. Aber sie ist eben nur für den Kunden wichtig,
> nicht für die RegTP, nicht für den Wettbewerber.

Die Regtp interessiert das in dem Moment, wenn eine Störungsmeldung 
eines völlig Unbeteiligten durch die Nachverfolgung der Störung durch 
die Regtp genau auf dein Gerät als Ursache führt.

Chris D. schrieb:
> Natürlich - wir bauen unsere Gehäuse bspw. komplett selbst.

Schön für euch. Aber nicht jeder Hersteller kann es sich leisten 
wirklich EMV Konforme Gehäuse einzusetzen. Das ist letztlich auch eine 
Preisfrage.

Chris D. schrieb:
> Und wenn es HF-technisch richtig heftig wird, dann wird auch gerne mal
> aus dem Vollen gefräst.

Auch schön für euch. darf man fragen in welchen Preissegmenten eure 
Produkte liegen. das ihr euch das leisten könnt?

Chris D. schrieb:
> Diese "einfachen Messmethoden" haben bei uns zumindest dazu geführt,
> dass wir die Messungen selbst durchführen können und sporadisch im
> EMV-Labor getestete Geräte immer ohne Probleme durchkommen

Klar kann man das erreichen, in dem man den Schirmungsaufwand bei 
Geräten der Ecoklasse entsprechend hoch treibt. Aber das stößt auch 
schnell an wirtschaftliche Grenzen.

Chris D. schrieb:
> Viel wichtiger als der Gerätepark ist ganz klar Erfahrung: dass man
> weiss, was und wo man misst und messen sollte.

Erfahrung sollte man in der Tat haben, doch ohne entsprechende 
Messtechnik wird es eine Glaubensfrage. Und glauben tuen wir in der 
Kirche gelle?

Chris D. schrieb:
> Ich hatte es ja schonmal erwähnt: 95% der Konsumergeräte (natürlich alle
> schon mit CE-Kennzeichnung), die wir 2008 zum Spaß an der Uni vermessen
> haben, sind glatt durchgefallen. Interessiert aber keine Sau, solange es
> keinen wirklich stört.

Wie gesagt diese Geräte bekommen massive Problem wenn sie 1. auffallen ( 
weil sie halt doch mal jemanden stören ) und2. wenn sie keine vernünftig 
dokumentierte und glaubhafte Messungen vorweisen können. Dann wird es 
richtig teuer.

Um ein Missverständnis auszuräumen. Das Gesetz schreibt nur vor, das man 
als Inverkehrsbringer die Konformität nachweisen muss und das mit einen 
CE Zeichen auf dem Gerät und in der Bedienungsanleitung bezeugen muss.

Das Gesetz schreibt nicht vor wie er die Konformität nachweist.

Aber ich würde mich als Hersteller lieber auf die sichere Seite stellen, 
und eine Firma für den Nachweis beauftragen. Die kann man dann auch 
dafür haftbar machen, wenn sie geschlampt haben.
Es sei denn man verfügt selbst über ein entsprechend ausgerüstetes Labor 
nebst Personal und ist sogar akkreditiert. So Firmen soll es ja auch 
geben.

Wenn man es selbst ( womöglich ohne Messungen ) die Konformität einfach 
nur vermutet und als nachgewiesen deklariert, kann man ganz schnell ins 
Teufels Küche kommen. Die Bundesnetzagentur reagiert da nämlich sehr 
empfindlich drauf.

Letztendlich muss aber jeder hier selber wissen was er macht. Nur sollte 
man dann mit Empfehlungen vorsichtig sein.

Ralph Berres

von Klaus (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Um ein Missverständnis auszuräumen. Das Gesetz schreibt nur vor, das man
> als Inverkehrsbringer die Konformität nachweisen muss und das mit einen
> CE Zeichen auf dem Gerät und in der Bedienungsanleitung bezeugen muss.

IMHO muß man die Konformität nicht nachweisen sondern erklären.

Ralph Berres schrieb:
> Aber ich würde mich als Hersteller lieber auf die sichere Seite stellen,
> und eine Firma für den Nachweis beauftragen.

Man kann daher auch niemand mit dem Nachweis beauftragen. Und man kann 
sich auch nicht von der Verantwortung für das eigene Produkt freikaufen, 
diese "sichere Seite" gibt es nicht.

So wie ich das kenne, interessiert die Bundesnetzagentur ein 
Messprotokoll überhaupt nicht. Sie will es nicht einmal sehen. Sie läßt 
sich Produkte aus der laufenden Fertigung aushändigen und erstellt ein 
technisches Gutachten in ihrem eigenen Messlabor. Ist daß Ergebniss 
ok, bekommst du ein prima (kostenloses) Messprotokoll aus einem der 
besten Messlabore. Fällt das negativ aus, kannst du natürlich ein 
eigenes Gutachten, deine eigene (beauftragte) Messung dagegen halten. 
Wie das dann ausgeht?

MfG Klaus

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Ralph Berres schrieb:
> Chris D. schrieb:
>> Genau das meinte ich ja. Aber sie ist eben nur für den Kunden wichtig,
>> nicht für die RegTP, nicht für den Wettbewerber.
>
> Die Regtp interessiert das in dem Moment, wenn eine Störungsmeldung
> eines völlig Unbeteiligten durch die Nachverfolgung der Störung durch
> die Regtp genau auf dein Gerät als Ursache führt.

Das war eine Antwort bzgl. der Störstrahlungs*festigkeit*, nicht der 
Aussendung. Und die ist Unbeteiligten und der RegTP ziemlich egal.

> Chris D. schrieb:
>> Natürlich - wir bauen unsere Gehäuse bspw. komplett selbst.
>
> Schön für euch. Aber nicht jeder Hersteller kann es sich leisten
> wirklich EMV Konforme Gehäuse einzusetzen. Das ist letztlich auch eine
> Preisfrage.

Klar :-)

> Chris D. schrieb:
>> Und wenn es HF-technisch richtig heftig wird, dann wird auch gerne mal
>> aus dem Vollen gefräst.
>
> Auch schön für euch. darf man fragen in welchen Preissegmenten eure
> Produkte liegen. das ihr euch das leisten könnt?

Wir produzieren hauptsächlich für die chemische Industrie, meist nur 
wenige Dutzend bis Hundert Stück pro Gerät.
Da lohnt sich natürlich der Selbstbau - einfach weil man da nichts 
Gescheites zu vernünftigen Preisen bekommt.

Preissegment: hoch ;-)

> Erfahrung sollte man in der Tat haben, doch ohne entsprechende
> Messtechnik wird es eine Glaubensfrage. Und glauben tuen wir in der
> Kirche gelle?

Natürlich. Aber da muss man nicht immer superexakte und auch nicht 
extrem teure Messgeräte haben.

> Chris D. schrieb:
>> Ich hatte es ja schonmal erwähnt: 95% der Konsumergeräte (natürlich alle
>> schon mit CE-Kennzeichnung), die wir 2008 zum Spaß an der Uni vermessen
>> haben, sind glatt durchgefallen. Interessiert aber keine Sau, solange es
>> keinen wirklich stört.
>
> Wie gesagt diese Geräte bekommen massive Problem wenn sie 1. auffallen (
> weil sie halt doch mal jemanden stören ) und2. wenn sie keine vernünftig
> dokumentierte und glaubhafte Messungen vorweisen können. Dann wird es
> richtig teuer.

Offenbar wird das aber in Kauf genommen und es interessiert auch 
offenbar niemanden.

Wie gesagt: Du kennst genau einen Fall, der lange zurückliegt, ich und 
meine "Netzwerke" überhaupt keinen.

> Um ein Missverständnis auszuräumen. Das Gesetz schreibt nur vor, das man
> als Inverkehrsbringer die Konformität nachweisen muss und das mit einen
> CE Zeichen auf dem Gerät und in der Bedienungsanleitung bezeugen muss.
>
> Das Gesetz schreibt nicht vor wie er die Konformität nachweist.

So ist es.

> Aber ich würde mich als Hersteller lieber auf die sichere Seite stellen,
> und eine Firma für den Nachweis beauftragen. Die kann man dann auch
> dafür haftbar machen, wenn sie geschlampt haben.

Zuerst einmal haftest aber DU. Und Du darfst dann den EMV-Dienst 
verklagen - und wenn der die Hand hebt (oder es ihn schon gar nicht mehr 
gibt), dann hast Du schlechtem Geld noch gutes hinterhergeworfen. Und 
das dauert auch gerne mal ein paar Jährchen bis zum Urteil. Wenn Du 
finanziell durchhältst.

Ich habe schon genug Prozesse begleitet (und auch mal selbst geführt), 
um zu wissen, dass "Haftung" im Vertrag ein toller Begriff ist, aber im 
Zweifel nicht das Papier wert ist, auf dem das Wort steht. Theorie und 
Praxis eben.

Ich verlasse mich da deutlich lieber auf uns selbst. Da habe ich alles 
selbst in der Hand.

Es spricht ja auch nichts dagegen, ab und zu Muster testen zu lassen - 
wenn man sich denn wirklich mal unsicher ist. Aber sich deswegen 
zurückzulegen mit "Die sind im Schadensfall dran." ... das empfinde 
ich als sehr gefährlich.

> Wenn man es selbst ( womöglich ohne Messungen ) die Konformität einfach
> nur vermutet und als nachgewiesen deklariert, kann man ganz schnell ins
> Teufels Küche kommen. Die Bundesnetzagentur reagiert da nämlich sehr
> empfindlich drauf.

Na, messen sollte man schon :-) Aber wie gesagt: das wird alles nicht so 
heiss gegessen, wie es gekocht wird. Auch die Jungs von der RegTP sind 
übrigens Menschen (einen kenne ich persönlich).

> Letztendlich muss aber jeder hier selber wissen was er macht. Nur sollte
> man dann mit Empfehlungen vorsichtig sein.

Vor allem beim Messen gilt der erste Satz :-)

So, aber jetzt hab ich dazu genug geschrieben.
Wir fahren so schon seit Jahren sehr gut, es gab keine einzige 
Beanstandung - selbst für Baugruppen, die im medizinischen Bereich 
(MRT-Bereich) eingesetzt wurden (und das ist ja nochmal deutlich 
schärfer).
Ganz im Gegenteil wurden die Geräte sogar noch gelobt - schon aufgrund 
der vernünftigen Gehäuse ;-)

Also: sauber entwickeln, vernünftig messen, aber sicher keine Panik :-)

von xxxx (Gast)


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Hallo,

EMV-Prüfung in bisherigen Firmen:

Klitsche:
CE auf das Gehäuse angebracht, wenn interresiert das?

Riesenkonzern
Externe Prüfung durchgeführt und dann in einem Punkt durchgefallen und 
trotzdem CE.

Mittelständler:
Internes EMV Labor und eigenen Dienstleister, der einem die Sachen 
wirklich prüft und wenn man irgendwo durchfällt, bekommt man das alles 
zurück und dreht dann nochmal eine Runde.

von Route_66 (Gast)


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Georg W. schrieb:
> Ärger droht aber in erster Linie von der RegTP,

Chris D. schrieb:
> Auch die Jungs von der RegTP sind
> übrigens Menschen (einen kenne ich persönlich).

Hallo!
Wie weit steckt Ihr eigentlich fachlich und aktuell im Thema?
Die RegTP gibt es seit dem 13.07.2005 nicht mehr.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Ich denke, der aufmerksame Leser weiss, was gemeint war.

Für alle anderen: ja, das übernimmt jetzt die Bundesnetzagentur. Die 
Menschen dahinter sind übrigens dieselben geblieben :-)

von Georg W. (gaestle)


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Route_66 schrieb:
> Wie weit steckt Ihr eigentlich fachlich und aktuell im Thema?
> Die RegTP gibt es seit dem 13.07.2005 nicht mehr.
Als Hersteller und Entwickler schon sehr weit. Es mag ein anderer Name 
auf dem Briefpapier stehen, aber geändert hat sich (für mich) nichts.

Wichtiger ist dass man dieses Thema vernünftig und 
entwicklungsbegleitend angeht, wie genau muss jeder für sich und seinen 
besonderen Fall selbst herausfinden. Einfach eine Kiste zusammen nageln 
und dann jemanden suchen, der ein gefälliges Gutachten schreibt kann 
nicht die Lösung sein. Oder im Nachhinein irgendwelche teuren Ferrite an 
alle Kabel klatschen. Displays und verlustarm betriebene MOSFETS sind 
z.B. eine mögliche Achillesverse. Oder in meinem Fall Eingangssignale im 
einstelligen mV-Bereich. Hier schlagen die Störungen aus dem eigenen 
Gerät u.U. voll rein, je nachdem wie der Kunde die Verkabelung ausführt. 
Und das kann schon geschehen bevor die Abstrahlung kritisch wird, das 
hatte ich mal nachmessen lassen.
Im übrigen hat mir mal ein freundlicher Mitarbeiter der BNetzagentur 
einmal die Einhaltung der Grenzwerte bei einer RFID-Geschichte 
vorhergesagt. Einfach durch eine Leistungsbetrachtung auf Papier.

Hinsichtlich der Haftung sehe ich die selbe Problematik wie Chris.

von Purzel H. (hacky)


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So ganz nebenbei, ist es nicht zwingend, dass ein Geraet aus konformen 
Untergruppen zusammengebaut auch wieder konform ist... Das bedeutet, man 
muss sich die Aussage einer geprueften Untergruppe(subsystem) 
ueberlegen. Die externenKabel falsch angeschlossen und das war's..

von chabo (Gast)


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Hatte auch etwas Trouble letztes Jahr mit der BNetzA ... Mit 300 Euro 
Strafzahlung war das aber erledigt.
Fakt ist aber auch, dass es dort Menschen gibt, die verstehen das ein 
"Kleinunternehmer" sich keine mehrere Tausend Euro Messlabor leisten 
kann, bei mir ging es um GSM also Hochfrequenzbereich.
Das ist der teuerste Funk Bereich, weil eine Basisstation simuliert 
werden muß.

CE Konformität mußt erst mal nur erklären und schriftlich für jeden 
Käufer zur Verfügung stellen oder in der Anleitung integrieren. Ein 
schwer lösbaren Aufkleber anbringen mit Angaben wie Hersteller, 2 
Symbolen (CE und Batterieverordnung), Bezeichnung der Ware, 
Artikelnummer und am besten ein Fertigungsdatum.

Nachweisen gegenüber BNetzA musst es erst wenn es zu Funkstörungen kommt 
aber dann ist es eeh zu spät und das Teil wird dort gemessen, je nach 
Frequenzbereich 1000-15000 Euro für die Messstrecke.

Mein Tipp, nicht erst jahrelang verkaufen sondern bereits im Vorfeld mit 
den Leuten reden. Die sind nicht nur zum abkassieren da sondern helfen 
auch weiter und es wird eine Lösung gefunden, auch wenn dann der Verkauf 
nur "geduldet" wird. Immerhin besser als ein Vertriebsverbot ;)

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