Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Transistorgehäusetemperatur über die Zeit berechnen


von Lukas (Gast)


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Hallo Leute,

ich habe ein Problem mit einer Berechnung und würde gern mal eure 
Meinung dazu hören.

Ich soll ein Kühlkörper für einen Transistor berechnen. Soweit ist auch 
alles klar und ich habe es hinbekommen.

Es ist ein Transistor im TO3 Gehäuse, Rth-JC sind 1,5KW, er ist mit 
Glimmer auf einen Kühlkörper geschraubt und soll 7W verbraten. Für den 
Glimmer habe ich mit 1,5 K/W gerechnet. Die Maximale Umgebungstemperatur 
beträgt 45°

So komme ich auf einen Rth für den Kühlkörper von maximal 19,14K/W.
Soweit so gut. Mein ausgesuchter Kühlkörper hat 7K/W und damit sollte 
die max Junction Temp bei 110° liegen.


Nun ist eine weitere Aufgabenstellung, dass ich den Temperaturverlauf am 
Gehäuse beim ein und ausschalten zeichen soll.
Ich verstehe zwar die Aufgabe, wüsste auch was zu tun ist wenn ich die 
Messwerte hier hätte, nur leider habe ich diese nicht zur Verfügung.
Ich schalte bei 25° ein und warte dann eine Zeit lang bis das Gehäuse 
110° hat.
So ungefähr sollte ja das Diagramm aussehen.

T
|                                                x=110°
|                                    x
|                              x
|                           x
|                       x
|                    x
|           x
|x=25°
|_  _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _  > t



Ich vermute mal es gibt ein Integral, bei dem ich Anfangs und 
Endtemperatur als Grenzen setze und dann die 7W über die Zeit 
integriere, aber ich finde dazu nichts. Weder in Büchern noch im WWW.

Hat jemand Erfahrung damit oder einen Ansatz an dem ich mich orientieren 
könnte?

Ich hoffe ich habe nix vergessen. Falls noch Fragen aufkommen stehe ich 
dafür selbstverständlich zur Verfügung.


Vielen Dank
Lukas

von ArnoR (Gast)


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Lukas schrieb:
> einen Ansatz an dem ich mich orientieren könnte?

Ich würde vereinfacht erst mal so wie im Anhang vorgehen; das kannst du 
in Spice simulieren, einfach die korrespondierenden Größen einsetzen. 
IS1 ist der Wärmestrom=Verlustleisung im Transistor, R1 der 
Wärmewiderstand Rthjc und C1 die Wärmekapazität des Gehäuses, R2 ist die 
Glimmerscheibe R2 und C2 der Kühlkörper, V1 die Umbebungstemperatur. An 
VF1 hast du den Verlauf der Sperrschichttemperatur.

von Lukas (Gast)


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Danke für die schnelle Antwort.

Ich muss gestehen das ich Spice nicht auf dem PC habe und darin auch 
nicht wirklich fit bin.
Das Ersatzschaltbild der Schaltung ist mir aber soweit klar, auch die 
Analogie zu den Grundlagen der E-Technik.

Ausgehend von dieser Schrift hier:
http://prof-gossner.eu/pdf/21-Waermeableitung.pdf

Würde ich jetzt versuchen Cth des Gehäuses zu berechnen.
Etwas schwierig, da im DB leider nichts zum Material des Gehäuses 
angegeben ist. Das Gewicht könnte ich ja durch wieder rausfinden, auch 
wenn ich keinen Transistor hier habe. Das Gewicht des Siliziums fürde 
ich einfach mal vernachlässigen da es m.M.n vernachlässigbar gering ist.

Gibt's dafür irgendwo Angaben/Richtlinien?

von Axel S. (a-za-z0-9)


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ArnoR schrieb:

> IS1 ist der Wärmestrom=Verlustleisung im Transistor, R1 der
> Wärmewiderstand Rthjc und C1 die Wärmekapazität des Gehäuses, R2 ist die
> Glimmerscheibe R2 und C2 der Kühlkörper, V1 die Umbebungstemperatur.

Muß der Kondensator C1 nicht mit seinem linken Bein auf V1 liegen? Denn 
schließlich sollen die (Wärme)Kapazitäten ja integrierend wirken und 
nicht wie in deinem Schaltbild differenzierend. Also eher so:

1
 .--[R1]--*--[R2]--*--[R3]-- V1
2
 |        |        |        
3
 8 I1    C1       C2        
4
 |        |        |        
5
 `--------*--------*-------- GND


Streng genommen muß da auch noch eine Kapazität C0 parallel zur Strom- 
quelle. Die ist zwar in dieser Anwendung vernachlässigbar, aber bei z.B. 
Kleinleistungs-LED (gepulste IR-LED) nicht.


XL

von ArnoR (Gast)


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Axel Schwenke schrieb:
> Muß der Kondensator C1 nicht mit seinem linken Bein auf V1 liegen?

Der muss über der tatsächlich vorhandenen Temperaturdifferenz liegen; 
ich bin jetzt mal von Sperrschicht zu Glimmerscheibe ausgegangen, was 
für die Unterseite des Gehäuses wohl auch stimmt. Die Oberseite des 
Gehäuses hat sicherlich Kontakt zur umgebenden Luft, allerdings wohl mit 
erhöhter Temperatur.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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ArnoR schrieb:
> Axel Schwenke schrieb:
>> Muß der Kondensator C1 nicht mit seinem linken Bein auf V1 liegen?
>
> Der muss über der tatsächlich vorhandenen Temperaturdifferenz liegen;
> ich bin jetzt mal von Sperrschicht zu Glimmerscheibe ausgegangen, was
> für die Unterseite des Gehäuses wohl auch stimmt.

Das stimmt aber von der Logik her nicht. Schau dir einfach mal den 
Einschaltzeitpunkt an. Vorher sind alle Punkte der Schaltung auf U=V1 
(Umgebungstemperatur). Bei t=0 wird die Stromquelle eingeschaltet.

Die Temperatur an der Sperrschicht schießt instantan hoch, was schon mal 
der erste Fehler im Modell ist (C0 fehlt). Aber sagen wir einfach C0 ist 
so klein und I so groß, daß C0 praktisch ohne Zeitverlust geladen wird. 
Dann sorgt dein C1 dafür, daß die Temperatur am Gehäuse ebenfalls einen 
Sprung macht. Das ist aber nicht, was man in der Praxis beobachtet. 
Statt dessen schleicht die Gehäusetemperatur in Richtung stabiler 
Zustand.

Richtig kurios (und nebenbei die Gesetze der Physik verletzend) wird das 
Verhalten wenn C2 sehr klein ist. Sagen wir einfach, kein Kühlkörper und 
R2+R3 ist der Wärmewiderstand vom Gehäuse zur Umgebung. Dann würde mit 
deiner Ersatzschaltung nach dem Einschalten die Temperatur am Gehäuse 
hochspringen und danach (wenn C1 geladen ist) wieder abfallen.

Konkrete Zahlen: sei R1=50K/W, R2+R3=50K/W. V1=25°C, I=1W, C2~=0, C1>>0. 
Der stabile Zustand ist Vj=125°C, Vc=75°C. C1 würde dafür sorgen, daß Vc 
beim Einschalten instantan auf 125°C springt und dann auf 75°C abfällt. 
Nicht in diesem Universum.


XL

von ArnoR (Gast)


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Ja, deine Erklärung ist plausibel, aber was ist mit V1 und GND in deinem 
Schaltbild? Zum Anfang müssen die Kondensatoren doch entladen sein, also 
V1=GND. Das Ersatzschaltbild müsste dann wohl so wie im Anhang aussehen?

von Lukas (Gast)


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Ich würde mich auch dem Modell von Axel anschließen und danach richten.
So hat es uns unser Professor auch gezeigt.

Ich habe jetzt mit folgender Formel recht plausible Werte erreicht.
T-Kühlkörper(KK) = 45°

T-Gehäuse = T-Kühlkörper +
+(P-tot*Rth-Gehäuse-zu-KK(1-exp(t/(Rth-Gehäuse-zu-KK*Cth-Gehäuse))))

Steht auch in dem oben verlinkten Dokument.

Wenn ich Cth einfach mal mit 10 annehme (denke das ist realistisch), 
Rth-G-KK sollte 8,5K/W und Ptot 7W sein, komme ich auf folgende Werte:
1
0    45
2
10   51,60391896
3
20   57,4748674
4
30   62,6941979
5
40   67,33423368
6
50   71,45927081
7
60   75,12646909
8
70   78,38664418
9
80   81,28497167
10
90   83,86161311
11
100  86,15227251
12
110  88,18869109
13
120  89,99908709
14
130  91,60854682
15
140  93,03937223
16
150  94,31138999
17
160  95,44222621
18
170  96,44755065
19
180  97,34129389
20
190  98,13584036
21
200  98,84219993
22
210  99,47016049
23
220  100,0284236
24
230  100,5247249
25
240  100,9659416
26
250  101,3581876
27
260  101,7068981
28
270  102,0169051
29
280  102,2925044
30
290  102,5375148
31
300  102,7553315
32
310  102,9489727
33
320  103,1211216
34
330  103,2741636
35
340  103,4102195
36
350  103,5311745
37
360  103,6387047
38
370  103,7343
39
380  103,8192852
40
390  103,8948379
41
400  103,962005
42
410  104,0217172
43
420  104,0748019
44
430  104,1219948
45
440  104,1639496
46
450  104,201248
47
460  104,2344065
48
470  104,2638848
49
480  104,2900913
50
490  104,3133891
51
500  104,3341011

Das Diagramm daraus hängt im Anhang.

Was sagen die Experten dazu?
Kann man das einfach so machen oder ist das zu einfach gedacht?

von ArnoR (Gast)


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Lukas schrieb:
> Kann man das einfach so machen oder ist das zu einfach gedacht?

Naja, du hast den Kühlkörper mit konstant 45°C angesetzt. Das stimmt so 
nicht, denn der hat ja am Anfang und am Ende jeweils Umgebungstemperatur 
wird also durch den Wärmestrom aus dem Transistor erst aufgeheizt und 
bzw. kühlt sich auch wieder auf Tamb ab. Du müsstest also mindestens 
einen Tiefpass 2.Ordnung ansetzen (jetzt mal ohne C0).

von Lukas (Gast)


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OK.

Also müsste ich erst die

Erwärmung des KK gegenüber der Umgebungstemperatur berechnen.

Ich würde das jetzt mit

T-KK = T-Umgebung +
+(P-tot*Rth-KK-zu-Umgebung(1-exp(t/(Rth-KK-zu-Umgebung*Cth-KK))))

Als KK nehme ich jetzt mal den hier
http://www.reichelt.de/Profilkuehlkoerper/V-7331E/3/index.html?&ACTION=3&LA=2&ARTICLE=22278&GROUPID=3383&artnr=V+7331E

Rth = 1,8

Das Cth für den KK würde ich mit 0,278kg*890 für Alu berechnen und komme 
damit auf cth = 243.

Damit ergibt sich für die ersten 10s eine Erhöhung der Temperatur von 
0,28° am KK gegenüber der Umgebung. Bei 20s sind es schon 0,57°C

Diese 0,28° addiere ich zu der Umgebungstemperatur dazu und führe damit 
meine obige Berechnung aus

T-Gehäuse = T-KK +
+(P-tot*Rth-Gehäuse-zu-KK(1-exp(t/(Rth-Gehäuse-zu-KK*Cth-Gehäuse))))

Damit komme ich auf eine Erhöhung von 5,39° nach 10s. Nach 20s sind es 
8,3°C.

Somit bin ich Ja von der Umgebungstemperatur unabhängig, oder habe ich 
noch was übersehen?

von Lukas (Gast)


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Ich nochmal.

Habe jetzt mal etwas rumprobiert.

Ich habe jetzt 1 Diagramm mit 6 Kennlinien erstellt.

Vielleicht fällt ja noch jemandem was auf, was nicht hinhaut. Ich für 
meinen Teil finde es plausibel, lasse mich aber gern eines besseren 
belehren.

Das war jetzt der Temp-Verlauf fürs einschalten.

Einmal mit TU = 0°C, einmal mit 25°C und einmal mit der max TU = 45°C.

Das ganze mache ich jetzt nochmal fürs ausschalten.
Wobei ich jetzt umgekehrt wie erst vorgehen muss. Das heißt ich berechne 
erst die Abkühlung des Gehäuses und auf deren Basis berechne ich dann 
die Temperatur am KK.

Mal sehen was dabei rauskommt.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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ArnoR schrieb:
> Ja, deine Erklärung ist plausibel, aber was ist mit V1 und GND in deinem
> Schaltbild? Zum Anfang müssen die Kondensatoren doch entladen sein, also
> V1=GND. Das Ersatzschaltbild müsste dann wohl so wie im Anhang aussehen?

Witzigerweise hatte ich das zuerst genauso gezeichnet. Wenn man 
allerdings V1=const annimmt, dann sind beide Schaltungen gleichwertig. 
Es ändert sich nur die Ruhespannung der Kondensatoren. Für das 
ungeschulte Auge sieht natürlich ein Anfangswert von 0 (diese Schaltung) 
einfacher aus :)


XL

von Axel S. (a-za-z0-9)


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@Lukas:

Deine Kurven sehen plausibel aus. Wenn man das exakt rechnet, ist es ein 
Tiefpaß 2. Ordnung mit einem Fast-Sprung als Input (fast wegen C0). Da 
allerdings C1 << C2, kann man auch näherungsweise mit einem Tiefpaß 1. 
Ordnung rechnen mit \tau = ((R1+R2) || R3) * C2. Wenn man jetzt noch R3 
>> (R1+R2) dazu nimmt, vereinfacht sich das zu \tau = (R1+R2) * C2.

Am Ende kommt es also nur darauf an, C2 ordentlich abzuschätzen.

Was das Experiment schön zeigt, ist daß der Verlauf der Kurve unabhängig 
vom Anfangswert ist. Egal ob du bei 0°C oder 25°C startest, der 
Kühlkörper braucht jeweils ca. 5min bis er die Endtemperatur erreicht 
hat. Der Startwert verschiebt die Kurve nur nach oben oder unten.

An dieser Stelle würde jetzt die Physik ihren Zeigefinger warnend 
erheben. Denn die abgestrahlte Leistung ist proportional zur dritten 
Potenz der absoluten Temperatur. Je höher der Startwert, desto besser 
kühlt der Kühlkörper. Oder anders gesagt: der als konstant angenommene 
R_th des Kühlkörpers ist auch nur eine Näherung.


XL

von ArnoR (Gast)


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Axel Schwenke schrieb:
> Es ändert sich nur die Ruhespannung der Kondensatoren.

Was aber bedeutet, dass diese eine andere Bezugstemperatur (0°C) hätten, 
was nicht der Fall ist und für die Umladung auch keine Rolle spielt, 
aber dennoch ist es falsch.

Was mich aber an der ganzen Sache stört, ist der Umstand, dass in dem 
letzten Ersatzschaltbild bzw. in dem vom Prof. Gossner, die Kapazitäten 
an V1 oder Masse, also Umgebungstemperatur liegen und damit einen 
größeren Spannungshub (Temperaturänderung) sehen, als in der Realität. 
Beispielsweise wird die Wärmekapazität des Transistorgehäuses nicht um 
die Differenz dT=Tc-Tamb (Gehäuse-Umgebung) umgeladen, sondern nur 
dT=Tc-Tkk+dTiso also nur um die Differenz zwischen Gehäuse und 
Glimmerscheibe.

Wenn man die Temperaturänderung über der Glimmerscheibe als nicht nur 
ohmsch, sondern auch kapazitiv annimmt (was auch plausibel ist, weil 
sich auch die anliegenden Massen um den Wert der Temperaturerhöhung an 
der Glimmerscheibe erwärmen müssen) und dazu eine Wärmekapazität über 
der Glimmerscheibe einführt, bekommt man das angehängte 
Ersatzschaltbild. Das ist im Prinzip so wie das was ich gestern zuerst 
zeigte erweitert um die Cw an der Glimmerscheibe. Diese Ersatzschaltung 
genügt dann auch deinen Einwänden von gestern 21:19, ohne aber alle 
Wärmekapazitäten auf die Umgebung zu beziehen.

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