Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik THD-Messung mit Soundkarte: Verzerrung durch Keramikkondensator


von Benjamin V. (samsung)


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Hallo zusammen,

ich habe mal mit meiner Xonar-DX eine THD-Messreihe gemacht. Dazu habe 
ich Ein- und Ausgang mit zweifach geschirmten Klinkekabeln verbunden, 
mit Audacity ein 1kHz-Testsignal (24Bit, 48kHz) erzeugt und mit 
Wavespectra das Spektrum am Eingang aufgezeichnet. Die Verzerrungen 
liegen im Bereich von ca. 0,2V bis 1,4V Ausgangsspannung um die 0.0005%; 
laut Datenblatt sollten es 0.0003% sein. Bei höheren und niedrigeren 
Pegeln nimmt die THD dann erheblich zu wobei das vermutlich an der 
Ausgangsstufe der Soundkarte und/oder dem ADC liegt.

Dann habe ich mal probiert welchen Einfluß verschiedene passive 
Komponenten haben: Weder 1K-Kohlewiderstand in Serie noch 
6.8uF-Folienwiderstand in Serie ergaben einen messbaren Unterschied.

100R plus 100nF-Folienkondensator gegen Masse (ein typischer 
Ausgangsfilter für eine Endstufe) gaben ebenfalls keinen messbaren 
Unterschied.

Wenn ich jedoch die 100n-Folie gegen 100n-Keramik ersetze, steigt die 
THD auf einmal dramatisch an, und zwar proportional zur Ausgangsspannung 
(Spalte "THD1/THD0"). Die Kapazitäten wurden mit einem Mastech-6013A 
nachgemessen so daß es da garantiert keine Verwechslung gab. Ich habe 3 
verschiedene Folienkondensatoren probiert und alle ergaben keine 
messbare Erhöhung der THD. Von dem Keramikkondensator habe ich ebenfalls 
3 frische Exemplare aus dem Band genommen und alle zeigten die 
dramatische Zunahme der THD.

Kann jemand dieses Verhalten erklären? Warum steigt beim 
Keramikkondensator die THD mit dem Ausgangspegel an?

von Achim S. (Gast)


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Benjamin Van Gyseghem schrieb:
> Warum steigt beim
> Keramikkondensator die THD mit dem Ausgangspegel an?

weil der Kondesator ein Klasse-2 Dielektrikum hat. Die geben zwar schön 
große Kapazitätswerte in kleinen Bauformern, aber bei denen hängt die 
Kapaziät von der Spannung ab. Das führt dazu, dass dein Tiefpass aus 
100R und Keramikkondensator ein nichtlineares Verhalten zeigt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Keramikkondensator#Spannungsabh.C3.A4ngigkeit_der_Kapazit.C3.A4t

von Gerald B. (gerald_b)


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bei einem KerKo ist die Kapazität in hohem Maße spannungsabhängig und 
auch noch frequenzabhängig.
Sihe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Keramikkondensator
Für ein Abblock C, wo es vor allen Dingen auf einen geringen 
Innenwiderstand und kleine Bauform ankommt, ist das tolerierbar. Nicht 
jedoch bei Audioanwendungen.

Gruß Gerald

PS da war jemand schneller! ;-)

: Bearbeitet durch User
von Karl O. (knorke)


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1. die höhere THD als Datenblatt kommt von 50 Hz Brumm.

2. Die Gründe für das Ergebnis wurden ja schon erklärt. Man sollte 
allerdings bemerken, dass selbst für einen Kerko die THD unter 0,1% 
liegt. Immer noch mehr als ordentlich!

von Georg A. (georga)


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Aus dem Grund gibts zB. in der Elektronik der Shure 
KSM32-Grossmembranmikros SMD-Keramikkondensatoren mit ca. 8*8mm. Sind 
wohl auch nur uamara 100nF. Der Keramikfarbe nach ist das NP0 oder COG, 
vermutlich schweineteuer...

von Benjamin V. (samsung)


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Vielen Dank für die hilfreichen Antworten!

Ich versteh noch nicht ganz wie das FFT-Programm die THD berechnet. Im 
angehangenen Bild habe ich die dB-Werte von 8 Harmonischen versucht 
halbwegs genau abzulesen (die 1kHz-Fundamentale liegt auf 0dB).

Ich habe dann in Excel die dB-Werte der Harmonischen H1, H2, ... in 
relative Pegel umgerechnet:

U1 = 10^(H1/20)
usw.

und die THD so berechnet:

thd = sqrt[ (U2^2 + U3^2 + ...) / (U1^2 + U2^2 + U3^2 + ...) ] * 100

Leider bekomme ich eine viel höhere THD raus, 0,001555179%

Habe ich einen Rechen/Denkfehler oder rechnet das Programm falsch?

@Karl Otto: Die 50Hz dürften in der THD gar nicht berücksichtigt werden, 
weil nur die Harmonischen von 1kHz in die Formel eingehen. Oder gibt es 
da noch andere Definitionen?

von Benjamin V. (samsung)


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leider erkennt man das im Screenshot nicht weil WaveSpectra so einen 
langsamen Screen-Refresh macht: die angezeigte THD ist 0.00074%

Dieser Wert ist mit der angegebenen Formel nicht vereinbar wenn H3 auf 
-98dB liegen soll.

von Achim H. (anymouse)


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Benjamin Van Gyseghem schrieb:
> die angezeigte THD ist 0.00074%

Zeig mir das mal bitte genau, vor allem ob dort "0.00074" oder 
"0.00074%" angezeigt werden.

Editha: Schlechter Zeilenumbruch

: Bearbeitet durch User
von Benjamin V. (samsung)


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Hier ist ein besserer Screenshot, etwas später aufgenommen aber fast 
derselbe Wert.

von MaWin (Gast)


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Verwende mal nicht 1kHz, sondern 440 Hz überlagert mit 2000 Hz und 
bestimme dann den THD, falls die Software das kann.

von Benjamin V. (samsung)


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Weiß leider nicht wie man in Audacity mehrere Spuren überlagert, da muß 
ich mich erst einlesen. Was würde das denn bringen?

von MaWin (Gast)


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Eine realistischere Bewertung, Musik besteht auch aus Frequenzgemischen, 
und die Spannung (des niederfrequenteren und damit hochpeglerigen 
Signals) beeinflusst das höherfrequente.

von Achim H. (anymouse)


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Benjamin Van Gyseghem schrieb:
> (die 1kHz-Fundamentale liegt auf 0dB)

.. wäre die nächste These zum Überprüfen. Beachte vor allem die scharfe 
Spitze des Peaks, vielleicht liegt der richtige Wert zwischen den 
angezeigten; und bei der Kurvenform könnte der etwas überhalb der 
0dB-Linie liegen. Bei einem WErt von +6dB wären die errechneten Werte 
okay.

VIelleicht gehst Du besser über den RMS-Wert der Kurve.

von Benjamin V. (samsung)


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@Achim Hensel

Hab jetzt bei dem angehangenen Spektrum mal mit den gezeigten -17.24dB 
"RMS" gerechnet und dann  passt der berechnete Wert ganz gut. Hast Du 
eine Erklärung dafür? Was sollen die links angezeigten "Max" und 
"RMS"-Werte bedeuten?
Das Programm hat übrigens eine Cursor-Funktion mit der man einen Cursor 
auf eine beliebige Frequenz legen kann und bei 1kHz zeigt der auch die 
-20.88dB an.

Alles sehr seltsam. Anleitung zu dem Programm leider auf Japanisch und 
der Autor reagiert nicht auf Mails...

von Benjamin V. (samsung)


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Habe mal versucht aus der japanisch-deutsch Übersetzung der Website 
schlau zu werden, und siehe da: Der Autor beschreibt ein ähnliches 
Problem nämlich viel zu niedrige angezeigte THD.

Bei einer Sample-Rate von 48kHz und 4096 Punkte-FFT beträgt die 
Frequenzauflösung 48000/4096 = 11.71875Hz
.
Also hab ich in Audacity mal ein Vielfaches dieser Frequenz nämlich

11.7187 * 85 = 996.094

statt 1000Hz erstellt und jetzt entspricht die angezeigte THD recht 
genau der berechneten.

Frustrierend allerdings daß sie 0.00142% beträgt. Das ist erheblich mehr 
als die angepriesenen 0.0003% :(

Umstellung der Soundkarte auf 192kHz-Samplerate brachte auch keine 
Verbesserung. Lügt das Datenblatt oder messe ich hier immer noch Mist? 
;)

von J. A. (gajk)


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Benjamin Van Gyseghem schrieb:
>
> ich Ein- und Ausgang mit zweifach geschirmten Klinkekabeln verbunden,
> mit Audacity ein 1kHz-Testsignal (24Bit, 48kHz) erzeugt und mit
> Wavespectra das Spektrum am Eingang aufgezeichnet.

Ist Wavespectra das Programm? Ist das Freeware? Ich suche ein Programm, 
mit dem man Verzerrungen messen kann (LS-Messungen)

von Ratgeberbär (Gast)


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50 Hz und THD: evtl. geht das als "Noise" in die Wertung ein, ohne 
explizit ausgewiesen zu sein.

von Benjamin V. (samsung)


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WaveSpectra ist freeware. Du kannst auch Arta, AudioTester, 
VisualAnalyzer oder RightMark Audio Analyzer probieren, gibt es alles 
als Freeware- oder kostenlose Testversionen. RightMark allerdings ist 
ein Programm wo drastische Fehlmessungen dokumentiert sind. WaveSpectra 
ist zwar uralt aber schnell und von den genannten mit Abstand am 
einfachsten zu benutzen. Das einzige Problem ist daß die Dokumentation 
bislang nur auf Japanisch ist, aber der Autor arbeitet an einer 
englischen Version.

@ Ratgeberbär

Nein der Autor von WaveSpectra hat mir per E-Mail nochmal bestätigt daß 
genau die Testfrequenz das Problem ist. Sie muss ein Vielfaches der 
Auflösung der FFT sein sonst sind Fehlmessungen vorprogrammiert. Die 
50Hz gehen in die 1kHz-THD gar nicht mit ein.

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