Forum: Offtopic Elementar Physik: Photon als Elektromagnetischer Kraftvermittler.


von X. A. (wilhem)


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Guten Morgen,
meine Frage zu den Teilchenphysikern hier im Forum laut wie folgendes.
Ich lese immer wieder, dass Photonen für den Elektromagnetismus 
"verantwortlich" seien. Laut dem aktuellsten Modell der 
Elementarteilchen besteht die elektromagnetische Kraft aus dem Austausch 
von einem virtuellen Teilchen zB zwischen einem Elektron und Proton: 
nähmlich das Photon.

Oft wird die Impulserhaltung zur Erklärung herangezogen.
Gut...aber was passiert in der Tat?!?!? Von einem Elektron löst sich ein 
Photon, das das Proton erreicht, und?!?!?!? Wie "zieht" es das Proton zu 
dem Elektron? Wie kommt zu eienr anziehenden Kraft zustande? Selbst mit 
dem Modell der Impulserhaltung verstehe ich es nicht so ganz. Meiner 
Meinung nach, "sieht" das Proton das ankommende Photon und wuird von 
diesem abgestoßen, sollte der Abstand Elektron-Proton noch "größer" 
werden. Da das Photon keine elektrische Ladung trägt kann er selbst kein 
"Spielchen" mit dem geladenen Proton oder Elektron anfangen.

Also...ich verstehe es nicht so ganz. Die Mathematik ist eine Sache aber 
ein visualisierendes Modell eine andere.

Ich habe mehere Bücher gelesen (das letzte war dieses 
http://www.amazon.de/Bis-Innere-Protons-Elementarteilchen-Beschleuniger/dp/3642377130/ref=la_B00CRBF1MW_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1402217076&sr=1-1) 
aber...leide rnicht viel weiter gekommen.

Ein super schönes Wochenende wünsche ich Euch!
Gruß

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Vielleicht ist es am besten, sich virtuelle Teilchen überhaupt nicht 
vorzustellen...

In der Störungsrechnung der Quantenfeldtheorie (QFT) treten virtuelle 
Teilchen als Terme in den Gleichungen auf, die allerdings nicht der 
Energie-Impuls-Beziehung unterliegen und teilweise auch weder Energie- 
noch Impulserhaltung erfüllen.

Stellt man die Gleichung, welche die Wechselwirkung beschreibt, als 
Feynman-Diagramm dar, dann ensprechen die ein- und auslaufenden Kanten 
den beobachtbaren, reellen Teilchen, während die virtuellen Teilchen 
nicht beobachtbar sind und den Knoten bzw. Kanten entsprechen, die 
komplett innerhalb des Diagramms bleiben.  Da sie innerhalb des 
Diagramms bleiben, sind auch Verletzung von Energie- und Impulserhaltung 
kein Problem, denn sie haben keinen Effekt nach außen und sind damit 
ebenfalls nicht beobachtbar.  Ein Teilchen borgt sich z.B. Energie aus 
der nahen (innerhalb des Diagramms) Zukunft, was dann im Sinner der 
Heisenberg'schen Unschärferelation verstanden wird.

Die daraus erzielten Vorhersagen der QFT und die damit einhergehende 
Beschreibung der Naturprozesse haben sich als zutreffend und 
ausserordentlich exakt erwiesen.  Die Terme für die reellen Teilchen 
tauchen auch in anderen Bereichen auf, z.B. als Indices in der 
Streumatrix.  Für die virtuellen Terme ist das allerdings nicht so.

Als einprägsame Veranschaulichung der Terme bzw. als Hilfsmittel beim 
Erstellen der Gleichungen sind Feynman-Diagramme sehr populär, 
andererseits verleiten sie jemand Unbedarftes gerne dazu, diese mit 
Elementen der Alltagserfahrung in Verbindung zu bringen — was aber wegen 
der o.g. Eigenschaften bzgl. Energie und Impuls zwangsläufig zu 
Verwirrung, Mißverständnissen oder dem kompletten Ablehnen der Theorie 
oder des Formalismus führen kann.  Bereits bei reellen Teichen ist es 
überaus heikel und i.d.R. einfach nicht zutreffend, sich diese klassisch 
vorzustellen.

Im Sinne von Occams Razor sollte man es gar verwerfen, aus dem Auftreten 
von Termen in der Störungsrechnung auf die Realität zu schließen.  Zwar 
sind die Ergebnisse der QFT anerkannt, aber vielleicht käme man auch auf 
anderen Wegen, mit anderen Ansätzen, Gleichungen, Termen und 
Herleitungen  zu den gleichen Aussagen.

Bereits der mathematische Weg, mit dem man zu den Aussagen der QFT 
gelangt, ist problematisch.  Weil die Anzahl der Terme in den 
Gleichungen unendlich groß ist [*] braucht man spezielle Mechanismen wie 
Renormierungen, um deren Herr zu werden und überhaupt zu Ergebnissen zu 
kommen.

[*] Innerhalb eines Feynman-Diagramms kann man beliebig viele interne 
Linien einzeichnen.  Elemente, die eine Kante aufspalten und wieder 
vereinen, können ad infimum rekursiv eingesetzt werden.  Die 
Wahrscheinlichkeit eines Zweiges wird irgendwann so klein, daß man 
weitere Verzeigungen irgendwann ignoriert.  Insbesondere können auch 
Diagramme ohne Beteiligung reeler Teilchen betrachtet werden, was dann 
als "Vakuumfluktuation" bezeichnet wird.

Bislang ist man auch daran gescheitert, die Gravitation mit ähnlichen 
Werkzeugen zu modellieren: Die sich ergebenden Gleichungen sind nicht 
renormierbar und damit unbrauchbar — wie einfach und elegant ist dagegen 
Einsteins Darstellung der Gravitation als geometrischer Effekt, der 
Krümmung der Raumzeit!  Dort tritt dann die Gravitation selbst garnicht 
mehr als Kraft auf.

von Dumdi D. (dumdidum)


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Volle Zustimmung zu Johann L. . Noch als Zusatz vielleicht warum diese 
'Interpretation' so populär wurde: Das Coulomb 1/r^2 Gesetz ist etwas 
was man so genau mit einer Teilchenstrom Austausch WW erwarten würde.

von X. A. (wilhem)


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Wow! Vielen Dank für die ausführlichen Antworte.
Ich hatte das Gefühl, das mit dem virtuellen Teilchen verrwirrend sei.

Gut...nun schaue ich mir nochmal das Ganze an.... sehr wahrschenilich 
melde ich mich wieder.

Danke und Gruß!
Schönen Pfinnstmontag!

von Dumdi D. (dumdidum)


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Das den einzelnen Terme der Störungsrechnung keine Realität zukommt, ist 
vielleicht mal ganz schön vom Meister selber zu hören:
https://www.youtube.com/watch?v=72us6pnbEvE
(Frage startet ab Minute 10, ab 15 wirds sehr interessant)

von X. A. (wilhem)


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Super
Danke Dum Dum!!!

von Dipl.- G. (hipot)


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Johann L. schrieb:

> Bislang ist man auch daran gescheitert, die Gravitation mit ähnlichen
> Werkzeugen zu modellieren: Die sich ergebenden Gleichungen sind nicht
> renormierbar und damit unbrauchbar — wie einfach und elegant ist dagegen
> Einsteins Darstellung der Gravitation als geometrischer Effekt, der
> Krümmung der Raumzeit!

Naja, einfach, das ist relativ... die Mathematik, die die 
Relativitätstheorie benutzt - Tensoren und Tensoranalysis -, ist 
ebenfalls ein ganz hartes Brot. Der Kram wurde erst 1899 erfunden und 
von den Mathematikern anfänglich wenig beachtet, so daß Einstein während 
seiner krampfhaften Suche nach einer mathematischen Struktur seiner 
verallgemeinerten Relativitätstheorie erst von seinem Kumpel Marcel 
Grossmann den Hinweis erhielt "Du Albert, die Italiener haben da vor 
zehn Jahren was veröffentlicht, womit Du eventuell die Verformung der 
Raumzeit und diesen ganzen Hickhack als Gleichungen hinschreiben 
könntest."

Wir hatten als Ingenieure im Rahmen des 5. Mathesemesters u.a. 
"Einführung in die Höhere Analysis", d.h. Tensorkalkül, und ich erinnere 
mich, daß ich fast erblindete bei diesem Wirrwarr von Indizes oben, 
unten, rechts, links. Meine Herren! Was ich an der Uni so vom Stöhnen 
der Physikkommilitonen gehört habe, ist der Krempel ähnlich kompliziert, 
wenn auch ganz anders, wie die mathematische Struktur der 
Quantenmechanik.

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