Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zur Filterdimensionierung


von Kai S. (luxell)


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Einen schönen Abend alle zusammen,

mich plagt schon seit längeren eine banale Frage bezüglich der 
Dimensionierung von elektronischen Filtern. Wenn man für einen Filter 
die Widerstände, Kondensatoren, etc. berechnen möchte, muss man eine 
Grenzfrequenz vorgeben. Bei der Grenzfrequenz ist das Ausgangssignal um 
3 dB vom Eingangssignal gesunken.
Nun meine Frage. Warum bezieht man sich gerade auf die Grenzfrequenz? 
Ist es nicht viel wichtiger zu wissen, ab welcher Frequenz sich das 
Ausgangssignal überhaupt zum Eingangssignal verändert?
Liegt es vielleicht daran, dass alles was unter 3dB ist, als allgemeine 
Toleranz gilt und demnach ein Designer nicht beachten muss? Oder kann 
man ohne komplexere Rechnung einfach keine besseren Ergebnisse erzielen?
Oder ändert sich die Frequenz immer, so dass man keinen Frequenzbereich 
mit 100% um den gleichen Faktor verstärken/vermindern kann?
Noch eine Frage: Wie verhält sich die Grenzfrequenz, wenn man mehrere 
Tiefpässe oder Hochpässe in Reihe schaltet? Leider konnte ich dazu 
nichts Konkretes finden.
Ich danke schon mal im Voraus für konstruktive Antworten.

von Possetitjel (Gast)


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Kai S. schrieb:

> Wenn man für einen Filter die Widerstände, Kondensatoren,
> etc. berechnen möchte, muss man eine Grenzfrequenz vorgeben.
> Bei der Grenzfrequenz ist das Ausgangssignal um 3 dB vom
> Eingangssignal gesunken.

Hmmm... ja.

> Nun meine Frage. Warum bezieht man sich gerade auf die
> Grenzfrequenz?

Konvention (s.u.).

> Ist es nicht viel wichtiger zu wissen, ab welcher Frequenz
> sich das Ausgangssignal überhaupt zum Eingangssignal
> verändert?

Kommt darauf an - siehe unten.

> Liegt es vielleicht daran, dass alles was unter 3dB ist, als
> allgemeine Toleranz gilt und demnach ein Designer nicht
> beachten muss?

Nur indirekt.

Es liegt daran, dass für ein System 1. Ordnung (also mit einem
Speicher) bei der Grenzfequenz folgende leicht zu merkende
Eigenschaften vorliegen:
 * der Wirk- und der Blindwiderstand sind gleich groß
 * als Folge dessen ist die Phasenverschiebung 45°
 * die Amplitude ist um 3dB abgesunken.

Man hat den 3dB-Amplitudenabfall dann einfach auf Systeme
höherer Ordnung übertragen, muss aber beachten, dass die
Aussage mit den 45° Phasenverschiebung nicht mehr stimmt.

Der Gedanke, dass bei Verstärkungsabfall auf ca. 70% die
Grenze der Brauchbarkeit erreicht ist, spielt natürlich
bei der Konvention mit.

> Oder ändert sich die Frequenz immer, so dass man keinen
> Frequenzbereich mit 100% um den gleichen Faktor
> verstärken/vermindern kann?

Die Idee ist im Prinzip richtig. "EXAKT konstant" gibt es
in der Filtertheorie praktisch nicht - die Abweichungen
müssen sich nur im erlaubten Rahmen bewegen.

Das Zauberwort heißt "Toleranzschema".

Ganz grob vereinfacht gibt man sich beim Filterentwurf zwei
Dinge vor:
1) Welchen Wert soll die Übertragungsfunktion an den
   "charakteristischen Punkten" haben?
   (Grenzfrequenz = Ende des Durchlassbereiches; Mindest-
   dämpfung am Beginn des Sperrbereiches usw.)
2) Wie soll bzw. darf die Übertragungsfunktion zwischen
   diesen charakteristischen Punkten verlaufen?

Die Antwort auf die zweite Frage legt die verwendete Standard-
Approximation fest (den Filtertyp, also Bessel, Butterworth,
Tschebyscheff I/II, Cauer usw.); davon hängt z.B. ab, ob
Welligkeit im Sperr- oder Durchlassbereich erlaubt ist.

Die Antwort auf die erste Frage führt konkreter zur Dimensionierung:
Wieviele Stufen braucht das Filter, welche Welligkeit ist
zugelassen, usw.

Der dritte Schritt ist dann die Auswahl der konkreten Grund-
schaltung(en) (passiv RC, passiv LC, aktiv RC usw.), aber das
ist ja nicht Deine Frage.

> Noch eine Frage: Wie verhält sich die Grenzfrequenz, wenn man
> mehrere Tiefpässe oder Hochpässe in Reihe schaltet?

Typischerweise wird der Durchlassbereich schmaler, d.h. beim
Tiefpass sinkt die Grenzfrequenz, beim Hochpass steigt sie an.
Formeln gibt es; müsste ich erst suchen.

von Peter R. (pnu)


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Drei dB bedeuten die halbe Leistung, also für die meisten Signale der 
erste wirksame Einfluss.

Deshalb ist eben die Wahl auf diesen Wert gefallen, unabhängig vom Grad 
des TP,HP oder Bandpass

von Kai S. (luxell)


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Danke für eure Antworten. Dadurch klärt sich einiges.

von Wilhelm S. (wilhelmdk4tj)


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Hallo zusammen.

Dank an Possetitjel!

So klar und präzise habe ich noch nie die Beschreibung einer 
Übertragungsfunktion erklärt bekommen.

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Wilhelm

von uni ing (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Typischerweise wird der Durchlassbereich schmaler, d.h. beim
> Tiefpass sinkt die Grenzfrequenz, beim Hochpass steigt sie an.
> Formeln gibt es; müsste ich erst suchen.

Nur den Buffer nicht vergessen.

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