Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Verwirrungen um Anschluss / Betrieb Nixie-Röhre


von Dominic (Gast)


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Hallo zusammen,

aus 2 Nixieröhren (ZM 1000), die mir vor die Füße gefallen sind (beim 
Ausräumen der Physik-Sammlung), wollte ich mal etwas kreatives basteln. 
Jetzt habe ich mir das Datenblatt angeguckt 
(http://frank.pocnet.net/sheets/013/z/ZM1000.pdf) und bin etwas 
verwirrt.

Auf Seite 1 ist die Rede von einer Supply Voltag Vba > 170 V. Auf Seite 
2 unter dem Punkt Characteristics and Operating Conditions wird eine 
Ignition voltage von Vign < 170 V genannt. Limiting Values auf Seite 3 
gibt wiederum eine Anode voltage necessary for ignition von Va > 170 V 
an. Was soll das denn bedeuten? Ab wann leuchtet die Röhre? Erst ab 170 
V oder dann schon tot?

Dann noch eine andere Anwendungsfrage: Angenommen man solle die Röhre 
mit 170V betreiben, irgendwas mit 170V wird es ja schon sein, dann habe 
ich mir überlegt, ich nehme 2 Transformatoren und den zweiten gespiegelt 
der eigentlichen Verwendungsrichtung, sodass ich auf 172,5 V komme (230V 
-> 9V -> 172,5V). Ist das ok? Ist es von erheblichem Nachteil eine 
gemeinsame Masse zwischen beiden Sekundärseiten herzustellen?

Über einen Controller möchte ich die einzelnen Kathoden steuern. Ich 
habe mir dazu den DG408 Multiplexer angeguckt. Dieser hat allerdings 
eine max Betriebsspannung von 44V. Eigentlich hätte ich jetzt erwartet, 
dass dies nicht funktioniert, aber der vielfach verwendete 74141 hat 
ebenfalls eine Betreiebsspannung von nur 60V. Von daher denke ich, dass 
es i.O. sein sollte. Also ich gehe davon aus dass ca 170 V an der Röhre 
abfallen und der Rest halt am IC, aber wie sieht es aus mit 
Spannungsfestigkeit im nicht leitenden Zustand einer Kathode?

Im Datenblatt sind, ebenfalls unter Characteristics and Operating 
Conditions, zwei Widerstandswerte angegeben, was beueten diese?

Angenommen die Röhre soll mit 170 V betrieben werden (siehe Absatz 2), 
benötigt man zum Betrieb einen Vorwiderstand? Wenn ja wie hoch sollte er 
liegen, bzw wie definiert man diesen? Lässt sich die Röhre über einen 
größeren Vorwiderstand dimmen?

Vielen Dank und viele Grüße
Dominic

von Harald W. (wilhelms)


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Dominic schrieb:

> Auf Seite 1 ist die Rede von einer Supply Voltag Vba > 170 V. Auf Seite
> 2 unter dem Punkt Characteristics and Operating Conditions wird eine
> Ignition voltage von Vign < 170 V genannt. Limiting Values auf Seite 3
> gibt wiederum eine Anode voltage necessary for ignition von Va > 170 V
> an. Was soll das denn bedeuten? Ab wann leuchtet die Röhre? Erst ab 170
> V oder dann schon tot?

Eine Nixieröhre ist nichts anderes wie eine Glimmlampe. D.h. solche
Röhren werden mit einem Strom betrieben und nicht mit einer Spannung.
Die Betriebsspannung muss also höher als 170V sein. Die Differenz
nimmt ein Vorwiderstand auf. Zur Ansteuerung sollte man sich am besten
an die hunderte von Beispielen im INet halten.
Gruss
Harald

von Paul Baumann (Gast)


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2,5mA stehen als Anodenstrom im Blatt.

MfG Paul

von Dominic (Gast)


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Also kann man 170 V als konstanten Spannungsabfall annehmen? D.h., bei 
einer Eingangsspannung von 172.5 V müssten 2.5 V auf den Widerstand 
entfallen, bei 2.5 mA würde das ja dann mit 1k getan sein, bzw abzüglich 
der Vorwärtsspannung der Ansteuerung.

Kann man einen DG408 einsetzen als Ansteuerung?

von Helge A. (besupreme)


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Die Röhren starten bei > 170V, und schalten aus bei <118V. Das ist der 
Hub, den deine Ansteuerung mindestens aushalten muß. Wer sicher baut, 
legt noch 10V drauf und kommt bei den 60V des 74141 an.

von Tom (Gast)


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Dominic schrieb:
> Also kann man 170 V als konstanten Spannungsabfall annehmen? D.h.,
> bei
> einer Eingangsspannung von 172.5 V müssten 2.5 V auf den Widerstand
> entfallen, bei 2.5 mA würde das ja dann mit 1k getan sein, bzw abzüglich
> der Vorwärtsspannung der Ansteuerung.

Nein. Das wäre ähnlich sinnvoll wie eine LED mit 1.7V Vorwärtspannung 
mit einem 2 Ohm Vorwiderstand  an 1.72V zu betreiben.
Auf Seite 6 ist ein Diagramm. 250V und 47k wären ein guter Ansatz. Für 
effiziente Schaltungen sind Nixies sowieso falsch...

> DG408
Jede andere Schaltung schaltet die Kathoden mit 74141 oder 
Hochvolt-Transistoren (z.b. MPSA42). Multiplexen ist bei diesen Nixies 
ausnahmsweise erlaubt.

von Humphrey Gokart (Gast)


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>bei 2.5 mA würde das ja dann mit 1k getan sein

Das ist völlig falsch.

Am Anodenwiderstand fallen die Differenz von Versorgungsspannung minus 
Brennspannung ab. Das sind wie bereits von Helge vorgerechnet ca. 50-60 
Volt.

Für den Nennstrom von 2,5 mA muss der Anodenwiderstand ca. 24 kOhm groß 
sein, was man auch aus der Abbildung auf Seite 6 deines Datenblatts 
ablesen kann.

von Timm T. (Gast)


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Dominic schrieb:
> Also kann man 170 V als konstanten Spannungsabfall annehmen? D.h., bei
> einer Eingangsspannung von 172.5 V müssten 2.5 V auf den Widerstand
> entfallen, bei 2.5 mA würde das ja dann mit 1k getan sein, bzw abzüglich
> der Vorwärtsspannung der Ansteuerung.

Ja klar, und wenn die Netzspannung schwankt, und mal 180V anstehen, 
bekommt die Röhre 10mA und ist tot. Ganz abgesehen davon, dass Du 
gleichrichten musst und dabei eher um die 240V rauskommen.

Daher:

Harald Wilhelms schrieb:
> Zur Ansteuerung sollte man sich am besten
> an die hunderte von Beispielen im INet halten.

Und nicht multiplexen, auch wenn es manche machen (es gibt nur wenige 
für Multiplexing geeignete Röhren).

von MaWin (Gast)


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Dominic schrieb:
> Auf Seite 1 ist die Rede von einer Supply Voltag Vba > 170 V.

Man braucht mindestens 179V...

> Auf Seite
> 2 unter dem Punkt Characteristics and Operating Conditions wird eine
> Ignition voltage von Vign < 170 V genannt.

... damit sie sicher zündet ...

> Limiting Values auf Seite 3
> gibt wiederum eine Anode voltage necessary for ignition von Va > 170 V
> an.

Da sie schlechtestenfalls 170V zum zünden braucht, braucht man 
mindestens 170V um sie sicher zu zünden.

> Was soll das denn bedeuten? Ab wann leuchtet die Röhre? Erst ab 170
> V oder dann schon tot?

Wenn du an der Röhre 170V messen kannst, ist sie schon tot. Genau so, 
wie wenn du 5V an der LED messen kannst. Beides sind Leuchtdinger die 
mit STROM betrieben werden, z.B. per Vorwiderstand aus einer hohen 
Spannung gewonnen.
Ohne strombegrenzenden Vorwiderstand sind beide ruck zuck kaputt.


>
> Dann noch eine andere Anwendungsfrage: Angenommen man solle die Röhre
> mit 170V betreiben, irgendwas mit 170V wird es ja schon sein, dann habe
> ich mir überlegt, ich nehme 2 Transformatoren und den zweiten gespiegelt
> der eigentlichen Verwendungsrichtung, sodass ich auf 172,5 V komme (230V
> -> 9V -> 172,5V). Ist das ok? Ist es von erheblichem Nachteil eine
> gemeinsame Masse zwischen beiden Sekundärseiten herzustellen?

Das ist ok und kein Problem, sondern sogar notwendig.

>
> Über einen Controller möchte ich die einzelnen Kathoden steuern. Ich
> habe mir dazu den DG408 Multiplexer angeguckt. Dieser hat allerdings
> eine max Betriebsspannung von 44V. Eigentlich hätte ich jetzt erwartet,
> dass dies nicht funktioniert, aber der vielfach verwendete 74141 hat
> ebenfalls eine Betreiebsspannung von nur 60V. Von daher denke ich, dass
> es i.O. sein sollte.

Nein, natürlich nicht, sofort kaputt. Nimm MPSA42 Transistoren.

lso ich gehe davon aus dass ca 170 V an der Röhre
> abfallen und der Rest halt am IC, aber wie sieht es aus mit
> Spannungsfestigkeit im nicht leitenden Zustand einer Kathode?
>
> Im Datenblatt sind, ebenfalls unter Characteristics and Operating
> Conditions, zwei Widerstandswerte angegeben, was beueten diese?
>
> Angenommen die Röhre soll mit 170 V betrieben werden (siehe Absatz 2),
> benötigt man zum Betrieb einen Vorwiderstand? Wenn ja wie hoch sollte er
> liegen, bzw wie definiert man diesen? Lässt sich die Röhre über einen
> größeren Vorwiderstand dimmen

Kaum, denn bei zu wenig Strom leuchtet die Ziffer nicht mehr 
gleichmässig. Due sind eh so dunkel, dass Dimmen nicht nötig ist.

von Harald W. (wilhelms)


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Timm Thaler schrieb:

> Und nicht multiplexen, auch wenn es manche machen (es gibt nur wenige
> für Multiplexing geeignete Röhren).

Nixieröhren gehören inzwischen zu den "kostbaren" Bauelementen.
Deshalb ist es im Privatbereich sinnvoll, alles zu tun, um eine
möglichst grosse Lebensdauer zu erzielen. Dazu gehört es, den
maximal zulässigen Strom nicht auszureizen und auch dann nicht
zu multiplexen, wenn es laut Datenblatt zulässig ist. Ich würde
auch noch einen Dreistufenschalter montieren. (Anzeige aus,
halbe Helligkeit, volle Helligkeit)
Gruss
Harald

von Andreas R. (andrewr)


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Harald Wilhelms schrieb im Beitrag
> Ich würde auch noch einen Dreistufenschalter montieren. (Anzeige aus,
> halbe Helligkeit, volle Helligkeit)
> Gruss
> Harald

Hallo Harald, das funktioniert so nicht wirklich. An und aus durch 
wegschalten der Anodenspannung ist kein Problem. Halbe Helligkeit durch 
größeren Vorwiderstand geht nicht. Komischerweise sinkt die Helligkeit 
einer Nixie leider nicht wirklich mit sinkendem Strom. Unterhalb eines 
gewissen Stroms leuchten die Ziffern irgendwann einfach nicht mehr 
vollständig und Teilbereiche der Ziffer bleiben einfach unbeleuchtet. 
Hinzu kommt noch, das ein Mindeststrom einfach fließen MUSS. Diesen 
braucht die Nixie um das durch´s Sputtern an den ungenutzten Kathoden 
(die man gelegentlich einschalten sollten) angelagerte Material wieder 
loszuwerden.
Letztendlich ist eine Nixe eine Gasentladungslampe, die werden bei 
sinkendem Strom nicht linear dunkler, sondern gehen bei Unterschreitung 
einer gewissen Spannung einfach aus.

Gruß,
Andreas

von Timm T. (Gast)


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Andreas Reinert schrieb:
> Komischerweise sinkt die Helligkeit
> einer Nixie leider nicht wirklich mit sinkendem Strom.

Das ist nicht komisch, das ist normal. Hängt mit den Vorgängen bei der 
Gasentladung zusammen.

Du brauchst erstmal einen Mindeststrom, damit sich die Entladung 
gleichmäßig über die Elektroden verteilt. Da dort, wo schon Entladung 
stattfindet, das Potential geringer ist, kommt es bei zu geringem Strom 
zu "Stromkonzentration". Extremer Vergleich: Ein Blitzkanal.

Bei Erhöhen des Stromes werden zwar mehr Gasatome angeregt, aber diese 
müssen die Energie auch wieder loswerden. Die Energie ist Licht + 
Wärme*. Das Licht geben sie ab, aber die Wärme können sie nur durch 
Stoßprozesse mit benachbarten Atomen loswerden. Steigt der Strom, hast 
Du schnell relativ viele angeregte Atome, die nicht weiter angeregt 
werden können. Die Lichtintensität erreicht ein Maximum und kann bei 
weiterer Stromerhöhung sogar abnehmen, weil zu viele Atome angeregt sind 
und ihre Energie nicht loswerden.

Ist beim HeNe-Laser ähnlich, deswegen lassen die sich nur in einem 
kleinen Bereich zwischen Laserschwelle und Maximum modulieren. Nicht so 
schön linear über einen großen Bereich wie eine Leuchtdiode.

von Andreas R. (andrewr)


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Timm Thaler schrieb
> Das ist nicht komisch, das ist normal. Hängt mit den Vorgängen bei der
> Gasentladung zusammen.

War vielleich etwas unglücklich formuliert. Wirklich komisch oder 
überraschend fand ich das auch gar nicht. Das Gasentladungslampen nicht 
einfach mal eben so über Spannung oder Strom problemlos gedimmt werden 
können, ist hinlänglich bekannt. Trotzdem muss ich ehrlich zugeben das 
ich mir nie ernsthaft Gedanken über die Physikalischen Hintergründe, die 
du ja sehr umfassend dargestellt hast, gemacht habe. Also wieder was 
gelernt!

Gruß,
Andreas

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