Die exakte Vermessung eines Trafos ist nicht trivial. Wir benötigen exakte Messungen zur Anfertigung exakter Simulationsmodelle. Bei Streuinduktivitäten handelt es sich um gedachte Induktivitäten, die den Wicklungen eines 100% gekoppelten Trafos vorgeschaltet sind, wodurch man beschreiben kann, dass einige Feldlinien die anderen Trafowicklungen nicht durchfließen. In LTSpice gibt es serienmäßig zur Beschreibung dieses Problems einen "Koppelfaktor", der allerdings für den ganzen Trafo wirkt, also ein grober Summenparameter ist. --- Wir wollen also die Streuinduktivitäten messen! Ein einfacher Trafo könnte im Ersatzschaltbild so wie im Anhang aussehen. An die Innereien dieses Ersatzschaltbildes kann man nicht heran. Primär- und Sekundär-Kreis sind über einen vollständig koppelnden Trafo verbunden. Jeder Kreis verfügt über parasitäre Widerstände, Kapazitäten und Induktivitäten. Üblicherweise werden Trafos dadurch gemessen, dass man den Sekundärkreis kurzschließt, wodurch die sekundäre Streuinduktivität in den primären Kreis "hineintransformiert" wird und der Trafo praktisch bedeutungslos wird. Auf diese Weise kann man vorzüglich messen, erhält allerdings nur die Streuinduktivität von Primär nach Sekundär als Summenparameter. Gerds Trafoseiten beispielsweise verfügen nur über Summenparameter. Die Messung dieses Summenparameters geschieht mit einem (im Vergleich zu den parasitären Kapazitäten) großen Kondensator, den man mit der Primärseite koppelt und einem Sinusgenerator. Mit einem Messgerät wird dann der Resonanz-"Dip" bestimmt und nach der Resonanzformel die wirkende Streuinduktivität "Ls_prim + Ls_sek" berechnet. Das funktioniert leider nicht immer gut. Manche Trafos resonieren äußerst schlecht. Der "Dip" ist klein oder enorm breit oder überhaupt nicht zu sehen. Manchmal gibts auch mehrere Dips. Und trotz diese Mühen kann man nur einen Summenparameter bestimmen. Wir wollen also nicht mehr und nicht weniger, als eine neue Messmethode entwickeln! 8-) Diese will ich hier vor- und zur Diskussion stellen.....
Mir wurde von allen Seiten erzählt, dass eine selektive Messung jeder einzelnen Streuinduktivität Humbug ist. Meine erste Idee war, den Trafo zu sättigen und so die beiden Kreise zu entkoppeln. Die Simulationen zeigten, dass es hinhauen könnte. Leider kannte die Praxis die Simulationen noch nicht und ich scheiterte. -------- Daraufhin überlegte ich mir, dass die Streuinduktivitäten doch irgendwas bewirken müssen. Denn wenn sie nichts bewirken würden, so würden wir sie ja auch nicht messen wollen. ;) Als Messobjekt dient ein RK-Trafo, dessen 230V-Wicklung unbeschaltet bleibt. Ich messe von 12V auf 12V, also ein 1:1-Trafo. Dieser ist nach dem Resonanzverfahren nicht messbar, weil kein Dip sichtbar ist. Ich erinnerte mich, dass in Spice mit einem Koppelfakor ausgestattete Trafos stets zum "Klingeln" (Überschwinger) neigen, was besonders bei Rechteckspeisungen auftritt. Dieses "Klingeln" ist also direkt mit den Streuinduktivitäten in Verbindung stehend. Zu meinem Entzücken zeigte auch die Realität diesen Effekt! Oben die Speisespannung an der Primärseite. Unten die mit dem Oszi abgegriffene Spannung an der Sekundärseite. Ls_10.JPG --- Da ich sekundärseitig nur mit dem hochohmigen Oszi abtaste, ist der Sekundärkreis praktisch stromfrei. Wenn dort aber kein Strom fließt, so sollte Rs_sek auch belanglos sein. Zur Kontrolle dieser Vermutung habe ich in Reihe mit den sekundären Anschlussklemmen eine kapazitätsarme 330uH-Induktivität geschaltet: Ls_11.JPG Wie erhofft, zeigt sich keine Änderung des Klingelns. --- Auf der Primärseite sieht das ganz anders aus. Da ich primärseitig mit einem niederohmigen Generator (Ri=0) Impulse einspeise, bildet sich primär ein geschlossener Schwingkreis. Er besteht aus Spulen, parasitären Kapazitäten, Wicklungswiderständen und Verlustwiderständen (die dafür verantwortlich sind, dass es sich um ein gedämpftes "Klingeln" handelt). Sobald ich dort meine 330uH einschleife, verändert sich das Bild dramatisch: Ls_12.JPG --- Kann man aus dem Klingeln auf Rs_prim zurückrechnen? Die Oszi-Messungen zeigen folgende Periodendauern: - unbekannte Ls_prim: 0.8 cm * 10 us/cm = 8us - unbekannte Ls_prim + 330uH: 2.6 cm * 10us/cm = 26us Aus der Resonanzformel kann man ableiten, dass L proportional zum Quadrat der Periodendauer ist. Also ergibt sich: L1 / (L1 + L2) = t1² / t2² L1 ist die unbekannte Ls_prim L2 ist 330uH t1 ist 8 us t2 ist 26us Die Formel nach L1 aufgelöst: L1 = (L2 * t1² / t2²) / (1 - t1² / t2²) was also 34,6 uH ergibt. Vor der Formelumstellung hatte ich vorab 30 uH geschätzt und die Dämpfungswiderstände und parasitären Kondensatoren der Realität angepasst und erhielt folgende Simulation (Bezeichner "L1"-"L4" haben nichts mit der o.a. umgestellten Formel zu tun!)... streu_7.png die sich bestens mit der Realität deckt. Nach Einsetzung der errechneten 34.6uH sogar noch besser. Die von mir willkürlich eingesetzten parasitären Kondensatoren verfälschen nichts am Modell (sie sind sehr groß, was ich auf den rumbaumelnden 230V-Kreis mit seinen eigenen großen Kapazitäten zurückführe), weil es nur um das "Verhältnis der Periodendauer relativ zur Induktivität" geht. Kondensatoren können an diesem Verhältnis prinzipiell nichts ändern. Die können nur die Frequenz verschieben. Es müssen 8us vs. 26us rauskommen, wenn ich die 330uH primär einschleife. Genau das passiert, wenn ich Rs-prim auf 34,6 uH festlege. -------- Als Nebeneffekt erhält man aus der beschriebenen "Klingel"-Analyse auch gleich noch die Dämpfungswiderstände, die das Modell noch weiter vervollständigen.
:
Bearbeitet durch User
Wers nicht verstanden hat, muss deswegen nicht sauer werden! Ich versteh es selbst nicht mehr ;) Ich hab das Verfahren vor gut zwei Jahren in meinem geschlossenen Forum entwickelt und will einfach nur vermeiden, dass es ungenutzt untergeht.
ich denke hier: http://www.home.earthlink.net/~christrask/Wideband%20Transformer%20Models.pdf ist recht vollständig abgehandelt wie man an die einzelnen Parameter eines Trafos durch Messungen heran kommt EMU
Hallo EMU, Himmel! Den Link versteh ich noch weniger als meine eigene Herleitung ;) Der Verfasser scheint mehr aus der Theorie zu kommen. Und ich habs mehr von der praktischen Wirkung dieser kleinen Parasiten her aufgezäumt. Im Endergebnis sollte das gleiche rauskommen. Tut es das auch? In jedem Fall vielen Dank! VG Fred
Wenn Du es mit der Praxis liebst, hier noch ein Link, der ein paar der Streugrößen auch misst (was in der Praxis auch meist ausreichend ist) http://www.dg0sa.de/ dort unter "Messschaltungen und Zubehör" --> "Koppelfaktor messen" nachsehen EMU
Danke, EMU der letzte Link beschreibt aber wieder die Ermittlung des üblichen Summenparameters (= "Koppelfaktor"). Mir ging es aber um Ermittlung der Einzelinduktivitäten. Darum hab ich ja das o.a. Verfahren entwickelt. VG Fred
:
Bearbeitet durch User
Fred Quinny schrieb: > Mir wurde von allen Seiten erzählt, dass eine selektive Messung jeder > einzelnen Streuinduktivität Humbug ist. Meine erste Idee war, den Trafo > zu sättigen und so die beiden Kreise zu entkoppeln. Die Simulationen > zeigten, dass es hinhauen könnte. Leider kannte die Praxis die > Simulationen noch nicht und ich scheiterte. Erstens; Was hat es einen Sinn, Streuindiktivitäten "selektiv" zu messen. Im Einzelfalle muss man sowieso die gesamte Streuinduktivität auf die Seite des Trafos rüberrechnen, die man gerade untersucht. Wenn Du Ahnung von Starkstromtrafos (mit uk, ur, us usw.)und Ihrer Parallelschaltung hättest, wäre Dir das bekannt. Zweitens: Von der Schaltungstheorie, wenn man den Trafo als Vierpol betrachtet, ist es zwar möglich, alle Elemente des Ersatzschaltbildes von primär auf sekundär rüberzurechnen, nicht aber schlüssige Aufteilung vorzunehmen, die dem Streufeld des Trafo entspricht. Man hat ja nur die vier Klemmen des Trafo zum Messen und Rechnen zur Verfügung. Wenn man bei Sättigung des Trafo messen will, wirds sowieso Unsinn. Gerade da verändert sich die Streuung besonders stark. Das verhält sich genau so, wie bei einem Dreipol, der an Drehstrom angeschlossen ist. Man kann durch Messungen von außen nicht feststellen ob die internen Widerstände im Dreieck oder im Stern geschaltet sind und welche unterschiedlichen R-Werte vorhanden sind, wenn z.B. unsymmetrische Last an den drei Phasen besteht.
Hallo Peter, der Sinn der ganzen Aktion ist der, ein LTSpice-Modell zu erstellen, was sich weitgehend so wie die Realität verhält. Also auch mit einseitig offenen Anschlussklemmen korrekt arbeitet. Das ist mit einem simplen (statischen) Koppelfaktor nicht hinzubekommen. VG Fred
:
Bearbeitet durch User
Fred Quinny schrieb: > der Sinn der ganzen Aktion ist der, ein LTSpice-Modell zu erstellen, was > sich weitgehend so wie die Realität verhält. Bei einer Simulation kommt nur das raus was man an Modell "reinsteckt" Da wirst Du Dich schon mit dem Trask-Modell anfreunden müssen und der rechnet noch verlustlos was für ein Spice-Modell wahrscheinlich nicht ausreichend wäre. Beim Steudler findet sich noch auf S. 84-23 das Ersatzschaltbild eines realen Transformators http://www.steudler.ch/kurt/Elektro/Grundlagen/ET_84.pdf Zusammen mit dem Trask kommt man wahrscheinlich weiter. EMU
Fred Quinny schrieb: > In LTSpice gibt es serienmäßig zur Beschreibung dieses Problems einen > "Koppelfaktor", der allerdings für den ganzen Trafo wirkt, also ein > grober Summenparameter ist. Das ist nicht korrekt. Du kannst beliebig viele Kopplungsfaktoren definieren. Beispiel: Drei Spulen sind vorhanden L1, L2, L3. Mit K12 gibst du die Kopplung zwischen L1 und L2 an, beispielsweise .95. Mit K13 die Kopplung zwischen L1 und L3 beispielsweise .99 und schlußendlich K23 zwischen L2 und L3 beispielsweise .85 Die Werte L, C, R ermittelst du zuvor mit einem LCR-Meter. Die Kapazitäten zwischen den Wicklungen nicht vergessen. Damit kannst schon eine ganze Menge anfangen.
Hallo "der sechste seiner Art", wo hast Du denn das her? Die Ziffern hinter K ist ein willkürlicher Index. Kann auch K4711 lauten. Mit dem Koppelfaktor definiert man, welche Spulen gekoppelt sind und wie stark. VG Fred
der sechste seiner Art schrieb: > Die Werte L, C, R ermittelst du zuvor mit einem LCR-Meter. Die > Kapazitäten zwischen den Wicklungen nicht vergessen. Damit kannst schon > eine ganze Menge anfangen. Wie willst Du denn so http://www.mikrocontroller.net/attachment/232401/streu_1.png ein Gebilde mit einem LCR-Meter vermessen? VG Fred
EMU schrieb: > Da wirst Du Dich schon mit dem Trask-Modell anfreunden müssen Warum muss ich denn das, EMU? Ich hab doch eingangs gezeigt, wie einfach die Messungen gehen. Man benötigt ein Scope, einen Rechteckgenerator und eine diskrete Referenzspule. Und als Ergebnis kommt ein vollständiges Spice-Modell raus was genauso simuliert wie die Realität. Kann es noch simpler gehen? VG Fred
:
Bearbeitet durch User
Fred Quinny schrieb: > Die Ziffern hinter K ist ein willkürlicher Index. Kann auch K4711 > lauten. Mit dem Koppelfaktor definiert man, welche Spulen gekoppelt sind > und wie stark. Hast es nicht verstander oder? Wie der Name lautes ist tatsächlich egal, macht aber durchaus Sinn, es so zu benennen wie vorgeschlagen. K12 bedeutet Kopplung zwischen L1 und L2 daran kann man sich auch Morgen noch erinnern, gerade wenn es denn mal als drei Induktivitäten sind und in deinem fortgeschrittenen Alter :D. Das man mit mehreren Kopplungsfaktoren arbeiten kann, hast du offensichtlich noch nicht gewusst, denn sonst hättest du dies so nicht geschrieben: "einen "Koppelfaktor", der allerdings für den ganzen Trafo wirkt" Wie man mit einem LCR-Meter misst, soll ich dir erklären? Nun gut, wie man die Streuinduktivität ermittelt hast du doch selbst schon beschrieben, durch kuzschließen der zu ermittelnden Wicklung. Wichtig, mit der höchsten Messfrequenz zu arbeiten. Ohmschen und kapazitiven Wert ist klar, denke ich. Kapazitäten zwischen den Wicklungen, jeweils einen Anschluss der Wicklung benutzen.
So eine Ersatzschaltung bestimmt man eher nicht mit dem LCR meter, sondern im Idealfall mit einer Art Vector-Netzwerkanalysator. Bei den niedriegen Frequenzen reicht ggf. auch eine Version an der Soundkarte. Es wird dabei der Frequenzgang / Impedanz für 2-3 Verschaltungen gemessen, und daraus die Modellparameter berechnet. Wie sich die Streuinduktivitäten aufteilen auf Ls_prim und Ls:sek ist beim Trafo unbestimmt, das lässt sich aus den normalen Messungen nicht bestimmen. Da muss man also annahmen machen, weil gleiche (bzw. passend zum Windungsverhältnis) Werte oder halt nur eine Streuinduktivität. So ähnlich sind auch die Kapazitäten weitgehend gekoppelt und man wird nur eine Kapazität haben. Wenn man auch noch die Sättigung des Kernes berücksichtigen will, braucht man ggf. ein erweitertes Modell, denn wenn der Kern in die Sättigung geht, vergrößern sich ggf. die Streuinduktivitäten - das müssen also nicht die selben sein wie im Kleinsignalmodel.
der sechste seiner Art schrieb: > Das man mit mehreren Kopplungsfaktoren arbeiten kann, hast du > offensichtlich noch nicht gewusst, denn sonst hättest du dies so nicht > geschrieben: "einen "Koppelfaktor", der allerdings für den ganzen Trafo > wirkt" Hmmm... getestet mit der IV und der III. Gleiches Ergebnis. Ich kann allerdings L3 mit L1 koppeln. Dann kommt tatsächlich was raus. Die Richtungsabhängigkeit ist störend. Man kann ja bei einem Trafo nicht unbedingt sicher sagen, welche Seite gespeist wird. Das hängt oft von Betriebszuständen des simulierten Geräts ab. Trotzdem interessant! Danke für den Tipp! --------- Mit nem LCR-Meter kannst Du wegen der sonstigen parasitären Elemente nicht messen. Ich hatte ja im Eingangsbeitrag von der Resonanzmessung geschildert, die u.U. keinen Dip mehr geben kann. VG Fred
Ulrich H. schrieb: > Wenn man auch noch die Sättigung des Kernes berücksichtigen will, > braucht man ggf. ein erweitertes Modell, denn wenn der Kern in die > Sättigung geht, vergrößern sich ggf. die Streuinduktivitäten - das > müssen also nicht die selben sein wie im Kleinsignalmodel. Hallo Ulrich, im Thread "Der Magnetische Verstärker" messe und modelliere ich sättigbare Trafos. Allerdings nur mit Summenparameter. VG Fred
:
Bearbeitet durch User
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.