Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik OPV mit geringem Rauschen und kleiner Stromaufnahme


von Florian (Gast)


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Hallöchen,

ich frage mich gerade auf der Suche nach einem bestimmten OPV, ob sich 
low noise und micro Power (kleiner Stromverbrauch) gegenseitig im Weg 
stehen.

Ich suche für die Filterung und Verstärkung von Biosignalen-EKG-Signalen 
passende OPVs. Bislang verwende ich den LMV772 von TI. Der 
Stromverbrauch liegt bei 600 uA bei 5V und das Rauschen bei 100 Hz liegt 
bei 12,5 nV/sqrt(Hz).
Weitere Randbedingungen sind Rail-to-Rail output, hoher 
Eingangswiderstand und möglichst in der Preisregion des bisherigen OPVs 
LMV772 (um die 1 Euro rum).

Habe mich ein bisschen umgeschaut und mir viel auf, dass wenn der 
Stromverbrauch wirklich niedrig ist wie beim OPA333 beispielsweise 
(25uA) das Rauschen ziemlich hoch ist (60 nV/sqrt(Hz) @ 100 Hz und 100 
fA/sqrt(Hz) @ 1kHz) verglichen mit 12,5 nV/sqrt(Hz) @ 100 Hz des LMV772. 
Allerdings fehlt beim LMV772 das Stromrauschen im Datenblatt, ob das 
absichtlich weggelassen wurde?!

Daher meine Frage, steht niedriges Rauschen einem niedrigen 
Stromverbrauch im Weg?

Hat jemand noch vorschläge für weitere OPVs, die sich eignen?

Danke schonmal im Voraus,

Florian

: Verschoben durch Moderator
von Raymund H. (raymund_h)


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Der Strom der Differenz-Eingangsstufe bestimmt maßgeblich das Rauschen, 
höherer Strom, folglich kleinere effektive Widerstände der Transistoren, 
folglich weniger Rauschen.

Also weiter suchen bis man den, der aus dem Strom das beste macht 
gefunden hat.

Der LMV772 hat niedrigen Eingangs-Bias- & Offset-Strom, daher ist nicht 
zu erwarten dass dieser starkes Stromrauschen hat, für einen BJT 
("Normal"-Transistor) OP zumindest.

Steht auch im DB:

in Input-Referred Current Noise f = 1kHz 0.001 pA/√Hz

Da es ja eine Bio-EKG Anwendung mit kleiner Bandbreite ist, könnte man 
auch einen High Current+Low-Noise OP z.B. bei 100Hz Versorgung mit 
10-30% Einschaltdauer betreiben.

von Ulrich H. (lurchi)


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Wenig Rauschen und geringer Stromverbrauch stehen sich wirklich im Wege. 
Das Rauschen eine Transistors nimmt mit dem Strom ab, sowohl für JFETs, 
MOSFETs als auch BJTs.  Da der Strom nicht nur durch die Eingangsstufe 
fließt kann es da ggf. noch Unterschiede geben. Beim Rauschen ist dann 
auch noch die Frage nach dem Frequenzbereich - bei niedrigen Frequenzen 
haben CMOS OPs oft deutliches extra 1/f Rauschen.

Gerade Rail-Rail OPs sind hinsichtlich Rauchen und wenig Strom oft nicht 
so ideal, weil die Eingangsstufe doppelt ausgelegt ist (NPN und PNP) - 
nahe den Rails werden die Daten teils schlechter. Wirklich braucht man 
Rail-Rail eher selten, ggf. reicht ja auch ein singel supply typ. 
Insbeosndere braucht man bei einem so großen Signal das den ganzen 
Eingangsbereich ausfüllt nur selten (ggf. high End Hifi Fanatiker) ein 
geringes Rauschen.

von Florian (Gast)


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Danke schonmal für eure schnellen Antworten.

@ Raymund H.: Was meinst du mit einer Einschaltdauer von 10 bis 30 %? 
High Current beduetet Stromaufnahme im mA-Bereich?

Meint ihr denn der LMV772 ist schon eine ganz gute Wahl oder ist da noch 
einiges rauszuholen mit anderen OPs?

von Raymund H. (raymund_h)


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Florian schrieb:
> Was meinst du mit einer Einschaltdauer von 10 bis 30 %?

Den Eingangsverstärker nur 10% der Zeit mit Strom versorgen, 
einschwingen abwarten, mit A/D abtasten.

Ist natürlich zu prüfen ob der OP selbst keinen zu langsamen Power up 
hat, die Schaltung muss man dafür natürlich auch auslegen.

von Raymund H. (raymund_h)


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Florian schrieb:
> Meint ihr denn der LMV772 ist schon eine ganz gute Wahl oder ist da noch
> einiges rauszuholen mit anderen OPs?

Ja

www.linear.com

Die haben da auch einiges, wenn auch recht teuer.

von Ulrich H. (lurchi)


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Das nur zeitweise Einschalten dürfte die Sache nicht besser machen: 
damit steigt die Bandbreite und damit das Rauchen. Bestenfalls könnte 
vielleicht man auf die gleiche Performance kommen, wahrscheinlich wird 
aber der Stromverbraucht für gleiche Rauschwerte höher liegen und das 
bei mehr Aufwand. Es gibt Fälle wo das Pulsen lohnen kann, etwa bei 
Optischen Messstrecken und eventuell Widerstandssensoren, hier aber 
nicht.

Der LMV772 ist nicht schlecht, aber auch nicht ausgesprochen gut. Die 
Frage ist vor allem wie viel Rauschen / Störungen die Quelle schon hat. 
Da kann es sehr gut sein, dass ein sparsamerer OP, der mehr rauscht 
ausreicht, weil die Signalquelle schon deutlich mehr rauschen hat. Auch 
das Zielgerät (z.B. ADC) kann die nötige Qualität niedriger festlegen. 
Insbesondere kann man für die Filter einen eher sparsameren OP nehmen, 
wenn die Pegel höher sind.

von Raymund H. (raymund_h)


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Ulrich H. schrieb:
> damit steigt die Bandbreite und damit das Rauchen.

Ob das Rauchen steigt?
Die Bandbreite steigt aber nicht, denn wo ist der Unterschied ob der OP 
in den langen Pausen wo der A/D nicht abtastet aus ist?

Die Bandbreite sinkt, auf halbe Samplerate. Tut sie aber so oder so.

Es wird höchstens mehr Rauschen ins Basisband gespiegelt, das aus dem 
Verstärker/Signal oberhalb Nyquist, weil es nicht mehr gefiltert werden 
kann damit der V eischwingt, doch es dominiert meist das Rauschen bei 
niedrigen Frequenzen und daher verschlechtert sich nicht so viel.

Daher muss der Verstärker breitbandiger als nötig sein, damit er 
einschwingt vor dem Abtasten was wie gesagt etwas mehr Rauschen bringt 
da der kleinere Teil des Verstärkerrauschens oberhalb des Bandes von 
Interesse nicht gefiltert werden kann.



Nähme man von LT einen OP mit einem Zehntel des Rauschens der aber 7ma 
braucht, könnte man wohl bei einem Bruchteil der 7ma deutlich besseres 
Rauschen als der LMV772 erreichen.

von M. K. (sylaina)


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Wow, machen echt 125 nV Rauschen Probleme? Ich hab da was von ein paar 
µV im Kopf. Und was ist ein Bio-EKG? (anders gefragt: Gibts auch ein EKG 
was kein Bio ist?)

Nur so aus Interesse. Ich kenn leider auch nur den OPA340 der aber auch 
schlechter ist bzgl. Rauschen verglichen mit dem LMV772. Dessen 
Eingangsstromrauschen ist ja der Hammer, da kann man die Elekronen ja 
mit Handschlag begrüßen (0,001 pA/SQRT(Hz) = 1fA/SQRT(Hz)) und jedem 
noch nen Prosi in die Hand drücken.

von Mark S. (voltwide)


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Soweit mir bekannt ist das größte Problem bei EKG-Messungen eingefangene 
50Hz-Störungen aus der Umgebung. Um die weg zu bekommen, benötigt man 
echte Differenzverstärker mit sehr hoher Gleichtaktunterdrückung.

Bei Rauschen sollte man klar unterscheiden zwischen Strom- und 
Spannungsrauschen.
Niedrigstes Spannungsrauschen erreicht man üblicherweise mit bipolaren 
Transistoren, wobei das SpannungsRauschen zunimmt, wenn der 
Kollektorstrom reduziert wird. So gesehen rauschen stromarme OPVs mehr.

Stromrauschen fällt bei bipolaren Transistoren mit dem Kollektorstrom. 
Wesentlich kleineres Stromrauschen erreicht man aber mit MOSFET oder 
JFET Eingangsstufen.

Die erste Frage lautet daher immer: Wie groß ist die Quellimpedanz, die 
ich rauschfrei verstärken will? Bei hochohmigen Quellen helfen Dir die 
kleinen Rauschspannungen eines bipolaren OPV nicht weiter, weil nun 
dessen hoher Rauschstrom an der hochohmigen Quelle eine entsprechend 
hohe Rauschspannung aufbaut.

von Florian (Gast)


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Raymund H. schrieb:
"Nähme man von LT einen OP mit einem Zehntel des Rauschens der aber 7ma
braucht, könnte man wohl bei einem Bruchteil der 7ma deutlich besseres
Rauschen als der LMV772 erreichen."

Da habe ich jetzt schonmal einen guten Überblick.
Was ich mich jetzt noch frage, wovon der Strombedarf eines OPV abhängt. 
Der ADA4898 von Analog Devices hat sehr kleines Spannungs- und 
Stromrauschen. Allerdings schnellt der Strombedarf in die Höhe und 
schlägt mit 8 mA zu buche.

Was bedeutet bei einem Bruchteil von 7mA? Kann der Strom bei bestimmter 
Konfiguration herabgesetzt werden?

von foo (Gast)


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Florian schrieb:
> und das Rauschen bei 100 Hz liegt
> bei 12,5 nV/sqrt(Hz).

Für EKG-Anwendungen ist aber sicher auch der Bereich weit unterhalb 
100Hz interessant, in welchem z.B. das Popcorn-Rauschen stattfindet.
Darüber veröffentlichen die Hersteller gewöhnlich wenig bis nichts, u.a. 
weil es zeitraubende Messungen erfordert, die natürlich den Preis in die 
Höhe treiben.
Du wirst dort um eigene Messungen nicht herumkommen und sogar beim 
gleichen Hersteller gute und schlechte Exemplare finden.

von Ulrich H. (lurchi)


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Das Rauschen von Transitoren hängt vom Strom ab. Eine Rauschdichte von 
KT * Sqrt(2/(e*I)) ist da theoretisch zu erwarten, und gute Transistoren 
/ Verstärker kommen dem schon recht nahe. Entsprechend braucht ein 
Rauscharmer OP relativ viel viel Strom in der Eingangsstufe, aber das 
muss nicht so viel sein. Gute rauscharme OPs sind da auch schon relativ 
dicht dran am Limit.

Wenn es um sehr gute PSRR Werte geht, werden oft Instrumentenverstärker 
genutzt. Da sind ggf. intern mehr Verstärker beteiligt und das 
Verhältnis Rauschen Strom (eigentlich Wurzel aus dem Strom) kann je nach 
Aufbau ungünstiger ausfallen, insbesondere wenn ein klassischer INA aus 
3 OPs genutzt wird. Da gibt es andere interne aufbauten die günstiger 
sind.

Wie schon oben bemerkt ist das Rauschen nicht nur durch einen Wert 
gegeben. Es gibt halt das Spannungsrauschen und Stromrauschen - welches 
Verhältnis da passt hängt von der Signalquelle (Impedanz) ab. Dazu kommt 
die Unterscheidung nach Frequenz, insbesondere das 1/f Rauschen, das je 
nach OP unter 1 Hz - 10 kHz schon dominieren kann.

Die Idee mit dem geschalteten Abtasten wird nicht wirklich 
funktionieren, wenn überhaupt dann eventuell gegen das 1/f rauschen, und 
dafür gäbe es dann passende chopperstabilisierte OPs. Das Abschalten des 
OPs scheitert bei den meisten Typen schon daran, dass ohne Versorgung 
die Eingänge nicht hochohmig sein, sondern interne Schutzdioden 
ansprechen. Außerdem braucht es einige Zeit nach dem Einschalten bis der 
OP richtig und stabil arbeitet dadurch holt man sich so etwas wie 1/f 
Rauschen, nur vermutlich noch schlimmer durch die Hintertür wieder rein. 
In der Theorie könnte es reichen wenn man den OP mit 1/10 des Rauschens 
für 1/100 der Zeit aktiv hat, dafür bräuchte man aber eine perfekte 
Filterung.

Für geringes Rauschen im LF Bereich, bei kleinem Stromverbrauch wäre 
ggf. so etwas die der ADA4051 interessant. Das rauschen ist da zwar 
höher, aber der Stromverbrauch sehr gering. Der Wert für 0.1-10 Hz 
könnte aber schon fast Vergleichbar mit dem LMV772 sein.

von Raymund H. (raymund_h)


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Ulrich H. schrieb:
> Die Idee mit dem geschalteten Abtasten wird nicht wirklich
> funktionieren, wenn überhaupt dann eventuell gegen das 1/f rauschen, und
> dafür gäbe es dann passende chopperstabilisierte OPs.

Sicher?

http://www.analog.com/static/imported-files/tutorials/MT-055.pdf

...
However, the chopping action
produces wideband noise which is generally much worse than that of a 
precision bipolar op amp.
...

Auch scheint sich nicht nur das 1/F Rauschen bei niedrigen Frequenzen zu 
konzentrieren.

Man könnte übrigens eine Eingangsstufe mit moduliertem Strom und MAT12 
aufbauen.

von Ulrich H. (lurchi)


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Einen nennenswerten Gewinn beim Breitbandrauschen bekommt man durch das 
ein/auschalten nicht. Bestenfalls (d.h. mit perfekten Filtern und wenn 
man die Zeit zum hochlaufen des Verstärkers vernachlässigt) kommt man 
auf die Abhängigkeit mit der Wurzel des Stromes. Man bleibt also im 
Bereich Rauschen umgekehrt proprotional zur Wurzel aus dem Strom. 
Gewinnen könnte man nur beim 1/f rauschen - dafür verliert man durch die 
nie perfekte Filterung und den Extra Strom für die 
Modulation+Demodulation.

Dazu sind halt die normalen OPs nicht dafür gedacht dauernd ein/aus 
geschaltet zu werden. Die Hersteller haben sich bei den 
Chopperstabilierten OPs schon angestrengt - das wird man kaum besser hin 
bekommen. Miltlerweilen sind die Chopperstabilisierten OPs auch nicht so 
schlecht: der oben erwähnte ADA4051 liegt beim Rauschen schon fast auf 
den Niveau vom alten LTC1050, und das bei unter 20 µA statt 1 mA 
Stromverbrauch.

Die größte Einsparung ist wohl erst einmal wenn man die OPs entsprechend 
den Anforderungen wählt: Die OPs im Filter werden haben wohl geringere 
Anforderungen als die Eingangsstufe.

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