Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Frage zur differentiellen Signalübertragung


von Constantin (Gast)


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Hallo zusammen,

ich habe schon des öfteren gesehen, dass Signale nicht etwa als X und -X 
sondern als X und /X übertragen werden, da die Generierung einer neg. 
Spannung in einzelnen Fällen zu umständlich wäre.

Wenn ich zu dem Thema ein wenig lese, dann kommt das doch der "Pseudo 
differentiellen Übertragung" gleich oder?

Meine Frage:

Welche Unterschied macht es ob ich X und /X oder einfach X und GND 
verdrillt übertrage? Bei beiden würden unterwegs eingefangene Störungen 
durch den Subtrahierer heraus fallen.

von stefanus (Gast)


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Wenn du eine der beiden leitungen mit GND verbindest, sind sie nicht 
mehr symmetrisch abgeschlossen. Die mit GND verbundene Leitung hat quasi 
0 Ohm zu GDN, während die andere beliebig viel Ohm hat (z.B. 100).

von nuff (Gast)


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Wie Stefanus erwähnte, ist der Abschluss asym. und dadurch wird ein 
diff. Störanteil generiert. Jedenfalls erscheint mir das so plausibel.

Die eingekoppelte Störung ist nur dann auf beiden Leitungen identisch 
(und somit eine reine Gleichtaktstörung), wenn diese Störung auf ein 
komplett symmetrisches Adernpaar trifft (das auch komplett sym. 
abgeschlossen ist). Versetz dich mal in die Störung hinein. Die Störung 
darf quasi nicht zwischen beiden Adern unterscheiden können und muss auf 
beide gleichermaßen einwirken.

von Constantin (Gast)


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Also ist die pseudo differentielle Signalübertragung totaler Nonnsens?

PS: Wie geht man vor, wenn man das Empfangene System nicht im Detail 
kennt, bzw. dessen Abschluss?

von stefanus (Gast)


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Differentielle Übertragung muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine 
Ader positive Spannung (gegenüber GND) und die andere negative Spannung 
(gegenüber GND) führt.

Störsignale von außen sind nämlich nicht auf GND bezogen.

Es kommt eher darauf an, dass die Signal-Flanken der beiden Adern 
umgekehrt gepolt sind und gleiche Amplitude haben.

Also wenn z.B. die eine Ader von 3V auf 4V wechselt (also 1 Volr rauf), 
dann muss die andere ein Volt runter gehen. Das kann von 4V nach 3V 
sein, kann aber von 2V auf 1V sein, oder gar von 0V auf -1V.

von stefanus (Gast)


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> Also ist die pseudo differentielle Signalübertragung totaler Nonnsens?

Ich nehme mal an, Du beziehst dich auf den entsprechenden Artikel bei 
Wikipedia. Da geht es um ein Koaxial Kabel, desen Schirm Sender-Seitig 
auf GND liegt und Empfänger-Seitig an einen Differential-Verstärker 
angeschlossen ist (ohne direkt Verbindung zu GND).

Der Schirm hält Störungen von außen vom Innenlieter fern, weil er 
abschirmt. Er leitet das Störsignal zur Masse des Senders. Damit das gut 
klappt, muss der Innenwiderstand des Schirms möglichst gering sein.

Empfängerseitig bringt der Differential-Eingang den Vorteil, dass das 
GND Potential des Empfängers nicht identsich sein muss, wie beim 
Empfänger.

Mit Symmetrischer Übertragunsgstrecke hat das ganze aber nicht mehr viel 
gemeinsam.

Konkretes Beispiel: An der Hofeinfahrt befindet sich eine Videokamera 
mit analogen (Composite FBAS) Ausgang. Das Kameragehäuse ist geerdet. 
Ein langes Koaxial Kabel führt zum Röhren-Monitor im Empfang. Der 
Monitor ist auch geerdet.

Das das Erd-Potential an den beiden Enden des Kabel nicht gleich ist, 
entstehen sichtbare Bildstörungen, und zwar meist horizontale Balken, 
die fortlaufen nach oben oder unten wandern sowie wellige Ränder links 
und Rechts vom Bild (falls die Ränder nicht vom Gehäuse des Monitors 
verdeckt werden). Das Störsignal hat 50Hz und ist sowohl auf dem 
Innenleiter als auch auf dem Schirm mit einem simplem Multimeter im AC 
Bereich messbar (typischerweise zwischen 50mV und 500mV, bei viel mehr 
würde das Bild ganz ausfallen).

Durch die Schaltung, die Wikipedia vorstellt, bekommst Du diese 
Störungen weg. Aber das ist keine symmetrische Signalübertragung. 
Störungen von außen, wie z.B. die Funkwellen eines Handies strahlen 
daher dennoch in das Kabel ein. Vor allem am Büro-Ende des kabels, weil 
von dort aus ein langer Weg bis zum Masseanschluss (Kameragehäuse) ist.

von Constantin (Gast)


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stefanus schrieb:
> Störungen von außen, wie z.B. die Funkwellen eines Handies strahlen
> daher dennoch in das Kabel ein. Vor allem am Büro-Ende des kabels, weil
> von dort aus ein langer Weg bis zum Masseanschluss (Kameragehäuse) ist.

Ja, aber das ist doch dann egal, da die Störungen ja in beiden Adern 
vorhanden sind. Das eigentliche Nutzsignal steckt ja in der Differenz 
und dort ist die Störung nicht vorhanden.

von Constantin (Gast)


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Betrachten wir die Situation mal an einem konkreten Beispiel. Ein 
Encoder liefert seine Signal A und B und zusätzlich /A und /B.

Die Empfangsstelle bildet die Differenz der Signal und gewinnt somit das 
Nutzsignal der beiden Signale. Wenn man jetzt mal komplett die 
Reflektionen bei entsprechender Leitungslänge vernachlässigt, dann würde 
es doch bis auf die doppelte Amplitude am Empfänger keinen Unterschied 
machen ob ich A, /A und B, /B oder A, GND und B, GND abliefern würde?!

von Georg (Gast)


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Constantin schrieb:
> Das eigentliche Nutzsignal steckt ja in der Differenz
> und dort ist die Störung nicht vorhanden

... solange der Empfänger nicht durch die Gleichtaktstörung übersteuert 
wird.

Georg

von Constantin (Gast)


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Georg schrieb:
> Constantin schrieb:
>> Das eigentliche Nutzsignal steckt ja in der Differenz
>> und dort ist die Störung nicht vorhanden
>
> ... solange der Empfänger nicht durch die Gleichtaktstörung übersteuert
> wird.
>
> Georg

Korrekt

von Conny G. (conny_g)


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Und genau dafür gibt's bei den Netzwerk-Ports die Übertrager, die den 
DC-Anteil rausnehmen und die Differenz übrig lassen?

von Constantin (Gast)


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Nebenbei: Ist eine Terminierung Signal von z.B. < 100 kHz notwendig?

von Constantin (Gast)


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Wobei ich gerade gelesen habe, dass es gar keine Rolle spielt, welche 
Frequenz das Signal an sich hat, sondern vielmehr die spektralen 
Anteile, sprich Anstiegszeit der Flanken.

Okay also ist es nach meinem Verständnis dann auch notwendig, dass ich 
z.B. ein Encodersignal terminieren muss.

von Conny G. (conny_g)


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Die Terminierung verringert die Reflexionen des Signals, die ein Bouncen 
und Verzerren von Flanken verursachen können.
Das kann auch schon bei niedrigen Frequenzen auftreten - wenn durch die 
Reflexion die Flanke bounct, dann erkennt der Empfänger u.U. die Flanke 
mehrfach und die Daten sind ungültig.
Es könnte dann noch funktionieren, aber Gewissheit hast Du nur mit 
Terminierung.

von Dietrich L. (dietrichl)


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Constantin schrieb:
> Nebenbei: Ist eine Terminierung Signal von z.B. < 100 kHz notwendig?

Falsche Terminierung bewirkt Reflektionen an den Enden, und die 
überlagern sich mit dem eigentlichen Signal.

Ablauf:
Der Sender sendet eine Flanke, am Empfänger wird ein Teil reflektiert 
und kehrt zurück zum Sender (was den Sender jetzt erst einmal nicht 
stört). Dort wird es wieder reflektiert und geht zurück zum Empfänger.

Hier ist jetzt die Amplitude (Fehlanpassung, Leitungsdämpfung) und die 
Laufzeit (Leitungslänge) entscheidend, ob das überlagerte Signal für den 
Empfänger nicht mehr gut genug ist. Das hängt natürlich auch davon ab, 
wie sensibel der Empfänger ist, d.h. wie fehlertolerant das Signal 
ausgewertet wird.

Jetzt kannst Du Deine Frage vielleicht selber beantworten: Wenn die 
Leitung lang genug ist können die Reflektionen auch bei niedriger 
Geschwindigkeit die Übertragung stören.

Gruß Dietrich

von Constantin (Gast)


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Vielen Dank für Eure hilfreichen Anmerkungen!

Okay, da ich das System (Empfänger) nicht näher kenne, muss ich davon 
ausgehen, dass sich hier möglicherweise keine Terminierung befindet. 
Daher werde ich auf jeden Fall eine auf der Sendeseite vorsehen (ich 
kenne ja die Leitung). Somit kann ich die Reflektionen an Sender 
beseitigen.

von stefanus (Gast)


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Es geht um ein Koaxial Kabel, das einseitig geerdet ist.

>> Störungen von außen, wie z.B. die Funkwellen eines Handies strahlen
>> daher dennoch in das Kabel ein. Vor allem am Büro-Ende des kabels, weil
>> von dort aus ein langer Weg bis zum Masseanschluss (Kameragehäuse) ist.

> Ja, aber das ist doch dann egal, da die Störungen ja in beiden Adern
> vorhanden sind. Das eigentliche Nutzsignal steckt ja in der Differenz
> und dort ist die Störung nicht vorhanden.

Nein. Denn der Schirm ist niederohmig geerdet (annähernd null ohm) 
während der innenleiter mit 75 Ohm terminiert ist.

Differential-Leitungen leben von dem Effekt, dass Störungen beide Adern 
genau gleich betreffen. Dann haben sie keinen Effekt, weil 
Empfängerseitig ja nur die Differenz der beiden Leiter relevant ist. 
Differential Leitungen kommen daher prinzipiell auch ohne Schirm aus. 
Aus der Praxis fallen mir Ethernet und Telefonkabel ein.


Sobald du aber einen der beiden Leiter erdest (egal ob koaxial oder 
verdrillt) worken Störungen aber nicht mehr Symmetrisch auf die Leiter 
ein.

Koaximal-Kabel schirmen jedoch den Innenleiter ab. Der Innenleiter ist 
daher weitgehend Störungsfrei, während der Schirm die Störungen 
ableitet. Je höher der Innenwiderstand des Schirms ist (bzw dessen 
Induktivität bei AC), umso schlechter wirkt er.

von stefanus (Gast)


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> Koaximal-Kabel

Was ist dass denn? Weiss ich selbst nicht. :-)

von stefanus (Gast)


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Zur Frage:

> Wie geht man vor, wenn man das Empfangene System nicht im
> Detail kennt, bzw. dessen Abschluss?

Dann geht man gar nicht vor. Der Sender muss zum Empfänger passen, und 
ebenso das Kabel. Ohne die Eigenschaften des Empfänger zu kennen, kann 
man auf Glück hoffen, aber nicht professionell vorgehen.

von stefanus (Gast)


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> Somit kann ich die Reflektionen an Sender beseitigen.

Was denn nun? Geht es um Reflexionen oder um Einfangen von Störsignalen? 
Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.

Wenn Du Reflexionen vermeiden willst, solltest Du das Kabel an beiden 
Enden mit dem Wellenwiderstand abschließen. Dazu musst du aber erstmal 
wissen, ob die Geräte bereits intern einen solchen Widerstand enthalten 
(wie es bei der Unterhaltungselektronik (TV) üblich ist).

von Georg (Gast)


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stefanus schrieb:
> Sobald du aber einen der beiden Leiter erdest (egal ob koaxial oder
> verdrillt)

Das ist natürlich nicht egal. Bei verdrillten Leitungen heben sich 
Störungen, die auf der Strecke eingekoppelt werden, wenn ein Kabel z.B. 
links liegt, genau mit denen auf, wenn das gleiche Kabel rechts liegt - 
ganz unabhängig von Impedanz und Potential der jeweiligen Leitung, 
einfach aus Symmetriegründen. Ich habe das bisher nur nicht erwähnt, 
weil von Koax die Rede war, und das lässt sich schlecht verdrillen.

Georg

von stefanus (Gast)


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> Bei verdrillten Leitungen heben sich Störungen, die auf der
> Strecke eingekoppelt werden, ... ganz unabhängig von Impedanz
> und Potential der jeweiligen Leitung, einfach aus Symmetriegründen.

Nur, wenn die Leitungen auch symmetrisch abgeschlossen sind. Der TO 
hatte allerdings nach pseudo-symmetrie gefragt, da ist Sender-Seitig 
eine der beiden Leitung an GND angeschlossen (zumindest gemäß 
Wikipedia).

von Georg (Gast)


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stefanus schrieb:
> Nur, wenn die Leitungen auch symmetrisch abgeschlossen sind

Das ist eindeutig falsch und wird durch ständige Wiederholung nicht 
richtiger. Selbst wenn eine Leitung fix GND ist, wirkt der Ausgleich 
durch die Verdrillung. Wenn die Einspeisung auf dem ersten Zentimeter 
durch die auf dem 2. aufgehoben wird usw., was soll dann der Abschluss 
der Leitungen für einen Unterschied machen?

Du kannst aber ruhig noch 10 mal Unsinn posten, ich antworte nicht mehr 
darauf, ist mir zu blöd.

Georg

von npn (Gast)


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Georg schrieb:
> Selbst wenn eine Leitung fix GND ist, wirkt der Ausgleich
> durch die Verdrillung.

Falsch. Nicht die Verdrillung bewirkt die Aufhebung, sondern die 
Differenzbildung (genauer, die Addition der einen negierten Ader mit der 
anderen) beim Empfänger. Dadurch wird das Nutzsignal, was gegenphasig 
ist, addiert und das Störsignal, was gleichphasig ist, nahezu 
ausgelöscht. Wenn du jetzt aber eine Ader auf GND legst, dann legst du 
nicht nur das Nutzsignal auf GND, sondern auch das Störsignal dieser 
Ader. Damit hast du beim Nutz- und beim Störsignal unterschiedliche 
Signale auf den beiden Adern, die dann BEIDE verstärkt werden und keins 
von beiden wird ausgelöscht. Deswegen kann man eine verdrillte Leitung 
(twisted pair) NICHT einseitig auf GND legen, weil dann die Auslöschung 
des Störsignales nicht mehr funktioniert. Wenn man wenig genug Störungen 
hat, kann die Übertragung trotzdem funktionieren, aber der Sinn und 
Zweck einer differenziellen Übertragung ist damit völlig außer Kraft 
gesetzt.

von Georg (Gast)


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npn schrieb:
> Nicht die Verdrillung bewirkt die Aufhebung, sondern die
> Differenzbildung

Deswegen gibt es auch keine verdrillten Kabel, weil das ja sinnlos ist.

Georg

von npn (Gast)


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Georg schrieb:
> Deswegen gibt es auch keine verdrillten Kabel, weil das ja sinnlos ist.

Schon wieder falsch. Was meinst du, was das "twisted" in "twisted pair" 
bedeutet? Das ist die Verdrillung. Wenn du das mal sehen möchtest, nimm 
einfach mal ein Stück Netzwerkkabel (z.B. CAT6) und schau dir das an. 
Dort sind verdrillte Adernpaare drin und nichts anderes.
Die Verdrillung hat den Sinn, daß die Störungen möglichst gleichmäßig 
auf beide Adern einwirken können und damit beim Empfänger besser 
unterdrückt werden können.

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