Hallo, ich bin aktuell in einer Firma am Arbeiten, wo auch Doktoranden beschäftigt sind. Hin und wieder werden dann wissenschaftliche Paper geschrieben, eingereicht und die Mitarbeiten fahren auf die Konferenzen. Hört sich nett an, ist es aber nicht. Denn folgendes ist üblich: - Es werden nicht nur die Namen der Personen als Autoren aufgelistet, welche einen Beitrag geleistet haben. Sondern praktisch alle Freunde&Bekannte in der Firma, für die es hilfreich ist, Veröffentlichungen zu haben. Sprich: Andere Doktoranden, auch wenn sie gar nichts mit dem Projekt zu tun haben. - Diese stehen dann üblicherweise auch noch vor den Studenten drauf, die den Großteil der Arbeit (also nicht nur den Messaufbau, sondern auch wirklich die Ideen dahinter!) erledigt haben. Ansonsten würde das der Professor nicht akzeptieren, heißt es immer. - Paper werden meist aus den Ergebnissen aus Studentenarbeiten zusammenkopiert. Der Text wird schnell hingeschmiert, vom Schreibstil sehr schlecht, teils inhaltlich auch nicht nachvollziehbar. Korrekt zitiert werden die Studentenarbeiten natürlich auch nicht, stattdessen bekommt der Student dann ungefragt seinen Platz unter den Autoren. - Auf Konferenzen fährt grundsätzlich der Betreuer. Selbst wenn der Student 90% der wissenschaftlichen Gesamtleistung erbracht hat darf er nicht mit. Dafür wäre kein Geld da und alleine darf er erst recht nicht hin. Weder der Lehrstuhl noch die Firma interessiert sich dafür. - Das Niveau ist teils... naja... fragwürdig. Da wird alles mögliche in Paper zusammengeworfen, teils auch schon woanders veröffentlicht bzw. nicht wirklich neu oder hilfreich. Ist das nur hier so, oder ist das in Firmen so üblich? Ich bin noch nicht sonderlich lang dabei, aber sowas hab ich schon öfters mitbekommen. Es scheint mir so, als wäre den Leuten oft nur an sich selbst und am Weiterkommen in ihrer Promotion gelegen und weniger an der Wissenschaft an sich. Also nicht am Veröffentlichen zum Verbreiten von Wissen, sondern zur Präsentation von sich selbst. Ich sehe außerdem auch Verstöße gegen die Richtlinien anständigen wissenschaftlichen Arbeitens. Beispielsweise das Nennen von unbeteiligten Personen als Autor finde ich mehr als fragwürdig. Habt ihr ähnliches erlebt, ist das so üblich oder ist es bei euch völlig anders? (mir ist schon klar, dass ich daran nichts ändern kann... Aber wenigstens würd ich da nicht mitmachen wollen)
Der (oder) die in der Autorenliste am Ende bzw. mit dem geringsten Titel hat die Arbeit gemacht. Das ist doch bekannt.
Hmm, hört sich alles ganz normal an. War das mal anders ? Ich bin mit 22 Semestern ein Langzeitstudent und während meiner 11 Jahre habe ich das auch so mitbekommen. Vor 2 Jahren war ich kurz davor mal vor Gericht zu gehen deswegen, aber mir wurde empfohlen auf gut deutsch die Klappe zu halten, wenn ich meinen Abschluss hier machen möchte. In meinem Fall ging es darum, dass ich alleine ca 95% der Arbeit erledigt habe und noch 3 weitere Personen an dem Paper beteiligt waren, allerdings wurden nachher 14 !!! Personen aufgeschrieben und ich war auf der vorletzten Stelle. Traurig, aber wahr. Das ist auch der Grund, warum ich jetzt nach Abschluss in Holland anfange, da krieg ich mehr Geld und hoffentlich auch andere Bedingungen.
Studisklave schrieb: > Ich bin mit 22 > Semestern ein Langzeitstudent und während meiner 11 Jahre habe ich das > auch so mitbekommen. RWTH Aachen?
Ist doch nichts neues. Wissenschaft ist an einigen Lehrstühlen zum Business geworden und der "Dr." für die meisten nur ein Karriere-Steigbügel, hauptsache so schnell wie möglich weg damit. Mit Auszeichnung besteht dann der der sich während seiner Promotion am Besten verkaufen konnte und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. </polemik>
Das Vorgehen ist Standard, aber beliebig schlechter Stil. Standard ist auch dass die Leser wissen, dass der gelesen Unwichtigste, gegen hinten in der Liste, die ganze Arbeit gemacht hat, und die Anderen alles Schnorrer sind. Dh wenn das Paper was taugt, wird das schon bemerkt. Das sollte auch hinreichend Motivation bieten moeglichst schnell auch dort vorbei zu kommen, resp auch die Diss abzuschliessen. An Konferenzen geh ich uebrigens immer auf eigene Rechnung, dann muss ich weder eine Rede, noch ein Poster bringen.
ein_student_der_forschen_will schrieb: > Es scheint mir so, als wäre den Leuten oft nur an sich selbst und am > Weiterkommen in ihrer Promotion gelegen und weniger an der Wissenschaft > an sich. Also nicht am Veröffentlichen zum Verbreiten von Wissen, > sondern zur Präsentation von sich selbst. Nein. Also das kann ich mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen. Am wenigsten in der Wirtschaft! Also sowas, wirklich. Wenn die Studenten schon so ein negatives und völlig falsches Bild von der Wirtschaft haben, wie soll das nur weitergehen? Bin völlig entsetzt. Am persönlichen Weiterkommen auf Kosten anderer ist nun wirklich niemand interessiert, am wenigsten die Akademiker. Es geht einzig und allein um das Wohl der Firma. Sonst nichts!
Ja, diese akademische Feudalsysteme gibt es noch und sie sind alles andere als neu. An manchen Orten halten sie sich ziemlich hartnäckig. So schrieb oben jemand RWTH. In der Industrie gibt es das gleiche Spiel mit Patenten. Drecksläden gibt es überall. Veröffentlichungen mit überproportional vielen Autoren werden Herdenpapiere genannt. Bei vielen Konferenzen werden die mittlerweile aussortiert. Die Reviewer wissen durchaus, was da läuft. Ausnahmen gibt es, wenn der Herr Professor höchstpersönlich im Programmkomitee sitzt oder einer seiner Kumpels aus seiner Seilschaft. Zur Verwendung von Studienarbeiten muss man sagen, dass die in vielen Fachbereichen als nicht zitierfähig gelten. Zitierfähig sind Arbeiten, die, eventuell mit etwas Aufwand, nach einer Veröffentlichung erhältlich sind, und die durch ein Peer-Review gelaufen sind. Bei Studienarbeiten ist das i.A. nicht der Fall. Erst durch die Veröffentlichung eines (Herden)Papiers, in das die Ergebnisse einer Studienarbeit eingeflossen sind, hat man was zu zitieren. Daher sehe ich es als normal an, wenn Studienarbeiten nicht zitiert werden und statt dessen der Student als Mitautor genannt wird. Problematisch wird es erst, wenn der Hauptautor gar nichts beigetragen hat. Wobei das häufig so nicht der Fall ist. Was Studenten übersehen ist, dass der grundsätzliche Versuchsaufbau, die Idee für den Versuch, etc. häufig nicht vom Studenten kam, sondern ihm vorgegeben wurde. Das gilt auch für die Interpretation der Ergebnisse im Gesamtzusammenhang. Wenn dann allerdings eine Herde von "Autoren" auftaucht ist das wissenschaftliches Fehlverhalten. Wie gut oder scheisse eine Uni ist sieht man daran, wie sie solches Fehlverhalten bekämpft oder duldet.
Völlig normal. Die machen den Dr. und ihr arbeitet für die. Dafür bekommt ihr Geld. Ist doch überall im Leben so.
ein_student_der_forschen_will schrieb: > Hallo, ich bin aktuell in einer Firma am Arbeiten, wo auch > Doktoranden > beschäftigt sind. Hin und wieder werden dann wissenschaftliche Paper > geschrieben, eingereicht und die Mitarbeiten fahren auf die Konferenzen. > Hört sich nett an, ist es aber nicht. > Richtig! Es hört sich erst einmal super an, oft ist das aber Bullsiht-Bingo und Namenspushing vom Feinsten... > - Es werden nicht nur die Namen der Personen als Autoren aufgelistet, > welche einen Beitrag geleistet haben. Sondern praktisch alle > Freunde&Bekannte in der Firma, für die es hilfreich ist, > Veröffentlichungen zu haben. Sprich: Andere Doktoranden, auch wenn sie > gar nichts mit dem Projekt zu tun haben. > War bei mir genauso. Der oberste Leiter der Forschungsabteilung setzte als Prämisse, dass er auf jedem Paper genannt ist. Noch vor dem Student der den Inhalt geschrieben hat. Dabei kannte er weder den Inhalt, noch die Studenten. Im Gegenteil, der Typ war absolut machtbesessen und arrogant, in jedem Abstract über seine Person lies er sich mit "Herr XY, veröffentlichte bereits mehr als 600 Papers in..." huldigen. Die Studenten, die seine Reputation ermöglichten schubste er aber herum wie die illegale Putzfrau. > - Diese stehen dann üblicherweise auch noch vor den Studenten drauf, die > den Großteil der Arbeit (also nicht nur den Messaufbau, sondern auch > wirklich die Ideen dahinter!) erledigt haben. Ansonsten würde das der > Professor nicht akzeptieren, heißt es immer. > Dito. That's it. > - Paper werden meist aus den Ergebnissen aus Studentenarbeiten > zusammenkopiert. Der Text wird schnell hingeschmiert, vom Schreibstil > sehr schlecht, teils inhaltlich auch nicht nachvollziehbar. Korrekt > zitiert werden die Studentenarbeiten natürlich auch nicht, stattdessen > bekommt der Student dann ungefragt seinen Platz unter den Autoren. > Meine Arbeit basierte teilweise auf Forschungsergebnissen eines vorherigen Studenten. Während meiner Arbeit stellte ich fest, dass seine Ergebnisse, die natürlich auch im Paper präsentiert wurden, schlichtweg falsch waren. Falsche Rechnungen, die zu viel zu guten Ergebnissen führten. Anstatt einen "überlegenen Ansatz", wie der Student selbst betitelte, war das Ding bestenfalls Durchschnitt. Das hab ich meinem Prof gemeldet, der dieses Paper damals veröffentlichte. Der Prof fasste sich erst mal die Halskrause, schwieg einen Moment und meinte "...das lassen wir so. Drehen Sie Ihre Ergebnisse hin, dass es passt." Ich war empört. Meine Ergebnisse einfälschen um seinen Pfusch zu vertuschen. > - Auf Konferenzen fährt grundsätzlich der Betreuer. Selbst wenn der > Student 90% der wissenschaftlichen Gesamtleistung erbracht hat darf er > nicht mit. Dafür wäre kein Geld da und alleine darf er erst recht nicht > hin. Weder der Lehrstuhl noch die Firma interessiert sich dafür. > Jep. Genau so erlebt. Mein Betreuer war hinterher der Held. Meldete noch wie positiv das Feedback war. Der tolle Kerl aber auch. > Ist das nur hier so, oder ist das in Firmen so üblich? Ich bin noch > nicht sonderlich lang dabei, aber sowas hab ich schon öfters > mitbekommen. > Es scheint mir so, als wäre den Leuten oft nur an sich selbst und am > Weiterkommen in ihrer Promotion gelegen und weniger an der Wissenschaft > an sich. Also nicht am Veröffentlichen zum Verbreiten von Wissen, > sondern zur Präsentation von sich selbst. > > Ich sehe außerdem auch Verstöße gegen die Richtlinien anständigen > wissenschaftlichen Arbeitens. Beispielsweise das Nennen von > unbeteiligten Personen als Autor finde ich mehr als fragwürdig. > > Habt ihr ähnliches erlebt, ist das so üblich oder ist es bei euch völlig > anders? > Es ist extrem traurig wie so etwas nur zum bloßen Eigennutz betrieben wird. Als Konsequenz habe ich den Respekt vor diesem ganzen IEEE Gedöns verlohren. Es gibt gute Paper. Diese sind aber auch oft schon mehrere Jahrzehnte alt, tonnenweise zitiert worden und bilden den Grundsockel. Drumrum ist aber ein immer größerer, unbrauchbarer Wasserkopf entstanden der vielerorts nur der eigenen Bereicherung dient. Profilierung at its best. Ganz vorne dran die obersten Köpfe der Forschungseinrichtungen.
Ja, die Qualität der Papers ist ebenso wie die Qualität der Patente bei 99% unter aller Sau, und die Namen haben selten bis nie etwas mit den Schöpfenden zu tun. Daher sind wissenschaftliche Veröffentlichung i.A. nicht das Papier wert auf das sie geschrieben sind. Das war zwar nie wirklich anders aber der amerikanische Trend, die Qualität nach der Anzahl der Veröffentlichungen einzustufen, hat zu ausschliesslichem Müll geführt.
http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=562 Ein kleinerNachtrag, wie es wirklich abläuft. Und das ist leider nicht nur ein Scherz.
Wenn ich die Beiträge so lese scheine ich in meiner Promotion Glück gehabt zu haben. Bei Publikationen war es bei uns normal denjenigen als ersten Autor aufzuführen, der die Idee hatte und dann die Co-Autoren basierend auf ihrem Beitrag zum Paper. Der betreuuende Prof kam als letztes. Wenn die Publikation im Zusammenhang mit einem EU-Forschungsprojekt veröffentlicht wurde, war es bei uns normal noch den Projektverantwortlichen von unserer Uni mit in die Autorenliste zu nehmen. Es gab auch keinen Druck von irgendjemanden, die Arbeit der Doktoranten und wissenschaftlichen Mitarbeitern wurde geschätzt und es gab so gut wie nie Probleme.
Ist doch (leider) absolut Standard so. Hab ich in meiner längeren Studienzeit an meiner Uni nicht anders erlebt während der 4 Studienarbeiten. Gerade in den üblichen Ingenieurwissenschaften ist ein Dr. letzendlich blos ein Karrieresprung, sonst gar nichts.
stefan Müller schrieb: > Gerade in den üblichen Ingenieurwissenschaften ist ein Dr. letzendlich > blos ein Karrieresprung, sonst gar nichts. So würde ich das nicht sehen. Ich hatte ein Promotionsthema in der Regelungstechnik. Meine Forschungsergebnisse und Erfahrungen kann ich in meinem aktuellen Industriejob einbringen - die Promotion hat sich auch praktisch gelohnt.
Wenn du forschen willst werde Prof und sieh zu das du genügent Forschungsanträge durchbekommst. Oder eben WiMi bei einem Prof der viele Forschungsprojekte hat. Ob man allerdings länger als 2-3 Jahre nach dem Studium noch an der Uni arbeiten sollte, musst du selbst entscheiden.
Lt. IEEE Kriterien dürfen z.B. Personen aus Autoren genannt werden welche die "arbeitsrechtliche" Verantwortung für die durchgeführte Studie hatten, also quasi Fachbereich/Institutsleiter, Arbeitsgruppenleiter, Abteilungsleiter,... usw., auch wenn sie nicht aktiv mitgeschrieben haben. Weiters sind Personen als Autoren erlaubt welche ein Review durchgeführt haben. Großzüglich ausgelegt reicht es also wenn einer der genannten Autoren das Paper vor der Publikation einmal überflogen hat. Die ACM hälts damit sehr ähnlich... Über diese Kriterien kann man natürlich trefflich streiten, für einen Großteil der angesehenen Journale oder Konferenzen gelten sie aber dennoch... Und wie bereits von anderen Postern erwähnt: Auf den Konferenzen auf denen ich war, war es immer für alle klar das der Letztgenannte (bzw. der mit dem kürzesten Titel) der eigentliche Autor war und man diesen Fragen musste wenn man Details wissen wollte... Auch in einer Habilitationskommission in der ich mal saß wurde immer der letztgenannte implizit als "Hauptautor" angesehen, solange die Autoren nicht alphabetisch geordnet waren oder der Habilitationswerber das mit guten Argumenten widerlegen konnte...
Ich habe es anders kennengelernt (IEEE Konferenzen und Journals). Der erste Name ist der Hauptautor, gefolgt von den anderen Autoren basierend auf ihrem Beitrag zum Paper. Der letzte Autor ist der jeweilige Betreuuer, bzw. Prof.
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.