Forum: Offtopic Wann wird ein Bauteil obsolet ?


von Ridcully (Gast)


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Hallo,

manche Bauteile, dabei insbesondere IC's, werden schnell von den 
Herstellern als obsolet bezeichnet, also nicht mehr hergestellt.
Das das nicht unbedingt mit veralteter Technik zusammen hängt erkennt 
man daran das der Steinalte 555 (NE, µA, LM ...) der 741 und einige 
weitere  Jahrzehnte alte Typen immer noch Produziert werden.
Dagegen sind aber manche "einzigartige"  Bauteile welche nicht so ohne 
weiteres Ersetzt werden können schon nach wenigen Jahren aus der 
Produktion heraus.


Warum kann ich immer noch Problemlos einen 555 kaufen (nicht nur aus 
Lagerbeständen) z.B.aber bei einen PIC16F84 muss man schon auf 
Lagerbestände hoffen (und der ist dann nicht so einfach zu ersetzen wenn 
man nur ein fertiges hex File nutzen kann oder keine 
Programmierkenntnisse hat bzw. nicht auf einen gut dokumentierten 
Sourcecode Zugang hat welcher dann für einen Nachfolgertyp angepasst 
werden kann).
Bei bestimmten Profianwendungen (z.B. Avionik) kommen dann noch 
zusätzlich Probleme mit Zulassungen und Zertifizierungen hinzu.

Handelt es sich dabei nur "Angebot und Nachfrage" oder steht da mehr 
dahinter ?

mfg
      Ridcully

: Verschoben durch User
von Georg (Gast)


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Ridcully schrieb:
> Handelt es sich dabei nur "Angebot und Nachfrage" oder steht da mehr
> dahinter

Eine Firma hört auf, ein IC zu produzieren, wenn sie kein Geld mehr 
damit verdient oder weniger als mit anderen Produkten, die sie 
stattdessen herstellen kann. Frag einen BWLer warum das so ist. Ob 
irgendwo ein Herr Müller noch so einen Chip braucht interessiert nicht, 
es sei denn es wären hunderttausende solche Müllers.

Uralte aber populäre ICs wie 555 werfen noch genug ab, damit sie 
irgendjemand noch produziert, aber das sind meistens nicht mehr die 
ursprünglichen Hersteller, sondern chinesische Billig-Factories, mache 
legal, manche weniger.

So ein Uralt-Chip mit ein paar Transistoren braucht trotz Shrinking mehr 
Silizium als ein moderner Prozessor oder Speicher.

Georg

von ... (Gast)


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Nachfrage und Marge.
Wenn du genug Geld auf den Tisch legst, fährt der Hersteller die 
Produktion schon wieder hoch bzw. lässt in einer anderen Fab 
produzieren, wenn er die Fertigungsstraße selber nicht mehr hat...

Über Verfügbarkeit und Produktlebenszyklus sollte man sich in der 
Entwicklung gedanken gemacht haben. Wenn nicht einmal mehr Sourcecode 
existiert, kann das Produkt nicht so wichtig sein und hat garantiert 
kein einschlägiges Zulassungsverfahren bestanden.

von physiker (Gast)


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Und ab und an wird das Einstellen durch erzwungene Prozeßumstellung 
getriggert. Wenn man zu dem Schluß kommt, daß sich das Redesign nicht 
mehr lohnt.

von Fabian F. (fabian_f55)


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Manche Bauteile sind quasi "zeitlos" weil man die vielfältig einsetzen 
kann, oder weil sie für prototyping verwendet werden.
Viele andere Bausteine lassen sich heute eben oft einfacher ersetzen. So 
kann man z.B. viele Logik-bausteine durch einen kleinen FPGA oder µC 
ersetzen. Ist natürlich nicht 1:1 Pinkompatibel, aber die Funktion ist 
noch darstellbar. Kein Problem für jemand den neu designt, Pech für den, 
der Ersatz braucht.

Bei sehr speziellen Bausteinen hat sich oft der Markt geändert und es 
besteht nicht mehr genug Bedarf.

Wenn man sicher gehen will möglichst lange Ersatz zu finden, sollte man 
Chips aus dem Automotive-bereich oder aus dem Avionik-Bereich nehmen. 
Die haben meistens lange Herstellunggarantien, sind aber auch erheblich 
teurer.

von Schreiber (Gast)


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Ridcully schrieb:
> Handelt es sich dabei nur "Angebot und Nachfrage" oder steht da mehr
> dahinter ?

nur Angebot und Nachfrage.

Ridcully schrieb:
> Warum kann ich immer noch Problemlos einen 555 kaufen (nicht nur aus
> Lagerbeständen) z.B.aber bei einen PIC16F84 muss man schon auf
> Lagerbestände hoffen

ganz einfach: der 555 wird noch immer gerne eingesetzt (weil 
konkurenzlos billig und vielseitig), der alte PIC wurde dagegen schon 
längst durch neuere Modelle die weniger kosten und leistungsfähiger sind 
ersetzt.

Ridcully schrieb:
> Bei bestimmten Profianwendungen (z.B. Avionik) kommen dann noch
> zusätzlich Probleme mit Zulassungen und Zertifizierungen hinzu.

das ist nichts neues. Der Aufwand um Bauteile zur Instandhaltung der 
Elektronik in Concorde oder Space Shutle zu beschaffen, war enorm.
Teilweise wurden bei ebay alte Elektronikgeräte gekauft nur um ein 
bestimmtes Bauteil ausschlachten zu können.
Teilweise mussten auch Baugruppen neu entwickelt und zertifiziert werden 
nur weil irgendein Bauteil einfach nicht mehr zu bekommen war!

...das gleiche Problem haben übrigens auch die Betreiber alter 
Kernkraftwerke, weshalb diese dazu übergegangen sind wichtige 
Baugruppen/Bauelemente auf dem Gebrauchtmarkt aufzukaufen und als 
Ersatzteile einzulagern. Auch beim Militär wird häufig über derartige 
Probleme geflucht, Probleme mit gefälschten Gebrauchtersatzteilen 
inbegriffen!

Ridcully schrieb:
> Dagegen sind aber manche "einzigartige"  Bauteile welche nicht so ohne
> weiteres Ersetzt werden können schon nach wenigen Jahren aus der
> Produktion heraus.
...mangels Nachfrage.
 Eine Fertigungslinie kostet nunmal viel Geld und will daher ausgelastet 
werden. Selbst dann wenn sie alt und schon längst abgeschrieben ist 
fallen immer noch die Ausgaben für Halle, Instandhaltung und Personal 
an. Nur wegen ein paar ICs am Tag lässt keiner so eine Anlage stehen. 
Vor Einstellung der Fertigung werden noch einige Bauteile ins Lager 
gelegt und wenn die weg sind, dann hat der Kunde halt Pech.

... schrieb:
> Über Verfügbarkeit und Produktlebenszyklus sollte man sich in der
> Entwicklung gedanken gemacht haben.

stimmt. Teilweise kann das auch bedeuten, dass man halt genug Bauteile 
für die nächsten Jahrzehnte einlagern muss!

von Michael S. (rbs_phoenix)


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Ridcully schrieb:
> z.B.aber bei einen PIC16F84 muss man schon auf
> Lagerbestände hoffen (und der ist dann nicht so einfach zu ersetzen wenn
> man nur ein fertiges hex File nutzen kann oder keine
> Programmierkenntnisse hat bzw. nicht auf einen gut dokumentierten
> Sourcecode Zugang hat welcher dann für einen Nachfolgertyp angepasst
> werden kann).

Ich weiß, es ist nur ein Beispiel, aber gerade Microchip ist ein 
Hersteller, der solche alten Krücken noch anbietet. Auch bei Mouser 
kannst du die Dinger noch bestellen, selbst die 16F84 (ohne A) sind noch 
zu kaufen. Mit 3€ pro Stück bei weitem nicht Zeitgerecht, aber dennoch 
zu haben. Dort bekommt man auch noch einer der ersten PICs überhaupt, 
den PIC16C54, und in allen Varianten sind noch 600+ auf Lager ;)
Von dem was ich sehe, lese und höre ist Microchip schon ein SEHR 
zuverlässiger Hersteller. Was die Verfügbarkeit von alten Chips angeht, 
sowie die Verfügbarkeit von aktuellen Bauteilen (vgl. Maxim-IC).

: Bearbeitet durch User
von MaWin (Gast)


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Ridcully schrieb:
> Handelt es sich dabei nur "Angebot und Nachfrage" oder steht da mehr
> dahinter ?

Meiszens.

Manchmal gehen auch Belichtungsmasken und Entwürfe verloren, brennen für 
den Chip unersetzliche Fabriken ab, gibt es Patentrechtsstreitigkeiten, 
oder ist es politisches Kalkül "wir wollem den Kunden das Neue 
Nachfolgeprodukt aufzwingen, koste es, was es wolle".

von Frank K. (fchk)


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Oder die politischen Rahmenbedingungen ändern sich. Wenn Du aufgrund von 
ROHS bleifrei fertigen musst, weil Du gesetzlich dazu verdonnert worden 
bist, dann hast Du ein Problem, wenn es die benötigte Bauteile nicht 
mehr ins Bleifrei-Zeitalter schaffen. Im Moment auch sehr beliebt: 
REACH, wo es um die eingesetzten Chemikalien und Grundstoffe geht.

fchk

von Mani W. (e-doc)


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Deshalb benutze ich hauptsächlich 324, 4093, 555, 741 und ähnliche.

Damit lässt sich vieles erstellen, aber in Zeiten von Mikrochips ist
viel Wissen verloren gegangen, was man alles mit "normalen" Bauteilen
serienreif und ohne Komplikationen bauen kann.
Und dabei gibt es bis jetzt kein "Ressourcen-Problem"

Mani

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Die alten Masken werden oft von Rochester und Lansdale übernommen, wenn 
sich zahlungskräftige Kunden finden werden die Typen dann nochmal 
hergestellt

https://www.rocelec.com/
http://www.lansdale.com/

von Andreas D. (rackandboneman)


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Bei immer noch zu habenden IC-Typen aus den 70ern spielt es sicher auch 
keine kleine Rolle dass einige davon in rauhen Mengen in militärischem 
Gerät verbaut wurden das nach wie vor im Einsatz ist.

von Jens M. (Gast)


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Ridcully schrieb:
> Handelt es sich dabei nur "Angebot und Nachfrage" oder steht da mehr
> dahinter ?

Viel mehr, hauptsächlich Firmenpolitik.

Gerade das von dir genannte Microchip ist bekannt für lange Lebenszyklen 
der Produkte. Aber egal was du einsetzt, du kommst nicht darum herum die 
Verfügbarkeit selbst zu managen.

Um bei dem Beispiel zu bleiben. Der Hersteller bietet diverse Services 
an um dich zu informieren falls ein Produkt nicht mehr hergestellt oder 
geändert wird.

http://www.microchip.com/pagehandler/en-us/designsupport/pcn

Das dann drei Jahre vorher.

Du kannst es auch für alle Teile selbst prüfen:
http://www.microchip.com/mymicrochip/Reports.aspx?type=eol


Beim "most on allocation award" wäre diese Firma übrigens chancenlos. 
Ganz im Gegensatz zu einer hier präferierten Marke ;-).


Wie bei allen anderen Herstellern auch werden im Fall der Fälle 
migration tools oder Anleitungen angeboten.

Bei dem von dir genannten Beipiel auf den PIC16F84A der den Status "in 
production" hat.

ww1.microchip.com/downloads/en/DeviceDoc/30072b.pdf

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