Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Warum schmlizt der Leitungsdraht auf der Primärspule eines Transformators nicht?


von Frage zu Trafo Grundlagen (Gast)


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Der Leitungsdraht einer Primärspule eines Transformators wird ja an 
beiden Stromzuleitungen (+/- im 50 Hz Wechsel) angeschlossen, womit 
praktisch ein Kurzschluss gebildet wird.

Aber warum führt dieser Kurzschluss dann bei einem Transformator nicht 
dazu, dass der Draht anfängt zu schmilzen oder die Sicherung rausfliegt?


Und wenn ich jetzt anstatt dünnem Leitungsdraht einen sehr dicken 
Leitungsdraht verwende, der dicker ist, als der Leitungsdraht an den 
Stromzuleitungen (z.B. der, der in der Wand verlegt ist und z.B. zur 
Steckdose führt), warum schmilzt dann nicht der Leitungsdraht der 
Stromzuleitung?


Und dann habe ich noch eine Frage.
Wie weiß man, wenn man mit dem Trafo die Spannung von 230 V auf 12 V auf 
der Sekundärseite heruntertransformiert, dass der Trafo auf der 
Sekundärseite z.B. 500 mA verträgt?
Wie wird diese Strombelastung festgelegt?
Was passiert, wenn ich einen Verbraucher der 1 A benötigt dort 
anschließe, brennt der Trafo dann durch?

von Tom Thomsen (Gast)


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Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:
> Aber warum führt dieser Kurzschluss dann bei einem Transformator nicht
> dazu, dass der Draht anfängt zu schmilzen oder die Sicherung rausfliegt?

Weil der Trafo einen Kern besitzt und damit die Primärwicklung eine 
ausreichend Induktivität hat, so dass es nicht mal näherungsweise ein 
Kurzschluss ist.

von Frage zu Trafo Grundlagen (Gast)


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Gilt das auch dann, wenn man um den Kern nur eine einzige Windung macht 
oder ist das von der Anzahl der Windungen auf der Primärseite abhängig?

von M.N. (Gast)


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Moin,

der Leerlaufstrom eines Trafos ist sehr gering (idealerweise 
verschwindend), weil die Primärinduktivität einen sehr hohen 
Wechselstrom-Widerstand [1].
Erhöht man nun die Primärspannung über den Nennbetrieb hinaus, passieren 
zwei Sachen:
* Der Primärstrom erhöht sich proportional nach dem ohmschen Gesetzt
* bei Trafos mit Kern (Eisen, Ferrit) kommt es zur Sättigung [2], 
wodurch die wirksame Induktivität deutlich kleiner wird und der Strom 
übermäßig ansteigt (nichtlineares Verhalten).
Insbesondere die Sättigung durch Überspannung sorgt dafür, dass der 
Primärstrom sehr stark zunimmt und die Primärwindung durchbrennen kann.

Sekundärseitig wird die Wicklung so bemessen, dass die ohmschen 
Verluste, also die Erwärmung bei Nennstrom in vertretbarem Maße ist. Ist 
dein Trafo für 0,5 A ausgelegt, und du entnimmst 1 A, dann sind die 
Verluste bereits bis zu viermal (4) so groß (wenn man annimmt, dass der 
Trafo entsprechend "hart" ist und die Sekundärspannung nicht nennenswert 
zusammenbricht) und die Erwärmung der Sekundärwicklung kann sie in 
kurzer Zeit zerstören.

Erschöpfende Infos finden sich auch in [3].


[1] 
https://de.wikipedia.org/wiki/Blindwiderstand#Induktiver_und_kapazitiver_Blindwiderstand
[2] 
https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4ttigungsmagnetisierung#S.C3.A4ttigung
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Transformator

von M.N. (Gast)


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Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:
> Gilt das auch dann, wenn man um den Kern nur eine einzige Windung
> macht
> oder ist das von der Anzahl der Windungen auf der Primärseite abhängig?

Ja, aber dann ist die Primärinduktivität eben sehr klein und der 
Primärstrom eben sehr groß.
Weitere Infos: 
http://www.mikrocontroller.net/articles/Transformatoren_und_Spulen

von Falk B. (falk)


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@ Frage zu Trafo Grundlagen (Gast)

>Der Leitungsdraht einer Primärspule eines Transformators wird ja an
>beiden Stromzuleitungen (+/- im 50 Hz Wechsel) angeschlossen, womit
>praktisch ein Kurzschluss gebildet wird.

FALSCH! Der GLEICHSTROMwiderstand ist gering, der WECHSELSTROMwiderstand 
aber recht hoch, eben weil viele Windungen um einen Eisenkern gelegt 
sind.

>Aber warum führt dieser Kurzschluss dann bei einem Transformator nicht
>dazu, dass der Draht anfängt zu schmilzen oder die Sicherung rausfliegt?

schmelzen

>Und wenn ich jetzt anstatt dünnem Leitungsdraht einen sehr dicken
>Leitungsdraht verwende, der dicker ist, als der Leitungsdraht an den
>Stromzuleitungen (z.B. der, der in der Wand verlegt ist und z.B. zur
>Steckdose führt), warum schmilzt dann nicht der Leitungsdraht der
>Stromzuleitung?

Warum sollte er? Der Stromfluß ist nicht in erster Linie vom 
Drahtdurchmesser abhängig sondern vom WECHSELSTROMwiderstand.

>Wie weiß man, wenn man mit dem Trafo die Spannung von 230 V auf 12 V auf
>der Sekundärseite heruntertransformiert, dass der Trafo auf der
>Sekundärseite z.B. 500 mA verträgt?
>Wie wird diese Strombelastung festgelegt?

Duch die Dimensionierung der Drahtstärke. Das macht der Entwickler des 
Trafos.

>Was passiert, wenn ich einen Verbraucher der 1 A benötigt dort
>anschließe, brennt der Trafo dann durch?

Vorerst nicht, aber er wird irgendwann warm und ggf zu warm, sodass er 
durchbrennt.

von MaWin (Gast)


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Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:
> Aber warum führt dieser Kurzschluss dann bei einem Transformator nicht
> dazu, dass der Draht anfängt zu schmilzen oder die Sicherung rausfliegt?

Wenn du den Trafo an Gleichspannung anschliessen würde, passiert genau 
das.

Aber er ist ja für 50Hz ausgelegt.

Warum hat er primär nicht nur 1 Windung sondern 100 bis 1000? Weil er so 
zu einer Spule mit einer Induktivität wird, und durch eine Spule fliesst 
Wechselstrom nicht so gut weil sich die Induktivität so wie ein 
Widerstand dem Stromfluss entgegenstellt, sondern nur ein kleiner 
Leerlaufstrom.

Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:
> Wie weiß man, wenn man mit dem Trafo die Spannung von 230 V auf 12 V auf
> der Sekundärseite heruntertransformiert, dass der Trafo auf der
> Sekundärseite z.B. 500 mA verträgt?

Man probiert es aus: Immer weiter belasten bis er so warm wird, dass man 
ihm nicht mehr zumuten will (so 115 GradC im Inneren). Das, was er 
schafft, schreibt man als maximale Belastung drauf. Natürlich können 
Trafohetsteller das auch vorher ausrechnen und wussen dann, welchen Kern 
und welchen Draht man für die Stromstärke braucht.

von Noch einer (Gast)


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>> Wie weiß man, dass der Trafo auf der
>> Sekundärseite z.B. 500 mA verträgt?

>Man probiert es aus:

Genauer gesagt, unsere Vorgänger haben es ausprobiert und ein 
mathematisches Modell zusammengestellt. Damit können wir es heutzutage 
berechnen.

Das einzige Problem dabei - man braucht Jahre, bis man diese 
mathematischen Modelle versteht.

von Falk B. (falk)


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@ Noch einer (Gast)

>Das einzige Problem dabei - man braucht Jahre, bis man diese
>mathematischen Modelle versteht.

Kaum. Die meisten Trafo werden nach Erfahrung und daraus abgeleiteten 
Tabellen gebaut. Das ist kein Hexenwerk. Eine FEM-Simulation wir da in 
den allerwenigsten Fällen gemacht.

von Harald W. (wilhelms)


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Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:

> Wie weiß man, wenn man mit dem Trafo die Spannung von 230 V auf 12 V auf
> der Sekundärseite heruntertransformiert, dass der Trafo auf der
> Sekundärseite z.B. 500 mA verträgt?

Theoretisch kann der Trafo beliebig grosse Leistungen übertragen.
Der zulässige Strom wird allein durch die Verlustleistung und die
dadurch bedingte Erwärmumg des Trafos begrenzt.

von Gerald B. (gerald_b)


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Für verschiedene Trafotypen und Kernbleche gibt es Tabellen, die 
angeben, wieviele Windungen pro Volt bei 50 Hz notwendig sind.
Der nötige Drahtdurchmesser ergibt sich aus der maximal für die 
Kerngröße zulässigen Stromdichte und aus dieser läßt sich der 
Drahtquerschnitt und daraus der Drehtdurchmesser ermitteln. Kleinere 
Trafos vertagen höhere Stromdichten, weil das Verhältnis Oberfläche zu 
Volumen größer ist.
Wenn die für die Wicklungen gewünschten Stromdichten zu hoch werden, 
bzw. der notendige Querschnitt auf dem Wickelkörper nicht auseicht, muß 
man auf die nächsthöhere Kernkröße ausweichen und das Ganze nochmal 
durchrechnen.
Das Ganze ist mit diesen Tabellen kein Hexenwerk. Das habe ich bereits 
als Lehrling kapiert und mir einen benötigten Trafo für die Ansteuerung 
von Nixiröhren selber berechnet. Der Meister in der Trafowickelei hat 
alles nochmal mit seinen Unterlagen überprüft, fand nichts dran 
auszusetzen :-)

von M.N. (Gast)


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Hier kann man auch einige dieser historischen Tabellen betrachten: 
http://www.jogis-roehrenbude.de/Transformator.htm

von Noch einer (Gast)


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> Das ist kein Hexenwerk.

Für einen Ingenieur nicht. Ein Schornsteinfeger dagegen kann mit diesen 
Tabellen genau so viel anfangen wie mit dem Codex Rohonczi.

von Kai K. (klaas)


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>Der Leitungsdraht einer Primärspule eines Transformators wird ja an
>beiden Stromzuleitungen (+/- im 50 Hz Wechsel) angeschlossen, womit
>praktisch ein Kurzschluss gebildet wird.

Naja, Kurzschluß nun nicht gerade. Kleinere Trafos können bei der 
Primärwicklung einen DC-Widerstand von mehreren 100R haben. Der Draht 
ist teilweise äußerst dünn und läßt sich nur schwer wickeln. Einerseits 
soll die Primärspule straff aufgewickelt werden, andereseits hält der 
Draht keine hohe Zugkraft aus. Deswegen ist ein Abriß des Primärdrahts 
auch ein typischer Ausfall bei der Herstellung.

von Depp (Gast)


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Noch einer schrieb:
> Das einzige Problem dabei - man braucht Jahre, bis man diese
> mathematischen Modelle versteht.

Völlig richtig - von der Geburt an gerechnet ??grmblfjxglgl??

von Andreas D. (rackandboneman)


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"Erhöht man nun die Primärspannung über den Nennbetrieb hinaus, 
passieren
zwei Sachen:"

Man sollte nicht unerwähnt lassen dass ein Betrieb bei Nennspannung aber 
unterhalb der Nennfrequenz ähnliche Folgen haben kann (schon Leuten 
passiert die für 60Hz ausgelegte nordamerikanische Trafos irrtümlich 
hier an 110V/50Hz angeschlossen haben).

von Frage zu Trafo Grundlagen (Gast)


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Danke für eure Antworten.

von Tom Thomsen (Gast)


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Frage zu Trafo Grundlagen schrieb:
> Gilt das auch dann, wenn man um den Kern nur eine einzige Windung macht
> oder ist das von der Anzahl der Windungen auf der Primärseite abhängig?

Solche Grundlagen stehen schon bei Wikipedia unter Induktivität.
https://de.wikipedia.org/wiki/Induktivit%C3%A4t#Bestimmung_der_Induktivit.C3.A4t_mittels_AL-Wert
Wenn du dir dort anguckst, wie sich die Induktivität L berechnen läßt, 
hast du eine deutliche Abhängigkeit von der Windungszahl N, nämlich 
quadratisch. Eine Verdoppelung der Windungszahl führt also zu einer 
Vervierfachung der Induktivität.

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