Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Gerät mit nicht RoHS-konformem Bauteil


von Kurt Sprem (Gast)


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Hallo alle zusammen,

wir sind eine sehr sehr kleine Firma und haben ein spezielles Messgerät, 
welches ein nicht RoHS-konformes Bauteil enthält (ist auch nicht konform 
beschaffbar). Dieses wurde im Design schon extra gesockelt (PLCC44) 
ausgeführt. Jetzt wird dieses Gerät wieder nachgefragt (10-20Stk./pro 
Jahr). Die Überlegung ist einfach, das Gerät ohne das Bauteil 
auszuliefern, das Bauteil getrennt mitzuliefern und es den z.B. Kunden 
ggf. einsetzen zu lassen, sofern er diese konkrete Messfunktion des 
Gerätes benötigt (es ist nur eine sehr spezielle Funktion davon 
betroffen). Was meint ihr, könnte das evtl. Probleme geben?

Gruss
Kurt

von Stefan W. (dl6dx)


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Das separate Ausliefern des Bauteils ist m.E. keine taugliche 
Umgehungsmaßnahme.

Aber es wäre zu klären, ob nicht evt. eine Ausnahmeregelung greift oder 
ob ihr nicht einen Antrag auf eine Ausnahme stellen könntet.

Ohne mehr Details zu Bauteil und Anwendung kann man dazu aber nichts 
sagen.

Grüße

Stefan

von Kurt Sprem (Gast)


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Hi,

es ist ein Indizierungssystem für Klopfsensoren an Verbrennungsmotoren. 
Das fragliche Bauteil ist ein spezielles Filterasic. Das Bauteil ist 
auch frei erhältlich bei einigen Distributoren. Was spräche denn gegen 
die getrennte Auslieferung? Bauteilverkauf wäre ja legal. Der Einbau 
wird ja nicht von uns gemacht, dachte ich. Gerät somit von unserer Seite 
doch konform...

Gruss

von asd (Gast)


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Ist es nicht so dass eine gewisse Anzahl nicht-ROHS-Bauteile in einem 
ROHS-Gerät zugelassen sind solang ein gewisses Gewicht an Blei, etc. 
nicht überschritten wird?
Und: Wenn das Gerät fest in einer Fabrik ein-/angebaut wird, also kein 
tragbares Consumer-Gerät mit Netzszecker ist, greift dann nicht eh eine 
der vielen Ausnahmeregelungen?

von Mikki M. (mmerten)


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Es stellt sich da die Frage ob ihr mit dieser speziellen Messelektronik 
für die Industrie überhaupt unter ROHS fallt, oder ob euer Auftraggeber 
dies explizit fordert.

von Floppy (Gast)


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asd schrieb:
> Ist es nicht so dass eine gewisse Anzahl nicht-ROHS-Bauteile in einem
> ROHS-Gerät zugelassen sind solang ein gewisses Gewicht an Blei, etc.
> nicht überschritten wird?

In diesem Fall liefere das Bauteil mit ner Stange Zinn aus die mit ins 
Gehäuse geklebt werden muss bzw macht das selbst bei Auslieferung!

von Kurt Sprem (Gast)


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Das System kaufen halt meist Chiptuning Werkstätten oder auch 
ambitionierte Motorsportler, um ihre Motoren zu optimieren. Den 
Funktionsteil z.B. zur Zündwinkeloptimierung auf dem Prüfstand. Deswegen 
kamen wir auf die Idee der Extralieferung und ggf Montage vom Kunden bei 
Bedarf. Das Teil gibt es sogar bei Amazon gelistet :)

Gruss

von Kurt Sprem (Gast)


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Das System ist auch mobil...

von Floppy (Gast)


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Kurt Sprem schrieb:
> Das System ist auch mobil...

Ist dem RoHS egal...

von Tilo (Gast)


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RoHS ist eine Forderung für das gesamte Gerät.

Im Extremfall kann man das Gerät zermalen lassen und dann die 
Bestandteile bestimmen. Liegt man unter den Grenzwerten, ist alles OK.
RoHS verbietet z.B. Blei nicht 100%.

Alternativ kann man veruschen durch Berechnung nachzuweisen, dass man 
die Grenzen einhält. Das wird aber oft schwierig, weil man nicht weiß, 
wie viel Reserve die RoHS-konformen Komponentne noch haben.

von EC (Gast)


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Was steht denn in eurer Konformitätserklärung, wird dei RoHS RL 
angeführt?

von Kurt Sprem (Gast)


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Die Mengeninfos zum Bauteil habe ich schon bekommen. Es sind 0.00053g 
Pinbeschichtung und darin bis max. 20% Blei...

von Kurt Sprem (Gast)


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noch nichts, da das Gerät schon fast 10 Jahre nicht mehr neu verkauft 
wurde, sondern immer Rücknahmen und Wiederaubereitung. Jetzt ist aber 
Nachfrage da und nix Aufgearbeitetes mehr da...

von Gerd E. (robberknight)


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Wenn Du das Gerät ohne dieses nicht RoHS-konforme Bauteil verkaufst, 
kann Dir keine Behörde oder ein Konkurrent an den Karren fahren. Wenn 
der Kunde sich das Bauteil dann selbst besorgt und einbaut ist das seine 
Sache.

Nur würde ich das Bauteil selber nicht dem Kunden gleich im Paket 
mitverkaufen. Das würde eine Behörde vermutlich nicht als Verkauf eines 
einzelnen Bauteils deuten, sondern als Option oder Teil des gesamten 
Geräts. Und damit fällt das dann in die selbe Kategorie wie das gesamte 
Gerät.

Was natürlich passieren kann, ist daß sich der Kunde beschwert daß diese 
eine, in der Beschreibung vorhandene Funktion, fehlt. Wenn Du das von 
vorneherein sauber kommunizierst sollte das aber kein Problem geben.

von BV (Gast)


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Man kann es auch übertreiben...

von H.Joachim S. (crazyhorse)


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Ich würde mir da gar keine Gedanken machen. Es sei denn, ihr habt 
böswillige Konkurrenten, die nur darauf warten...
Wenn es das einzige Teil ist mit ein paar µg Blei drin und nicht konform 
beschaffbar - wen soll das stören? Noch dazu in der beabsichtigten 
Stückzahl.
Vielleicht hast du aber schon ein wenig zuviel verraten, worum es 
eigentlich geht. Es gibt jetzt Möglichkeiten, das aktiv zu suchen.

von Kurt Sprem (Gast)


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Ich glaube ich habe doch nochwas gefunden. In der aktuellen Richtlinie 
gibt es die Ausnahme für Geräte für "Forschung und Entwicklung". Das 
sollte eigentlich perfekt passen...

von Michael K. (Gast)


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Wie sagte mir ein Vertreter:
In Deutschland wurde die Frage nach RoHS ca. 2 mal häufiger gestellt als 
im gesammten übrigen Europäischen Raum zusammengenommen.

Natürlich darfst Du 'nicht RoHS' Bauteile verwenden, solange der 
prozentuale Anteil am Gerät klein genug ist.
Genau das ist so schwer nachzuweisen weswegen es derzeit kaum eine 
behördliche Überwachung gibt.

Solange man RoHS konforme BleiGel Akkus kaufen kann (per 
Ausnahmeregelung konform) ist das alles nur Augenwischerei.
Ein ganzer Haufen an Bauteilen ist nur per Ausnahmeregelung RoHS 
konform.
Bei der Analyse machen die Messgeräte aber keine Ausnahme zwischen 'mit 
Ausnahmeregelung' und 'ohne Ausnahmeregelung'.
Wer will jetzt beweisen welcher Anteil legal und welcher illegal ist 
ausser über Deine Geschäftspapiere ?

In der Sache ist die Regelung gut gemeint, aber in der Praxis oft 
einfach nicht umzusetzen.
In Luft und Raumfahrt kommen nur die ganz waagemutigen auf die Idee 
bleifrei in kritischen Baugruppen zu verwenden weswegen das gleich 
komplett unter einer Ausnahmeregelung läuft.

Für den Fall der Fälle würde ich einen Nachweis führen was Du 
unternommen hast um das Bauteil zu ersetzen und das es nicht ersetzbar 
war.
Für den unwahrscheinlichen Fall das Deine Konkurrenz hier mitliest und 
überhaupt erst durch Deine Fragestellung auf Dich aufmerksam wurde, 
solltest Du so glimpflich davonkommen.

von Mikki M. (mmerten)


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Im B2B Bereich dürfte dieses Bauteil recht unproblematisch sein. Wenn es 
aber über diverse Vertreibskanäle direkt an Endkunden als Handelsware 
verkauft werden soll, dürfte das mit der erforderlich CE 
Konformitätserklärung aktuell etwas problematisch werden. Eine 
Ausnahmegehmigung scheidet wohl hier wegen des bürokratischen Aufwandes 
im Hinblick auf die Stückzahl aus.

von Peter D. (peda)


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Mikki Merten schrieb:
> Im B2B Bereich dürfte dieses Bauteil recht unproblematisch sein.

Kenne ich auch so.
Die RoHS Pflicht gilt nur für Konsumgüter, die potentiell im Hausmüll 
landen könnten.
Die Industrie muß ihren Müll fachgerecht entsorgen und darf ihn nicht in 
den Hausmüll schmeißen.

von MaWin (Gast)


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Kurt Sprem schrieb:

> wir sind eine sehr sehr kleine Firma und haben ein spezielles Messgerät,
> welches ein nicht RoHS-konformes Bauteil enthält (ist auch nicht konform
> beschaffbar). Dieses wurde im Design schon extra gesockelt (PLCC44)
> ausgeführt. Jetzt wird dieses Gerät wieder nachgefragt (10-20Stk./pro
> Jahr). Die Überlegung ist einfach, das Gerät ohne das Bauteil
> auszuliefern, das Bauteil getrennt mitzuliefern und es den z.B. Kunden
> ggf. einsetzen zu lassen, sofern er diese konkrete Messfunktion des
> Gerätes benötigt (es ist nur eine sehr spezielle Funktion davon
> betroffen). Was meint ihr, könnte das evtl. Probleme geben?

Noch sind deine Produkte (industrielle Messgeräte) nicht von RoHS 
betroffen:

"ab 22. Juli 2017 werden erstmalig industrielle Überwachungs- und 
Kontrollinstrumente" einbezogen.

http://www.frankfurt-main.ihk.de/imperia/md/content/pdf/innovation-umwelt/merkblatt_elektrostoffv_2013.pdf

Der einzeln gelieferte Chip auch nicht:

Konformität von Bauteilen oder Komponenten:
Die ElektroStoffVerordnung bezieht sich generell auf Fertigprodukte, 
sodass einzelne Bauteile oder Komponenten als solche, die selbst noch 
keine Geräte sind, nicht den Stoffbeschränkungen unterliegen und daher
prinzipiell nicht den Anforderungen der RoHS-2-Richtlinie direkt 
entsprechen müssen.

von tom69 (Gast)


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Kurt Sprem schrieb:
> Die Mengeninfos zum Bauteil habe ich schon bekommen. Es sind 0.00053g
> Pinbeschichtung und darin bis max. 20% Blei...

0,000106g Blei, dass liegt ja unter dem Grenzwert einer EU Banane.
Dieser Schwachsinn und 8,50€ Mindestlohn macht die Welt verrückt.

von Guido Körber (Gast)


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asd schrieb:
> Ist es nicht so dass eine gewisse Anzahl nicht-ROHS-Bauteile in einem
> ROHS-Gerät zugelassen sind solang ein gewisses Gewicht an Blei, etc.
> nicht überschritten wird?

Nein. Es ist erheblich schlimmer.

Die Stoffkonzentration muss in der sogenannten "Homogenen Masse" 
eingehalten werden. Das ist das kleinste durch mechanische Bearbeitung 
entfernbare Teil von einem Gerät. Man könnte also die Beschriftung von 
einem Bauteil kratzen und den Bleigehalt davon analysieren, ist der zu 
hoch fällt das ganze Gerät durch,

von lrep (Gast)


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Guido Körber schrieb:
> Man könnte also die Beschriftung von
> einem Bauteil kratzen und den Bleigehalt davon analysieren, ist der zu
> hoch fällt das ganze Gerät durch,

Genau!
Und deshalb ist es auch nicht sinnvoll ein Stück Eisenbahnschiene in das 
Gerät einzubauen um den prozentualen Bleigehalt zu senken.
Es lohnt sich aber die Ausnahmeregelungen sorgfältig zu lesen, die es 
z.B. für nicht mehr anders zu beschaffende Ersatzteile gibt.

von Guido Körber (Gast)


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Unglaublich wie viel falsche Informationen hier verbreitet werden.

1. RoHS gilt nicht nur für B2C sondern für alle Gerätearten mit der 
Ausnahme von Luft&Raumfahrt, Militär und momentan noch Medizin und 
industrielle Mess- und Kontrollgeräte. Im Laufe der nächsten Jahre 
werden schrittweise alle Produkte bis auf Luft&Raumfahrt und Militär 
betroffen sein.

2. Nein, es darf kein einziges Bauteil, bzw. kein einziger Bestandteil 
eines Bauteils die Grenzwerte überschreiten. Auch wenn das technisch 
völlig irrsinnig und sinnlos ist, RoHS gibt vor, dass ein 250 cm 
Fernseher nicht konform wäre, wenn die Kontaktoberfläche eines 0805 
Widerstandes knapp über den Grenzwerten ist.


Nun zum Lösungsansatz:
Wenn die Produkte glaubhaft als industrielle Mess- und Kontrollgeräte 
eingestuft werden (das kann man bei der EAR Registrierung klären), dann 
geht es bis Mitte 2017 die wie gehabt zu verkaufen.

Ansonsten Redesign, oder die Chips bei einem Dienstleister mit einer 
neuen Kontaktoberfläche versehen lassen. Es gibt da Unternehmen die sich 
darauf spezialisiert haben Oberflächen auszutauschen um genau solche 
Probleme wie dieses hier zu lösen (ökologisch natürlich sehr sinnvoll…).

von Kurt Sprem (Gast)


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vielen Dank für die Infos. Hat zufällig jemand einen Link zu einer Firma 
die die Beschichtung wechselt? Wäre mal einen Versuch wert. Redesign 
kommt bei 10Stk./Jahr und den Verkaufserlösen eher nicht in Frage, zumal 
es keinen ähnlichem Ersatz gibt. Das wäre eine komplette Neuentwicklung. 
Na, dann werden wir das Gerät erstmal ohne den Baustein verkaufen. Wie 
der dann evtl. den Weg zum Kunden und in das Gerät findet ist dann noch 
zu überlegen...

Danke für die Hilfen
Kurt

von Guido Körber (Gast)


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Ganz kurz gegooglet:
http://www.factronix.com/produkte/rework-dienstleistungen/rework-dienstleistung/?id=151&tpl=2&showdetail=true&parentid=56&themeid=283


Was für ein Bauteil ist das denn genau?

Die meisten Bauteile sind ja auch nach Abkündigung noch beschaffbar und 
in vielen Fällen werden ganze Wafer von Firmen eingelagert, die sich 
darauf spezialisieren End-of-Life management zu betreiben. Die bieten 
dann die Chips in neuen Gehäusen als Neuware an. Rochester Electronic 
ist einer davon, die hatten auf der electronica einen schönen Messestand 
im Design eines 50er-Jahre Diner.

von MaWin (Gast)


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Kurt Sprem schrieb:
> Hat zufällig jemand einen Link zu einer Firma
> die die Beschichtung wechselt?

http://www.semipack.com/tinning-soldering-services/

von Kurt Sprem (Gast)


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Hallo nochmal,

das war ja doch nicht so problematisch. Wir lassen die Bauteile jetzt 
umlegieren. Kostet fast nix bei unseren Stückzahlen und ist mit 
Zertifikat und Analyse wasserdicht bzgl. Konformität.

Danke nochmal
Kurt

von thomas s (Gast)


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Was soll der Aufstand bei den drei Geräten? Erstens ist das nicht 
kriminell oder fürchterlich umweltbelastend oder gefährlich und zweitens 
interessiert das höchstens bei Export. Und selbst dann: Wo kein Kläger 
ist, ist auch kein Richter.

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