Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Signale unter dem Rauschen


von Florian M. (koalo)


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Moin,
ich lese oft die Formulierung "ein Signal liegt unter dem Rauschen". 
Meist im Zusammenhang von Techniken um eben dieses Signal noch zu 
messen, wie beispielsweise Lock-In Verstaerker oder Spread Spectrum 
Techniken.

Kann man diese Aussage genau definieren und quantifizieren? Insbesondere 
wenn davon gesprochen wird, dass eine Technik ein Signal erfassen kann, 
das x dB unter dem Rauschen liegt.

Beispielsweise bei einem Lock-In Verstaerker: Meines Wissens nach wirkt 
er wie ein guter Bandpass. Folglich wird ein Rauschsignal mit derselben 
Frequenz wie das Messsignal nicht gefiltert. Somit ist er zwar besser 
als ein Messgeraet, welches breitbandiger misst, aber das Messsignal 
muss sich bei der Frequenz doch trotzdem noch von dem Rauschen abheben.

Viele Gruesse,
Florian

: Bearbeitet durch User
von Helmut S. (helmuts)


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Wenn das Gesamtsignal normal anschaust, dann misst du z. B. mit 100MHz 
Bandbreite mit deinem Oszilloskop. Auf dem 100MHz Oszi "verschwindet" 
das 1uV Nutzsignal mit 5kHz Trägerfrequenz locker im Rauschen von z. B. 
100uV. Der Lock-in Verstärker misst aber schmalbandig genau bei 5kHz 
Mittenfrequenz mit z. B. 1Hz Bandbreite. In dieser Bandbreite 1Hz messen 
wir aber nur noch 1/10000 der Rauschspannung gegenüber 100MHz Bandbreite 
und schon klappt das die 1uV Signal sinnvoll zu messen.

: Bearbeitet durch User
von Peter R. (pnu)


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Florian M. schrieb:
> Kann man diese Aussage genau definieren und quantifizieren? Insbesondere
> wenn davon gesprochen wird, dass eine Technik ein Signal erfassen kann,
> das x dB unter dem Rauschen liegt.

Selbstverständlich, als Leistungsverhältnis.

Das ist dann aber natürlich Bandbreiteabhängig. Eigentlich hat es nur 
Sinn, wenn Rauschen und Nutzsignal gleicher Bandbreite verglichen 
werden.

Rauschabstand 40dB heißt ja nicht andres als dass die Rauschleistung 40 
dB unter der Nutzleistung liegt.

Auch im umgekehrten Fall Fall "Nutzsignal 20dB unter dem Rauschen" ist 
eine klare Aussage möglich. Sie kann zwar nicht direkt gemessen werden, 
denn da wäre eine Trennung Rauschen-Nutzsiganl notwendig, aber sie kann 
z.B. aus den Dämpfungswerten eines durchlaufenen Übertragungsweges 
berechnet werden.
Wenn spezielle Übertragungsverfahren verwendet werden z.B. Bandspreizung 
sind auch noch schlimmere "Rauschabstände" nutzbar. Aus dem Ergebnis 
einer Demodulation lässt sich dann der Rauschabstand des verrauschten 
Signals exakt angeben.

von Florian M. (koalo)


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Vielen Dank fuer eure Antworten!
Helmuts Antwort kann ich gut nachvollziehen. So habe ich mir das auch 
schon gedacht. Ich schliesse daraus, dass wenn jemand z.B. behauptet 
"mein Lock-In Verstaerker misst Signale, die 20 dB unter dem Rauschen 
liegt" hat das gar keine Aussage, solange nicht dazu gesagt wird mit 
welcher Bandbreite das Rauschen gemessen wurde (die hoeher sein sollte 
als die Bandbreite des Nutzsignals, damit das ganze funktioniert).

Peter R. schrieb:
> Auch im umgekehrten Fall Fall "Nutzsignal 20dB unter dem Rauschen" ist
> eine klare Aussage möglich. Sie kann zwar nicht direkt gemessen werden,
> denn da wäre eine Trennung Rauschen-Nutzsiganl notwendig, aber sie kann
> z.B. aus den Dämpfungswerten eines durchlaufenen Übertragungsweges
> berechnet werden.
> Wenn spezielle Übertragungsverfahren verwendet werden z.B. Bandspreizung
> sind auch noch schlimmere "Rauschabstände" nutzbar. Aus dem Ergebnis
> einer Demodulation lässt sich dann der Rauschabstand des verrauschten
> Signals exakt angeben.

Damit habe ich noch Probleme: Wenn ich das Signal gespreizt versende, 
brauche ich dafuer mehr Bandbreite. Auf welche Rauschleistung (bei 
welcher Bandbreite) bezieht man sich dann bei der Aussage "Nutzsignal 
20dB unter dem Rauschen"?

von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Helmut S. schrieb:
> Der Lock-in Verstärker misst aber schmalbandig genau bei 5kHz
> Mittenfrequenz mit z. B. 1Hz Bandbreite.

Ein Lock-In Verstärker erfasst vor allem nicht nur frequenz- sondern 
auch phasenselektiv. Du musst dem Verstärker nämlich ein Referenzsignal 
mit der gewünschten Frequenz geben und der Verstärker popelt dir dann 
aus dem Rauschen genau das Signal sehr schmalbandig raus, welches die 
gleiche Frequen und Phase hat. Dadurch wird Rauschen (mit entsprechend 
zufälliger Phase) sehr gut unterdrückt.

von Oldie (Gast)


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> Ich schliesse daraus, dass wenn jemand z.B. behauptet
> "mein Lock-In Verstaerker misst Signale, die 20 dB unter dem Rauschen
> liegt" hat das gar keine Aussage, solange nicht dazu gesagt wird mit
> welcher Bandbreite das Rauschen gemessen wurde

Genau so ist es!
"Unterm Rauschen" ist ein Signal erst, wenn innerhalb seiner
benötigten Bandbreite mehr Rausch-, als Signalenergie vorhanden ist.

Von nix kommt nix - also muss ich
entweder Bandbreite "spendieren" (Spread Spectrum),
oder Zeit (oder beides).

- Wie geschickt das genutzt wird, ist erst die eigentliche
technische Leistung!

von Florian M. (koalo)


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Marian B. schrieb:
> Ein Lock-In Verstärker erfasst vor allem nicht nur frequenz- sondern
> auch phasenselektiv.

Das ist noch gut zu wissen. Also kann es innerhalb seiner Bandbreite 
doch unter dem Rauschen sein, wenn nur die richtige Phase gefiltert 
wird.

Oldie schrieb:
> Genau so ist es!
> "Unterm Rauschen" ist ein Signal erst, wenn innerhalb seiner
> benötigten Bandbreite mehr Rausch-, als Signalenergie vorhanden ist.
>
> Von nix kommt nix - also muss ich
> entweder Bandbreite "spendieren" (Spread Spectrum),
> oder Zeit (oder beides).

Auf der Ebene ist es klar. Aber was bedeutet das mathematisch?
(Sorry, das wuerde jetzt ehr in das HF Forum passen)

Ein Beispiel:
Das Signal mit einer Bandbreite von 100 kHz wird ohne Bandspreizung 
versendet und kommt beim Receiver, der auch eine Bandbreite von 100 kHz 
hat, mit -90 dBm an. Bei weissem Rauschen mit einer 
Rauschleistungsdichte von 1e-18 W/Hz haben wir also eine Rauschleistung 
von 1e-13 W = -100 dBm. Unser SNR ist daher 10 dB. Das nenne ich ueber 
dem Rauschen.

Nun spreizen wir das Signal vor dem Senden um den Faktor 100. Also haben 
wir immer noch -90 dBm, aber verteilt ueber eine Bandbreite von 10 MHz. 
Unser Receiver muesste doch jetzt auch eine Bandbreite von 10 MHz haben 
um das Signal erfassen zu koennen. Somit haben wir eine Rauschleistung 
von 1e-11 W = -80 dBm. Das SNR ist also nur noch -10 dB vor dem 
Receiver. Das koennen wir unter dem Rauschen nennen.

Jetzt entspreizen wir, Signal also wieder bei 100 kHz Bandbreite. 
Tiefpass bei 100 kHz, also Rauschleistung nur noch bei 1%. Damit sind 
wir wieder bei 10 dB und haben weder was verloren noch was gewonnen.

Soweit so gut - an der Antenne war das Signal mal unter dem Rauschen. 
Aber das bedeutet, wenn die Rechnung so korrekt ist und wir 
schmalbandinge Stoerungen ausschliessen, dass wir nur kuenstlich unser 
Signal das eigentlich ueber dem Rauschen liegt unter das Rauschen 
druecken und hinterher wieder genau so rausholen.
Also kann damit auch nicht einen schlechter Kanal (zum Beispiel aufgrund 
einer grossen Stecke) kompensiert werden.

Gruss,
Florian

von Possetitjel (Gast)


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Florian M. schrieb:

> Soweit so gut - an der Antenne war das Signal mal unter
> dem Rauschen. Aber das bedeutet, wenn die Rechnung so
> korrekt ist und wir schmalbandinge Stoerungen ausschliessen,

schmalbandige Störungen . Das merken wir uns mal.

> dass wir nur kuenstlich unser Signal das eigentlich ueber
> dem Rauschen liegt unter das Rauschen druecken und hinterher
> wieder genau so rausholen.

Richtig.

> Also kann damit auch nicht einen schlechter Kanal (zum Beispiel
> aufgrund einer grossen Stecke) kompensiert werden.

Auch richtig.

Deine Überlegungen sind weitgehend korrekt - sie kranken nur
daran, dass das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt wird.
"spread spectrum" ist nicht primär eine Technik, um Signale aus
dem Rauschen herauszuholen, sondern umgekehrt: "spread spectrum"
funktioniert, weil es möglich ist , Signale aus dem Rauschen
herauszuholen.

"spread spectrum"-Modulation ("Spreizmodulation") wird eingesetzt,
um die Robustheit des Funkkanals gegen schmalbandige Störungen,
selektives Fading, Mehrwege-Ausbreitung usw. zu verbessern - und
natürlich zur Verschleierung. Der Rauschabstand wird dadurch
erstmal nicht verbessert.

Der Trick, mit dem man Signale aus dem Rauschen herausholt, ist
der Korrelationsempfang . Das gilt für spread spectrum genauso
wie für den Lock-in-Amplifier.

von Possetitjel (Gast)


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Florian M. schrieb:

> ich lese oft die Formulierung "ein Signal liegt unter dem
> Rauschen". Meist im Zusammenhang von Techniken um eben
> dieses Signal noch zu messen, wie beispielsweise Lock-In
> Verstaerker oder Spread Spectrum Techniken.

Ja, okay.

> Kann man diese Aussage genau definieren und quantifizieren?

Ja, natürlich.
(Wurde schon beantwortet: Signal-Rausch-Verhältnis, d.h.
Verhältnis der Nutzleistung zur Rauschleistung.)

> Insbesondere wenn davon gesprochen wird, dass eine Technik
> ein Signal erfassen kann, das x dB unter dem Rauschen liegt.

Ja, siehe oben.

> Beispielsweise bei einem Lock-In Verstaerker: Meines Wissens
> nach wirkt er wie ein guter Bandpass.

Jein. Das ist nur teilweise richtig.

(Einem Bandpass ist die Phasenlage des Signals egal, einem
Lock-in-Verstärker aber nicht!)

> Folglich wird ein Rauschsignal mit derselben Frequenz wie
> das Messsignal nicht gefiltert.

Das ist eine fehlerhafte Folgerung aus der Aussage oben.

> Somit ist er zwar besser als ein Messgeraet, welches
> breitbandiger misst, aber das Messsignal muss sich bei
> der Frequenz doch trotzdem noch von dem Rauschen abheben.

Nein, hier wird es falsch.

Die spektrale Leistungsdichte ist kein geeignetes Mittel,
die Funktionsweise des Lock-In-Verstärkers zu verstehen,
denn das Leistungsdichtespektrum enthält keine
Phaseninformation mehr.

Marian hat das richtige Stichwort schon genannt: Der Lock-In
arbeitet phasenempfindlich . Man kann auch sagen:
Der Lock-In-Verstärker ist ein Korrelationsempfänger.

Das Rauschen liefert positive und negative Beiträge zum
Korrelationskoeffizienten; diese mitteln sich mit länger
werdender Messzeit immer besser zu Null heraus.
Das Messsignal liefert (wegen der phasenstarren Kopplung
der Messung) aber immer Beiträge desselben Vorzeichens!
Deswegen gewinnt auf lange Zeit das Nutzsignal, obwohl
es viel kleiner ist als das Rauschen.

von Florian M. (koalo)


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Possetitjel schrieb:
> Marian hat das richtige Stichwort schon genannt: Der Lock-In
> arbeitet phasenempfindlich . Man kann auch sagen:
> Der Lock-In-Verstärker ist ein Korrelationsempfänger.

Das ist wie gesagt noch ein guter Hinweis. Es also zur korrekten 
Spezifizierung eines Lock-In Verstaerkers auch die Angabe der 
Phasenaufloesung noetig.


Possetitjel schrieb:
> Deine Überlegungen sind weitgehend korrekt - sie kranken nur
> daran, dass das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt wird.
> "spread spectrum" ist nicht primär eine Technik, um Signale aus
> dem Rauschen herauszuholen, sondern umgekehrt: "spread spectrum"
> funktioniert, weil es möglich ist , Signale aus dem Rauschen
> herauszuholen.

Du hast ja vollkommen recht! Ich wollte aber genau darauf hinaus, weil 
ich den Ausdruck "kann Signale, die 20 dB unter dem Rauschen liegen, 
empfangen" recht missverstaendlich finde, weil er suggeriert, dass ein 
System besser gegen Rauschen gewappnet ist als ein System welches das 
nicht kann. Und so wird es eben auch oft in Werbetexten verwendet (z.B. 
http://www.radio-electronics.com/info/wireless/lora/rf-interface-physical-layer.php 
unter modulation). Dass Spread Spectrum grosse Vorteile hat will ich ja 
garnicht bestreiten, aber dann sollte doch auch entsprechend geworben 
werden.

von Kai K. (klaas)


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>Ich schliesse daraus, dass wenn jemand z.B. behauptet "mein Lock-In
>Verstaerker misst Signale, die 20 dB unter dem Rauschen liegt" hat das gar
>keine Aussage, solange nicht dazu gesagt wird mit welcher Bandbreite das
>Rauschen gemessen wurde (die hoeher sein sollte als die Bandbreite des
>Nutzsignals, damit das ganze funktioniert).

Hhm, ist doch eigentlich klar was gemeint ist. Es geht in der Regel um 
den Effektivwert von weißem Breitbandrauschen. Lies mal das Kapitel 
"Lock-in amplifier applications" im Datenblatt des AD630:

http://www.analog.com/media/en/technical-documentation/data-sheets/AD630.pdf

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