Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Lineares zeitvariantes System


von Michael W. (Gast)


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Ein lineares zeitvariantes System s(t)->r(t) wird durch eine 
zeitvariante Impulsantwort beschrieben:


Wenn man nun s(t) Fourier-entwickelt wird daraus


wobei


als "zeitvariante Übertragungsfunktion" bezeichnet wird.

Bis hierher ist alles klar, da es sich ja nur um Definitionen handelt.

Nun möchte ich als Beispiel das System im beigefügten Bild betrachten. 
Simpel genug, gibt es mir dennoch Anlass zu Kopfschmerzen, wenn ich 
versuche, den obigen Formalismus darauf anzuwenden: Der Schalter soll zu 
beliebigen, aber deterministisch vorgegebenen Zeitpunkten geöffnet bzw. 
geschlossen werden.

Die Antwort des Systems (welches meiner Meinung nach die 
Linearitätsanforderung erfüllt - ?) auf einen Impuls an der Stelle t0

ist, wenn man den obigen Definition folgt

Um

zu bestimmen, müsste man daher einen Puls zum Zeitpunkt

anlegen, und zum Zeitpunkt tx auswerten. Man bräuchte also eine ganze 
Schar von Impulsantworten, um daraus das h(.;.) zu bestimmen. Das ist 
aufwendig...

Um H(w;t) zu bestimmen, wäre ich zunächst geneigt, das "momentane" H(w) 
für verschiedene Zeitpunkte zu verwenden, also

für Zeiten, wo der Schalter geöffnet ist, und

für Zeiten wo der Schalter zu ist.

Das kann aber nicht funktionieren, da sich die Rücktransformation für 
einen Zeitpunkt, wo S z.B. offen ist zu

ergäbe, und sich damit nicht unterschiede von einem System, wo S immer 
offen ist...

Irgendwie bin ich nun ziemlich verwirrt, da ich nicht sagen kann, wie 
man das H(w;t) für das konkrete Beispiel (und in weiterer Folge auch 
allgemein) bestimmen kann. Geht das überhaupt "einfach" oder ist das 
obige Vorgehen bloß von formalem Wert?

--
Danke und liebe Grüße,
Michael

PS: Das Beispiel basiert nicht auf einem konkreten Problem, mir geht es 
um das Verständnis der Theorie.

von Ulrich H. (lurchi)


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Das Problem bei der Schaltung ist der Schalter: damit ist da System zwar 
noch linear, aber nicht mehr zeit-invariant.

von lalala (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Man bräuchte also eine ganze
> Schar von Impulsantworten, um daraus das h(.;.) zu bestimmen.

Ist meiner Meinung nach richtig. Der Rest ist falsch.

von Michael W. (Gast)


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Ulrich H. schrieb:
> Das Problem bei der Schaltung ist der Schalter: damit ist da System zwar
> noch linear, aber nicht mehr zeit-invariant.

Es geht laut Titel ja um ein "Zeit-Variantes" System.

von Michael W. (Gast)


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lalala schrieb:
> Michael W. schrieb:
>> Man bräuchte also eine ganze
>> Schar von Impulsantworten, um daraus das h(.;.) zu bestimmen.
>
> Ist meiner Meinung nach richtig. Der Rest ist falsch.

Was genau ist falsch? Dass der Ansatz für H(w;t) nicht richtig sein 
kann, habe ich ja geschrieben. Oder was meinst du nun?

von lalala (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Was genau ist falsch? Dass der Ansatz für H(w;t) nicht richtig sein
> kann, habe ich ja geschrieben.

Richtig. Es geht m.M.n. und d.M.n. nicht so einfach. Nimm vielleicht 
erst einmal ein einfacheres Beispiel, oder schreib die 
Differentialgleichung hin. Dann muss man sehen ob man die lösen kann.

von LTI (Gast)


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Das obige System ist "nicht zulässig" sofern C1 und C2 unterschiedliche 
Spannungswerte zum Zeitpunkt des Schalterspiels haben.

Wurde das beachtet, bzw. gilt die Bedingung UC1 = UC2 zum 
Schalterspiel-Zeitpunkt?

Falls nicht erklärt das auch warum die Formeln dann "nicht 
funktionieren"

von Michael W. (Gast)


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LTI schrieb:
> Das obige System ist "nicht zulässig" sofern C1 und C2 unterschiedliche
> Spannungswerte zum Zeitpunkt des Schalterspiels haben.
>
> Wurde das beachtet, bzw. gilt die Bedingung UC1 = UC2 zum
> Schalterspiel-Zeitpunkt?
>
> Falls nicht erklärt das auch warum die Formeln dann "nicht
> funktionieren"

Dann geben wir halt kleine Serienwiderstände dazu. Es geht um das 
Prinzip.
Außerdem kann man die Differenzialgleichung sehr wohl lösen, auch wenn 
man dies nicht tut: Dann kommen halt Diracimpulse als Ströme - wo ist 
das Problem? Mit Laplace geht das ja auch. Dass Diracimpulse in der 
Praxis nicht auftreten können ist hier sekundär.

von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Der Spannungsverlauf an jedem Kondensator muss stetig sein... alternativ 
Serien-R einbauen, dann klappt es auch mit der Berechnung.

von Michael W. (Gast)


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Marian B. schrieb:
> Der Spannungsverlauf an jedem Kondensator muss stetig sein... alternativ
> Serien-R einbauen, dann klappt es auch mit der Berechnung.

Bist du dir bei der ersten Aussage sicher?
Wenn man Kondensatoren zusammenschaltet, die unterschiedliche Spannungen 
haben, fließt im Schaltzeitpunkt unendlich hoher Strom. Das ist im 
Laplace Formalismus enthalten und führt zu keinem Widerspruch.

Übrigens ist das aber nicht das Problem...Nehmen wir halt einen 
Widerstand.

von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Rechnerisch nicht, aber eine unendlich große Momentanleistung dürfte 
schwerlich von weiterem Nutzen sein.

von Purzel H. (hacky)


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Ein anderer Ansatz. Das System mit dem Schalter offen ist ein Tiefpass, 
mit dem Schalter geschlossen ein tieferer Tiefpass. Wo werden wir beim 
schalten Aenderungen erwarten ?
- In der Naehe der Schaltfrequenz, und Harmonischen
- Im Zusammenhang mit Ein-, resp Aus-Zeit und der Frequenz

Was geschieht bei Schaltfrequenz 1/100 * f(summe) ?
Was geschieht wenn der Schalter bei maximaler Amplitude geschlossen und 
bei minimaler Amplitude geoeffnet wird, die Wiederholfrequenz als 
Parameter ?
..

von FelixW (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Der Schalter soll zu
> beliebigen, aber deterministisch vorgegebenen Zeitpunkten geöffnet bzw.
> geschlossen werden.

Michael W. schrieb:
> Wenn man nun s(t) Fourier-entwickelt

Ein Sprung (Schalter) ist eine Unstetigkeitsstelle im Zeitverlauf. Das 
System ist nur noch abschnittsweise linear. Dementsprechend ist deine 
Impulsantwort nur in Abschnitten definiert.

Dafür bräuchtest du dann einen Sprung und Laplace anstatt 
Fouriertransformation, um den Einfluss der Unstetigkeit zu 
berücksichtigen.

von FelixW (Gast)


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PS: Keine Garantie, merke gerade, dass ich etwas lange aus dem Thema 
raus bin. Es grüßt die Leistungselektronik...

von Michael W. (Gast)


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es geht auch nicht um praktische Belange was das Beispiel angeht, 
sondern um Lösbarkeit.

von LTI (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Dann geben wir halt kleine Serienwiderstände dazu. Es geht um das
> Prinzip.

Wenn es dir um das PRINZIP geht dann sollte schon eine TYPISCHE 
Aufgabenstellung / Beispielschaltung zugrundeliegen und nicht ein 
SPEZILFALL (parallele C's).

von Michael W. (Gast)


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Die allgemeine Frage ist also:

Wie berechne ich die zeitvariante Übertragungsfunktion für zeitvariante 
lineare Systeme, die "stückweise zeitinvariant" sind (wie z.B in meinem 
Beispiel). Meine Vermutung war anfangs, dass ein funktionaler 
Zusammenhang zwischen den abschnittsweisen und der gesamten 
Übertragungsfunktion bestehen müsste. Möglicherweise bilde ich mir da 
aber auch was ein...

Es geht im konkreten um ein paar Verständnisprobleme im Zusammenhang mit 
dem Paper (Kap. 1.3.3, 1.3.4 und 1.7.1):

http://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_204518.pdf

wo mir einige Details noch etwas unklar sind.
Es ist also ein nachrichtentechnisches Problem und kein elektronisches.

von lalala (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Meine Vermutung war anfangs, dass ein funktionaler
> Zusammenhang zwischen den abschnittsweisen und der gesamten
> Übertragungsfunktion bestehen müsste.

Ehrlich gesagt, ich vermute das auch. Vermutlich eine Faltung mit der 
'Taktfunktion', der Faktor und Offset der Taktfunktion so gewählt, das 
zwischen den beiden abschnittweisen Übertragungsfunktionen 
'interpoliert' wird.

Aber man muss das mal in Ruhe aufschreiben, ganz grob:

Q(t)/C(t) + dot(Q)*R =s(t)
und C(t)= 1/(1/C1 + z(t) 1/C2)
z(t) die Schaltfunktion (1 oder 0)

umformen.... fouriertransfo... und nochmal alles nachrechen, das ist 
gerade garantiert verkehrt.

von Michael W. (Gast)


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lalala schrieb:
> Ehrlich gesagt, ich vermute das auch. Vermutlich eine Faltung mit der
> 'Taktfunktion', der Faktor und Offset der Taktfunktion so gewählt, das
> zwischen den beiden abschnittweisen Übertragungsfunktionen
> 'interpoliert' wird.
>
> Aber man muss das mal in Ruhe aufschreiben, ganz grob:
>
> Q(t)/C(t) + dot(Q)*R =s(t)
> und C(t)= 1/(1/C1 + z(t) 1/C2)
> z(t) die Schaltfunktion (1 oder 0)
>
> umformen.... fouriertransfo... und nochmal alles nachrechen, das ist
> gerade garantiert verkehrt.

genau - endlich hat jemand verstanden worauf ich hinaus will...

Ich vermute hier eine allgemeingültige Lösungsmethode. Dass man 
abschnittsweise Laplace ansetzen kann, ist eh klar...

Kann aber auch sein, dass das gar nicht geht - deshalb würde ich mir die 
Mühe in diesem Fall gerne ersparen, falls es so wäre.

von U. B. (Gast)


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Das System in der obigen Schaltung ist nicht lösbar =>

Kondensatorparadoxon => Annahme:

Zu Anmfang sei C1 auf U aufgeladen und C2 spannungslos.
Wenn dann eingeschaltet wird, muss ein Teil der Energie
0,5*C1*U²  "irgendwohin".
Entsprechende Teile sind nicht vorhanden; der Widerstand R erfüllt diese 
Funktion nicht.

von Michael W. (Gast)


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ich kenne dieses Paradoxon, es lässt sich aber formal mit Hilfe von 
Distributionen umgehen.

Wie schon gesagt: wenn man sich wohler fühlt, kann man auch ein R 
einbauen. Damit hat man dann auch ein praktisch realisierbares System. 
Die Frage geht aber in eine ganz andere Richtung.

von FelixW (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Das kann aber nicht funktionieren, da sich die Rücktransformation für
> einen Zeitpunkt, wo S z.B. offen ist zu
>
> ergäbe, und sich damit nicht unterschiede von einem System, wo S immer
> offen ist...

Michael W. schrieb:
> Ich vermute hier eine allgemeingültige Lösungsmethode. Dass man
> abschnittsweise Laplace ansetzen kann, ist eh klar...

Genau dafür hat man Laplace erfunden (was passiert, wenn der Schalter 
geschlossen wird).
Wenn der Schalter sw(t) periodisch arbeitet kannst du eine Lösung mit 
Fourier finden.

von Michael W. (Gast)


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FelixW schrieb:
> Michael W. schrieb:
>> Das kann aber nicht funktionieren, da sich die Rücktransformation für
>> einen Zeitpunkt, wo S z.B. offen ist zu
>>
>> ergäbe, und sich damit nicht unterschiede von einem System, wo S immer
>> offen ist...
>
> Michael W. schrieb:
>> Ich vermute hier eine allgemeingültige Lösungsmethode. Dass man
>> abschnittsweise Laplace ansetzen kann, ist eh klar...
>
> Genau dafür hat man Laplace erfunden (was passiert, wenn der Schalter
> geschlossen wird)

ja, das wäre die Brute-Force Methode. Falls es nichts anderes gibt, kann 
ich es auch mit Laplace machen. Ich dachte nur, es gäbe hier etwas 
"eleganteres" in der Trickkiste, wie auch von lalala vermutet.

von FelixW (Gast)


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Kurz Überlegung zum Aufwand: Wenn der Schalter geschlossen wird, so 
springt die Spannung am Ausgang -> zusätzliches unendliches Spektrum am 
Ausgang, abhängig von den Momentanspannungen an beiden Kondensatoren, 
nur über den Momentanwert vom Spektrum am Eingang abhängig.

Deshalb: Eine exakte Berechnung im Zeitbereich wahrscheinlich nicht 
sinnvoll.
Eine obere Schranke sollte man durch die maximale Spannungsänderung 
finden.

von lalala (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Ich dachte nur, es gäbe hier etwas
> "eleganteres" in der Trickkiste, wie auch von lalala vermutet.

Muss sich halt mal jemand die Mühe machen und eine richtige Diffgl 
hinschreiben. Meine Formel ist nicht richtig, es müssen doch Q1 und Q2 
als jeweilige Ladungen eingeführt werden.

von Michael W. (Gast)


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lalala schrieb:
> Michael W. schrieb:
>> Ich dachte nur, es gäbe hier etwas
>> "eleganteres" in der Trickkiste, wie auch von lalala vermutet.
>
> Muss sich halt mal jemand die Mühe machen und eine richtige Diffgl
> hinschreiben. Meine Formel ist nicht richtig, es müssen doch Q1 und Q2
> als jeweilige Ladungen eingeführt werden.

ja und nein. Ich will ja ein allgemeines "Verfahren" und kein 
spezielles, auf eine konkrete Schaltung angepasst. Die Schaltung war 
ursprünglich eigentlich für mich nur ein Gegenbeispiel, anhand dessen 
ich zeigen wollte, dass meine Idee nicht geht. Nun denke ich aber, es 
könne doch gehen.

Man kann natürlich den konkreten Fall rechnen und anhand des konkreten 
Ergebnisses ein allgemeines Ergebnis "erraten". Dieses müsste man dann 
anschließend aber erst recht wieder beweisen.

Ich hatte die Hoffnung, hier einen Nachrichtentechniker zu finden, der 
solche Problemstellungen kennt und mich auf ein mir noch nicht bekanntes 
"Spezialverfahren/Theorem" hinweisen könnte.

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