Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schleifenverstärkung von unkorrigierten Operationsverstärkern


von Tamer M. (kaffee89)


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Ich arbeite gerade das Kapitel für Operationsverstärker im Tietze-Schenk 
durch und verstehe die Angaben zur Schleifenverstärkung im Bodediagramm 
nicht.

http://www.et-inf.fho-emden.de/~elmalab/indelek/download/Ind_1.pdf Hier 
auch auf Seite 9 abgebildet.

Habe das auch nochmal als Bild hinzugefügt (Quelle: Tietze-Schenk, 
Halbleiterschaltungstechnik, Seite 537 oder 
http://www.et-inf.fho-emden.de/~elmalab/indelek/download/Ind_1.pdf Seite 
9.

Für die Schleifenverstärkung (g) gilt: g = Kopplungsfaktor (k) * 
Differenzverstärkung (A_D). Das Produkt kann man auch anders schreiben:
g = (A_D) / A

Logarithmiert ergibt dies: log(A_D) - log (A). Betrachtet man in der 
Abbildung nun A_2 = 1000 - Dann funktioniert das doch nicht: log(10^5) - 
log(10^3) = 2. Wieso steht denn dort g = 1 ?

Irgendwas habe ich anscheinend nicht verstanden ...

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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Tamer M. schrieb:
> Logarithmiert ergibt dies: log(A_D) - log (A). Betrachtet man in der
> Abbildung nun A_2 = 1000 - Dann funktioniert das doch nicht: log(10^5) -
> log(10^3) = 2. Wieso steht denn dort g = 1 ?

Der Faktor 100 zwischen A_D und A in deiner Rechnung stimmt für niedrige 
Frequenzen (also für A_D0). Bei höheren Frequenzen nimmt A_D aber ab.

In der Abbildung wird eine ganz bestimmte Frequenz betrachtet, und zwar 
die, bei der A_D gerade den selben Wert hat wie A (d.h. wo g=A_D/A=1 
wird). Die Phasenreserve bei dieser Frequenz sagt etwas über die 
Stabilität der Schaltung aus.

von Tamer M. (kaffee89)


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Danke für deine Antwort ... ich verstehe aber wirklich nur Bahnhof.
Bei der Frequenz f180, also da, wo die Phasendrehung stattfindet, 
beträgt die Schleifenverstärkung 1/10. Woran seh ich das denn?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Tamer M. schrieb:
> Bei der Frequenz f180, also da, wo die Phasendrehung stattfindet,
> beträgt die Schleifenverstärkung 1/10.

Ich lese da 1/100 ab.

von Achim S. (Gast)


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Tamer M. schrieb:
> Bei der Frequenz f180, also da, wo die Phasendrehung stattfindet,
> beträgt die Schleifenverstärkung 1/10.

Wieso jetzt auf einmal 1/10? Auf welche Rückkopplung beziehst sich diese 
Aussage?

Bleiben wir erst mal bei dem Fall A2=1000, den du im erstem Post 
beschrieben hast.

In deinem Skript steht dazu:
"Dieser Fall ergibt sich im Bodediagramm, wenn man den 
Operationsverstärker auf die Verstärkung A2 = 1000 gegenkoppelt. Dann 
ist bei der Frequenz f180 die Schleifenverstärkung k · AD = 1. "

Also nochmal in eigenen Worten: bei f180 beträgt A_D(f180) gerade 1000.

Wenn du den OPV mit k=1/1000 rückkoppelst (d.h. A2 beträgt 1000), dann 
wird g=A_D(f180)/A2=1000/1000=1. Das ist grade der Grenzfall zwischen 
stabilen Verhalten und Schwingen.

Wenn du stattdessen mit k=1/10000 rückkoppelst (d.h. du wählst 
A1=10000), dann beträgt die Schleifenverstärkung bei der selben Frequenz 
g=A_D(f180)/A1=1000/10000=1/10. (die Schaltung wäre stabil)

Würdest du mit k=1/100 rückkoppelst (d.h. A0=100), dann wäre die 
Schleifenverstärkung bei f180 größer als 1: g=1000/100=10 (die Schaltung 
würde zum Schwingen neigen).

von Tamer M. (kaffee89)


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Dein letzter Beitrag hat mir endlich Klarheit gebracht. Ich habe das 
Diagramm komplett falsch gelesen! A_D(omega) bzw A_D(f) ist ja die 
"Funktionsvorschrift" und den Rückkopplungsfaktor kann ich ja selbst 
entscheiden, je nach der Größe der Ohmschen Belastung... das soll mir 
doch dieser Pfeil 1/K dort zeigen, oder? Viel sinnvoller wäre es 
gewesen, diesen Pfeil horizontal anzusetzen, immerhin hat der doch 
nichts mit der Frequenz zu tun, richtig?

Nun eine Frage hätte ich noch bezüglich der Stabilität einer Schaltung:
Die Schleifenverstärkung soll doch möglichst kleiner als 1 sein, bevor 
die Phase die -180 Grad erreicht. Wie kann ich mir das genau vorstellen?

Ich versuch mal meine Vorstellung anhand einer "Blackbox" zu erklären. 
Ich lege am Eingang eine Spannung U_ein an und es entsteht am Ausgang 
eine Spannung U_aus die der Eingangsspannung um eine gewisse Phase 
nacheilt. Mit zunehmender Frequenz eilt die Eingangsspannung immer mehr 
nach. Irgendwann sind die -180 Grad erreicht. Die Polarität der 
Eingangsspannung würde sich doch nicht verändern? Wieso vertauscht der 
Operationsverstärker bei einer Phase von -180 Grad den invertierenden 
und nichtinvertierenden Eingang, so dass es zu einer Mitkopplung kommt?

: Bearbeitet durch User
von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Tamer M. schrieb:
> den Rückkopplungsfaktor kann ich ja selbst
> entscheiden, je nach der Größe der Ohmschen Belastung...

Nicht „Belastung“, sondern Gegenkopplung.  Also welchen Anteil des
verstärkten Signals du auf den invertierenden Eingang rückführst.

> Nun eine Frage hätte ich noch bezüglich der Stabilität einer Schaltung:
> Die Schleifenverstärkung soll doch möglichst kleiner als 1 sein, bevor
> die Phase die -180 Grad erreicht.

Ja.

> Wie kann ich mir das genau vorstellen?

Du musst ihn entsprechend stark gegengekoppelt haben.  Da die
Phasendrehung um 180 ° im Diagramm bei einer Verstärkung von 1000
auftritt, kannst du den OPV ohne weitere frequenzabhängige Elemente
also maximal bis zu einer Gesamtverstärkung von 1000 konfigurieren,
sprich, die Gegenkopplung entsprechend einstellen.  In der Praxis
wird man da um einen Sicherheitsfaktor drunter bleiben, vielleicht
maximal bis 200 oder 300 gehen.

> Wieso vertauscht
> der Operationsverstärker bei einer Phase von -180 Grad den
> invertierenden und nichtinvertierenden Eingang, so dass es zu einer
> Mitkopplung kommt?

Weil die Phase von 180 ° bedeutet, dass das Ausgangssignal, welches
durch die Gegenkopplung normalerweise gegenphasig zum invertierenden
Eingang geleitet wird, nunmehr nicht mehr gegenphasig dort ankommt
sondern gleichphasig.  Damit ist es dann eben eine Mitkopplung.

Natürlich werden die Eingänge deshalb nicht vertauscht, aber der
Effekt ist so, als wären sie vertauscht worden.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Jörg Wunsch schrieb:
> Da die Phasendrehung um 180 ° im Diagramm bei einer Verstärkung von
> 1000 auftritt, kannst du den OPV ohne weitere frequenzabhängige
> Elemente also maximal bis zu einer Gesamtverstärkung von 1000
> konfigurieren,

Andersherum wird ein Schuh daraus: Die Gesamtverstärkung muss größer
als 1000 sein, damit die Schaltung nicht schwingt. Je stärker die
Rückkopplung (d.h. je kleiner die Gesamtverstärkung), desto größer wird
die Schwingneigung.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die ganzen Überlegungen beziehen sich
auf einen unkompensierten (also hypothetischen) µA741. Der echte µA741,
wie man ihn im Laden kaufen kann, ist voll kompensiert, d.h. er ist auch
bei Verstärkung 1 (Spannungsfolger) noch stabil (engl. "unity gain
stable"). Es gibt auch teilkompensierte Opamps, die dann bspw. ab einer
Verstärkung von 5 stabil sind.

von Tamer M. (kaffee89)


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Erstmal vielen Dank. Die Antworten haben mir sehr weitergeholfen!
Und um eine gewisse Phasenreserve zu schaffen, benutzt man LEAD oder 
LAG-Kompensationen, oder? Ist das schon "außer Mode" oder gibt es da 
bessere Methoden?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Yalu X. schrieb:
> Die Gesamtverstärkung muss größer
> als 1000 sein, damit die Schaltung nicht schwingt.

Errm, ja, latürnich. ;-)

von Tamer M. (kaffee89)


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Eine kleine Frage hätte ich noch.

Im Tietze-Schenk steht, dass es eine Amplituden und eine Phasenbedingung 
gibt, damit die Schaltung schwingt:

Schleifenverstärkung soll gleich 1 sein (Grenzfall). -> 
Amplitudenbedingung
Phase soll gleich 0 Grad, 360 Grad, ... usw. sein -> Phasenbedingung

Die Amplitudenbedingung ist verständlich.

Zur Phasenbedingung:

Damit ist doch sicherlich gemeint, dass wenn ich 180 Grad - 360 Grad 
rechne, oder  180 Grad -720 Grad, Mitkopplung vorliegt. Wenn man den OP 
soweit aussteuern könnte, dass die Phase 360 Grad erreicht, dann würde 
aus der Mitkopplung wieder Gegenkopplung werden, oder?

von Achim S. (Gast)


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Ja, es ist gemeint, dass die eigentlich erwünschte Gegenkopplung in eine 
unerwünschte Mitkopplung umschlägt.

Wenn du noch mal zusätzliche 180° Phasenverschiebung oben drauf setzt, 
dann hast du bei der entsprechenden Frequenz wieder eine Gegekopplung 
(d.h. bei dieser Frequenz schwingt nichts). Aber dann hast du ziemlich 
sicher auch bei einer niedrigeren Frequenz die Schwingbedingung bereits 
erfüllt (Mitkopplung mit Schleifenverstärkung>1), so dass die Schaltung 
dann eben bei dieser niedrigeren Frequenz vor sich hinschwingt.

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