Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Was haltet Ihr von Boni?


von A. Researcher (Gast)


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Hi,

wir (Online-Branche, ~250MA) überlegen grade, was wir künftig mit Boni – 
speziell im IT- und Produktbereich – umgehen sollen.

Was haltet ihr, sofern ihr im Bereich von Software-, Hardware- bzw. 
Produktentwicklung tätig seid, ganz generell von Boni, die an 
Unternehmens- und/oder persönlicher Leistung hängen?

Wie ist variable Vergütung bei eurem aktuellen Arbeitgeber geregelt?
Findet ihr das gut, klar und fair?

Hat einer eurer bisherigen Arbeitgeber jemals das Bonus-System geändert? 
Wenn ja: wie und wie kam das bei euch an?

Welches Unternehmen hat eurer Meinung nach ein sinnvolles, 
transparentes, ehrliches System für variable Vergütung?

Kennt ihr Unternehmen, die gar keine variable Vergütung haben?

Wie würdet ihr Boni handhaben, wenn es euer eigenes Unternehmen wäre?


Danke für eure geschätzten Antworten (und fürs nicht-trollen ;-)

 - A.

von Flo (Gast)


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Boni find ich nicht sinnvoll.

1. Wie berechnet man Erfolg? Beste Quartalszahlen? Auftragserfolg?
Da Erfolg in der Entwicklung meist keine Einzelleistung ist, sind Boni 
gegenüber anderen Teammitgliedern ohne Boni nicht erklärbar.
2. Anreiz für Schummeln bei den Zahlen/Erfolgen eher denkbar, da an den 
eigenen Boni gekoppelt.
3. Boni sollten zwar motivieren, können aber auch bei Nichterhalt ganz 
schnell demotivieren.

von Autor (Gast)


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Solange die Zeile fair und messbar sind, warum nicht?

Ich finde man sollte im allgemeinen viel variabler am Unternehmenserfolg 
beteiligt werden. Wenn es dem Unternehmen gut geht, viel Geld. Wenn es 
schlecht läuft, dann muss man auch mal zurückstecken.

von oszi40 (Gast)


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A. Researcher schrieb:
> Wie würdet ihr Boni handhaben, wenn es euer eigenes Unternehmen wäre?

Solange es bergauf geht gut, aber wenn der Auftrag wegbricht ...? Boni 
bekommen hauptsächlich die Verkäufer, damit sie genug Aufträge 
heranschaffen.

"Boni nach Kennzahlen" funktioniert nicht mal bei meinem alten 
Kohlenmann, weil die Leute in der Zwischenzeit mit Gas heizen. Die 
fleißigen Kohlenträger können nur die Säcke schleppen, die auch bezahlt 
werden. Wertvoller als Boni ist ein gesundes Klima in der Firma. Leute, 
die wie Dreck behandelt werden und keinen Spaß mehr an der Arbeit haben, 
werden auch mit Bonus nicht glücklicher.

von Hannes J. (Firma: _⌨_) (pnuebergang)


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A. Researcher schrieb:
> Was haltet ihr, sofern ihr im Bereich von Software-, Hardware- bzw.
> Produktentwicklung tätig seid, ganz generell von Boni, die an
> Unternehmens- und/oder persönlicher Leistung hängen?

Boni sind nicht gleich Boni. Wenn Boni zur Abwälzung des 
unternehmerischen Risikos auf die Mitarbeiter verwendet werden, dann 
läuft was falsch. Leider ist genau diese Form heute üblich. Diese Form 
der Boni zieht leider noch einen gewissen Menschentyp an. So eine Art 
moderne, dubiose Glücksritter, die ihren Hauptzweck darin sehen, sich 
das Unternehmen zur Beute zu machen.

Genauso falsch sind Boni, die die Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom 
Gutdünken des Arbeitgebers erhöhen. Also ein miserables Grundgehalt, von 
dem man nicht leben kann, dazu Boni ohne die man nicht leben kann. Das 
ist Sklavenhaltung.

Wenn das System dann noch zum Zirkus ausartet, in dem es darum geht mit 
wertlosen Boni, z.B. mit sinnlosen Sachleistungen, die Leute zum 
Springen durch brennende Reifen zu bewegen, dann kann man es ganz 
vergessen. Auch aus Arbeitgebersicht ist es eine schlechte Idee. Will 
man wirklich Mitarbeiter, die nur arbeiten, wenn man ständig mit 
Glasperlen und Geld wedelt?

Persönliche Leistungen sollten ohne Diskussion mit einem anständigen 
Gehalt abgegolten werden, unternehmerisches Risiko hat der Unternehmer 
gefälligst selbst zu tragen. Kein Bonus kann miserable Behandlung 
wiedergutmachen. Sklavenhaltung geht gar nicht.

> Wie ist variable Vergütung bei eurem aktuellen Arbeitgeber geregelt?

Die Details sind kompliziert, aufwendig und in zahlreichen 
Betriebsvereinbarungen festgelegt, die ich hier nicht ausbreiten möchte. 
Es gibt Sachleistungen, Geldleistungen, Geldanlage- und 
Versicherungs-Leistungen, eine Unmenge an Formularen, 
Berechnungsformeln, Prozesse und was nicht noch alles. Offiziell sind 
sogar die gesetzlich vorgeschriebenen Zahlungen für 
Arbeitnehmererfindungen im Bonisystem semi-illegal verwurstet. Insgesamt 
fast schon der oben erwähnte Zirkus. Aber:

> Findet ihr das gut, klar und fair?

Mein jetziger Arbeitgeber hat es sich zum Sport gemacht immer wieder 
gegen einzelne Punkte der Vereinbarung zu verstoßen. Z.B. 
unternehmensweite Zielvorgaben für Bereiche in denen laut 
Betriebsvereinbarung individuelle Ziele vereinbart werden müssen.

Ca.75% der Mitarbeiter haben sich, begünstigt durch ein weiteres 
Schlupfloch in einer Betriebsvereinbarungen, dem Bonussystem 
weitestgehend entzogen.

Noch Fragen?


> Hat einer eurer bisherigen Arbeitgeber jemals das Bonus-System geändert?
> Wenn ja: wie und wie kam das bei euch an?

Ja, fast jeder. Wenn das im Rahmen der gültigen Vereinbarungen erfolgt 
(vernünftige, zeitgerechte Kündigung der alten Vereinbarungen, 
Übergangszeit, ...), das neue System transparent war und man es ablehnen 
konnte, hat man mit den Schultern gezuckt und weiter gearbeitet.

Das geht aber nur dann, wenn man ein vernünftiges Gehalt bekommt, also 
nicht bei Sklavenhaltung.

> Welches Unternehmen hat eurer Meinung nach ein sinnvolles,
> transparentes, ehrliches System für variable Vergütung?

Dasjenige, das seine Mitarbeiter anständig bezahlt und bei denen Boni, 
wenn überhaupt, nur ein kleines, nettes Zubrot sind. Das darf sogar so 
weit gehen, dass nur für extreme Sonderleistungen unangekündigt, ohne 
spezielle Vereinbarung eine nicht-triviale Gratifikation gezahlt wird.

> Kennt ihr Unternehmen, die gar keine variable Vergütung haben?

Ja.

> Wie würdet ihr Boni handhaben, wenn es euer eigenes Unternehmen wäre?

Siehe oben.

von Old P. (Gast)


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Boni halte ich für den Gipfel der Ausbeutung. Einfach mal tiefer 
nachdenken... ;-)
Nebenbei bewerte ich die auch noch als Diebstahl am Kunden (z.B. bei 
Banken) Denn wer zahlt die letztlich? Richtig, nicht die Bank!

Old-Papa

von P. M. (o-o)


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Das einzige taugliche System ist aus meiner Sicht, dass man die Firma 
genossenschaftlich organisiert. Jeder Mitarbeiter bekommt also einen 
Teil seines Gehalts als Firmenanteil, den er nicht veräussern darf, so 
lange er noch in der Firma arbeitet. Je höher die 
Entscheidungskompetenz, desto höher der Aktienanteil des Lohnes. So wird 
jeder gezwungen, die tatsächlichen Ziele des Unternehmens zu verfolgen.

von Karl (Gast)


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Boni passen gut zum Hire & Fire. In die deutsche Arbeitswelt passen die 
nur schlecht rein. Außerdem stelle ich mir die transparente 
Leistungsbewertung bei Leuten, die mit dem Kopf arbeiten schwierig vor. 
Wie soll das funktionieren?

von (prx) A. K. (prx)


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A. Researcher schrieb:
> Was haltet ihr, sofern ihr im Bereich von Software-, Hardware- bzw.
> Produktentwicklung tätig seid, ganz generell von Boni, die an
> Unternehmens- und/oder persönlicher Leistung hängen?

Vom Bonus für mich, oder von den Boni für die Anderen? ;-)

Es ist schwierig, den Anteil jedes Mitarbeiters am Gesamterfolg der 
Firma zu ermitteln. Es wird immer einige wenige geben, deren gute oder 
schlechte Entscheidungen massgeblich den Erfolg bestimmen. Mit Boni geht 
das zu Lasten auch jener, die daran keinerlei Anteil haben.

Die bei aussertariflichen Gehältern nicht seltenen Boni sind dann oft 
ein Papierkonstrukt und effektiv nicht Leistungsabhängig, solange der 
Laden einigermassen läuft. Wobei jemand, der die Firma verlässt, den 
letzten Bonus mindestens anteilig vergessen kann.

> Das einzige taugliche System ist aus meiner Sicht, dass man die Firma
> genossenschaftlich organisiert. Jeder Mitarbeiter bekommt also einen
> Teil seines Gehalts als Firmenanteil, den er nicht veräussern darf, so
> lange er noch in der Firma arbeitet.

Anders ausgedrückt: Wenn die Firma pleite geht, dann bist du nicht nur 
dein Einkommen und deinen Arbeitsplatz los, sondern zusätzlich auch noch 
dein Vermögen und deine Rente. Die normalen Aktionäre dürfen rechtzeitig 
verkaufen wenn sie Lunte riechen, aber nicht die Mitarbeiter.

: Bearbeitet durch User
von WehOhWeh (Gast)


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Es hängt davon ab wie es gestaltet ist.

Bei uns ist das z.B. eine absolute Katastrophe. Wir haben einen 
variablen, von Zielen abhängigen Anteil am Gehalt.
Bescheuert ist, dass ich auf die Erfüllung meiner Ziele nur wenig 
Einfluss habe. Ein Großteil meiner Ziele sind allgemeine Sachen wie 
Firmengewinn oder Projekte, die dem Vorstand wichtig sind, an denen ich 
aber nicht beteiligt bin.
Mein Chef sagt, das käme so von oben und man könne nichts machen.

Konsequenz:
Es motiviert mich in keinster Weise zusäzlich, schließlich kann ich zur 
Erfüllung meiner Ziele nichts beitragen.

Dijenigen, die tatsächlich relevante Projekte haben, versuchen alles, 
Termine zu halten. Ohne Rücksicht auf Verluste, schließlich hängt das 
Wohlwollen der Kollegen davon ab. Was der Firma sehr schadet (Kosten, 
Qualität).

--> An mir geht das also meistens vorbei
--> Es schadet mehr als es nützt

Möglicherweise kann man das besser gestalten, aber meiner Meinung nach 
führt sowas zu Günstlingswirtschaft und nicht zu Mehrleistung. Weil sich 
viele Ziele (wie Qualität) nicht gut in Zahlen fassen lassen und daher 
subjektiv bewertet werden.

von P. M. (o-o)


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A. K. schrieb:
> Anders ausgedrückt: Wenn die Firma pleite geht, dann bist du nicht nur
> dein Einkommen und deinen Arbeitsplatz los, sondern zusätzlich auch noch
> dein Vermögen und deine Rente. Die normalen Aktionäre dürfen rechtzeitig
> verkaufen wenn sie Lunte riechen, aber nicht die Mitarbeiter.

Natürlich funktioniert so ein Modell nur, wenn die Firma praktisch zu 
100% den Mitarbeitern gehört. Ich kenne mindestens zwei kleine bis 
mittlere Firmen, wo das seit 15+ Jahren erfolgreich praktiziert wird.

von Pete K. (pete77)


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Zum Thema Zielvereinbarungen:
http://www.focus.de/finanzen/karriere/arbeitsrecht/tid-17370/zielvereinbarungen-die-verhaengnisvollsten-fehler_aid_484089.html

Streitigkeiten möglich:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/zielvereinbarungen-gib-alles-fuer-den-bonus-1.175297

Man kann aich MA über Genusscheine o.ä. am Unternehmenserfolg 
beteiligen.

Ansonsten finde ich ein Bonussystem gut, welches sich am Ergebnis der 
Firma orientiert.

: Bearbeitet durch User
von Mark B. (markbrandis)


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Karl schrieb:
> Außerdem stelle ich mir die transparente Leistungsbewertung bei Leuten,
> die mit dem Kopf arbeiten schwierig vor. Wie soll das funktionieren?

Gerade bei den "Kopfarbeitern" gibt es Unterschiede in der Qualität 
ihres Outputs. Sogar noch viel größere als bei Leuten, die am Fließband 
stehen und Teile montieren.

Man kann feststellen, dass Person A besseren Code schreibt als Person B. 
Oder dass die Spezifikationen, die Person C verfasst, von einer besseren 
Qualität sind als die von Person D. Oder dass Person E mindestens ne 
Woche braucht, um eine Frage per Mail zu beantworten, während Person F 
die Frage innerhalb eines Tages umfassend beantworten kann.

Wer den Job besser macht als ein anderer, der sollte auch mehr Geld 
verdienen. Das wäre fair und gerecht. Allerdings muss man dazu die 
Qualität von Arbeitsergebnissen messen, und da tun sich viele Firmen 
schwer mit bzw. sie tun es überhaupt nicht.

: Bearbeitet durch User
von P. M. (o-o)


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Mark Brandis schrieb:
> Man kann feststellen, dass Person A besseren Code schreibt als Person B.
> Oder dass die Spezifikationen, die Person C verfasst, von einer besseren
> Qualität sind als die von Person D.

Kann wer? Eigentlich kann das nur eine Person, die sich mit dem Problem 
mindestens so gut auskennt, wie die zu beurteilende Person selbst. Bei 
anspruchsvoller Entwicklungsarbeit wird es aber schnell schwierig, 
überhaupt jemanden zu finden, der die Arbeit beurteilen kann.

von lalala (Gast)


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Mark Brandis schrieb:
> Allerdings muss man dazu die
> Qualität von Arbeitsergebnissen messen, und da tun sich viele Firmen
> schwer mit bzw. sie tun es überhaupt nicht.

Mach mal einen Vorschlag wie man Qualität misst?

Ansonsten: Boni führen dazu dass die Leute alles dran setzen um diese 
Ziele den Wortlaut nach zu erfüllen, egal ob das der Firma schadet oder 
nicht. Viele Konsequenzen daraus waren bei Erstellung der Zielvorgabe 
nicht beabsichtigt.

von Mark B. (markbrandis)


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P. M. schrieb:
> Kann wer? Eigentlich kann das nur eine Person, die sich mit dem Problem
> mindestens so gut auskennt, wie die zu beurteilende Person selbst. Bei
> anspruchsvoller Entwicklungsarbeit wird es aber schnell schwierig,
> überhaupt jemanden zu finden, der die Arbeit beurteilen kann.

Wer kann am besten beurteilen, wer ein guter Entwickler ist? Andere 
Entwickler, also die "peer group".

Ich muss nicht den Code für das Abstandsmessgerät selbst geschrieben 
haben um festzustellen, dass der Code grottig ist und sich nicht an die 
Programmierrichtlinien hält. Beim Code für die Visualisierung sehe ich 
hingegen, dass jemand sauber gearbeitet hat. Wenn andere (Entwickler) 
außer mir das auch so sehen, dann ist vollkommen klar, wer hier Arbeit 
in besserer Qualität abgeliefert hat.

von Mark B. (markbrandis)


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lalala schrieb:
> Mark Brandis schrieb:
>> Allerdings muss man dazu die
>> Qualität von Arbeitsergebnissen messen, und da tun sich viele Firmen
>> schwer mit bzw. sie tun es überhaupt nicht.
>
> Mach mal einen Vorschlag wie man Qualität misst?

Indem man Kriterien für Qualität aufstellt und misst, ob diese Kriterien 
erfüllt sind. Die Kriterien hängen natürlich von dem Gegenstand ab, der 
betrachtet wird.

Für Code gibt es eine ganze Reihe von Kriterien, die man prüfen kann. 
Teilweise auch vollautomatisch (statische Codeanalyse).

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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Mark Brandis schrieb:
> Wer kann am besten beurteilen, wer ein guter Entwickler ist? Andere
> Entwickler, also die "peer group".

Prima Aussichten für Teamarbeit.

von Mark B. (markbrandis)


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A. K. schrieb:
> Mark Brandis schrieb:
>> Wer kann am besten beurteilen, wer ein guter Entwickler ist? Andere
>> Entwickler, also die "peer group".
>
> Prima Aussichten für Teamarbeit.

Was ist die Alternative? Jemanden, der schlechten Code schreibt, ewig 
weiter vor sich hinfrickeln lassen? Damit verhindert man ja geradezu 
systematisch, dass es jemals besser wird.

von Handbremser (Gast)


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Mark Brandis schrieb:
> Was ist die Alternative? Jemanden, der schlechten Code schreibt, ewig
> weiter vor sich hinfrickeln lassen? Damit verhindert man ja geradezu
> systematisch, dass es jemals besser wird.
Den schmeisst man einfach raus wenn er nicht entwickeln kann, ganz 
einfach.

von Mark B. (markbrandis)


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Handbremser schrieb:
> Mark Brandis schrieb:
>> Was ist die Alternative? Jemanden, der schlechten Code schreibt, ewig
>> weiter vor sich hinfrickeln lassen? Damit verhindert man ja geradezu
>> systematisch, dass es jemals besser wird.
> Den schmeisst man einfach raus wenn er nicht entwickeln kann, ganz
> einfach.

Das setzt voraus, dass jemand darauf schaut, wie derjenige seinen Job 
macht. Und das geht gerade eben in die Richtung "Messen von Qualität".

von Maxx (Gast)


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Mark Brandis schrieb:
> Was ist die Alternative? Jemanden, der schlechten Code schreibt, ewig
> weiter vor sich hinfrickeln lassen? Damit verhindert man ja geradezu
> systematisch, dass es jemals besser wird.

Das ist richtig für formale Kriterien in der SE, die du auch als 
Beispiel genannt hast.
Aber Qualität endet dort nicht sondern beginnt nach der Einhaltung 
formaler Kriterien erst. Und genau dort wo die formalen Kriterien 
eingehalten werden ist weiter Raum für Qualitätsunterschiede und 
persönlichen Geschmack.

Über Geschmack lässt sich vortrefflich streiten.

Ob pragmatisch oder künsterisch, wie sollen Software-Entwickler sich 
gegenseitig bewerten, wenn die formalen Kriterien sich nicht 
unterscheiden, aber der eine mit D. Knuth übereinstimmt (Die Kunst der 
Softwareentwicklung) und der andere SE als reine Ingenieursarbeit sieht 
( trocken, sachlich, "unkreativ" -> Funktion definiert die Software und 
muss bei gleichen Anforderungen ein wiederholbares Ergebnis produzieren 
)

Die Verknüpfung beider Ansichten funktioniert nur, wenn alle das gleiche 
Verständnis der inherent subjektiven "Kunst" haben.

Wenn es also nicht zu Team-Spannungen führen soll, dann kann man das nur 
dadurch erreichen, indem man auf die Qualität eben nicht über formale 
Kriterien hinausgeht. Die aber sind unser 1x1, also kein Zeichen für 
besondere Qualität sondern die unverzichtbare Basis.

von Mark B. (markbrandis)


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Maxx schrieb:
> Wenn es also nicht zu Team-Spannungen führen soll, dann kann man das nur
> dadurch erreichen, indem man auf die Qualität eben nicht über formale
> Kriterien hinausgeht. Die aber sind unser 1x1, also kein Zeichen für
> besondere Qualität sondern die unverzichtbare Basis.

Da kennst Du die Softwareabteilungen in manchen Firmen aber schlecht... 
;-)

von Handbremser (Gast)


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Maxx schrieb:
> Aber Qualität endet dort nicht sondern beginnt nach der Einhaltung
> formaler Kriterien erst. Und genau dort wo die formalen Kriterien
> eingehalten werden ist weiter Raum für Qualitätsunterschiede und
> persönlichen Geschmack.

Nö ist es nicht. Entweder er hält sich an die Formalien oder nicht. Wenn 
er das schon nicht schafft taugt er noch weniger. Hält er sich an die 
Formalien aber die Tests versagen bei ihm ständig und 
überdruchschnitlich oder er braucht länger als andere dann taugt er 
nichts. Wenn man gegenseitige Codereviews macht und er am schlechtesten 
abschneidet ist er auch fällig.
Damit man ihn schnell und sicher los wird, gibts eine betriebsbedingte 
Kündigung und tschüss.

von Maxx (Gast)


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Also staffelst du Qualität in

- OK (Mitarbeiter kann bleiben)
- grottig (Mitarbeiter wird gekündigt)

ich würd die Qualität dieser Bewertungsskale in sich selbst dann wohl 
als grottig bewerten :-P

Also Grundlage für Bonis kann sie aber definitionsbedingt nichts 
bringen, es sei denn alle noch in der Firma verbleibenden Mitarbeiter 
bekommen grundsätzlich den Boni ;-)

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, "A. Researcher",

> wir (Online-Branche, ~250MA) überlegen grade, was wir künftig mit Boni –
> speziell im IT- und Produktbereich – umgehen sollen.
>
> Was haltet ihr, ... ganz generell von Boni, die an
> Unternehmens- und/oder persönlicher Leistung hängen?


1. "Die Kunst des Managements besteht ohnehin darin, mit weniger Wissen, 
als es die Mitarbeiter haben, diese zu führen." (Bernd Pischetsrieder, 
Ex-BMW)
Wo diese Weisheit wahr ist, da brauchen die Führungskräfte das 
engagierte Mitdenken ihrer Mitarbeiter. Dazu brauchen sie deren 
Vertrauen. Und zwar nicht das der geheuchelten Art, die man einem 
Despoten gegenüber zeigen muss, sondern das der aufrichtigen Art, wie 
sie im echten Team gebraucht wird.


2. "Niemand ist gut genug, einen anderen ohne dessen Zustimmung zu 
regieren." (Abraham Lincoln )
Ohne diese Zustimmung gar kein Vertrauen, kein Mit-Denken, eher 
Gegen-Denken, Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, Vernichtung von erst 
Marktanteil, dann Kapital und zuletzt Arbeitsplätzen.


3. Wo aber der CEO meint, seine Mitarbeiter mit Verantwortung mit Boni 
bestechen zu müssen, damit sie tun, wofür er sie bestochen hat, da 
verliert sein ganzes Management alle Aussichten auf Lincoln'sche 
Zustimmung:
a) Der CEO, weil er schon längst nicht mehr führen konnte - also über 
den "richtigen Weg" zu entscheiden.
b) Der Rest seiner Manager, weil die ihre Mitarbeiter gar nicht fragen 
dürfen, was die für richtig und vernünftig halten.

Verscherzen sich CEO und sein Management gerade die Lincoln'sche 
Zustimmung, sollten die Aufsichtsräte heimlich auf Baisse wetten, denn 
darin sind deren Gewinnchancen deutlich gestiegen.


Sondern:
a) Der CEO sollte an seiner Führungsschwäche arbeiten, damit er sie 
überwindet.
b) Das Lincoln'sche Vertrauen in seinem Unternehmen stellt er eher durch 
Boni für Führungskräfte und auch deren Mitarbeiter wieder her, die am 
Gewinn der jeweiligen Unternehmenseinheit gekoppelt sind - die Boni für 
Kantine, Betriebsbibliothek und Hausmeisterei aber besser am Gewinn des 
ganzen Unternehmenns.
So wissen sie Wertschaffenden, ihr guter Rat für ihren Chef und ihr 
Engagement für gemeinsame Ziele verbessern nicht nur dessen 
Entscheidungen und Ergebnisse, sondern auch die Höhe ihrer eigenen 
Erfolgsbeteiligung.


Für Qualitätsbewusste:
„Bonussysteme zerstören unsere Unternehmen.“ (Dr. Edwards Deming)

Ciao
Wolfgang Horn

von Max P. (circutcircus)


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von Mark B. (markbrandis)


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Wolfgang Horn schrieb:
> Für Qualitätsbewusste:
> „Bonussysteme zerstören unsere Unternehmen.“ (Dr. Edwards Deming)

Die Aussage ist für sich allein zu pauschal, da würde mich der Kontext 
interessieren. Kannst Du da eine Quelle angeben? Egal ob englisch oder 
deutsch.

Ziemlich sicher ist nicht jedwede Art von Bonus(-zahlung) gemeint, die 
überhaupt irgendwie vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer erfolgen kann. 
Denn sonst würden auch Prämien für Verbesserungsvorschläge in der 
Produktion, wie es sie z.B. bei VW gibt, "Unternehmen zerstören". Das 
ist gewiss nicht der Fall.

: Bearbeitet durch User
von Martin (Gast)


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Bei uns ist ein recht faires und gut funktionierendes Bonussystem 
implementiert. Habe ich grundsätzlich nichts dagegen.

Wesentlich unternehmenszerstörerischer scheint mir da die allumfassende 
staatliche Gängelung zu sein.

von Jay (Gast)


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Mark Brandis schrieb:
> A. K. schrieb:
>> Mark Brandis schrieb:
>>> Wer kann am besten beurteilen, wer ein guter Entwickler ist? Andere
>>> Entwickler, also die "peer group".
>>
>> Prima Aussichten für Teamarbeit.
>
> Was ist die Alternative? Jemanden, der schlechten Code schreibt, ewig
> weiter vor sich hinfrickeln lassen? Damit verhindert man ja geradezu
> systematisch, dass es jemals besser wird.

Du mischst das Messen / Kontrollieren von Arbeitsleistung mit der 
Gewährung von Boni.

Die Arbeitsleistung, ob gut oder schlecht, sollte sich im Gehalt und 
Angestelltenstatus (angestellt oder eben nicht mehr = gefeuert) 
widerspiegeln. Fertig. Es gibt bereits ohne Boni ausreichend Mittel um 
Verbesserungen zu steuern.

Die Idee der Beurteilung der Arbeitsleistung durch eine Peer Group ist 
auch nicht besser als die Beurteilung durch einen Manager. Es gibt 
absolut keine Garantie, dass eine Peer Group objektiv beurteilt. Es gibt 
nicht mal eine Garantie, dass sie es könnten wenn sie wollten.

Code-Metriken sind auch nicht das Allheilmittel. Messen kann man bei 
Code viel. Es gibt haufenweise Metriken. Die meisten sind akademische 
Kopfgeburten ohne Praxisrelevanz. Sogar die mit Praxisrelevanz liefern 
manchmal falsche Aussagen. Hinzu kommt, dass man Metriken auch falsch 
einsetzen kann. Beispiele:

- Die Hütte brennt

Am Wochenende, Nachts um drei, schreibt ein einsamer Held unter extremen 
Zeitdruck einen Hack, vielleicht noch vor Ort, direkt beim Kunden, um 
ein sehr akutes Problem zu lösen. Vielleicht steht ein Millionenauftrag 
auf dem Spiel.

Der Code ist scheiße. Das eingesetzte Tool zur Analyse sagt der Code ist 
scheiße. Der Bonus für unseren Hacker wird reduziert. Das er damit einen 
wichtigen Auftrag gerettet hat bleibt unerwähnt.

- Bewusst oder unbewusst falsch eingesetzte Metriken

Die Theorie hinter nicht-trivialen Metriken ist kompliziert - 
akademische Kopfgeburten. Es ist nicht schwer die falsch anzuwenden oder 
die Ergebnisse falsch zu interpretieren.

von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Mark,

> Wolfgang Horn schrieb:
>> Für Qualitätsbewusste:
>> „Bonussysteme zerstören unsere Unternehmen.“ (Dr. Edwards Deming)
>
> Die Aussage ist für sich allein zu pauschal, da würde mich der Kontext
> interessieren. Kannst Du da eine Quelle angeben? Egal ob englisch oder
> deutsch.

Ich habe viele Zitate des Qualitätspapstes von der Homepage der SAQ 
kopiert, der Swiss Association for Quality. Aber nicht als Argument der 
Art "meine These ist richtig, weil sie vom Qualitätspapst stammt", 
sondern nur, um Eindruck zu schinden.
Denn das Wort eines Gurus taugt nicht mehr als das eines anderen, der 
das Gegenteil behauptet.

Deswegen meine Argumentation mit der Lincolnschen Zustimmung - wer die 
als Wertschaffender für wahr hält - oder als einer, der sich in dessen 
Lage versetzen kann, der kann die Auwirkungen eines vorgeschlagenen 
Bonussystems auf gegenseitiges Vertrauen und die Produktivität der 
Zusammenarbeit simulieren. Dann erkennt er, warum der Qualitätspapst 
Recht hatte. Zumindest in dem Kontext, den ich mit Pischetsrieders Zitat 
eingeschränkt habe.

Diese eigene, selbständige Simulation wird auch im Interesse dessen 
gewesen sein, der dies gesagt hat:
„Erfahrung ohne Theorie lehrt das Management kein bisschen dar-über, was 
zu tun ist, um die Qualität und Wettbewerbsstellung zu verbessern.“ (Dr. 
Edwards Deming


> Ziemlich sicher ist nicht jedwede Art von Bonus(-zahlung) gemeint, die
> überhaupt irgendwie vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer erfolgen kann.
> Denn sonst würden auch Prämien für Verbesserungsvorschläge in der
> Produktion, wie es sie z.B. bei VW gibt, "Unternehmen zerstören". Das
> ist gewiss nicht der Fall.
Ich bin in einem Unternehmen groß geworden, das weltweit als 
hochinnovativ galt und noch gilt, dessen bürokratisches 
Verbesserungsvorschlagwesen aber eher von den Frustrieren genutzt worden 
war. Denn wer von den wirklichen Könnern eine wirklich gute Idee hatte, 
der setzte die sofort um - und / oder tauschte sie in der Mittagskantine 
mit dem, der sie hätte gebrauchen können. Je höher die Prämien für 
Vorschläge, desto eher würgen sie diesen effizienten "Graswurzelweg der 
Innovation" ab. Von der Größe des Unternehmens hängt dann ab, welcher 
Weg der Verbreitung von Vorschlägen mehr zur Zukunft des Unternehmens 
beiträgt.

Deshalb sind pauschale Behauptungen immer mit Vorsicht zu genießen. 
Deshalb habe ich den Kontext bereits eingeschränkt, nur für den gelten 
meine Schlußfolgerungen, wie ich sie dargestellt habe.

Ciao
Wolfgang Horn

von Lutz H. (luhe)


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Boni werden oft verteilt nach:

1. Körpergröße
2. Schönheit
3. Geschlecht

von Peter (Gast)


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Wie definierst du/ihr Boni??

Bei uns besteht der Boni aus einem Teil des Gewinn aus dem Vorjahr, der 
dann wie folgt umgesetzt wird:
- Freigetränke (Kaffe, Wasser, Saft)
- Kantine wird stärker bezuschußt
- vollgesponserter Betriebsausflug ggf mit Familienanhang
und wenn dann noch was über bleibt, bis zu 5% mehr im nächsten Jahr.

Ich finds gut so
Peter

von Paul B. (paul_baumann)


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Peter schrieb:
> Wie definierst du/ihr Boni??

Peter schrieb:
> Freigetränke (Kaffe,

Das wären dann wohl Kaffeebohni?

MfG Paul

von Stringenter Logiker (Gast)


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Peter schrieb:
> - Freigetränke (Kaffe, Wasser, Saft)

Wasser als Bonus... MUAHAHAHA

von Jemin K. (jkam)


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Boni die allen nützen sind sicherlich eine Überlegung wert. Also z.B. 
freies Eis etc. Das Problem ist nur mit solchen Boni, wenn das Jahr 
schlecht war, und sie nicht mehr existieren, haben sih die Leute dran 
gewöhnt und die Stimmung sinkt. Man gewinnt also nicht unbedingt viel.

Individuelle Boni sind Bockmist. Und zwar, weil es 1. keine sinnvollen 
Maße gibt, Erfolg zu bewerten, außer vielleicht noch im Vertrieb. und 2. 
solche Maße ihre Funktion verlieren, wenn sie als Grundlage für Boni 
herangezogen werden. Wird ein Messinstrument zum Bewertungsinstrument, 
verliert es seine Aussagekraft.

von Wolfgang H. (Gast)


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Genau, Peter,

> Bei uns besteht der Boni aus einem Teil des Gewinn aus dem Vorjahr, der
> .... Ich finds gut so

Ich täte das auch, weil der Zusammenhang zwischen dem gemeinsamen 
Engagement  Glück  Erfolg plausibel und klar ist. Gerade in einer 
Entwicklung oder in Anlagenprojekten, mein altes Geschäft, wo die 
gemeinsame Arbeit mehr zählt als die individuelle Leistung. Wo das 
gemeinsame Arbeitsergebnis zählt, da muss man sich aufeinander verlassen 
können, da ist das Miteinander wichtiger als die Übermotivation durch 
Gegeneinander - und dazu müssen die Führungskräfte die entsprechenden 
Randbedingungen schaffen.

Im Vertrieb gelten andere Regeln, beispielsweise beim Handelsvertreter 
mit festem Kundenkreis.

Ciao
Wolfgang Horn

von Wolfgang H. (Gast)


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Ja, Jemin.

> Boni die allen nützen sind sicherlich eine Überlegung wert. Also
> z.B. freies Eis etc. Das Problem ist nur mit solchen Boni, wenn das Jahr
> schlecht war, und sie nicht mehr existieren, haben sih die Leute dran
> gewöhnt und die Stimmung sinkt.
Auf das Hoch folgt dann ein steilerer Absturz, klar.
Aber wenn der genauso transparent ist wie das Hoch, und eben nicht 
strotzt vor Manipulation, dann ist er auch gemeinsam zu ertragen wie die 
Regenschauer zwischen dem blauen Himmel. Sogar mit der Hoffnung auf den 
"Wiederaufstieg". Auch mit Maßnahmen dazu - wenn die ebenso vernünftig 
und plausibel sind.

Was gar nicht geht, aber nahe Delmenhorst mal Ärger machte: Im Betrieb 
fordert der CEO Urlaubs- und Gehaltsverzicht, damit die Firma überlebe, 
und auf seinem Anwesen ist sein Töchterchen zu sehen, wie es gerade sein 
neues und sündteures Ross trainiert.
Wer Miteinander in der Arbeit will, der darf nicht mal den Anschein 
zulassen, er torpediere es in seiner Freizeit.


> Individuelle Boni sind Bockmist.
Sie verschärften die Konkurrenz unter Kollegen, bevorzugen die Schurken 
unter ihnen und frustrieren diejenigen, die sich "für das Ganze" 
eingesetzt hätten.

Aber wo die Summenleistung nicht in Zusammenarbeit entsteht, sondern aus 
der Summe von isolierten Einzelleistungen, da macht eine Beteiligung am 
eigenen Beitrag mehr Sinn als irgendwelche Motivationsmittel, die doch 
als Mittel zur Manipulation erkannt werden.

> Und zwar, weil es 1. keine sinnvollen Maße gibt, Erfolg zu bewerten ...
Auf Erden gibt es keine Gerechtigkeit. Außer aus Sicht des gerade 
amtierenden Despoten. Ansonsten kann das, was heute noch ein Erfolg zu 
sein schien, aus der Sicht von Übermorgen schon der Anfang vom Untergang 
gewesen sein.

Wir Menschen widerholen aber gern, was uns erfolgreich schien, und 
meiden das andere. Dafür sind Zeichen sogar dann besser als keine, wenn 
es ihnen an Perfektion fehlen sollte.


Ciao
Wolfgang Horn

von Heinz L. (ducttape)


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Das Problem ist, woran aufhängen? Management by numbers means people 
game the numbers.

Weil das ist genau das Problem, wenn man Menschen auf Kennzahlen trimmt 
werden diese Menschen genau das tun was Topmanager, bei denen sowas ja 
schon weit länger rennt, tun: Ihre Kennzahlen erfüllen, egal wie's der 
Firma dabei geht.

Nimm einen Verkäufer her. Gibst Du ihm Vorgaben mit Umsatzzielen wird er 
verkaufen ohne Ende, und ohne Rücksicht auf die Frage ob dabei auch 
Gewinn entsteht. Umsatz machen kann man auch mit Verlust. Sogar noch um 
einiges leichter als wenn man Gewinn erzielen will. Wenn Du ihm Vorgaben 
zum Gewinn machst wird er nicht drauf einsteigen, weil er den Gewinn 
nicht beeinflussen kann. Wenn Du ihn zwingst bestimmte Leistungen um 
bestimmte Beträge zu verrechnen nimmst Du ihm die 
Verhandlungsflexibilität die er braucht um erfolgreich gegen andere, 
flexiblere Unternehmen zu stechen.

Und das war jetzt nur der Verkäufer, dessen Ziele wenigstens irgendwie 
messbar sind. Wie willst denn beim Entwickler? Irgendein Wahnsinniger 
ist mal auf die Idee gekommen die Zeilen Code zu messen die Entwickler 
pro Tag produzieren. Das Ergebnis brauch ich hier hoffentlich nicht 
erwähnen. In kurz: Es wurde SEHR viel Code produziert. Man kann jedes 
Problem zerreden, und jeden Code unendlich ausdehnen.

Oder was ganz lustiges, wie misst man die Leistung der IT-Security? An 
den nicht passierten security breaches? Falls ja, ich verkaufe Steine 
gegen Attacken von Tigern...


Unterm Strich gibt's 2 mögliche Szenarien die in der Realität eintreten: 
Entweder gibt's Boni die erreichbar sind, aber deren Bedingungen SO weit 
an dem vorbeigehen was für die Firma vorteilhaft wäre dass man für heiße 
Luft zahl oder, schlimmer, die Leute im System so schummeln dass es für 
die Firma am Ende sogar negativ ist was sie leisten. Oder die Boni sind 
eh nicht erreichbar, dann bekommt man damit nur frustrierte Mitarbeiter 
die im Endeffekt geistig längst gekündigt haben weil sie sich, zurecht, 
verarscht fühlen.

von Mark B. (markbrandis)


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Jemin Kamara schrieb:
> Individuelle Boni sind Bockmist. Und zwar, weil es 1. keine sinnvollen
> Maße gibt, Erfolg zu bewerten

Doch, Erfolg kann man messen.

Man kann z.B. erfassen,
-wie zufrieden die Kunden einer Firma sind
-wie zufrieden die Angestellten einer Firma sind
-wie gut die Produktqualität ist.

Niemand hat gesagt dass das einfach und in 5 Minuten erledigt ist. Aber 
machbar ist es.

von Mark B. (markbrandis)


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Heinz L. schrieb:
> Und das war jetzt nur der Verkäufer, dessen Ziele wenigstens irgendwie
> messbar sind. Wie willst denn beim Entwickler? Irgendein Wahnsinniger
> ist mal auf die Idee gekommen die Zeilen Code zu messen die Entwickler
> pro Tag produzieren. Das Ergebnis brauch ich hier hoffentlich nicht
> erwähnen. In kurz: Es wurde SEHR viel Code produziert. Man kann jedes
> Problem zerreden, und jeden Code unendlich ausdehnen.

Jeder, der Ahnung von SW-Entwicklung hat, weiß dass dies ein 
untaugliches Kriterium ist. Man muss natürlich sinnvolle Kriterien 
verwenden. Die gibt es durchaus, auch wenn sie nicht immer ganz so 
einfach in harte Zahlen zu fassen sind (z.B. "Wie gut ist die 
Wartbarkeit des Codes?")

> Oder was ganz lustiges, wie misst man die Leistung der IT-Security?

Was soll daran so schwer sein? Die Uptime bzw. Verfügbarkeit der Systeme 
kann man messen. Man kann messen, wie lange es im Durchschnitt dauert 
bis ein Patch auf die Systeme aufgespielt ist. Man kann Penetration 
Tests durchführen und die Ergebnisse protokollieren. Wenn Schwachstellen 
gefunden wurden, kann man diese nachbessern und erfassen wie lange dies 
gedauert hat (wie lange die Systeme also verwundbar waren).

All das ist möglich. Dass es in vielen Firmen nicht so gemacht wird, 
bedeutet nicht dass es generell nicht geht.

Allgemeiner (nicht nur auf Security, sondern auf die Unternehmens-IT 
generell bezogen) kann man erfassen, wie lange es dauert bis ein Ticket 
über ein HW- oder SW-Problem bearbeitet wurde. Auch kann man die 
Zufriedenheit der Kunden erfragen. Wenn jeder in der Firma über die IT 
eines Unternehmens schimpft, dann ist sie offensichtlich nicht gut 
genug. Was allerdings auch daran liegen kann, dass die IT-Abteilung 
schlecht ausgestattet ist und/oder die Mitarbeiter dieser Abteilung 
überlastet sind. Womit wir dann wieder bei Fehlentscheidungen des 
Managements wären.

: Bearbeitet durch User
von Wolfgang H. (Gast)


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Hi, Heinz,

> Das Problem ist, woran aufhängen? Management by numbers means
> people game the numbers.

Der Charme von Dr. Deming ist, gerade dafür plausible Antworten zu 
haben. Wie:
„Wir sollten uns von der Theorie, nicht von Zahlen leiten lassen.“ (Dr. 
Edwards Deming)

Mir sind seine Antworten plausibel aus dem Verständnis, wie mehr 
Qualität in den Prozessen die Streuung minimiert, gut ist für Produkte 
und Kunden, so dass die Kunden gern wiederkommen und das Geschäft 
wettbewerbsfähiger wird.


> Weil das ist genau das Problem, wenn man Menschen auf Kennzahlen trimmt
> werden diese Menschen genau das tun was Topmanager, bei denen sowas ja
> schon weit länger rennt, tun: Ihre Kennzahlen erfüllen, egal wie's der
> Firma dabei geht.

Genau. Und wieder:
"People with targets and jobs dependent upon meeting them will probably 
meet the targets - even if they have to destroy the enterprise to do 
it."
W. Edwards Deming 
(www.brainyquote.com/quotes/authors/w/w_edwards_deming.html#STPzTtiboQy3 
pHiT.99)


Diese Lösung habe ich nun nicht von Deming, sondern von einem Global 
Player:
"Es fehlt Ihrem Sohn … das heilige Feuer, welches dahin treibt, in 
erster Linie das Richtige und Vernünftige zu tun, mögen die Folgen auch 
persönlich unangenehm sein! Nur aus solchem Holze lassen sich leitende 
Stützen des Geschäfts machen." (Werner von Siemens)
"Das Richtige und Vernünftige" wird richtig vernünftig, wenn es der 
bestmögliche Beitrag zur Zukunft des ganzen Unternehmens ist. Oder 
mindestens der Beitrag zur Zukunft der eigenen Unternehmenseinheit - und 
möglichst mehr Wachstum, als die Rationalisierung Arbeitsplätze kostet. 
Denn dem stimmt auch jeder Mitarbeiter zu, der die Zukunft seines 
Einkommens und des Arbeitsplatzes seiner Wahl ebenfalls wichtiger nimmt 
als alles andere in seiner Arbeit.

Wie diese gemeinsame Zukunft gegen die Wettbewerber zu gewinnen ist - 
wer kann das besser wissen als die besten Führungskräfte nach Beratung 
mit ihren besten Fachkräften?


> Verkäufer ... Umsatzzielen ... verkaufen ohne Ende ... Umsatz machen
> kann man auch mit Verlust. ... Wenn Du ihn zwingst Leistungen um
> bestimmte Beträge zu verrechnen nimmst Du ihm  Verhandlungsflexibilität
Klar. Deshalb muss da jemand die Kollegen einen und persönliche 
Einbüssen zum Vorteil des Ganzen ausgleichen. Dafür wiederum braucht er 
eine gewisse Beweglichkeit - aber ob ihm die genehmigt wird?


> wie misst man die Leistung der IT-Security?
Unternehmenseinheiten außerhalb der Wertschöpfungskette können nicht so 
platt mit solchen innerhalb der Kette verglichen werden.

> Unterm Strich gibt's 2 mögliche Szenarien die in der Realität eintreten:
Die beiden gehören dazu, aber nicht allein.


Ciao
Wolfgang Horn

von Heinz L. (ducttape)


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Mark Brandis schrieb:
> Heinz L. schrieb:
>> Oder was ganz lustiges, wie misst man die Leistung der IT-Security?
>
> Was soll daran so schwer sein? Die Uptime bzw. Verfügbarkeit der Systeme
> kann man messen. Man kann messen, wie lange es im Durchschnitt dauert
> bis ein Patch auf die Systeme aufgespielt ist. Man kann Penetration
> Tests durchführen und die Ergebnisse protokollieren. Wenn Schwachstellen
> gefunden wurden, kann man diese nachbessern und erfassen wie lange dies
> gedauert hat (wie lange die Systeme also verwundbar waren).

Läuft nicht.

Uptime? Ist leicht realisierbar mit hinreichend Redundanz. Und ohne fast 
unmöglich. Wenn das die Kennzahl ist fallen fast alle, weil für 
Redundanz selten bis nie die Kohle verfügbar ist.

Patch time? Ist nahezu nie von der Security abhängig sondern von Betrieb 
und Service Stakeholdern. Security wird Dir NIE sagen "nicht patchen". 
Betrieb und Service owner stehen da auf der Bremse weil sie fürchten 
dass nach dem Update auf die nächste Version des OS oder des 
zugrundeliegenden Systems (Java, Python, PHP, etc) das Ding nicht mehr 
läuft und sie kein Geld haben um die längst deprecated und in der 
nächsten Version entfernten Systemteile neu zu schreiben. Und DAS ist 
nicht Teil der Aufgaben der Security!

Pentest. Gute Idee. Wer zahlt? Mit etwa 1000-1500 Euro pro MT und einem 
Aufwand von mehreren Wochen in einem halbwegs großen System hast Du 
dafür NIE das Budget. Nie.

Schwachstellen nachbessern. Siehe Patch time.

Aber immer her mit den Ideen, ich hätt sie ja noch nicht gehabt, ich 
mach den Job ja erst seit 10 Jahren...

von ffff (Gast)


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Bonussystem ja, aber:

Wie der Name schon sagt, sollte es ein Bonus sein. Das heißt wenn eure 
Firma grad umstrukturiert und du davor 40.000€ verdient hast, sollte das 
Bonussystem nicht so ausschauen, dass du nur noch 30.000€ verdienst, es 
aber bis zu 50.000€ werden könnten(20k Bonus). Sowas ist doch der letzte 
Dreck, ich bin dort Mitarbeiter und nicht am Unternehmen beteiligt. Die 
Beteiligung kann ich machen, muss ich aber nicht. Punkt.
Wenn der AG sagt bei der Weihnachtsfeier sagt: "Heuer liefs super, jeder 
kriegt 15% Bonus", dann sagt man: Juhu! Deswegen kann er noch lange 
nicht das nächste Jahr 20% abziehen, weils halt nicht so toll lief. -> 
Dann sollte man das ganze auch eher Gewinnbeteiligung nennen(wie's BMW 
z.B. hat), ich finde das fairer. Im Endeffekt ist jeder ein klein wenig 
am Firmenerfolg beteiligt, ein Bonussystem dient doch nur dazu, die 
Mitarbeiter an einer ganz kurzen Leine zu führen!

von Bastler (Gast)


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IT ist dann gut, wenn sie jedes fancy Gadget in ihrem Netz zuläßt. So 
einfach lassen positive Umfragewerte erreichen.

von Mark B. (markbrandis)


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Heinz L. schrieb:
> Patch time? Ist nahezu nie von der Security abhängig sondern von Betrieb
> und Service Stakeholdern. Security wird Dir NIE sagen "nicht patchen".
> Betrieb und Service owner stehen da auf der Bremse weil sie fürchten
> dass nach dem Update auf die nächste Version des OS oder des
> zugrundeliegenden Systems (Java, Python, PHP, etc) das Ding nicht mehr
> läuft und sie kein Geld haben um die längst deprecated und in der
> nächsten Version entfernten Systemteile neu zu schreiben. Und DAS ist
> nicht Teil der Aufgaben der Security!

Richtig. Man hat hier einen Interessenskonflikt zwischen verschiedenen 
Stakeholdern. In einer vernünftig geführten Firma werden solche 
Interessenskonflikte vom Management aufgelöst, unter Beteiligung der 
Stakeholder. Zum Beispiel kann dies so aussehen, dass für Wartung und 
Pflege der Software von vornherein ein Budget vorgesehen ist. So zieht 
die Ausrede "aber wir können nicht auf die aktuelle Java-Version 
migrieren, dann geht die ganze Software nicht mehr" eben nicht mehr.

Ich gebe zu: Ich suche noch nach einer solch intelligent geführten 
Firma. Irgendwo muss es sie doch geben? :)

: Bearbeitet durch User
von Heinz L. (ducttape)


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Falls ja, nimm mich bitte mit! Dort bin ich auch für weit weniger Geld 
gern CISO.

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