Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Messen von Biosignalen mit Oberflächenelektroden


von Johann (Gast)


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Tag zusammen,
Ich weiß nicht ob meine Fragen hier her passen. Ein Bekannter hat mir 
diese Plattform hier empfohlen da sie sehr kompetent und offen bzw. 
vielseitig (Elektronik etc. betreffend) sei.

Ich habe in letzter Zeit einiges zu Messtechniken in der 
Bio-/Medizintechnik gelesen, aber einiges ist bei mir leider offen 
geblieben. Deshalb hoffe ich, hier endlich Antworten zu finden.
Also folgendes: Es gibt ja unipolare und bipolare Ableit-/ bzw. 
Messtechniken.
Bipolar (meinem Verständnis nach) bedeutet dass zwischen zwei Punkten 
auf der Hautoberfläche die Spannung(sdifferenz?) gemessen wird.
Unipolar dass zwischen einem bestimmten Punkt auf der Hautoberfläche 
(differente Elektrode) und eine Referenz (indifferente Elektrode) 
gemessen wird.
Stimmt das soweit?

Was mich interessieren würde ist wie man Ströme messen kann, die bei 
Bewegung entstehen. Also zum Beispiel wenn man sein Bein anhebt.
Spontan würde ich jetzt sagen, das müsste unipolar gemessen werden, weil 
es ja um die eine Stelle auf der Hautoberfläche (am Beim bzw. der 
entsprechenden Muskulatur geht).
Oft habe ich gelesen, dass die erwähnte Referenz dafür über 
Zusammenschaltung mehrerer Elektroden entsteht. Irgendwo aber auch, dass 
man auch eine größere indifferente Elektrode als die differente 
Elektrode verwenden kann. Geht das tatsächlich? Das heißt dann, dass nur 
2 Elektroden benötigt werden würden. Habe ich das so erstmal richtig 
verstanden?

Keine Angst, ich möchte sowas nicht bauen. Das wäre mir viel zu 
gefährlich, mich mit Elektroden an ein selbs gebautes Gerät 
anzuschließen.
Mich interessiert aber die ganze Technik dahinter, und wie sowas 
funktioniert. Vielleicht andere ja auch und die haben dann womöglich 
dieselben Fragen.

Hoffe, ihr könnt mir da etwas Klarheit verschaffen.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Johann schrieb:
> Also folgendes: Es gibt ja unipolare und bipolare Ableit-/ bzw.
> Messtechniken.
> Bipolar (meinem Verständnis nach) bedeutet dass zwischen zwei Punkten
> auf der Hautoberfläche die Spannung(sdifferenz?) gemessen wird.
> Unipolar dass zwischen einem bestimmten Punkt auf der Hautoberfläche
> (differente Elektrode) und eine Referenz (indifferente Elektrode)
> gemessen wird.
> Stimmt das soweit?
Vorneweg: eine Spannung (=Potentialdifferenz) wird immer(!) zwischen 2 
Punkten gemessen.

Um einen definierten Bezug herzustellen wird sowieso eine 
"Masseelektrode" angebracht.
Und die Unipolare bzw. Bipolare Ableitung bezieht sich nur darauf, ob 
die restlichen Spannungen gegenüber dieser gemeinsamen Elektrode oder 
zwische 2 anderen Elektroden gemessen werden:
1
Unipolare Ableitung:
2
 E1 o---------------------- 
3
                          |
4
 E2 o-----------------    | U1
5
                     |    |
6
 E3 o------------    | U2 |
7
                | U3 |    |
8
                v    v    v   
9
 M  o------------------------  Gemeinsamer Bezugspunkt UND
10
                               Potentialausgleich für Messverstärker 
11
12
13
Bipolare Ableitung:
14
 E1 o----------------------
15
                          | U1-U2 
16
                          v 
17
 E2 o----------------------
18
    
19
 E3 o----------------------
20
                          | U3-U4  
21
                          v  
22
 E4 o----------------------
23
24
25
 M  o--------------------- Potentialausgleich für Messverstärker

von bernte (Gast)


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evtl hilft es ja weiter
mit dem multimeter kann man bestimmt ein paar dinge am körper messen
http://www.elschenbroich.com/el_mess/el_mess.htm#Kap4

von Johann (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Um einen definierten Bezug herzustellen wird sowieso eine
> "Masseelektrode" angebracht.

Was ist dann aber mit der Referenzelektrode? Wenn sich sowieso die 
gemessenen Spannungen auf diese Elektrode beziehen, welchen Sinn hat da 
die Referenzelektrode? Von der Masseelektrode hatte ich schon gelesen, 
aber der Zusammenhang entzieht sich mir irgendwie. Steh da irgendwie auf 
dem Schlauch. Über Klärung würde ich mich freuen.

> Und die Unipolare bzw. Bipolare Ableitung bezieht sich nur darauf, ob
> die restlichen Spannungen gegenüber dieser gemeinsamen Elektrode oder
> zwische 2 anderen Elektroden gemessen werden:
>
1
> Unipolare Ableitung:
2
>  E1 o----------------------
3
>                           |
4
>  E2 o-----------------    | U1
5
>                      |    |
6
>  E3 o------------    | U2 |
7
>                 | U3 |    |
8
>                 v    v    v
9
>  M  o------------------------  Gemeinsamer Bezugspunkt UND
10
>                                Potentialausgleich für Messverstärker
11
> Bipolare Ableitung:
12
>  E1 o----------------------
13
>                           | U1-U2
14
>                           v
15
>  E2 o----------------------
16
> 
17
>  E3 o----------------------
18
>                           | U3-U4
19
>                           v
20
>  E4 o----------------------
21
> 
22
> 
23
>  M  o--------------------- Potentialausgleich für Messverstärker
24
>

So in etwa hatte ich das verstanden (also mit dem Bi- und Unipolar, hab 
mich vielleicht blöd ausgedrückt). Danke dafür dass du mir das nochmal 
bestätigt hast. Das bringt mich in meinem Verständnis schon ein gutes 
stück weiter.


bernte schrieb:
> evtl hilft es ja weiter
> mit dem multimeter kann man bestimmt ein paar dinge am körper messen
> http://www.elschenbroich.com/el_mess/el_mess.htm#Kap4

Interessanter Beitrag, danke dafür. Lesestoff hilft immer :).

von Walter T. (nicolas)


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Johann schrieb:
> Was mich interessieren würde ist wie man Ströme messen kann, die bei
> Bewegung entstehen

Gar nicht. Du kannst nur Potenziale an Muskeln messen - die wiederum 
stehen in einem Verhältnis zur Aktivierung des Muskels. Siehe hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Elektromyografie

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Johann schrieb:
> Was ist dann aber mit der Referenzelektrode? Wenn sich sowieso die
> gemessenen Spannungen auf diese Elektrode beziehen, welchen Sinn hat da
> die Referenzelektrode? Von der Masseelektrode hatte ich schon gelesen,
> aber der Zusammenhang entzieht sich mir irgendwie.
Die "Masseelektrode" ist bei der unipolaren Messung gleichzeitig die 
Referenzelektrode. Da sind diese beiden Begriffe praktisch austauschbar.
Bei der bipolaren Messung gibts aber genau so viele Referenzen wie 
Messpunkte, und die Masseelektrode sorgt nur dafür, dass der 
Messverstärker mit seinen Eingängen im erlaubten Gleichtaktbereich 
arbeiten kann.

von Johann (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Die "Masseelektrode" ist bei der unipolaren Messung gleichzeitig die
> Referenzelektrode. Da sind diese beiden Begriffe praktisch austauschbar.
> Bei der bipolaren Messung gibts aber genau so viele Referenzen wie
> Messpunkte, und die Masseelektrode sorgt nur dafür, dass der
> Messverstärker mit seinen Eingängen im erlaubten Gleichtaktbereich
> arbeiten kann.

Macht Sinn. Danke für die Erklärung.
Es müsste doch demnach funktionieren, sowas mit nur 2 Elektroden zu 
bewerkstelligen, sprich eine Mess- und eine Masseelektrode, stimmt das?
Mal aus reiner Neugier, wie sähe sowas denn Schaltungstechnisch aus? 
Also für gewöhnlich kommen ja Instrumentenverstärker zum Einsatz. Wenn 
ich jetzt nur eine Messelektrode und eine Masseelektrode habe, macht das 
ja wenig Sinn, weil ich ja im Prinzip nur eine einzige Spannung (an 
Messelektrode bezogen auf Masse) habe.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Johann schrieb:
> Also für gewöhnlich kommen ja Instrumentenverstärker zum Einsatz.
Also Differenzverstärker...

> Wenn ich jetzt nur eine Messelektrode und eine Masseelektrode habe
Dann nimmst du den Instrumentenverstärker und schließt der Einfachheit 
halber den -Eingang und die Masse zusammen an die Masseelektrode. Übrig 
bleibt dann im Grunde ein nichtinvertierender Verstärker...

von Jemin K. (jkam)


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Bei Biosignalen sollte die Messung entweder abgeschirmt erfolgen, was 
schwierig ist, oder bipolar mit gemeinsamer Referenz. Der Grund warum 
unipolare Messungen oft nicht funktionieren ist, dass die Messelektrode 
und die Erde der Schaltung unterschiedliche Kapazität zur Umgebung und 
damit zu Störquellen haben. Minimiert man aber diese Kapazität, zB durch 
eine kleine drahtlose Schaltung, geht es auch. Beispiel: EKG Brustgurt.
Wenn Du also mit einem Bluetooth-Modul, z.B. schlicht als Audiostream, 
Deine Ergebnisse überträgst, reicht öfter als nicht ein einfacher 
Operationsverstärker mit DC-Unterdrückung durch einen Kondensator im 
Spannungsteiler. Die Signale sind aber bipolar, man muss die Bezugmasse 
des OPAmps also etwas verschieben, zB durch eine Diode oder so.
Wenn es eine größere Schaltung ist, geht nichts an einem 
Differenzverstärker vorbei.
und ein sehr guter Bausatz zum experimentieren ist der Bitalino:


http://www.bitalino.com/

von Johann (Gast)


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Lothar M. schrieb:

> Dann nimmst du den Instrumentenverstärker und schließt der Einfachheit
> halber den -Eingang und die Masse zusammen an die Masseelektrode. Übrig
> bleibt dann im Grunde ein nichtinvertierender Verstärker...

Achso. Ich denke, ich verstehe. Vielen Dank an dich, du hast mir 
wirklich extrem geholfen, indem du mir alle meine Fragen beantworten 
konntest.

Jemin K. schrieb:
> Bei Biosignalen sollte die Messung entweder abgeschirmt erfolgen, was
> schwierig ist, oder bipolar mit gemeinsamer Referenz. Der Grund warum
> unipolare Messungen oft nicht funktionieren ist, dass die Messelektrode
> und die Erde der Schaltung unterschiedliche Kapazität zur Umgebung und
> damit zu Störquellen haben. Minimiert man aber diese Kapazität, zB durch
> eine kleine drahtlose Schaltung, geht es auch. Beispiel: EKG Brustgurt.
> Wenn Du also mit einem Bluetooth-Modul, z.B. schlicht als Audiostream,
> Deine Ergebnisse überträgst, reicht öfter als nicht ein einfacher
> Operationsverstärker mit DC-Unterdrückung durch einen Kondensator im
> Spannungsteiler. Die Signale sind aber bipolar, man muss die Bezugmasse
> des OPAmps also etwas verschieben, zB durch eine Diode oder so.
> Wenn es eine größere Schaltung ist, geht nichts an einem
> Differenzverstärker vorbei.
> und ein sehr guter Bausatz zum experimentieren ist der Bitalino:
>
>
> http://www.bitalino.com/

Auch dir ein herzliches Dankeschön, für die Anregungen und den Link. 
Wenn mich das jetzt tatsächlich weiterhin interessiert, ziehe ich es in 
Erwägung, das mal genauer zu betrachten. Ist meiner Meinung nach ein 
hochinteressantes Thema.

Also vielen Dank nochmal, für die ganzen Erklärungen, waren wirklich 
sehr klar und hilfreich.
Schönen Abend noch an euch alle :).

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