Forum: Offtopic Schaltungsentwicklung


von Tom D. (tom26)


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Hallo Zusammen,

Ich würde gerne wissen wie in der Praxis Schaltungen entwickelt werden. 
Wird dort die komplette Schaltung durch Formeln berechnet? Oder doch 
viel Simuliert.

Oder wie erfolgt z.b  die Schaltungen analysiert? Wenn ich mir diese 
Schaltung mal genau betrachte:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/Fluorescent_Lamp_Inverter.png

Ich hab zu jedem Bauteil die Grundlagen erarbeitet…könnte aber nicht 
sagen was die Schaltung genau macht. Gibt es hierfür bestimmte Techniken 
um Schaltungen besser zu analysieren?

Ist hoffe obwohl die Fragen sehr speziell sind, dass mir jemand eine 
Antwort geben kann.

Vielen Dank
Tom

von IncreasingVoltage .. (increasingvoltage)


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Die Leute, die die meiste Ahnung haben, nutzen LT Spice, und das sind 
Analog-gurus. Ich beneide die so sehr!

Von Leuten mit 30+ Jahren Berufserfahrung hätte ich das nicht gedacht 
(ich, jämmerliche 30+J alt, davon 15J. an Praxis im analogen Bereich). 
Die wissen mehr als 95% der Professoren an Unis. Ich denke LT Spice ist 
so nah an der Realität (mittlerweile), dass man durch aus den Anfang(!) 
eines Produktes damit planen kann. Und schnell ist es auch. Erstaunlich, 
wie manche damit umgehen können. Man kann sogar die Umgebungstemperatur 
der Schaltung bestimmen. Das ändert ja auch viele Faktoren.

Aber mit 08/15 Wissen in der Analogelektronik (nicht alles geht mit nem 
µc), kommt man nicht weit. Schaltungsentwicklung in Deutschland stirbt 
sicherlich auch aus (dauert aber noch 50 Jahre), da die Leute von der 
Uni nichts/kaum was drauf haben. Das sehe ich immer wieder an den 
Praktikanten, die vorbei kommen.

: Bearbeitet durch User
von Lutz H. (luhe)


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L1 hat drei Wicklungen,  ohne Windungszahl und ohne Wissen über die 
Funktion wird es schwierig. Irgendwie wird der Zündimpuls erzeugt und 
auch die notwendige  Betriebsspannung.

von IncreasingVoltage .. (increasingvoltage)


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Lutz H. schrieb:
> L1 hat drei Wicklungen,  ohne Windungszahl und ohne Wissen über
> die
> Funktion wird es schwierig. Irgendwie wird der Zündimpuls erzeugt und
> auch die notwendige  Betriebsspannung.

Genau. Das wollte ich auch sagen. Aber ich war mal wieder zu langsam.

von Der M. (mhh)


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Tom D. schrieb:
> Ich hab zu jedem Bauteil die Grundlagen erarbeitet…könnte aber nicht
> sagen was die Schaltung genau macht.

Auf Grund seiner Aufgabe muss es was sein was schwingt.

Tom D. schrieb:
> Gibt es hierfür bestimmte Techniken
> um Schaltungen besser zu analysieren?

Ich hätte beinahe sowas wie "Einfühlungsvermögen" geschrieben.  :)


Spannung liegt an -> C2 lädt sich in Kurve auf -> C1 lädt sich über R1 
in Kurve auf -> über D1 lädt sich die Reihenschaltung von c3 und C4 auf 
-> DIAC sagt: "den Rotz mach ich nicht mit" und bricht beim Erreichen 
seiner Zündspannung + Ube Transistor durch -> C3/C4 entladen sich nun 
über den angesteuerten unteren Transistor -> L1-W3 sorgt als Trafo mit 
W1 und W2 für nun wechselseitiges durchsteuern und sperren der beiden 
Transistoren -> das Ding schwingt nun und die Lampe fängt vor lauter 
Glück an zu leuchten.

Die unterschiedliche Größe von C3 und C4 ergibt sich aus der Tatsache, 
daß über C4 eine große Spannung erreicht werden muss damit die Lampe 
zündet (größerer Blindwiderstand, um Zündspannung der Lampe zu 
überschreiten).

C3 bestimmt dann mit seiner Kapazität den fließenden Lampenstrom. Die 
Schwingfrequenz des Gebildes wird von L1/2 und C3/C4 festgelegt. Warum 
die nicht wandern darf, ergibt sich aus der Notwendigkeit eines 
konstanten Lampenstromes, welcher sich aus frequenzabhängigen 
Blindwiderständen ergibt.

: Bearbeitet durch User
von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Tom D. schrieb:
> 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/Fluorescent_Lamp_Inverter.png

Anstatt dem Deep Link mal auf die Beschreibungsseite schauen und wo die 
Grafik überall verwendet wird, da wird schon einiges klarer.

Brückengleichrichter und C2 dienen zum Gleichrichten der 
Wechselspannung, üblicherweise 50Hz oder 60Hz.  Grund ist der folgende 
Resonanzwandler, der mit Gleichspannung arbeitet.

Zum einen arbeiten die Leuchtmittel bei höheren Frequenzen effektiver 
und zum anderen soll eine niedrigfrequente Modulation der Leuchtstäre 
mit 100 bzw. 120 Hz vermieden werden.  In Röhren, die Hg enthalten, wird 
dieses durch die Hochspannung ionisiert.  Wenn in der nächsten Halbwelle 
der Spannung die meisten Hg-Ionen noch vorhanden sind und noch nicht zu 
Hg-Atomen rekombiniert sind, spart des Energie.

https://en.wikipedia.org/wiki/Fluorescent_lamp#Electronic_ballasts

Zum Diac:

> In den Royer-Konvertern von Energiesparlampen sollen sie einen
> Impuls zum sicheren Starten des Konverters liefern, da Royer-Konverter
> Anschwingschwierigkeiten haben, wenn Ihre Versorgungsspannung beim
> Einschalten zu langsam ansteigt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Diac#Verwendung

Dabei handelt es sich um umnicht um "Royer" im eigentlichen Sinne, d.h. 
die Induktivität wird nicht in die Sättigung getrieben.  Eher passend 
ist "Resonant Converter/Inverter".

"Resonant": Primärseitig gibt es einen LC-Schwingkreis dessen 
Resonanzfrequenz die Schaltfrequenz maßgeblich bestimmt:  Die 
Transostors sollen im Gegentakt arbeiten und im Nulldurchgang von 
Spannung oder Strom schalten um Schaltverluste zu minimieren.  Weiters 
möchte man eine sinusförmige Schwingung, denn Harmonische führen u.U. zu 
Verlusten im Leuchtmittel (CCFL) und tragen auch zum "Noise" bei.

Neben dem Schwingkreis auf der Primärseite gibt es auch einen 
Serienschwingkreis auf der Sekundärseite.

https://en.wikipedia.org/wiki/CCFL_inverter

von Michael K. (Gast)


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Tom D. schrieb:
> Ich würde gerne wissen wie in der Praxis Schaltungen entwickelt werden.
> Wird dort die komplette Schaltung durch Formeln berechnet? Oder doch
> viel Simuliert.

Da gibt es keine allgemeingültige Aussage.
Die Mehrzahl von Schaltungen besteht aus der Kombination lange bekannter 
Grundschaltungen.
Das ist ohnehin der Clou bei der Schaltungsentwicklung.
Die Gesamtfunktion in kleinere Funktionsblöcke zerlegen die 
übersichtlich und lösbar sind.

Spulen und Kondensatoren sind ein gutes Indiz das DC Betrachtung nicht 
mehr weiterhilft. Da muß man sich dann überlegen wie sich Strom und 
Spannung zeitabhängig jeweils verhalten.

Simulationsprogramme kommen meist nur an den haarigen Schaltungsteilen 
zum Einsatz bei denen man sich nicht sicher ist oder eine ganz bestimmte 
Eigenschaft untersuchen will.
Das Aufsetzen der Simulation ist langwierig und fehlerträchig und um 
wenige 100ms zu simulieren kann der PC schon mal eine Stunde rechnen.
Wie man vielen Beiträgen hier entnehmen kann ist es das eine viele Daten 
zu haben, das andere die auch lesen oder einschätzen zu können ob die 
Simulation überhaupt realistische Daten oder Müll geliefert hat.

Auch im Bereich der Elektronik sucht man sich ein Thema und hangelt sich 
von einfachen Kram bis hin zu einem Gebiet vor das einen interessiert.
Niemand kann alles können und es gibt mehr als einen Ansatz ein Problem 
zu lösen.
Lernen tut man das sein Leben lang.
Immer wenn ein neues Projekt wissen verlangt das ich nicht habe muß ich 
das lernen oder einen Weg finden mich darum herumzumogeln.

Deine Beispielschaltung ist ein primitiver Selbstschwinger.
Primitiv ist da relativ weil sich alle Funktion über eine Handvoll 
Bauteile und durch Dimensionierung ergibt.
Da gehört dann schon mehr zu die Schwingungsbedingung zu erfüllen und 
das Startverhalten in den Griff zu bekommen.

von Markus M. (Firma: EleLa - www.elela.de) (mmvisual)


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Tom D. schrieb:
> 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/Fluorescent_Lamp_Inverter.png
>
> Ich hab zu jedem Bauteil die Grundlagen erarbeitet…könnte aber nicht
> sagen was die Schaltung genau macht. Gibt es hierfür bestimmte Techniken
> um Schaltungen besser zu analysieren?

Ich habe mir die Schaltung mal kurz angeschaut.
Vermutlich soll die Schaltung mit einer höheren Frequenz als 50 (100) Hz 
schwingen, damit flackert die Neonröhre mit einer höheren Frequenz 
(vermutlich >10KHz) und das Licht kann damit zur Ausleuchtung von 
Objekten genommen werden die mit einer Kamera beobachtet werden wollen.
(Typische Anwendung in der Industrie, da kann man "Normale" Neon-Röhren 
Ansteuerungen nicht verwenden)

von Wolfgang E. (Firma: janeeisklar) (whattheheck)


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Tom D. schrieb:
> Ich würde gerne wissen wie in der Praxis Schaltungen entwickelt werden.
> Wird dort die komplette Schaltung durch Formeln berechnet?

Als erstes wird geschaut, ob es ähnliches schon gibt. Dann wird es 
modifiziert.
Wirklich von grundauf neue Schaltungen sind sehr selten.

von Michael B. (laberkopp)


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Tom D. schrieb:
> Ich würde gerne wissen wie in der Praxis Schaltungen entwickelt werden.

In 99% der Fälle: Man nimmt ein Konkurrenzprodukt und kupfert gnadenlos 
ab.

Was meinst du, warum sich je nach Branche die Lösungen zwar 
unterscheiden, aber innerhalb einer Branche oftmals dasselbe zu finden 
ist.

Eine gute Quelle zum Abkupfern sind die AppNotes und ReferenceDesigns 
der Hersteller, und die Bücher wie Tietze Schenk oder gar Nührmann.

Was aber fast jeder Hersteller selber macht, ist das 
Leiterplattenlayout, damit es in seine Kiste passt.

Hat man eine Aufgabe, sucht man den normalen Hersteller solcher Dinge 
(Bosch, EGO, Traco, Hermes Electronic, ECS Online, ...) und bestellt 
dort "auch so was wie die Konkurrenz aber in rund". Die haben das 
schliesslich schon mal gemacht, müssen also bloss die Form anpassen und 
nicht nachdenken.

Richtig innovative Entwicklungen sind selten.

von Uhu U. (uhu)


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Michael B. schrieb:
> Eine gute Quelle zum Abkupfern sind die AppNotes und ReferenceDesigns
> der Hersteller, und die Bücher wie Tietze Schenk oder gar Nührmann.

Dazu sind sie doch da...

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