Forum: Platinen Zinn als Ätzresist - weshalb strippen?


von Du?ko! (Gast)


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Servus,

Ich habe eine kurze Frage zur Leiterplattenherstellung.
Ältere (wenngleich wohl noch aktuelle) Methoden nutzen bekanntlich Zinn 
als Ätzresist. Dieser wird nach dem Ätzen wieder gestrippt.
Nur: Weshalb?
Der chemische Zinn hat doch eine gute Oberflächengüte, ist vernünftig 
lötbar und vergleichsweise haltbar bei Lagerung. Warum holt man diese 
Zinnschicht also wieder runter um später wieder zu verzinnen?

Hoffe jemand kann Auskunft geben (Bitte wirklich nur Auskunft und keine 
Gegenfragen oder Mutmaßungen was ich mit dem Wissen böses anstellen 
möchte)

By the way: Welches Ätzmittel wird industriell wohl für zinn am meisten 
genutzt und welches könnte man privat vertreten?

Danke im Vorraus!

von Carsten S. (dg3ycs)


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Du?ko! schrieb:
> Der chemische Zinn hat doch eine gute Oberflächengüte, ist vernünftig
> lötbar und vergleichsweise haltbar bei Lagerung. Warum holt man diese
> Zinnschicht also wieder runter um später wieder zu verzinnen?

1. Auf die Platine soll im allgemeinen ja noch eine Schicht 
Lötstopplack.
Die würde dann ja über die (recht Dick) verzinnten Bahnen kommen.
Wird dann gelötet wird das Zinn unter dem Lötstopplack auch flüssig, 
dieser Schwimmt auf und bricht. WEnn man da die Lötzeit nicht absolut 
kurz hält oder gar mehrmals versucht zu löten ist der Lötstopplack damit 
völlig nutzlos.
(ab und an findet man industriell hergestellte Platinen aus den 80ern wo 
der Lötstopplack tatsächlich über verzinnten LEiterbahnen aufgebracht 
wurde. Bei REparaturen ist das echt nervig! (Zum glück ist das meist 
dann THT TEchnik, da ist defekter LSL dann nicht ganz so tragisch...)

2. Die Ätzresistschicht aus Zinn ist zwar auch Zinn, aber dann doch 
etwas anders als das dünne Schicht Chemisch Zinn zur Veredelung oder die 
Schicht die du nach HAL hast...
Wenn man dann noch bedenkt das die aggressiven Chemikalien (z.B. 
Ammoniak) ausgesetzt war... Viel Spass damit erstklassige Lötstellen 
hinzubekommen wenn die ein paar Tage vor sich hinoxidieren durfte!

Gruß
Carsten

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Du?ko! schrieb:
> Nur: Weshalb?

Weil man das Zeug so gut wie nicht löten kann.  Das ist (wie Carsten
auch schrieb) durch die Chemikalien, denen es ausgesetzt war, ziemlich
versaut.  Das sieht auch total dunkelgrau aus.

Ich habe hier noch solche Platinen, damals im Chemielabor der Uni für
meinen Eigenbau-Computer gezimmert.

von +/- (Gast)


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Du?ko! schrieb:
> By the way: Welches Ätzmittel wird industriell wohl für zinn am meisten
> genutzt und welches könnte man privat vertreten?

Was da professionell benutzt wird kann ich nicht beantworten.
FeCl3 waescht das geradezu runter.

Hatte kuerzlich experimentiert, galvanisch verzinnt (aber SnPb).
Dann mit Tonertransfer Testmuster aufgebuegelt. Bei sehr duennen Bahnen 
kam es recht schnell zu unteraetzungen und der Toner ist dann davon 
geschwommen.

 Die aufgebrachte Schicht war aber recht Dick, in etwa gleich der 
Kupferauflage. (Das kann man mit einer normalen Mikrometerschraube nicht 
wirklich genau messen, aber duerfte in etwa hinkommen.)

Chemisch wird das ja aber prinzipbedingt viel duenner und auch 
gleichmaessiger, da kann ich aber nichts zu sagen wie es sich dort 
verhaelt.

FeCl3 geht jdf. ganz gut.
CuCl2 wird sicher auch gehen, den 'guten Topf' wollte ich aber nicht 
versauen, da kommt nur Kupfer rein :)

von nemesis... (Gast)


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Jörg W. schrieb:
> Weil man das Zeug so gut wie nicht löten kann.  Das ist (wie Carsten
> auch schrieb) durch die Chemikalien, denen es ausgesetzt war, ziemlich
> versaut.  Das sieht auch total dunkelgrau aus.

Logisch nicht, weil es Reinzinn ist. Lötzinn ist eine Legierung
das nur zum Teil aus Zinn und bei den alten Materialien noch mit
dem giftigem Blei vermischt ist.
Das Zeug was man heute, um Rohs zu erfüllen, benutzt, enthält
Silber, ist somit ungiftig und hat außerdem auch einen niedrigeren
Schmelzpunkt.
Nur mit einer Legierung kann man vernünftig löten, was nichts anderes
heißt, dass die Metallschmelze die gewünschten Benetzungs- und 
Fließeigenschaften hat, die man da benötigt. Reinzinn würde an der
Luft auch schnell stark oxidieren, was die Brauchbarkeit hemmt.

Wie schon erwähnt wurde, muss chemisch Zinn nicht gestrippt werden,
galvanisch Zinn dagegen schon. Im Tauchverfahren werden die
gestrippten Pads dann wieder mit Lötzinn umschmolzen und Überschuß
aus den Bohrungen geblasen. Die Lötstoppmaske deckt außer Pads
alles andere ab.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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nemesis... schrieb:
> Logisch nicht, weil es Reinzinn ist.

In meinem Falle war es (so ich mich recht entsinne, ist lange her),
Blei/Zinn.

von Du?ko! (Gast)


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Danke an alle! Das mit dem Löten leuchtet ein! Wusste auch nicht, dass 
zur Verzinnunng der der Lötpads eine andere Zusammensetzung gewählt 
wird, dachte es wird ausschließlich mit mehr oder weniger reinem Zinn 
gearbeitet, vom eigentlichen Lötzinn mal abgesehen.

von nemesis... (Gast)


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Jörg W. schrieb:
> In meinem Falle war es (so ich mich recht entsinne, ist lange her),
> Blei/Zinn.

Man kann keine Legierungen galvanisieren. Das geht nur mit einem
Metall. Legierungen entstehen durch Mischung oder Schmelze mehrerer
Komponenten. Eine Elektrolyse wirkt da wie ein Filter nur auf einen
Stoff. Dieser Effekt wird übrigens in Scheideanstalten, z.B. bei
Edelmetallen wie Gold, Silber, usw. ausgenutzt.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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nemesis... schrieb:
> Man kann keine Legierungen galvanisieren.

Klar, legiert ist in dem Moment noch nichts. ;-)

Trotzdem hat man Sn/Pb galvanisch abgeschieden, ob du's nun glauben
willst oder nicht.

von Georg (Gast)


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nemesis... schrieb:
> Man kann keine Legierungen galvanisieren.

Einfach nur dummes Zeug. Erst informieren, dann was schreiben. Natürlich 
waren Zinn-Blei-Bäder kein Vergnügen, weil sie analytisch streng 
überwacht werden mussten, damit das Verhältnis 60/40 halbwegs 
eingehalten wurde. Sonst hätte sich der Schmelzpunkt erhöht. Wegen der 
schwierigen Prozessführung wurde das Verfahren durch Aufschmelzanalgen 
verdrängt, ich glaube nicht, dass heute noch jemand so eine Galvanik 
einsetzt. Aber deswegen kann man ja nicht behaupten, es ginge nicht - 
Dampfmaschinen sind ja auch möglich, obwohl heute keine mehr eingesetzt 
werden..

nemesis... schrieb:
> Eine Elektrolyse wirkt da wie ein Filter nur auf einen
> Stoff.

Es ist immer besonders beeindruckend, wenn man seine Falschinformationen 
wissenschaftlich begründen kann. Wir hatten in unserem Biologielehrbuch 
in der Schule eine ausführliche Zeichnung zur logischen Begründung der 
Tatsache, dass Hunde niemals auf dem Rücken liegen können. Allerdings 
weiss jeder Hundebesitzer was für ein Blödsinn das ist, nur die Biologen 
wissen das besser.

Georg

von Du?Ko! (Gast)


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Servus,

Auch wenn meine damalige Frage schon ein paar Tage zurück liegt habe ich 
zu "Zinn als Ätzresist" noch eine Frage und möchte daher keinen neuen 
Thread eröffnen:

Weil ich gerade noch einen Koordinatentisch für CNC-Bohrungen am bauen 
bin, hoffe ich mit Zinn als Ätzresist das Problem der abgeäzten 
Durchkontaktierungen beim Ätzprozess verringern zu können. Derzeit sind 
durch ungenaue Bohrungen immer ein paar tote Bohrlöcher dabei.

Der "klassische" Zinn oder Zinn/Blei-Prozess bietet wegen der Ätz- und 
Stripmittel noch eine gewisse Einstiegshürde. Daher habe ich überlegt 
den  Dryresist mit positivem Layout zu belichten und entwickeln, 
anschließend chemisch oder elektrochemisch zu verzinnen, den Resist zu 
strippen und dann die Leiterplatte als Anode in ein elektrochemisches 
Kupferbad zu hängen.

Da keine Zinnsalze im Bad sind hoffe ich, dass weder die verzinnten 
Flächen, noch die Dukos angegriffen werden.
Ein Nachteil könnten Kupferinseln sein die ich anschließend mit einem 
seperaten Ätzmittel entfernen müsste. Ich stelle mir aber vor, dass 
diese Flächen nur vereinzelt auftreten und der Rest leicht abätzbar ist.

Kann mir jemand sagen, ob das so funktionieren kann?
(An die Haters: Ich sage nicht dass es funktioniert sondern frage 
danach. Ich habe damit weder Erfahrungen noch Maße ich mir an, alle 
Kenntnisse zu haben die in einem solchen Prozess eine Rolle spielen 
können.)

Danke schon mal!

von Werner H. (pic16)


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Du?Ko! schrieb:
> ob das so funktionieren kann?

Nein, das geht so nicht.
Zuerst bohren und durchmetallisieren danach eine negativ Maske 
aufbringen und mittels Galvanik (nicht chemisch) die freigebliebenen 
Stellen inclusive der Bohrlöcher verzinnen und strippen.
Nun kann die Platine geätzt werden. Als Ätzmittel eignet sich ua. 
Natriumpersulfat, was aber nicht optimal ist, weil es das Zinn ebenfalls 
leicht angreift. Phosphorsäure mit Wasserstoffperoxid geht hervorragend, 
ist aber teuer und von sehr kurzer Haltbarkeit. Die beste Methode das 
Kupfer zu entfernen ist das alkalische ätzen zb. hiermit:

http://www.freepatentsonline.com/WO1992001086A1.html

Wenn das Zinn wieder runter soll, warme Salzsäure.

: Bearbeitet durch User
von nemesis... (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Stellen inclusive der Bohrlöcher verzinnen und strippen.
> Nun kann die Platine geätzt werden.

Äh? Verzinnen, ätzen und DANN strippen, würde ich sagen.
Strippen heißt Entfernen und das macht nur Sinn nach dem
ätzen. Lötzinn wird dann normalerweise im HAL-Verfahren
wieder aufgetragen. Die Löcher mit Heißluft ausgeblasen.

von Werner H. (pic16)


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nemesis... schrieb:
> Äh? Verzinnen, ätzen und DANN strippen, würde ich sagen

Und was tut der Abdecklack? Er schützt das Kupfer vorm verzinnen an den 
Stellen wo es unerwünscht ist und das Zinn schützt vor der Ätze.
rien ne va plus!
Deshalb Bohren, durchkontaktieren, Fotolack, belichten und entwickeln, 
verzinnen (alternativ Nickel), Fotolack strippen und alkalisch ätzen.

von nemesis... (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Fotolack strippen

Klar kann man hier von strippen sprechen, aber auch das Entfernen
der Zinnresistschicht ist ein Stripp-Prozess. Im Verfahren muss
man, um Fehler zu vermeiden, dafür sorgen, dass das unmissverständlich
kommuniziert wird. Man muss daher im Herstellungsprozess zwei
mal strippen. Das zweite mal, aber mit einer anderen Chemie,
nach dem ätzen um die Zinnschicht los zu werden.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Jörg W. schrieb:
> Das sieht auch total dunkelgrau aus.

Man sollte sich davor hüten, alleine aus der Mattheit oder Färbung einer 
Oberfläche darauf schließen zu wollen, ob sie verunreinigt ist oder 
nicht. Das mag zwar bei Lötzinn, welches sich über eine zu lange Zeit am 
heißen Lötkolben befindet, zutreffen, muss aber nicht immer auf eine 
Oxyd- oder Sulfidschicht hindeuten.

Ein sehr schönes Gegenbeispiel ist platiniertes Platin, sog. Platinmohr 
bzw. Platinmoor. Das Zeug ist tiefschwarz, aber eben nicht auf Grund von 
Verunreinigungen, sondern weil es auf nanoskopischer Ebene eine riesige 
Oberfläche besitzt. Angeätzte Oberflächen sehen generell auch matter aus 
als glatte, obwohl auch sie durchaus sauberer bzw. reiner sein können.

: Bearbeitet durch User
von Werner H. (pic16)


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nemesis... schrieb:
> Entfernen der Zinnresistschicht ist ein Stripp-Prozess

Wikipedia sagt:
Strippen, Entfernen oder Abziehen von Lacken mittels organischer 
Lösemittel Strippen, in der Halbleitertechnik das Entfernen von 
Fotolackmasken durch nasschemisches Auflösen, siehe Fotolack#Entfernung

Beim entfernen der Zinnmaske spricht der Fachmann von "entzinnen", schau 
mal hier rein:

http://docplayer.org/5640688-Multi-layer-leiterplatten-herstellung.html

: Bearbeitet durch User
von Georg (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Beim entfernen der Zinnmaske spricht der Fachmann von "entzinnen"

Der wahre Fachmann benutzt dazu Zinnstripper:

"Zum Entfernen von Zinn- oder auch Zinn/Blei-Schichten auf 
Kupferoberflächen, liefern wir Einstufen-Stripper "

Georg

von nemesis... (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Beim entfernen der Zinnmaske spricht der Fachmann von "entzinnen", schau
> mal hier rein:
>
> http://docplayer.org/5640688-Multi-layer-leiterplatten-herstellung.html

Glaubst du ernsthaft, bloß weil ein Autor einer Dokumentation das
anders als üblich beschreibt, dass es dadurch zum allgemein gültigen
Sprachgebrauch und Norm wird?
Der Begriff stammt nämlich aus der Galvanotechnik und ist daher auch
uralt, aber trotzdem immer noch im Gebrauch.
http://hotoprint-pcb.de/index.php/de/produktion-2/strippen-aetzen

von Werner H. (pic16)


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Georg schrieb:
> Der wahre Fachmann benutzt dazu Zinnstripper:

nemesis... schrieb:
> Der Begriff stammt nämlich aus der Galvanotechnik und ist daher auch uralt

Vor 40 Jahren hab ich in einer Galvanik (Leiterplatten) gearbeitet, da 
blieb das Zinn drauf und wurde sogar noch mittels HAL verstärkt. Da war 
nix "Zinnstripper", da wurde noch deutsch gesprochen.

Wie wärs denn wenn ihr mal konstruktive Antworten für Du?ko!s Frage 
hättet? Eure haarspalterei geht mir nämlich auf den Sack und hilft 
niemandem, ihr "Experten".

: Bearbeitet durch User
von Georg (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Eure haarspalterei geht mir nämlich auf den Sack und hilft
> niemandem, ihr "Experten".

Du hast doch hier mit angeblichen Fachbegriffen angefangen, die sonst 
niemand kennt. Das war nicht nur nicht konstruktiv, das war klar 
destruktiv.

Deine angeblichen praktischen Erfahrungen sind auch höchst zweifelhaft, 
es gab schon vor Jahrzehnten Zinnstripper, Goldstripper, Nickelstripper, 
und die wurden auch genau unter diesen Begriffen verkauft. Die Firmen 
die das hergestellt haben (und noch herstellen) haben um Welten grössere 
Fachkompetenz als jemand, der angeblich auch mal was entfernt mit 
Galvanik zu tun hatte.

Natürlich gehen Experten den Ahnungslosen auf den Sack, das ist nun mal 
der Lauf der Welt. Damit müssen wir leben, können wir auch.

Georg

von nemesis... (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Wie wärs denn wenn ihr mal konstruktive Antworten für Du?ko!s Frage
> hättet?

Ist doch längst zufriedenstellend erledigt. Musst halt mal den
ganze Thread lesen und nicht nur die letzten drei Posts.

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