Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Leiterbahn durchgeschmort Warum?


von B.W. (Gast)


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Hallo, wer weiß rat?

Im Anhang sind zwei Bilder einer Platine von einem Garagentorantrieb. Zu 
sehen sind die beiden Zuleitungen vom 230V Netz. Zum Aufbau: Der Motor 
ist vierpolig und wird mittels 2 Relais (entweder Relais 1: Auf oder 
Relais 2: Zu) jeweils direkt über einen großen Kondensator an die 230V 
durchgeschaltet. Gesichert ist die Platine noch zudem mit einer 4A 
Sicherung. Das Ding ist 26 Jahre alt.

Jetzt wie man sehen kann, sind die beiden Leiterbahnen durchgeschmort. 
Zwischen den Platinen sind auch (IMHO) zwei Überschläge im Lack zu 
sehen, welche von der einen zur anderen Seite gehen.

Jetzt die Frage: Wie kann das passieren?
Blitzschlag ist auszuschließen (gab kein Gewitter). Bei Überlastung 
sollte es doch kein Überschlag geben, dafür reichen die 230V doch nicht? 
Alterserscheinung?

Kann ich jetzt bedenkenlos die Leiterbahn einfach reparieren? Bzw. mit 
Kabel verstärken?

von Chef ohne Ahnung (Gast)


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Das könnte durch Feuchtigkeit und Staub entstanden sein.

von asdf (Gast)


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Kriechströme durch Feuchtigkeit vielleicht.
Und als Folge dessen hat sich ein Stromfluß gebildet, was man als 
Überschlag bezeichnen könnte. Der hat dann die Leiterbahnen weggebrannt.

Wäre meine Einschätzung. Also der eigentliche Auslöser war vermutlich 
Feuchtigkeit.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Auf dem ersten Bild sieht es so aus, als hätte sich der Lötstoplack 
zwischen den Leiterbahnen gelöst. Ursache des Durchschmorens könnte 
daher durchaus Feuchtigkeit/Schmutz sein, die/der sich darunter 
ansammelte, bis die Leitfähigkeit zwischen den Bahnen groß genug war und 
der Überschlag erfolgte. Offenbar sogar an zwei Stellen hintereinander.

Wenn sonst nichts beschädigt aussieht, sollte die Reparatur mMn einen 
Versuch wert sein.

Dann würde ich direkt Litze zwischen Anfangs- und Endpunkt der Bahnen 
setzen und die Leiterbahnen selbst an den Einspeisepunkten weg"dremeln", 
damit der Abstand zukünftig erheblich größer bleibt.

: Bearbeitet durch Moderator
von Heiko G. (heikog)


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B.W. schrieb:
> Hallo, wer weiß rat?
>
> Im Anhang sind zwei Bilder einer Platine von einem Garagentorantrieb. Zu
> sehen sind die beiden Zuleitungen vom 230V Netz. Zum Aufbau: Der Motor
> ist vierpolig und wird mittels 2 Relais (entweder Relais 1: Auf oder
> Relais 2: Zu) jeweils direkt über einen großen Kondensator an die 230V
> durchgeschaltet. Gesichert ist die Platine noch zudem mit einer 4A
> Sicherung. Das Ding ist 26 Jahre alt.
>
> Jetzt wie man sehen kann, sind die beiden Leiterbahnen durchgeschmort.
> Zwischen den Platinen sind auch (IMHO) zwei Überschläge im Lack zu
> sehen, welche von der einen zur anderen Seite gehen.
>
> Jetzt die Frage: Wie kann das passieren?
> Blitzschlag ist auszuschließen (gab kein Gewitter). Bei Überlastung
> sollte es doch kein Überschlag geben, dafür reichen die 230V doch nicht?
> Alterserscheinung?
>
> Kann ich jetzt bedenkenlos die Leiterbahn einfach reparieren? Bzw. mit
> Kabel verstärken?

Nein, nicht bedenkenlos. Es hat da eine Entladung/Lichtbogen entlang der 
Leiterplatte gegeben. Dabei zersetzt sich das Basismaterial und es 
entsteht Kohlenstoff, d. h. die Leiterplatte isoliert nie mehr so gut 
wie vorher.

Es ist daher sicherer die beiden Leiterbahnen an beiden Enden zu 
unterbrechen (und nicht nur mit einem kleinen Schnitt, sondern wirklich 
5-10mm des Kupfers entfernen) und durch passend isolierte Leitungen zu 
ersetzen.

Wenns dann wieder funktioniert die Lötstellen mit Plastikspray 
isolieren, es kann sein das kondensierte Feuchtigkeit den Fehler 
ausgelöst hat.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Also ich kann da irgendwie keine Spuren eines Lichtbogens entdecken. Das 
sieht mir eher nach (elektro)chemie aus. Vielleicht ein paar Kruemel 
Streusalz etc. Aber wo soll da was weggebrannt sein?
Bei dem Dreckfleck sind ja keine Kupferbahnen in der Naehe und bei den 
Unterbrechungen der Kupferbahnen sieht's mir nicht nach Lichtbogen aus, 
sondern eher Chemie. Das weisse Zeugs an den Unterbrechungen und die 
angenagte, aber nicht durchtrennte stelle sprechen gegen Lichtboegen.

Gruss
WK

von Peter (Gast)


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Vielleicht durch ein Krabbeltierchen ausgelöst?

Ich würde es jedenfalls reparieren.

Peter

von MaWin (Gast)


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Dergute W. schrieb:
> Also ich kann da irgendwie keine Spuren eines Lichtbogens entdecken

Im zweiten Bild sehr deutlich, gekrisselte Linie zwischen beiden 
Leitungen.
Wohl Überspannung durch Blitzschlag.
Und neben der (demontierten) Befestigungsschraube sogar 
nuedergeschlagener Kupferdampf.

von Gerd E. (robberknight)


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Was haben die beiden Leiterbahnen denn für einen Abstand voneinander?

Wenn die Schraube auf dem ersten Bild ne normale M3-Schraube ist sieht 
mir das ziemlich eng aus.

von Stefan F. (Gast)


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Für mich sieht es danach aus, dass zwischen diesen beiden Leiterbahnen 
ein Lichtbogen entstanden ist.

Das kann unter anderem durch Überspannung im Netz passieren, oder durch 
Fehlkonstruktion (fehlender Snubber) oder ganz banal durch Feuchtigkeit.

von Frank (Gast)


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Silberdraht in Leiterbahnform nachbiegen, Schrumpfschlauch drüber und 
schrumpfen, Leiterbahnen runterziehen, die beiden Enden des isolierten 
Silberdrahtes am Trafo und Gleichtichter oder wo auch immer anlöten ... 
das hält mindestens weitere 26 Jahre :-)

von Simpel (Gast)


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Ich sehe es wie WeKa. Da ist zwischen den Schadstellen (Bild1) ein 
weiterer Ast eines metallischen Kristallwachstums von oben nach unten zu 
sehen. Galvanische Micro-Migration des Kupfers. Evtl. zersetzt sich der 
Schutzlack nach 25 Jahren in saure Abbauprodukte, welchen den 
Elektrolyten bei genügender Luft- bzw. Oberflächenfeuchtigkeit bilden.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

MaWin schrieb:
> Im zweiten Bild sehr deutlich, gekrisselte Linie zwischen beiden
> Leitungen.

Ist mir fuer einen "richtigen" Lichtbogen nicht verschmurgelt genug. War 
wohl eher sowas wie Funkenerosion - sieht mir eher danach aus, als ob 
sich das langsam ueber laengere Zeit durchs Epoxy genagt hat.

> Wohl Überspannung durch Blitzschlag.
> Und neben der (demontierten) Befestigungsschraube sogar
> nuedergeschlagener Kupferdampf.
Da hab' ich mich auch schon gefragt, was das ist - so sehen Platinen 
aus, die zu frueh aus dem Aetzbad kamen (Passt aber hier nicht zum 
Loetstopplack), oder es ist einfach ein Dreckfleck.

Mein Fazit: Sieht fuer mich nicht nach Ueberspannung aus. Platine gut 
reinigen, die komischen Kanaele etwas ausfraesen, die unterbrochenen 
Leitungen wieder flicken, danach vielleicht noch irgendeinen geeigneten 
Schutzlack drauf - dann koennt's schon wieder ein paar Jahre 
funktionieren...

Gruss
WK

von oszi40 (Gast)


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Frank schrieb:
> Silberdraht in Leiterbahnform nachbiegen,

... meinte der Designer? BEVOR man hier was flickt, wäre ERST mal die 
URSACHE genauer zu ergründen! Es wäre sinnvoll, die Elektronik dahinter 
mal auf Kurzschlüsse zu untersuchen. Evtl. ist z.B. ein 
Störschutzkondensator gestorben und hat einen Kurzschluss verursacht? 
Folge davon könnten weggebrannte Leiterzüge und weggelaufenes Zinn 
gewesen sein? Wie war die Leiterplatte montiert? Waagerecht od. 
senkrecht?

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Ich kenne einige alte Leiterplatten, bei denen sich der Lötstoplack löst 
und dann irgendwas anfängt, die Kupferbahnen darunter anzugreifen. Die 
verfärben sich dann punktweise schwarz oder weiß und das breitet sich 
mit der Zeit immer weiter aus. Irgendwann ist die Leitfähigkeit 
natürlich so weit gesunken, daß der Strom die Leiterbahn zerstört und 
dabei evtl. noch einen Lichtbogen zwischen benachbarten Leiterbahnen 
entsteht.

von MaWin (Gast)


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Dergute W. schrieb:
> die unterbrochenen Leitungen wieder flicken

Ich sehe keine unterbrochenen Leitungen, bloss Leiterbahnen von denen 
der Lötstoplack ab ist.

> dann koennt's schon wieder ein paar Jahre funktionieren...

Du meinst, bei einer Überspannung die zum Überschlag zwischen 
Leiterbahnen führte, blieben bestimmt alle elektronischen Bauteile heile 
? Gnadenloser Optimist.

Die Platine wird schon in Ordnung sein, wenn man alle Bauteile 
wechselt...

von B.W. (Gast)


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Vorab: Vielen Dank für die zahlreichen und guten Antworten!

Gerd E. schrieb:
> Was haben die beiden Leiterbahnen denn für einen Abstand voneinander?

Das sind gut 3-4 mm.

Simpel schrieb:
> [...] ein weiterer Ast eines metallischen Kristallwachstums von oben nach
> unten zu sehen. Galvanische Micro-Migration des Kupfers. [...]

Ich glaube das ist die Lösung!
Ich stelle mir das jetzt so vor:

Es gab an mehreren Stellen Migration des Kupfers, was man überall 
erkennen kann.
An Punkt 1 gab es dann eine erste Verbindung, welche dazu geführt hat, 
dass es knallte und somit auf beiden Seiten die Leiterbahnen trennte. 
Dabei ist wahrscheinlich noch NICHT die Sicherung geflogen.
Dadurch konnte an Punkt 2 und 3 die Migration weiter wachsen (weil noch 
unter Spannung), bis es auch bei 3 knallte und die Sicherung flog.
Es hat mich nämlich besonders gewundert, dass es ZWEI Stellen gibt.
Danach war der mittlere Teil Spannungsfrei und somit konnte der letzte 
größere Zweig (Punkt 3) nicht mehr weiterwachsen, OBWOHL die Sicherung 
nämlich lange wieder drin war.

Man erkennt eigentlich auch gut im zweiten Bild, dass der mittlere Zweig 
"gefüllt" ist und nicht blank. Und wieso sollte bei einem 
Durchschlag/Funken der mittlere Zweig nur bis 2/3 des Weges gehen?

:-D
Nach löten von zwei Isolierten Extraleitungen scheint auch alles 
wunderbar wieder zu gehen. Jetzt kommt noch über Ostern ein Lack drauf 
und dann schauen wir mal, wie lange das Ding noch rennt.

TOP Leute hier!

von B.W. (Gast)


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oszi40 schrieb:
> Waagerecht od. senkrecht?

Achja: Die Platine liegt waagrecht - d.h. flach, so dass die 
Leiterbahnen alle oben liegen.

von oszi40 (Gast)


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B.W. schrieb:
> d.h. flach, so dass die Leiterbahnen alle oben liegen.

Kondenswasser und thermischer Stress Tag+Nacht führen zu Korrosion und 
Haarrissen. Also bald wieder lackieren.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

MaWin schrieb:
> Du meinst, bei einer Überspannung die zum Überschlag zwischen
> Leiterbahnen führte, blieben bestimmt alle elektronischen Bauteile heile
> ? Gnadenloser Optimist.

Nein, ganz im Gegenteil - ich meine, dass es mir nicht nach einer 
Ueberspannung mit Ueberschlag aussieht. Dafuer ist es mir zu wenig 
"verkokelt".

> Die Platine wird schon in Ordnung sein, wenn man alle Bauteile
> wechselt...
Nein, auch ganz im Gegenteil. Die Bauteile werden schon in Ordnung sein, 
wenn man die Platine wechselt :-D

Gruss
WK

von nemesis... (Gast)


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Das wird wohl eher ein Whisker-Problem gewesen sein.
Alter und ein klimatisches Umfeld sind da der beste Nährboden.
Die Leiterplatte ist auch nach veralteten Herstellungsmethoden
gefertigt worden (Leiterbahnen verzinnt). Wird heute anders
gemacht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Whisker_%28Kristallographie%29

Die Flecken zwischen den Leiterplatten sind da recht verräterisch.
Auch sind die Frakturen an den Leiterbahnkanten, wo der Lötstoplack
aufgeplatzt ist, auffällig.

von B.W. (Gast)


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von B.W. (Gast)


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OK. Kommando zurück: Es sind Dentriten durch elektrochemische Migration

http://nepp.nasa.gov/whisker/background/index.htm

von B.W. (Gast)


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Ok ein letztes Mal - Wer es genau wissen will:

(aus Quelle: http://www.felder.de/loetlexikon.html)

Dendrite-schuppenartige,; Whisker-nadelartige oder Hillock – hügelartige 
verästelte Auswüchse entstehen durch Migrationsvorgänge. Oft ergeben 
sich baumartige verästelte unregelmäßige Strukturen (Elektrolytische 
Migration auf oder zwischen Schichten) aber auch Knospen oder gerade 
Nadeln sind bekannt (galvanische Abscheidung). Die geradlinigen 
Nadelkristalle beim Zinn werden Whisker (Zinn-Whisker) genannt. 
Dendriten oder Whisker entstehen z.B. durch Diffusion oder Wanderung von 
Feststoffen (z.B. Ionen) im elektrischen Feld (Elektro- oder 
elektrolytische Migration), Wanderung der Gitterbausteine oder z.B. bei 
galvanischen Abscheidungen an Grundmetallstörungen 
(Schraubenversetzungen). Auf Grund der an  Spitzen erhöhten Stromdichte 
wachsen diese Störungen schnell als Nadeln oder Fäden aus dem 
Grundmetall. Dendrite wachsen auch durch Elektromigration zwischen 
Leiterbahnen durch Feuchtigkeit, anliegenden Strom und vorhandene 
leitfähige Rückstände. Es erfolgt eine galvanische Auflösung der 
Leitbahnen sowie zur  Erzeugung von Kurzschlüssen durch gelöste 
Metallionen (dendritische Migration). Dendrite oder Whisker sind auch 
metallische Fasern, die sich zwischen Leitern bei Gegenwart von 
kondensierter Feuchte und einer elektrischen Vorspannung ausbilden. 
Dendrite entstehen auch bei der Kristallbildung in 
Polymeren(dendritische Polymere).

von Jonny S. (zonk)


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1. Reinigen (vor allem trocknen!)
2. Reparieren (mit Kabel oder Draht flicken)
3. Isolieren (die gesamte Platine zB. mit Plastik 70)

: Bearbeitet durch User
von npn (Gast)


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Jonny S. schrieb:
> 1. Reinigen (vor allem trocknen!)
> 2. Reparieren (mit Kabel oder Draht flicken)
> 3. Isolieren (die gesamte Platine zB. mit Plastik 70)

Und welche deiner Punkte ist die Antwort auf die Frage des TO?

B.W. schrieb:
> Jetzt die Frage: Wie kann das passieren?

bzw. auch der Thread-Titel lautet "Warum?"

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