Forum: Offtopic Was macht atomare Strahlung mit Elektronik?


von Kaj G. (Firma: RUB) (bloody)


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Ich finde es interessant Berichte zu lesen oder Videos zu sehen, in 
denen ein Roboter z.B. in die Ruinen von Fukushima geschickt wird.
https://youtu.be/6xB9pTU3_BI

In einem Bericht dazu hab ich mal gelesen das der Roboter irgendwann in 
den Ruinen "gestorben" ist, aufgrund der hohen strahlung.
Was genau macht jetzt aber die Strahlung mit dem Roboter/der Elektronik?
Weshalb stellt das ganze seine Funktion bei zu hoher Strahlung ein?

: Verschoben durch User
von K. B. (kaktusbombe)


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Bei entsprechender Strahlung kann es zunächst einmal zu "Soft Errors" 
kommen. D.h, die Strahlung trifft eine Speicherzelle im Mikrocontroller 
und schreibt sie um. Das passiert häufigier bei hochkomprimierter (= 
"neuerer") Technologie, weil dort die Wahrscheinlichkeit einfach größer 
ist, eine Zelle zu treffen und weil auch die gespeicherte Energie idR. 
kleiner ist.

Es können auch entsprechend geladene Teilchen von einer Leiterbahn 
eingefangen werden, die dann kurzzeitig eine undefinierte Spannung 
anzeigen kann.

Diese Fehler entstehen dann während der Laufzeit und sorgen dafür, dass 
der Mikrocontroller falsche Werte liest, unsinnige Programmteile 
anspringt oder sonst einen Unfug anstellt. Nach einem Reset (und ohne 
neue Soft Errors) würde der Rechner problemlos weiterlaufen.

Wird die Strahlung noch stärker, kann es auch zu dauerhaften Fehlern 
kommen, zB wenn energiereiche Teilchen schlicht "Löcher" in die 
Chipfläche reißen oder eine andere Dotierung erzeugen. Aber dafür muss 
schon viel passieren. Dafür gibt es dann auch Chips mit Metallgehäuse, 
die sind resistenter gegen solche Strahlung.

Aber im Prinzip wird ein Roboter von Strahlung ganz ähnlich mitgenommen 
wie ein Mensch und irgendwann hilft auch da nur noch ein Bleipanzer.

von (prx) A. K. (prx)


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: Bearbeitet durch User
von Kurt B. (kurt-b)


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K. B. schrieb:

> anspringt oder sonst einen Unfug anstellt. Nach einem Reset (und ohne
> neue Soft Errors) würde der Rechner problemlos weiterlaufen.
>
Nicht unbedingt, es gibt sog. parasitäre Speicherzellen die 
produktionsbedingt entstehen.
Werden die umgeschaltet dann hilft auch kein Reset denn diese werden 
nicht rückgesetzt.
Meisst hilft ein paar Tage warten bis diese Speicher übern "Leckstrom" 
wieder leer sind.

 Kurt

(das passiert auch manchmal bei "Sonnenwind")

von (prx) A. K. (prx)


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Flash-Speicher dürfte naturgemäss recht empfindlich sein, weil er 
persistent macht, was sonst nur auf temporäre Fehler raus läuft. Da 
hilft dann auch kein Reset. Nur Fehlerkorrektur. Kleine Strukturgrössen 
und MLC werden sicherlich auch nicht erste Wahl sein.

von (prx) A. K. (prx)


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Neben temporären Fehlern, die durch Reboot behoben sind, 
Inhaltsveränderung persistenten Speichers und mechanische Zerstörung von 
Strukturen gibts beispielsweise auch noch eigentlich transiente Fehler, 
die aber zu sekundärer elektrischer Zerstörung führen können. So kann 
ein strahlungsinduzierter Latchup einen Kurzschluss verursachen, der zur 
Überhitzung führt.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Bei starker Strahlung kommt es sehr schnell zu physikalischen Schäden, 
das sieht man gut an Kameras, die in solchen Bereichen eingesetzt 
werden. Da fallen dann sehr schnell Pixel aus.

Flash/EPROM-Speicher dürfte extrem empfindlich sein, da die Strahlung 
die floating gates entläd und dadurch die gespeicherte Information 
zerstört.

von Frank D. (Firma: Spezialeinheit) (feuerstein7)


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Die Wirkung der Strahlung sieht man im Video sehr schön an dem gekrissel 
im Bild, die Strahlung ist so stark, dass der Bildsensor "Belichtet" 
wird.
Nebenbeibemerkt, die Anzeige geht unten rechts hoch bis 25Sv/h da möchte 
man keine Sekunde sein.

von Kaj G. (Firma: RUB) (bloody)


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Vielen lieben Dank für Eure Antworten. So krass hätte ich es mir nicht 
vorgestellt. :o

Euch noch einen schönen, strahlungsfreien Ostersonntag :)

von K. L. (trollen) Benutzerseite


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Hier ist noch ein aktuelles Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=TGtMRiHwU1A

Der Xenonblitz bringt die Elektronik des Spannungswandlers U16 
durcheinander und der Pi geht aus.

von Uhu U. (uhu)


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K. L. schrieb:
> Der Xenonblitz bringt die Elektronik des Spannungswandlers U16
> durcheinander und der Pi geht aus.

Das hat aber nichts mit isonisierender Strahlung zu tun.

von K. L. (trollen) Benutzerseite


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Uhu U. schrieb:
> Das hat aber nichts mit isonisierender Strahlung zu tun.

Ich weiß. Aber es ist im Grunde das gleiche Thema: Strahlung zerlegt 
Elektronik.

von Johannes O. (jojo_2)


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Uhu U. schrieb:
> K. L. schrieb:
>> Der Xenonblitz bringt die Elektronik des Spannungswandlers U16
>> durcheinander und der Pi geht aus.
>
> Das hat aber nichts mit isonisierender Strahlung zu tun.

Da gibts durchaus starke parallelen. Beispielsweise werden Fehler durch 
Strahlung auch teils mit Laserbeschuss "simuliert".


A. K. schrieb:
> Flash-Speicher dürfte naturgemäss recht empfindlich sein, weil er
> persistent macht, was sonst nur auf temporäre Fehler raus läuft. Da
> hilft dann auch kein Reset. Nur Fehlerkorrektur. Kleine Strukturgrössen
> und MLC werden sicherlich auch nicht erste Wahl sein.

Jein. Die aktuellen(!) Flashzellen sind verhältnismäßig klein und werden 
dadurch nur selten getroffen. Ich weiß von Satelliten, die seit einigen 
Jahren fliegen, Flashspeicher an Board haben, aber bisher keine 
Bitfehler zu vermelden haben.
Gegenmaßnahmen sind noch:
- Redundante Images: Du hast nen kleinen Bootloader (nicht unbedingt im 
Flash), der aus mehreren Images ein intaktes heraussucht
- Memory Scrubbing: Du gehst alle paar Minuten / Sekunden über den 
kompletten Speicher und prüfst die Fehlerkorrekturcodes. Defekte Daten - 
sofern der Fehlerkorrekturcode noch die Reparatur schafft - werden neu 
geschrieben. Ansonsten wechsel aufs Redundante Image bzw./und Neustart
- Das Image vorsichtshalber einfach alle paar Tage/Stunden neu 
schreiben, dadurch werden die Flashzellen wieder vollständig geladen.
- Es gibt auch Speichertechnologien, die beliebig oft beschreibbar sind, 
aber trotzdem auch ohne Spannungsversorgung ihre Daten halten. 
Exemplarisch sei mal MRAM genannt. Natürlich noch nicht im GB Bereich, 
aber einige MB (genug für kleinere Systeme oder auch nen Bootloader!) 
lassen sich damit problemlos einsetzen. MRAM-Zellen sind nicht relevant 
empfindlich für Strahlung.

Zusätzlich kannst du natürlich noch die Speicher speziell schirmen. Wird 
auch gemacht, ist aber vergleichsweise schwer und groß (=teuer).

Das waren jetzt nur mal die Speicher. In Kürze!

Dann gibts es natürlich noch weitere Bauelemente oder auch Optik. Aber 
das würde hier zu weit führen. Wenn du mehr Infos brauchst, dann such 
nach diesen Begriffen in Verbindung mit der Raumfahrt, da gibt es schon 
sehr viele Erfahrungswerte bzw. Versuche.

von (prx) A. K. (prx)


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Johannes O. schrieb:
> Jein. Die aktuellen(!) Flashzellen sind verhältnismäßig klein und werden
> dadurch nur selten getroffen.

Genau ein bestimmtes Schaf hinter den Ohren zu treffen ist schwieriger, 
als mit einem Maschinengewehr auf die ganze Herde zu halten und zu 
hoffen, dass eines mit passendem Treffer dabei ist. ;-)

> Ich weiß von Satelliten, die seit einigen Jahren fliegen

Bei den oben gezeigten 25 Sv/h? Selbst im Van-Allen-Gürtel sind es 
Wikipedia zufolge normalerweise nur um die 1 mSv/d.

: Bearbeitet durch User
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