Hallo Leute, also ich arbeite zurzeit in einer kleinen Firma <50 MA im Bereich Elektronikentwicklung. Wir haben es fast noch nie geschafft die Deadline für eine Projektfertigstellung einzuhalten. Ein Zeitplan wird zwar aufgestellt, aber er wird so oft umgeschmissen das er erst gar nicht mehr angepasst wird. So kommt es das Projekte in der Regel Monate und zum Teil >1 Jahr Verzug haben. Gründe dafür sehe ich vorallem bei meinem Chef. Zeitpuffer werden nicht eingeplant, Lieferzeiten werden zu kurz angenommen, Mitarbeiter werden Vollzeit eingeplant trotz paralleler Projekte und Samstage werden auch mit einkalkuliert. Gibt es das auch in anderen Firmen? Ist es eher die Ausnahme oder die Regel? Wie ist eure Erfahrung? Und wer ist eurer Meinung nach Schuld?
Eine Führungs-Strategie besteht darin, Deadlines bewusst so knapp zu setzen, dass sie von vorneherein nicht eingehalten werden können. Denn der Mensch neigt dazu, sein Tempo der Zeit anzupassen, die bleibt. Ist genug Zeit, wird es anfangs geruhsam angehend am Ende hektisch und die Zeit ist trotzdem zu kurz. Als setzt man sie lieber zu kurz, um den Anfang zu beschleunigen. Wissend, das es sowieso nicht reicht, egal wie die Zeit angesetzt wird. Das Risiko: Wenn es deshalb richtig Knatsch gibt und jeder nur noch seinen eigenen Arsch rettet, dann fällt die Produktivität und es dauert länger oder scheitert.
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Henning schrieb: > Gibt es das auch in anderen Firmen? Ist es eher die Ausnahme oder die > Regel? Wie ist eure Erfahrung? Und wer ist eurer Meinung nach Schuld? Was machst du denn? Hardware Entwicklung? Vielleicht ist es da anders. Ich arbeite in der Softwarentwicklung (stellen eine ERP Software wie SAP her für die Energiewirtschaft). Wir machen zweimal im Jahr eine Auslieferung unserer neusten Version. Verzug gibt es maximal 1-2 Tage, Gründe sind hier unterschiedlich (z. B. irgendeine Komponente streikt im Deployment-Kreislauf, dann verzögert sich halt alles). Die Bestrebungen gehen sogar momentan so weit, dass man täglich das neuste Produkt ausliefern könnte (continuous delivery). Wir haben allerdings auch strategische Projekte, die wir mit einem gleichen agilen Einsatz verfolgen, hier gibt es allerdings keine konkreten Deadlines. Arbeitsaufgaben werden in Sprintplanungen zwischen den Teams aufgeteilt und mit in die wöchentliche Arbeitsplanung gepackt. Dann passt es meistens. 1 Jahr Verzögerung? ... Ganz ehrlich, das muss an einem Missmangement liegen. Besucht euer Chef regelmäßig Führungskräfte-Workshops und versucht sich in neuen Herangehensweisen? Man kann eigentlich nur solange ausprobieren bis man einen guten Mittelweg gefunden hat. Immer wieder die gleiche Herangehensweise zu praktizieren und zu hoffen, dass sich irgendwann mal die Deadlines von alleine einhalten und alles besser wird, ist halt generell nicht möglich.
1 Jahr Verzögerung? Das ist ja wie bei richtigen Großprojekten ... Was nützt es, wenn alles nach Plan läuft, aber der Plan nichts taugt.
1 Jahr Verzögerung ist schon ein Witz für den 1. April, das gibt es vielleicht mal am Bau oder bei Tunneln usw... Wenn ich einem Kunden ein Jahr Verzögerung beibringen muss, dann brauche ich dafür sicher ein halbes Jahr - alles klar?
A. K. schrieb: > Als setzt man sie lieber zu kurz, um den > Anfang zu beschleunigen. Wissend, das es sowieso nicht reicht, egal wie > die Zeit angesetzt wird. So ist es. Da gibt es das "Parkinson-Prinzip", das besagt, dass sich die Arbeit immer auf die Zeit ausdehnt, die zur Verfügung steht. Das heißt, dass man selbst bei großzügigen Deadlines wahrscheinlich am Ende eine kleine Verzögerung hat. Hin und wieder wird das aber übertrieben und dann kommen so unrealistische Deadlines raus, dass sowieso von Anfang an niemand mehr daran glaubt. Dann funktioniert es auch nicht mehr. Mani W. schrieb: > Wenn ich einem Kunden ein Jahr Verzögerung beibringen muss Dem Kunden kommuniziert man unter Umständen eine andere Deadline als seinem Entwicklungsteam. Mani W. schrieb: > 1 Jahr Verzögerung ist schon ein Witz für den 1. April, > das gibt es vielleicht mal am Bau oder bei Tunneln usw... In großen Hardwareprojekten (>4 Jahre Laufzeit, >100 Mannjahre) kann sowas schon mal vorkommen.
Mani W. schrieb: > 1 Jahr Verzögerung ist schon ein Witz für den 1. April, > das gibt es vielleicht mal am Bau oder bei Tunneln usw... Wieso ein Witz? Das Projektthema ist sehr komplex und unser Chef hat das halt völlig unterschätzt, weil er keine Ahnung hat. Es war maximal 1 Redesign eingeplant und nun sind wird bei Durchlauf Nummer 6 ... es steht aber immer noch auf der Kippe.
ich kenn das eigentlich nur so... meine theorie: man kriegt keine projekte an land gezogen, wenn man nicht so übertreibt mit den deadlines. lieber einen kunden vertrösten als keinen zu haben ;) nicht meine meinung, nur eine beobachtung. ich hab bisher nur eine firma erlebt, die reale deadlines gesetzt hat (und realistische versprechungen gemacht hat)... und so lange überlebt hat, bis genügend kunden dann nach jahren wieder zurück kamen, weil sie dann zu oft auf leere versprechungen reingefallen sind. und von denen kommen verdammt wenige zurück, weil die dann meistens mit den firmen weiterarbeiten, wo sie schon auf die nase gefallen sind, weil es dort zumindest einen kleinen fortschritt gab und diese nicht wieder bei null anfangen wollen (und auf jemand neuen reinfallen wollen).
Henning schrieb: > Gibt es das auch in anderen Firmen? Ist es eher die Ausnahme oder die > Regel? > Wie ist eure Erfahrung? Und wer ist eurer Meinung nach Schuld? Ja, ist bei uns genauso. Eigentlich ist unser Projekt nicht so sonderlich komplex, aber das Projektmanagement mischt sich ständig ein, trifft technische Entscheidungen ohne uns Entwickler zu fragen etc. Aus Sicht des Managements wird versucht die Entwicklung als einen Verwaltungsaufgabe herunterzubrechen. Dabei geht natürlich jede Kreativität und auch Produktivität verloren. Bin mal gespannt wie lange das noch gut geht.
Nachtrag: An unserem Projekt sind inklusive Management so 5-8 Personen beteiligt, was dazu führt, dass sich alle gegenseitig ausbremsen, keiner sich wirklich für was zuständig fühlt etc. Meiner Meinung nach würden zwei fähige Entwickler reichen und die Software wäre in 6 bis 9 Monaten fertig.
Mani W. schrieb: > 1 Jahr Verzögerung ist schon ein Witz für den 1. April, > das gibt es vielleicht mal am Bau oder bei Tunneln usw... Nicht nur dort. 1 Jahr muss kein Witz sein. Selbst erlebt. Mittelständisches Unternehmen mit kleiner Entwicklungsabteilung <10 Leute. Kein Abteilungsleiter, kein Projektleiter oder Ähnliches. Lastenheft wurde anfangs einmal beschrieben, danach ist es im Schrank verschwunden. Projektplanung = 0. Im vierteljährlichen Rhythmus kamen neue Anforderungen vom Chef, Vertrieb, anderen führenden Leuten innerhalb der Firma und einem externem Berater. Selten in Rücksprache mit den Entwicklern. Sprich, eine Zeiteinschätzung wurde nicht eingeholt, wie lange die Umsetzung der neuen Anforderung dauert. Eine koordinierende Stelle gab es nicht. So kam es auch dazu, dass manch Entwickler eigene Ideen einfach mit einbaute. "Och das wäre noch toll, ich programmiere das mal ein". Dazu gesellte sich noch eine Kündigung des einzigen HW-Entwicklers inklusiver müssiger Neubesetzung. Der Posten war 4 Monate unbesetzt. Ein Lastenheft/ Pflichtenheft oder eine einfach Auflistung der Anforderungen gab es nicht. Nur mündliche Überlieferungen, was die HW können sollte. Lustige Erkenmtnis: drei verschiedene Leute, vier verschiedene Meinungen dazu. Überspitzt dargestellt. In Summe kam es auf eine Verzögerung von fast zwei Jahren. Naja, die war ja auch nach dem ursprünglich "Plan". Das miesfiel der Geschäftsführung. Konsequenzen und anschließend durchgeführte Änderungen: 0.
@ Dirk Knoblich (knobikocher) Schöne Silbert-Geschichte ;-) >inklusiver müssiger Neubesetzung. Der Posten war 4 Monate unbesetzt. Ein >Lastenheft/ Pflichtenheft oder eine einfach Auflistung der Anforderungen >gab es nicht. Nur mündliche Überlieferungen, was die HW können sollte. >Lustige Erkenmtnis: drei verschiedene Leute, vier verschiedene Meinungen >dazu. Überspitzt dargestellt. Kenn ich, hab ich auch schon mal live erlebt. Da wurde mir dann die Spezifikation vom Stammesältesten, ähhh, dem vorherigen Bearbeiter, diktiert. Neee, ich mußte sie ihm und anderen Leuten aus der Nase ziehen!! Eine tiefgehende, wenn gleich sehr merkwürdige Erfahrung. In dem Laden war ich nicht lange ;-) >Konsequenzen und anschließend durchgeführte Änderungen: 0. TOP! Wo liegt das Problem? Man kann rummurksen wie man will, trotzdem geht es einfach so weiter!
A. K. schrieb: > Eine Führungs-Strategie besteht darin, Deadlines bewusst so knapp zu > setzen, dass sie von vorneherein nicht eingehalten werden können. Eine sehr veraltete und sich nicht bewährt habende, die es nicht verdient, als positiv hingestellt zu werden. > Denn der Mensch neigt dazu, sein Tempo der Zeit anzupassen, die bleibt. Und Ingenieure neigen dazu, zu erkennen, daß sie total schlecht verplant sind und tendieren daher entweder zur LMAA-Mentalität oder sie nutzen es aus und lassen ihre Oberen auflaufen.
Falk B. schrieb: > TOP! Wo liegt das Problem? Man kann rummurksen wie man will, trotzdem > geht es einfach so weiter! Ich habe nirgends von einem Problem geschrieben ;) Ich wollte lediglich aufzeigen, dass auch anderswo Deadlines massiv überschritten werden.
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