Forum: Offtopic Empirischer Beweis des Vektorproduktes


von Stefan H. (fourier)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

was mich schon immer interessiert hat ist, wie das Kreuzprodukt zweier 
Vektoren, seine geometrische Erscheinung und die Berechnungsformel 
entstanden sind. Ich meine, wie hat sich das ergeben? Ist es eine 
willkürliche Festsetzung und wie ist man auf die Berechnungsformel 
gekommen?

Ist die Lorentz-Kraft eine empirische Bestätigung, dass das 
Kreuzprodukt, so wie es definiert und beschrieben ist, korrekt ist? Denn 
führt man durch einen Leiter, der sich zwischen einem Hufeisenmagneten 
befindet, einen Strom, so wirkt auf den Draht eine Kraft, die ihn 
entsprechend dem Vektor des Kreuzproduktes aus Stromdichte-Vektor und 
Magnetfeld-Vektor verschiebt.

Gruß

von Uhu U. (uhu)


Lesenswert?

Stefan H. schrieb:
> Ist die Lorentz-Kraft eine empirische Bestätigung, dass das
> Kreuzprodukt, so wie es definiert und beschrieben ist, korrekt ist?

Du verwechselst da ein bisschen was...

Die Mathematiker haben eigentlich jede Freiheit, irgendwas zu definieren 
- so lange sie sich an die Regeln halten.

Die Physik ist ein ganz anderes Ding: da wird gar nichts definiert, weil 
alles einfach so ist, wie es ist.

Damit die Mathematiker nicht nur als völlig abgehobene Taugenichtse 
durch die Welt torkeln, hat man ihnen die Aufgabe gegeben, physikalische 
Vorgänge mathematisch zu modellieren. Das bedeutet, dass sie sich 
ansehen sollen, wie ein bestimmter Prozess abläuft um den anschließend 
in mathematischen Formeln im Geiste nachzubilden.

Dabei haben sie die Flausen, beliebigen Zeugs zu definieren, weitgehend 
vergessen - die Natur ist nämlich interessanter, als irgendwelche 
abgehobenen Spielchen. Zudem kam mit der Aufgabe, Dinge nachzubilden ein 
mächtiger Kontrollmechanismus ins Spiel:

Alle Modelle, die falsche Prognosen erzeugen, werden vom Auftraggeber - 
der die Mathematiker bezahlt (die werden nämlich vom Zahlenfressen nicht 
satt) - als unbrauchbar verworfen. Übrig bleiben Modelle, die sich bei 
der Beschreibung des jeweiligen Naturvorgangs bewährt haben.

Als die Lorentz-Kraft mathematisch modelliert werden sollte, stellte 
sich heraus, das so eine bislang nichtsnutzige Definition, genannt 
Kreuzprodukt, sehr brauchbar ist.

Der Mathematiker, der sich die Definition ausgedacht hatte und der schon 
wegen Nichtsnutzigkeit geschasst worden war, wurde rehabilitiert und 
konnte eine tolle Karriere hinlegen ;-)


Die Moral von der Geschicht:
- Wenn die Mathematiker sich nur an die Regeln halten, bekommen sie
  nichts zu fressen.
- Wenn sie die Regeln beachten und sinnvolle Modelle der Realität
  bauen haben sie gute Chancen auf ein angenehmes Leben.
- Eine Ausnahme bilden Mathematiker, die sehr gut geerbt haben - die
  dürfen straflos jeden Blödsinn machen, so lange er sich nur in der
  Theorie abspielt...

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


Lesenswert?

Uhu U. schrieb:
> Damit die Mathematiker nicht nur als völlig abgehobene Taugenichtse
> durch die Welt torkeln, hat man ihnen die Aufgabe gegeben, physikalische
> Vorgänge mathematisch zu modellieren.

So nen Unsinn hab ich schon lange nicht mehr gelesen.

Als käme ein Eperimentalphysika mit Terabytes an Messdaten zu dem 
Mathematiker und sagte:  "Bitte, mach mir aus dem Zahlenwust irgendwas, 
das darauf passt!"

> Das bedeutet, dass sie sich
> ansehen sollen, wie ein bestimmter Prozess abläuft um den anschließend
> in mathematischen Formeln im Geiste nachzubilden.
>
> Dabei haben sie die Flausen, beliebigen Zeugs zu definieren, weitgehend
> vergessen - die Natur ist nämlich interessanter, als irgendwelche
> abgehobenen Spielchen. Zudem kam mit der Aufgabe, Dinge nachzubilden ein
> mächtiger Kontrollmechanismus ins Spiel:

Fast in allen Fällen bedienen sich Physiker an existierender Mathematik. 
Nicht selten sind Mathematiker sogar ziemlich verblüfft, wenn ihre 
mathematische Theorie wirklich eine Anwendung findet (z.B. in der 
Theoretischen Physik) wo bislang davon ausgegangen wurde, das dieses 
Stück reine Mathematik es niemals aus dem Elfenbeinturm schaffen würde.

Natürlich gibt es auch Fälle, wo Gelehrte neue mathematische Methoden 
entwickeln wie Newton die Infinitesimalrechnung, mit der er in der Lage 
war, aus dem Abstandsgesetz seines Gravitationsgesetzes herzuleiten, 
dass das 2-Körperproblem zu Kegelschnitten führt.

Und natürlich hat die Verwendung von bestimmten mathematischen 
Strukturen in der Phyik auch zur Folge, dass sie vermehrt zum Gegenstand 
auch der mathematischen Forschung werden.

Schaut man sich aber zum Beispiel 4 große Theorien der letzten 2 
Jahrhunderte an: Theortische Mechanik, Elektromagnetismus, 
Relativitätstheorie und Quantentheorie, dann kann man sagen, dass sie 
durchaus bestehende Mathematik verwendeten.

> Als die Lorentz-Kraft mathematisch modelliert werden sollte, stellte
> sich heraus, das so eine bislang nichtsnutzige Definition, genannt
> Kreuzprodukt, sehr brauchbar ist.

Auch das ist Käse.  Kreuzprodukt wurde bereits in der klassischen 
Mechanik verwendet.

> [weiterer Unsinn]

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


Lesenswert?

1
In 1773, the Italian mathematician Joseph Louis Lagrange introduced
2
the component form of both the dot and cross products in order to study the
3
tetrahedron in three dimensions.  In 1843 the Irish mathematical physicist
4
Sir William Rowan Hamilton introduced the quaternion product, and with it
5
the terms "vector" and "scalar". Given two quaternions [0,u] and [0,v],
6
where u and v are vectors in R³, their quaternion product can be summarized
7
as [−u·v, u×v].  James Clerk Maxwell used Hamilton's quaternion tools to
8
develop his famous electromagnetism equations, and for this and other
9
reasons quaternions for a time were an essential part of physics education.
https://en.wikipedia.org/wiki/Cross_product#History

von Stefan H. (fourier)


Lesenswert?

Ok,

gibt es Literatur zur Herleitung und Geschichte des Vektorproduktes?
Wie sieht der mathematische Beweis aus? Ich verstehe nicht, wie man auf 
das Kreuzprodukt kommt.

Gruß

von Sven B. (scummos)


Lesenswert?

Für was willst du denn einen Beweis? Das ist erstmal nur eine 
Definition. Die gängigen Eigenschaften (Produkt orthogonal auf den 
Faktoren, Betrag des Produkts gleich Volumen des aufgespannten Spats) 
sind trivial beweisbar, das kannst du selber aufschreiben.

von Uhu U. (uhu)


Lesenswert?

Johann L. schrieb:
> So nen Unsinn hab ich schon lange nicht mehr gelesen.

Ironiesensor kaputt? ;-)

von Sven B. (scummos)


Lesenswert?

Johann L. schrieb:
> Schaut man sich aber zum Beispiel 4 große Theorien der letzten 2
> Jahrhunderte an: Theortische Mechanik, Elektromagnetismus,
> Relativitätstheorie und Quantentheorie, dann kann man sagen, dass sie
> durchaus bestehende Mathematik verwendeten.

Naja, Differentialgeometrie wurde schon zu großen Teilen für die ART 
entwickelt, oder?

von Stefan H. (fourier)


Lesenswert?

> Für was willst du denn einen Beweis? Das ist erstmal nur eine
> Definition. Die gängigen Eigenschaften (Produkt orthogonal auf den
> Faktoren, Betrag des Produkts gleich Volumen des aufgespannten Spats)
> sind trivial beweisbar, das kannst du selber aufschreiben.

Wie ist man denn auf das Kreuzprodukt gekommen? Woher weiß man, dass es 
korrekt ist, wie dies beispielsweise der Satz des Pythagoras es ist?

Gruß

von Sven B. (scummos)


Lesenswert?

Stefan H. schrieb:
> Wie ist man denn auf das Kreuzprodukt gekommen? Woher weiß man, dass es
> korrekt ist, wie dies beispielsweise der Satz des Pythagoras es ist?
Man ist darauf gekommen weil es zur Beschreibung bestimmter Sachverhalte 
eine nützliche Schreibweise ist.
Was soll daran korrekt oder nicht korrekt sein können? a x b ist nur 
eine Schreibweise für (e_ijk a_j b_k)_i bzw. den äquivalenten Wust aus 
einzelnen Termen. Für diesen Ausdruck lassen sich bestimmte 
Eigenschaften beweisen, aber die Beweise für die gängigen Eigenschaften 
sind alle trivial einsichtig.

: Bearbeitet durch User
von Uhu U. (uhu)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Stefan H. schrieb:
> Wie ist man denn auf das Kreuzprodukt gekommen?

Das Besondere daran ist nur, dass es Anwendungen dafür gibt. Da man 
nicht immer die ausgeschriebene Wurst notieren will, hat man eine 
Abkürzung dafür erfunden und die Kreuzprodukt genannt.

Die Physik kann man nicht beweisen, nur beobachten.

> Woher weiß man, dass es korrekt ist, wie dies beispielsweise der Satz des
> Pythagoras es ist?

Das Kreuzprodukt ist keine Gleichung, die man beweisen könnte, sondern 
nur eine Rechenvorschrift.

: Bearbeitet durch User
von Pink S. (pinkshell)


Lesenswert?

Damit ist eigentlich alles gesagt, nur noch nicht von jedem :-)

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


Lesenswert?

Stefan H. schrieb:
> Ich verstehe nicht, wie man auf das Kreuzprodukt kommt.

Frag Lagrange :-)

Ein Weg könnte so gehen:

Eigenschaften des x-Produkts ist Linearität in beiden Komponenten:

(1)  (αa)×(βb) = αβ(a×b)
(2)  a×(u+v) = a×u + a×v  sowie  (u+v)×b = u×b + v×b

sowie Antisymmetrie

(3) a×b = -b×a

Außerdem soll das Ergebnis orthogonal (senkrecht) zu den Faktoren sein:

(4) 0 = a·(a×b) = b·(a×b)

Die Antisymmetrie ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Nimm 2 
senkrechte, gleichlange Vektoren a und b und ihr Produkt x.  Nun 
rotierst du a und b um 90° um x.  Dadurch geht a in b über und b in -a; 
das Ergebnis soll sich durch die Rotation aber nicht ändern.  Daher:

x = a×b = b×(-a) = -(b×a)  wegen  (1)

Das beruht auf dem allgemeinen Prinzip der Isotropie des Raumes, d.h. 
rotiert man a und b um einen Winkel um eine Achse, dann soll dies auch 
das x-Produkt machen: Das komplette 3-Bein soll ohne Verzerrung 
rotieren.

Nehmen wie mal 2 kanonische Einheitsvektoren und deren x-Produkt, dann 
muss gelten (k ist eine frei wählbare Konstante.  Üblicherweise wird k 
abhängig von der gewünschten Händigkeit 1 oder -1 gewählt, d.h. es wird 
zusätzlich zu den obigen Bedingungen noch eine Normierung gefordert):

(1,0,0) × (0,1,0) = k(0,0,1)

wegen der Linearität:

(a1,0,0) × (0,b2,0) = k(0,0,a1·b2)

und wegen der Asymmetrie (Vertauschen, Umbenennen und Addieren):

(a1,a2,0) × (b1,b2,0) = k(0,0,a1·b2-a2·b1)

Invarianz unter orthogonalen Transformationen (d.h. Isotropie des 
Raumes, hier Rotation um die x-Achse) und Umbenennung a2→a3, b2→b3:

(a1,0,a3) × (b1,0,b3) = k(0,-(a1·b3-a3·b1),0) = k(0,a3·b1-a1·b3,0)

oder man kann auch einfacher das 3-Bein von oben rotieren und erst 
danach Linearität verwenden:

(1,0,0) × (0,1,0) = k(0,0,1)  =>  (1,0,0) × (0,0,1) = k(0,-1,0)

Analog kann man auch die letzten beiden Nullen entfernen und kommt zur 
üblichen Darstellung des x-Produkts für alle a, b in kartesischen 
Koordinaten.

Aber Lagrange hat das bestimmt viel geschickter gemacht...

von Uhu U. (uhu)


Lesenswert?

Jetzt hast du viel geschrieben, aber eigentlich nichts gesagt und 
Problem

> Ich verstehe nicht, wie man auf das Kreuzprodukt kommt.

schon gar nicht geklärt...

: Bearbeitet durch User
von Pandur S. (jetztnicht)


Lesenswert?

Das Kreuzprodukt macht mir einen Vektor senkrecht auf eine Ebene, welche 
durch zwei Vektoren aufgespannt wird. Die beiden Vektoren in der Ebene 
muessen nicht orthogonal sein.

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


Lesenswert?

Oh D. schrieb:
> Das Kreuzprodukt macht mir einen Vektor senkrecht auf eine Ebene, welche
> durch zwei Vektoren aufgespannt wird.

Das ist bekannt und war auch nicht die Frage.  Beigegebener Darstellung 
die Eigenschaften nachrechnen kann jeder :-) Die Frage ist, wie das 
Kreuzprodukt aus seinen Eigenschaften hergeleitet werden kann. 
Übliche Darstellung ist in Komponenten der beteiligten Vektoren 
bezüglich Standardbasis.

Genau so eine Herleitung aus den Eigenschaften habe ich oben skizziert, 
wenn auchnicht zu 100% durchgekaut.

> Die beiden Vektoren in der Ebene muessen nicht orthogonal sein.

Hat auch niemand behauptet.  Bei der Herleitung kann man aber ohne 
Einschränkung von orthogonalen Vektoren ausgehen.  Geometrisch sieht man 
das so:  a×b = |a||b|sin(a,b) ist die (orientierte) Fläche des von a und 
b aufgespannten Parallelogramms.  Die Höhe des Parallelogramms ist h = 
|b|sin(a,b) und daher ist a×b = a×h.  a×h steht also für alle 
Parallelogramme, die bezüglich einer Seite a die Höhe h haben.

Auch aus der Linearität des x-Produkts siehe man direkt, dass es genügt, 
das x-Produkt auf der Einheitsbasis e1, e2, e3 zu kennen:

a × b = (a1·e1 + a2·e2 + a3·e3) × (b1·e1 + b2·e2 + b3·e3)
      =   a1·b2·e1×e2 + a1·b3·e1×e3
        + a2·b3·e2×e3 + a2·b1·e2×e1
        + a3·b1·e3×e1 + a3·b2·e3×e2

Terme mit e1×e1, e2×e2 und e3×e3 sind alle 0 wegen der Antisymmetrie des 
x-Produkts.  Aus dem gleichen Grund gilt weiter:

a × b = (a1·b2 - a2·b1)·e1×e2 + (a2·b3 - a3·b2)·e2×e3 + (a3·b1 - 
a1·b3)·e3×e1

was bereits fast die fertige Darstellung ist.  Die x-Produkte der 
Basisvektoren erhält man durch die Normierungsbedingung und die 
Händigkeit:

e1×e2 = e3
e2×e3 = e1
e3×e1 = e2

also

a × b = (a2·b3 - a3·b2)·e1 + (a3·b1 - a1·b3)·e2 + (a1·b2 - a2·b1)·e3

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.