Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Shunt Widerstand genau bestimmen


von Steffen (Gast)


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Hallo,

ich würde mir gern ein paar Strommesswiderstände zulegen und möchte 
diese möglichst genau vermessen.

Ich habe bereits einen 100 Ohm Vishay Widerstand (Z201) mit 0,005% 
(50ppm) Toleranz und sehr geringem TK. Das ist wohl das genaueste was 
ich habe. Zudem habe ich noch ein unkalibriertes (aber glaubwürdiges) HP 
3456 6,5 Stellen Multimeter.

Meine Frage ist nun wie man am schlausten die Shunts gegen den Vishay 
Widerstand vermisst.

Mein Ansatz wäre eine möglichst stabile Spannung (oder einen Strom) an 
den Vishay Widerstand und den zu untersuchenden Widerstand zu legen. 
Beide in Reihe geschaltet. Nun vergleiche ich die Spannungen über den 
Widerständen mit dem 3456A. Dabei sollte ein Gain Fehler des Multimeters 
rausfallen, weil es ja nur um das Verhältnis geht. Und Offsets sollte es 
durch "Auto-Zero" ja eigentlich nicht geben. Das heißt ich erwarte als 
Fehler nur Linearitätsfehler des Multimeters und die sollten sehr klein 
sein. (Durch die Ratio Funktion kann ich ja direkt das Verhältnis 
ausgeben lassen, ohne umstöpseln zu müssen)

Also würde ich im ersten Schritt zB die 100 Ohm auf einen 10 Ohm 
Widerstand "transferieren" dann die gemessenen 10 Ohm auf 1 Ohm 
übertragen und schließlich auf meinen 0,1 Ohm Shunt.

Ist das eine sinnvolle Vorgehensweise? Oder wie macht man so etwas in 
der Praxis (Metrologie). Es geht hier weniger um ganz pragmatische 
Widerstandsmessung als darum es so genau wie möglich mit den gegebenen 
Mitteln hinzubekommen und das möglichst nachweislich.

von ths (Gast)


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Üblicherweise vergleicht man den Kalibriergegenstand mit einem 
dekadischen Normal in der gleichen Größenordnung bei einem Konstantstrom 
angemessener Größe. Idealerweise mit dem Strom, der später gemessen 
werden soll. Damit ist die oft nicht vernachlässigbare Stromabhängigkeit 
des Kalibriergegenstands berücksichtigt.

Ein zehn-zu-eins Transfer ist im niederohmigen Bereich daher 
problematisch.

Die Vishays sind zwar eng toleriert und haben einen prima TK, aber eine 
gewisse Langzeitdrift und taugen nur bedingt als Normal. Besser in 
steigender Qualität und steigendem Preis: burster 1240, Fluke und 
Tinsley. Erstere wären für den Hausgebrauch mehr als ausreichend.

von Steffen (Gast)


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Shelf Life verspricht Vishay immerhin 25ppm pro Jahr nicht zu 
überschreiten. Und der Vishay Mensch meinte bei unter 10% der maximalen 
Leistung kann man wohl von Shel Life reden. Aber mein "Normal" soll gar 
nicht der Aufhänger werden. Vielleicht kommt da noch mal was besseres.


Ist dieses dekadische Normal dann so aufgebaut, dass es zB aus 10 Stück 
10 Ohm besteht und ich dann die Reihenschaltung gegen mein Normal 
vergleiche und für 10 Ohm dann nur ein der 10 Widerstände nehme? Wie 
garantiere ich dann, dass die 10 genau gleich groß sind? Oder habe ich 
nur nicht verstanden, was ein dekadisches Normal ist?

von ths (Gast)


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Sorry für die missverständliche Ausdrucksweise.  Wir haben einzelne 
Normalwiderstände in dekadischer Stufung in Gebrauch.

Was der Vishay Verkäufer verspricht ist eine Sache.  Falls du den 
Widerstand nicht einlötest, mag es sogar stimmen. Aber ohne 
Vierleiteranschluß und ein stabiles Gehäuse wird das nix. Mit Z201 wird 
das dann aber nix.

von Steffen (Gast)


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Das heißt Du würdest dann direkt ein 10 Ohm Normal aus der Schublade 
nehmen und es gegen 10 Ohm vergleichen? Das habe ich nun leider nicht.

Tja, wohl doch nicht so einfach wie ich dachte :). Ich dachte bei einem 
6,5 stelligen Voltmeter sollte so ein Transfer von 1:10 schon mit 50ppm 
machbar sein.

Bisher greife ich die Spannung am Z201 mit zwei Klemmen etwa in der Höhe 
ab in der das Lot sitzen würde und den Strom schicke ich von "weiter 
aussen" hinein. 50ppm bei 100 Ohm sind ja aber immerhin noch 5mR. Da 
sollten einige mm mehr oder weniger Anschlussdraht nicht viel machen. 
Alles was kleiner ist muss dann natürlich als echter 
Vierleiter-Widerstand ausgeführt sein.

von ths (Gast)


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Das DVM und eine anständige Stromquelle sind unabdingbare 
Voraussetzungen.  Die dekadischen Normalwiderstände sind fast mit Gold 
aufzuwiegen. Wir arbeiten in Vierleiteranschluß Technik von 100 Mikroohm 
bis 100 kOhm.

50 pm erfordern Thermospannungskorrektur und vernünftige klimatische 
Bedingungen.

Und jetzt zum Trost: Die meisten 6,5 stelligen Ohmmeter messen passabel 
Widerstände. Nur für kleiner 1 Ohm wird es schwierig.

von Steffen (Gast)


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Zur Thermospannung habe ich an ein HP 3488 mit MUX oder Matrix gedacht. 
Dazu noch ein Relais (auch im 3488) um die Strom bzw Spannungsquelle 
abschalten zu können. So könnte ich die Thermospannung immer kurz vorher 
messen und dann abziehen. So wie es das 3456A bei Offset Compensation 
auch macht. Die Stromquelle braucht auch nur während einer Messung 
stabil zu sein.

Diese Normalwiderstände sind ja bestimmt alle einzeln kalibriert, aber 
wie wird das gemacht? Das wird ja sicher auch transferiert oder nicht? 
Werden die einfach an ein HP 3458A oder Fluke 8508A gehängt zum 
Kalibrieren?

Also soll am Ende tatsächlich die beste Lösung sein, dass ich meinen 
Vishay Widerstand benutze um den 100R Bereich des 3456A zu justieren und 
dann damit messe?

von ths (Gast)


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Und jetzt kommt noch noch ein Mux mit unbekannten Eigenschaften ins 
Spiel.....Zur Thermospannungsbestimmung ist es nicht unbedingt von 
Vorteil, den Strom abzuschalten, weil dann die Stromquelle den 
Arbeitspunkt verliert, Umpolen wäre eine bessere Methode.

Unsere Normalwiderstände werden von der PTB kalibriert. Wie die das 
machen, kannst du dort erfragen. Jedenfalls anständig, aufwendig und 
nicht für lau.

Hast du für den Vishay Widerstand einen DAkkS oder DKD Kalibrierschein? 
Nein? Dann vergiss das ganz schnell. Lass lieber das Multimeter 
justieren und dann kalibrieren. Das ist zwar zunächst teuer, aber unterm 
Strich billiger und besser und du hast mehr davon.

von Steffen (Gast)


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Statt den Kreis zu öffnen könnte man die Stromquelle ja auch 
kurzschließen, aber klar umpolen ist noch besser.

Ich hätte die Möglichkeit den Widerstand ab und zu an kalibrierten 
Geräten (3458A) zu vermessen mehr nicht. Aber ich brauche es ja auch 
nicht wirklich. Mir geht es mehr darum was man so zuhause an Präzision 
erreichen kann.

Wenn man sich mal überlegt was die Prüfleitungen mit den ganzen Steckern 
so an Widerstand haben können, dann kann man auch nachvollziehen, warum 
man bis 100k Vierleiter verwendet :). Zumindest wenn es in den ppm 
Bereich geht.


Was macht ihr mit den Widerständen eigentlich? Sind diese zur 
Kalibrierung vorgesehen? Und wie geht man mit seinen dekadischen 
Widerständen vor, wenn zB 30kOhm gefragt sind, wie man sie zB zum 
Kalibrieren eines HP 3457A benötigt?


Ich hatte irgendwie schon gehofft irgendwann noch mal einen Vishay 
VHP100 mit 10k zu besorgen und den ggf. auch vermessen zu lassen (wobei 
das bei geringer Toleranz nicht nötig wäre) um daraus dann in Zukunft 
alles weitere ableiten zu können. Die sind ja gar nicht so unglaublich 
teuer und es gibt sie mit 10ppm Toleranz und 2ppm in 6 Jahren Shelf 
life.

von ths (Gast)


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Ja, wir haben ein paar Sätze von Normalwiderständen nur für 
Kalibrierzwecke. Nicht dekadische Kalibriergegenstände erhalten eine 
geringfügig höhere Messunsicherheit, welche Linearitätsabweichungen von 
Messeinrichtungen und abweichende Messbereiche etc. berücksichtigt.

Prüfleitungen braucht man in thermospannungsarmer Ausführung. thermo 
verwendet übrigens das gleiche t wie teuer.

Mit den Vishays VHP wäre ich mal ganz vorsichtig in vielerlei Hinsicht. 
Aber allemal besser als Z201.

von Steffen (Gast)


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Für absolute Spannungsmessungen ist mir das klar mit 
thermospannungsarmen Kabeln, aber bei Messungen mit Offset Compensation 
hätte ich gedacht es reicht, wenn die Thermospannung einigermaßen stabil 
ist. (wahrscheinlich liegt genau da der Denkfehler).

Gibt es da etwas spezielles zu beachten bei den VHP100?

Irgendwie hört man von vielen Ecken was munkeln, aber ich habe selten 
was konkretes gehört. Habe bisher hier im Forum nur schlechtes bei den 
VSMP gelesen. Da kann ich es noch nachvollziehen, wenn die fast 
ungeschützt sind. Ich hätte aber auch gedacht, dass ein Z201 nicht so 
schlecht ist, wenn man ihn nicht zu grob behandelt (Es soll wohl beim 
biegen der Anschlussdrähte vorkommen, dass an den Stellen dann Wasser 
eindringen kann).

Vielen Dank für deine Hinweise

von Ernst O. (ernstj)


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Steffen schrieb:
> Es geht hier weniger um ganz pragmatische
> Widerstandsmessung als darum es so genau wie möglich mit den gegebenen
> Mitteln hinzubekommen und das möglichst nachweislich.

Ich sehe da noch Potential in den Methoden aus Grossvaters Zeiten, 
sprich

Wheatstone-Brücke, um Widerstände auf Gleichheit zu prüfen,

Hamon-Teiler um dekadische Spannungsteiler zu bauen,
      http://conradhoffman.com/HamonResistor.html

Kelvin-Varley-Teiler um inkrementale Spannungsteiler zu bauen.
      http://conradhoffman.com/mini_metro_lab.html

Bei allen diesen Methoden geht es nie um Absolutwerte, sondern immer nur 
um Differenzen. Idealer Ausgangspunkt ist ein gut charakterisierter, 
stabiler Widerstand. Es ist zwar umständlich, aber es lassen sich 
erstaunliche Ergebnisse erzielen.

Ein anderer Ansatz wäre es, eine varlässliche Spannungsreferenz und 
einen genauen DA Wandler zu nutzen, so wie hier:
https://www.youtube.com/watch?v=z5Pnw9Xr2ME

Eine 1 Ampere Stromquelle ist für die Messung kleiner Widerstandswerte 
hilfreich: https://www.youtube.com/watch?v=z5Pnw9Xr2ME
un https://www.youtube.com/watch?v=Sv21wD3FRmY

von ths (Gast)


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Stabile Thermospannungen sind so eine Sache. Mindestens die Anschlüssen 
am DMM vor Zugluft schützen aka Lappen drumwickeln. Die 
thermospannungsarmen Strippen sind ca. Faktor 8-10 besser. Für privat 
macht das keinen Sinn, nimm massive Kupferdrähte soweit möglich.

Es gibt Leute, die fertigen präzise Widerstände in vernünftigen 
Gehäusen. Die haben schon Probleme gelöst, die kennst du noch gar nicht.

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Moin,

das Thema interessiert mich auch. Darum habe ich mal zwei Widerstände 
(1k und 10k, 100R und kleiner habe ich nicht) genommen und ein wenig 
gespielt. Zunächst habe ich beide im 10k Bereich mit meinem 3456A 
gemessen (100NPLC, 4W, Offset Compensation, auch nicht kalibriert)

10,00005 k
 1,00000 k

Wobei das letzte Digit beim 1k ab und zu mal auf 1 geht, aber das sollte 
erstmal egal sein. Ob die Zahlen stimmen weiß ich nicht, aber es sieht 
sehr schön aus.

Als erstes habe ich die Ratio Methode getestet. Dazu habe ich mit einer 
stabilen Stromquelle (Knick Kalibrator) 100µA durch die in Reihe 
geschalteten Widerstände fließen lassen und dann die Spannungen direkt 
an den Widerständen abgegriffen. Hierzu ist es allerdings notwendig eine 
Spannung quasi auf dem Kopf zu messen, weil die negativen Eingänge nicht 
zu weit auseinander gehen dürfen. Das Ergebnis am 3456A ist 0,1000027 
also etwas zu hoch verglichen mit der Messung im Widerstandsbereich.

Dann habe ich die Spannungen an dieser Reihenschaltung einzeln gemessen. 
Einmal mit und einmal ohne Strom. (Dabei natürlich auf 
Reproduzierbarkeit geachtet)

1k : 0,099996 V zu 3µV
10k: 0,999968 V zu 37 µV

Hierbei hat mich die große Spannung, bei abgeschalteter Stromquelle, am 
10k Widerstand etwas überrascht. Wenn ich trotzdem mit diesen Werten 
rechne komme ich auf einen Faktor von 0,099999. Das Multipliziert mit 
10,00005 k (ich nehme die 10k einfach mal als Referenz) liefert 1,000004 
k. Also genau das was man auch bei der Widerstandsmessung gesehen hat. 
Sogar das Wackeln ab und zu zur 1 im letzten Digit passt.


Spannend wäre es jetzt die beiden Widerstände mal mit einem besseren 
Multimeter zu vergleichen.

Man müsste jetzt wohl mal eine ordentliche Fehlerrechnung machen um zu 
schauen ob der Aufwand mit der externen Stromquelle usw sich überhaupt 
lohnt gegenüber einem Vergleich mit dem DMM in einem festen Range.


Als Fazit kann man vielleicht sagen, dass die Ratio Methode nicht die 
beste Lösung ist. Zum einen wird eine Spannung negativ gemessen und 
stellt so noch mal höhere Anforderungen an das DMM und zum anderen kann 
die Thermospannung nicht berücksichtigt werden.

Viele Grüße
Philipp

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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kurzer Nachtrag: Die verdächtigen 37µV waren keine Thermospannung 
sondern eher 3,x nA die noch floßen, wenn man 0µA am Knick einstellt.

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