Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik ISOLIERTE RS485 ohne GND überhaupt funktionsfähig?


von Mister M (Gast)


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Hallo zusammen,
RS485 wurde hier ja schon öfter abgehandelt. Mir ist klar, dass die 
Tranceiver durch ihren GND-Bezug im nichtisolierten Fall einen 
Potentialausgleich benötigen (aus EMV-Gründen und wegen des 
Eingangsspannungsbereichs). Kann man unter anderem in

robustdc.com/download/index.php?file=AN005.pdf
http://www.ti.com/lit/an/slla272b/slla272b.pdf

nachlesen.

Einige Fragen konnte ich nicht klären:
-Wenn zwei Teilnehmer per RS485 mit jeweils isolierten Tranceivern 
verbunden sind, und zwar OHNE Ground (also nur A und B), müsste doch 
quasi keine Kommunikation möglich sein, da es überhaupt keinen Rückweg 
für den Strom gibt. Die Receiver, die eben nicht ohne GND-Bezug 
auskommen, würden A und B gegen ihren GND vergleichen, der ja gegenüber 
dem Rest der Welt hochohmig ist und dementsprechend sehr Anfällig für 
Störungen. Korrekt? Eventuell wird das Potential über Schutzdioden an 
die A/B Leitungen gekoppelt?

-Man kann in diesem Fall (isolierter Transceiver) meiner Meinung nach 
den GND virtuell erzeugen über zwei Widerstände nach A und B. Welche 
Nachteile handelt man sich ein? Wie hoch müssen/dürfen diese 
dimensioniert werden?

Bitte keine Grundsatzdiskussion darüber, dass RS485 2-Leiter wäre und 
grundsätzlich keinen GND benötigen würde. Das ist allgemein gesagt 
falsch. Siehe verlinkte Dokumente. Antworten ohne Begründung oder mit 
Begründung "ich habe so schon 2000km verlegt" entbehren jeglicher 
technischer Grundlage. Also bitte mit Begründung :-)

Freue mich auf Antworten.

von Max D. (max_d)


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RS485 arbeitet über die Differenz der Spannungen auf A und B.
Damit ist es erstmal egal auf welchem Level der Gnd liegt (Maschensätze 
setze ich mal als bekannt vorraus).
Probleme gibt es wenn der Gnd jetzt "wegfliegt" und z.B. auf +300 V oder 
so will. Dann fließen durch den Chip über un-spezifzierte parasitäre 
Dioden Ströme die den Betrieb stören können.
Ein weiteres Problem ist das Einkoppeln hochfrequenter Störungen die 
evtl. auch eine Potential-Differenz verursachen können.

von Mister M (Gast)


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ok, das bestätigt mich eigentlich. Da der GND isoliert ist, floatet er 
im Vergleich zum A/B Potential rum und es fliessen Ströme über 
parasitäre Wege. EMV und das driften des GND können zumindest 
kurzzeitig/unregelmäßig (wahrscheinlich vor allem beim Einschalten des 
Treibers der Gegenseite) ein hohe Spannungsdifferenz aufweisen die den 
Chip zerstören könnten oder die Funktion stören, da der GND quasi 
unkontrolliert rumwackeln kann.

Die von mir beschriebene Lösung mit virtuellem GND erzeugt durch die 
Mitte aus A und B habe ich schon öfter gesehen. Gibt es hier ausser der 
Busbelastung Nachteile? Da der GND nicht sehr niederohmig ist würden 
Störungen auf Receiverseite im GND schlechter abgeleitet, andererseits 
ist die RS485 gegenüber solcher Störungen ja gerade unempfindlich, 
solange man im Arbeitsbereich des Receivers bleibt, oder? Gibt es einen 
guten Grund, wieso dennoch eine GND-Leitung herausgeführt werden sollte?

von isoliert (Gast)


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Du solltest mal einen Schaltplan aufmalen.

>per RS485 mit jeweils isolierten Tranceivern

Ein isolierter Transceiver ist was in Deinen Augen. Potential getrennt? 
Nur GND nicht angeschlossen?

Bevor die Begriffe nicht geklärt sind ist alles nur Orakel.

von Mister M (Gast)


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Ein isolierter Transceiver ist sowas:
LTM 2881 http://www.linear.com/docs/28570

ein integrierter DCDC-Wandler erzeugt eine galvanisch getrennte 
Spannung, mit der die Treiber und Receiver auf der einen Seite versorgt 
werden. Die Signale werden per Optokoppler entkoppelt (Rx, Tx, DE).
Heisst also, dass der Transceiver nach aussen erstmal von Erde und 
restlichem Gerät galvanisch getrennte A,B, GND-Leitungen besitzt.

von Peter D. (peda)


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Ja es reichen 2 Leitungen.
Durch interne Widerstände im Receiver zieht der sich selber in einen 
stabilen Arbeitspunkt.
Mit CAN geht das auch.
Es besteht natürlich die Gefahr, daß durch Fehlerströme oder 
elektrostatische Aufladungen der Receiver Schaden nimmt.

von Falk B. (falk)


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@ Peter Dannegger (peda)

>Ja es reichen 2 Leitungen.
>Durch interne Widerstände im Receiver zieht der sich selber in einen
>stabilen Arbeitspunkt.
>Mit CAN geht das auch.

Simmt. Aber ist es empfehlenswert? Warum wird in der Industrie meistens 
(immer?) GND mitgeführt?

von Bernd K. (prof7bit)


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Mister M schrieb:
> -Wenn zwei Teilnehmer per RS485 mit jeweils isolierten Tranceivern
> verbunden sind, und zwar OHNE Ground (also nur A und B),

Doch, geht einwandfrei.

> müsste doch
> quasi keine Kommunikation möglich sein, da es überhaupt keinen Rückweg
> für den Strom gibt

Doch. Was über B hinfließt kommt über A zurück und umgekehrt.

von isoliert (Gast)


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>Ein isolierter Transceiver ist sowas:
>LTM 2881 http://www.linear.com/docs/28570

Paßt, auch ohne Erde. Isoliert ist isoliert.
Bis 400 V ist der ok. Steht auch so im Datenblatt.

>Simmt. Aber ist es empfehlenswert? Warum wird in der Industrie meistens
>(immer?) GND mitgeführt?

Wenn mehr als die 400Volt zu befürchten stehen (z.B. Aufladung) ist ein 
Potentialausgleich sicher gut. Aber ein dünnes GND-Käbelchen ist da eher 
nicht geeignet.

von Falk B. (falk)


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@  isoliert (Gast)

>>Simmt. Aber ist es empfehlenswert? Warum wird in der Industrie meistens
>>(immer?) GND mitgeführt?

>Wenn mehr als die 400Volt zu befürchten stehen (z.B. Aufladung) ist ein
>Potentialausgleich sicher gut. Aber ein dünnes GND-Käbelchen ist da eher
>nicht geeignet.

Der GND-Draht der isolierten RS485 Tranceiver soll sicher NICHT einen 
Potentialausgleich für Starkstrom herstellen, wie eine 
Potentialausgleichsschiene! Sondern eher den Gleichtaktbereich der 
Tranceiver sicherstellen, auch wenn die das unter 
Sonnenscheinbedingungen auch ohne GND schaffen.

von Mister M (Gast)


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Du hast recht. Da der Chip jedoch nicht wirklich differentiell arbeitet, 
sondern zwei Pegel gegen seinen GND vergleicht und folglich der Strom in 
A/B durch den nicht unendlich hohen Eingangswiderstand nach GND fließt, 
heisst das im Umkehrschluss der Strom nimmt einen Weg von A zu GND zu B 
oder umgekehrt. Der Weg von A zu GND ist vorgesehen, der umgekehrte 
läuft u.U. unkontrolliert über parasitäre Wege. Wäre es da nicht besser, 
dem Strom einen vorgegebenen Weg über den virtuellen GND zu geben?

Was sollte sonst der Grund sein, warum LT im Datenblatt (siehe oben) 
genau das in Abbildung 22 (ziemlich am Ende) macht, wenn es komplett 
unnötig wäre?

In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie hoch man diese 
dimensionieren sollte. Im Strompfad A<->GND ist ja schon die hohe 
Eingangsimpedanz in Serie dabei. Wenn man nicht unbedingt hier den 
Busabschluss machen will, würden Widerstände im Bereich einige kOhm 
nicht ausreichen? Darauf zielt letzlich meine Frage. Begrenzt das die 
Funktion (=Baudrate) in irgend einer Weise? Ich kann keinen Nachteil 
erkennen und würde das einer dritten Ader vorziehen.

Da der Rückstrom statt über einen getrennten Leiter sogar über die 
andere differentielle Ader zurückfließt, sollten sich doch die 
EMV-Eigenschaften sogar verbessern, da die Stromschleife noch kleiner 
ist, oder irre ich?

von Peter D. (peda)


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Mister M schrieb:
> der Strom nimmt einen Weg von A zu GND zu B
> oder umgekehrt.

So isses.
Im Receiver sind ~12k integriert, d.h. GND geht auf den halben 
Spannungshub.
Die Spannung an A,B darf zwischen -7V..+12V liegen, ist also im grünen 
Bereich.

von Mister M (Gast)


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Wie kommst du auf 12K? ist das auf 1 Unit Load bezogen?
Beim verlinkten LT2881 (1/8 Unit load) sind das also 96K. Das kommt mir 
schon etwas viel vor. Was genau verbessert die externe Beschaltung des 
GND in Abbildung 22 (über 10nF an die Mitte eines Spannungsteilers) 
effektiv? Wieso über 10nF an GND und nicht direkt?

Da die Anzahl der Teilnehmer für mich keine große Rolle spielt, würde 
ich den GND des Transceivers über z.B. 10K an A und 10K an B verbinden. 
Die Gesamtimpedanz von A/B zur jeweils anderen Ader würde damit von 
96k+96k auf 96k+10k sinken. Ich bin mir nur unsicher, ob das die 
Funktionalität wirklich merklich beeinflusst, bzw. überhaupt 
beeinflusst...

von Peter D. (peda)


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Mister M schrieb:
> Wie kommst du auf 12K?

Datenblatt LTC485, MAX485.

von Bernd K. (prof7bit)


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Mister M schrieb:
> würde ich den GND des Transceivers über z.B. 10K an A und 10K an B verbinden.

Das ist im Transceiver schon eingebaut! Und zwar genau für diesen Zweck.

von Mister M. (Gast)


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Zu diesem Zweck?
In manchen Receivern sind es (wie bei dem verlinkten) eben nur 96K. Das 
ist ja schon etwas viel. Wäre es da nicht angebracht, den entwas zu 
verringern?

Zweite noch offene Frage: im Datenblatt des LT2881 ist in Abbildung 22 
ein Kondensator zu sehen, über den der Massebezug hergestellt wird. 
Wieso? Hat das dann überhaupt noch einen Effekt? Soll dieser mit den 
internen Widerständen einen Tiefpass bilden? Wieso dann der 
Serienwiderstand?

von Mister M. (Gast)


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Sorry, gibt ja gar keinen Serienwiderstand. Also soll das lediglich 
einen Tiefpass mit den internen 96k-Widerständen bilden? richtig?

von Guldi (Gast)


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Ich habe jetzt einiges durch bezüglich RS485. Ohne Gnd ist zumindest 
"Hotplug" oft tödlich. Störungen wenn die 485 Leitung sich um ein 
Drehatomkabel schlängelt  sind auch ohne Gnd eindeutig mehr.

von Nils S. (kruemeltee) Benutzerseite


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Guldi schrieb:
> Drehatomkabel
Hehe, das ist gut! :)

von RS485 (Gast)


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Man kann die Masse weglassen, wenn man eine Seite galvanisch trennt. 
Also so richtig trennt, mit Optokoppler oder Trafo oder sonstigem. Dann 
muss man nur noch gegen Überschläge absichern, aber da reden wir von 
>1kV oder noch mehr.

Normale Tranceiver sind aber nicht galvanisch getrennt. Da ist man 
schnell beim magischen Rauch, wenn es Potentialdiffernezen gibt. Dazu 
sind die Treiber auf einen Massebezug angewiesen.

Wenn man größere Entfernungen überbrücken will, ist die galvanische 
Trennung immer stark anzuraten, weil diverse EMV-Tests (SURGE) oder 
Potentialdifferenzen die Treiber schnell töten können.

Tranceiver mit Trennung gibt es fertig, z.B. diese hier:
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/iso1176t.pdf
Da braucht man aber einen Trafo dazu, oder einen DCDC-Wandler - für die 
Versorgung. Es gab auch mal welche mit integriertem DCDC-Wandler, ich 
finde sie aber grade nicht.

von Mister M. (Gast)


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Das ist alles nett, aber das weiss ich hier schon. Vielleicht mal die 
Beträge drüber lesen. Wenn man den Titel gelesen hätte, wüsste man auch, 
dass es hier um isolierte RS485-Stufen geht, per DCDC-Wandler und 
Optokoppler.

Die beiden offenen Fragen würden mich trotzdem interessieren.

von Bernd K. (prof7bit)


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Mister M. schrieb:
> im Datenblatt des LT2881 ist in Abbildung 22
> ein Kondensator zu sehen, über den der Massebezug hergestellt wird.
> Wieso?

ESD würd ich mal sagen. Für schnelle Transienten ist das ein Kurzschluss 
und die Energie aus ner kleinen bis mittleren Entladung absorbiert der 
problemlos.

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