Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Übersprechen auf Koax-Leitungen


von M. W. (rallini94)



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Hallo zusammmen,

ich stehe hier vor einer kleinen Aufgabe, wo ich die Messergebnisse 
nicht ganz mit meinem theoretischen Verständnis unter einen Hut bringen 
kann, aber vielleicht hab ich da ja auch noch was falsch verstanden. 
Wäre also nett, wenn ihr mich etwas weiterbilden könntet.

Also folgendes: Ich arbeitet momentan an einer Anlage, die ich in 
EMV-Hinsicht verbessern soll. Die Anlage besteht aus zwei Teilen, die 
etwa 4 Meter von einander entfernt sind. Klugerweise haben die Erbauer 
wohl ein 10 Meter Kabel gekauft und sich gedacht: "Den Rest verstecken 
wir einfach im Kabelkanal ;D"

Das Kabel ist ein CMG12 von Cordial (siehe Anhang). Von den 12x2 
Leitungen sind momentan eigentlich nur zwei Interessant, denn auf diesen 
liegen zwei Taktsignale. Aufbau ist laut Doku folgender:

Paar 1
Signal "Laden"-Empfänger ---------------- "Laden"-Sender
offen ----------------------------------- GND
Schirm ebenfalls GND

Paar 2
Signal "Schieben"-Empfänger ---------------- "Schieben"-Sender
offen ----------------------------------- GND
Schirm ebenfalls GND

Prinzipiell ist der Aufbau für mich logisch. Die Signale sind schön 
gekapselt, damit es zu keinen Übersprechen kommt, aber genau das gibt 
es. Und zwar ziemlich heftig (siehe Bild: Rot: Laden, Gelb: Schieben).

Jetzt bin ich verwirrt. Ist die Ausführung des beschriebenen Aufbaus 
einfach schlecht oder bringt das wirklich nicht so viel, wie ich dachte 
???

Eine weitere Möglichkeit wären die anschließenden Leiterplatten, aber da 
dort die Leitungen bei weitem nicht so lang sind, habe ich eher das 
Kabel in Verdacht.

Ich wäre für eure Erfahrungen und Ratschläge sehr dankbar.

Gruß,
M.W.

: Bearbeitet durch User
von DNS (Gast)


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Vielleicht solltest du genauer angeben, wie die Kabel belegt sind; ich 
kann es aus deiner Beschreibung jedenfalls nicht zweifelsfrei rauslesen.

Das Kabel besteht aus 12 Adernpaaren, von denen jedes Adernpaar einen 
Schirm besitzt? Was heißt "offen ----------------------------------- 
GND"? Wenn der Schirm wirken soll muss er schon an beiden Enden 
aufgelegt sein.

Grundsätzlich kann das Übersprechen auch im Oszi entstehen.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Also wenn ein Signal auf einem Koax-Kabel ist, ist der Schirm der 
Rueckleiter, und der Rueckleiter nicht offen sein. Falls das Kabel ein 
oder mehrere verdrillte Paare hat, muessen die Signale differentiell 
sein.

Einfach ein nicht differentielles Signal auf ein differential-Paar geben 
und den einen Leiter als GND beidseitig so anschliessen gibt ganz 
schlechte Signale.

Also
 Asymmetrische Signale -> Koax
 Symmetrische Signale -> Twisted Pair.

: Bearbeitet durch User
von M. W. (rallini94)


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Ok, vielleicht muss ich den Aufbau nochmal genauer erklären. Wie gesagt, 
er stammt nicht von mir, aber ich glaube auch, dass er nicht optimal 
ist.

Das Kabel besteht insgesamt aus 12x2 Leitungen. Jedes Pärchen hat einen 
eigenen Schirm, welcher auf GND gelegt wurde (ob jetzt ein- oder 
beidseitig ist der Dokumentation nicht ganz zu entnehmen). Zusätzlich 
hat das gesamte Kabel einen Äußeren Schirm um alle Paare, welcher 
ebenfalls auf GND liegt. Zusätzlich haben die Konstrukteure eine 4qmm 
Leitung zwischen den Anlagenteilen gelegt, welche ebendfalls mit GND 
verbunden ist. Die meinten es wohl gut ;)

Die beiden interessanten Pärchen haben somit jeweils folgenden Aufbau:
- Eine der Leitungen ist beidseitig mit dem Signal (Pegel 0V und 12V, 
somit asymetrische Signale(?)) verbunden
- Die zweite Leitung ist einseitig auf GND gelegt. Hab mich auch schon 
gefragt, warum nur einseitig, wenn sowieso eine extra Leitung für GND 
verlegt wurde. Ein Kollege meinte, weil das sonst hässliche 
Masseschleifen geben würde
- Der Schirm des Pärchens liegt auf GND (ein- oder beidseitig müsste ich 
nochmal an der Anlage prüfen)

Hoffe, der Aufbau ist jetzt eindeutiger beschrieben

P.S.
DNS schrieb:
> Grundsätzlich kann das Übersprechen auch im Oszi entstehen.

Das habe ich auch schon gelesen. Da es sich aber um ein gutes Oszi 
(350MHz Bandbreite) mit relativ langsamen Signalen (Schieben hat etwa 62 
kHz) handelt und die Spitzen auch auftreten, wenn ich die Signale 
einzeln messe, tendiere ich eher dazu, das es nicht am Oszilloskop liegt

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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M. W. schrieb:
> Jedes Pärchen hat einen
> eigenen Schirm, welcher auf GND gelegt wurde (ob jetzt ein- oder
> beidseitig ist der Dokumentation nicht ganz zu entnehmen)

wäre aber nicht unwichtig. Denn das entscheidet, ob er als Rückleiter 
wirkt oder nicht.

Wenn du nochmal an die Anlage gehst, kannst du dann auch die Messung 
nochmal machen? Mich würde ein zeitlich besser aufgelöstes Bild der 
Schaltflanke interessieren. Ich habe den Eindruck, dass die Kopplung 
"gegenphasig" ist. Also eine fallende Flanke von gelb führt zuerst zu 
einer steigenden Störung auf rot, die danach in beiden Richtungen 
nachschwingt. Das würde schon mal eine kapazitive Kopplung ausschließen.

M. W. schrieb:
> Da es sich aber um ein gutes Oszi
> (350MHz Bandbreite) mit relativ langsamen Signalen (Schieben hat etwa 62
> kHz) handelt

Die 62kHz sind egal, es kommt darauf an, wie steil die Flanken sind. Und 
auch darauf, welche Tastköpfe du verwendest und wo du deren 
GND-Anschluss verbindest.

von DNS (Gast)


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> "Ein Kollege meinte, weil das sonst hässliche Masseschleifen geben würde"

Das ist zwar nicht völlig falsch, aber Probleme mit Masseschleifen löst 
man nicht indem man die Masse einfach weglässt.

Das Kabel ist für symmetrische Signale gedacht und deshalb nicht ganz 
optimal für die Anwendung; ich würde aber erwarten dass die beste 
Signalqualität erreicht wird wenn der zweite Leiter und die Schirme 
beidseitig auf Masse liegen.

Eine weitere Verbesserung ließe sich dann evtl. noch mit Klappferriten 
oder Gleichtaktdrosseln auf den einzelnen Leiterpaaren erreichen.

von M. W. (rallini94)


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Achim S. schrieb:
> M. W. schrieb:
>> Jedes Pärchen hat einen
>> eigenen Schirm, welcher auf GND gelegt wurde (ob jetzt ein- oder
>> beidseitig ist der Dokumentation nicht ganz zu entnehmen)
>
> wäre aber nicht unwichtig. Denn das entscheidet, ob er als Rückleiter
> wirkt oder nicht.

Werde das beim nächsten Mal auf jeden Fall prüfen, aber wenn ich Pech 
habe, darf ich erst nächsten Mittwoch wieder ran

> Wenn du nochmal an die Anlage gehst, kannst du dann auch die Messung
> nochmal machen? Mich würde ein zeitlich besser aufgelöstes Bild der
> Schaltflanke interessieren. Ich habe den Eindruck, dass die Kopplung
> "gegenphasig" ist. Also eine fallende Flanke von gelb führt zuerst zu
> einer steigenden Störung auf rot, die danach in beiden Richtungen
> nachschwingt. Das würde schon mal eine kapazitive Kopplung ausschließen.

Mach ich. Habe zwar ewig viele Bilder aufgenommen, kann aber gerade 
keines finden, welches die beiden Signale und dessen Flanken näher 
darstellt.

> M. W. schrieb:
>> Da es sich aber um ein gutes Oszi
>> (350MHz Bandbreite) mit relativ langsamen Signalen (Schieben hat etwa 62
>> kHz) handelt
>
> Die 62kHz sind egal, es kommt darauf an, wie steil die Flanken sind. Und
> auch darauf, welche Tastköpfe du verwendest und wo du deren
> GND-Anschluss verbindest.

Zu dem Oszilloskop gehören 500 MHz, 10:1 Tastköpfe von LeCroy (10 MOhm, 
9.5pF, PP007-WS). Da sich die Platinen in einem 19" Rack befinden, 
benötige ich eine Verlängerungs-Busplatine um überhaupt an die Signale 
halbwegs ranzukommen. I.d.R. greife ich an dieser die Masse ab. Habe es 
aber auch schon direkt mit einer Massefeder am entsprechenden 
"Empfangs"-IC versucht (also den Massepin der sich am nähsten am Signal 
befand). Sah genauso bescheiden aus :(

von M. W. (rallini94)


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DNS schrieb:
>> "Ein Kollege meinte, weil das sonst hässliche Masseschleifen geben würde"
>
> Das ist zwar nicht völlig falsch, aber Probleme mit Masseschleifen löst
> man nicht indem man die Masse einfach weglässt.
>
> Das Kabel ist für symmetrische Signale gedacht und deshalb nicht ganz
> optimal für die Anwendung; ich würde aber erwarten dass die beste
> Signalqualität erreicht wird wenn der zweite Leiter und die Schirme
> beidseitig auf Masse liegen.
>
> Eine weitere Verbesserung ließe sich dann evtl. noch mit Klappferriten
> oder Gleichtaktdrosseln auf den einzelnen Leiterpaaren erreichen.

Wow, da war ich jetzt gerade gar nicht schnell genug die eine Nachricht 
zu beantworten, bevor die nächste kam ;)

Ja, ich hab auch schon gesehen, das Cordial eigentlich Audio Equipment 
herstellt und bei dem Kabel steht "Studio/Stage" dabei. Das hieße ja 
eigentlich, dass es für Symmetrische Signale optimiert sein dürft.

Ich werde - sobald mir möglich - nochmal genau gucken, was die Jungs 
damals mit der zweiten Ader und dem Schirm gemacht haben und ggf. beides 
mal testweise auf beiden Seiten mit Masse verbinden (falls man noch 
genug von den Leitungen übrig gelassen hat).
Klappferrite wären dann die nächste Option

von Georg (Gast)


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M. W. schrieb:
> Klappferrite wären dann die nächste Option

Eines geht aus deinen Bildern schon klar hervor: die Flankensteilheit 
ist viel grösser als für die Signale nötig wäre, wahrscheinlich sind die 
Signale garnicht ausgelegt für längere Leitungen. Man könnte die 
Flankensteilheit erheblich verringern ohne dass die Übertragung 
gefährdet wäre, dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, je nachdem wo 
man ansetzen kann. Klappferrite ist eine davon.

Georg

von oszi40 (Gast)


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Mein Horoskop sagt heute: Man sollte den Aufbau genauer ansehen. Evtl. 
schleicht sich ein Masseproblem auch über die Oszi-Masse ein?

von M. W. (rallini94)



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Achim S. schrieb:
> Wenn du nochmal an die Anlage gehst, kannst du dann auch die Messung
> nochmal machen? Mich würde ein zeitlich besser aufgelöstes Bild der
> Schaltflanke interessieren. Ich habe den Eindruck, dass die Kopplung
> "gegenphasig" ist. Also eine fallende Flanke von gelb führt zuerst zu
> einer steigenden Störung auf rot, die danach in beiden Richtungen
> nachschwingt. Das würde schon mal eine kapazitive Kopplung ausschließen.

Hey, ich kann heute wieder messen und hab als erstes mal die gewünschten 
Bilder aufgenommen und du hast recht. Es schwingt zunächst in die 
entgegengesetzte Richtung (besonders gut bei der fallenden Flanke zu 
sehen). Wenn es dann keine Kapazitive Kopplung ist, was ist es dann? 
Induktiv oder doch über die Masse?

DNS schrieb:
> ich würde aber erwarten dass die beste
> Signalqualität erreicht wird wenn der zweite Leiter und die Schirme
> beidseitig auf Masse liegen.

Das habe ich jetzt auch mal versucht, hat ich ja von anfang an 
gewundert, dass sie die zweite Leitung nur einseitig angebunden hatten. 
Glücklicherweise hat man die Leiter nicht abgeschnitten, im Gegensatz zu 
den Schirmen, an die komme ich leider ohne weiteres nicht mehr ran.
Die Messergebnisse sieht man auf den Bildern mit "gnd-einseitig" und 
"gnd-zweiseitig". Durch das anschließen auf der zweiten Seite wird die 
Störung auf etwa 65% reduziert, schon ganz gut. Noch weniger wäre 
natürlich schön.


Meine ersten Versuche diese Störungen wegzubekommen, waren 
Serienterminierungen der beiden Signale (machbar, weil am Empfänger eh 
hochohmig abgeschlossen). Dadurch werden die Flanken etwas weicher (was 
hier ja wohl eher von Vorteil ist) und der Schwingkreis aus parasitärer 
Kapazität und Induktivität, dessen Resonanzfrequenz etwa bei der 11. 
Oberwelle des Rechtecks liegt, wird gedämpft. Zusammen mit der 
beiseitigen Anschließung des zweiten Leiters komme ich aber leider immer 
noch auf Störungen von 1 Vpp.

Jemand weitere Tipps wie ich die kleiner bekomme?

von Pandur S. (jetztnicht)


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Eine Frage der Terminierung aber es kann auch ein Messfehler sin. Zeig 
mal das Schema, den Aufbau als Foto, inklusive der Oszilloskop Spitzen 
und Clips.

von Possetitjel (Gast)


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M. W. schrieb:

> Wenn es dann keine Kapazitive Kopplung ist, was ist
> es dann?

Das weiss ich nicht.

Ziemlich sicher hängen diese Störungen aber mit den
versauten Masse-Verhältnissen an der Leitung zusammen.

> Meine ersten Versuche diese Störungen wegzubekommen,
> waren Serienterminierungen der beiden Signale

Ja, das wäre auch mein erster Tipp gewesen.

> [...]
> Jemand weitere Tipps wie ich die kleiner bekomme?

Du könntest empfangsseitig eine Art AC-Terminierung
versuchen, also eine RC-Reihenschaltung gegen GND.

von M. W. (rallini94)


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Oh D. schrieb:
> Zeig mal das Schema, den Aufbau als Foto, inklusive der Oszilloskop Spitzen
> und Clips.

Welches Schema meinst du denn? Das Schema wie ich gemessen habe? Oder 
wie die Schaltung aufgebaut ist?

Foto mache ich bei Gelegenheit

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