Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Der ultimative SMD Kondensator für Audio


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von Hannäs (Gast)


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In Beitrag "Welche Kondensatoren für Audio" ging es schon 
allgemein um für Audio gut geeignete Kondensatoren. Mir geht es jetzt 
erschwerend nur um SMD Bausteine. Ich versuche mal zusammenzufassen:


1) Weitgehende Einigkeit herrscht dabei, keine Keramik-Cs im Signalpfad 
zu verwenden, deren Dielektrikum mit X, Y oder Z beginnt, oder 
allgemein, keine Class-2 Cs.

2) Die gut geeigneten C0G/NP0 gibt es leider nur bis 0,47uF und dann 
riesig groß (Bauform 2220) und auch relativ teuer.

(Angeblich soll es C0G/NP0 mit 0,47uF/50V auch in Bauform 1812 geben. 
Konnte ich aber nicht finden. Wenn ja, könnte es theoretisch auch 
1uF/25V in 1812 geben, dürfte aber sehr teuer werden.)

3) Elkos wurden oft diskutiert und haben zahlreiche Nachteile, sind aber 
bei größeren Kapazitäten die einzige Wahl.


Gerade sind mir diese Kondensatoren begegnet und ich würde sie aus 
heutiger Sicht als die ultimative Lösung des Dilemmas bezeichnen:

http://www.mouser.com/ds/2/88/FCA-12870.pdf

Nennen sich FCA und gibt es bei 1uF/10V in Bauform 1206 (also 3.2x1.6mm) 
für unter 0,70€. Da kann man schonmal zwei parallel schalten, um 2uF zu 
bekommen.

Hab ich mich verguckt oder ist das wirklich ein Schätzchen?

von Klaus R. (klara)


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Hallo,
WIMA SMD-PPS kämen wohl auch infrage. Zumindest sind sie für Filter und 
Schwingkreise gut geeignet.

http://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/B300/WIMA_SMD_PPS.pdf
mfg klaus

von MaWin (Gast)


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Hannäs schrieb:
> Gerade sind mir diese Kondensatoren begegnet

Wow, wo warst du die letzten 40 Jahre ?

SMD Folienkondensatoren gibt es schon ewig,
ein bekannter Hersteller ist WIMA.

Man kann dann noch diskutieren, ob PE oder PP als Dielektrikum für Audio 
taugt.

von Lurchi (Gast)


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Das scheint schon eine relativ neue Variante von Folienkondensatoren zu 
sein. Die recht niedrige Spannungsfestigkeit lässt auf sehr dünne 
"Folien" schließen.

Der Verlustfaktor ist auch recht groß - für die meisten Anwendungen 
keine Problem und ggf. sogar hilfreich, für einige (nicht Audio) 
Anwendungen aber schon ein Problem.

von Gästchen (Gast)


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Tatsächlich sind sie für Audio gut geeignet - keine DC-Bias 
Charakteristik, Welchsespannung möglich. Kann man empfehlen.

Für den geneigten Bastler hätte ich noch eine Warnung parat:
Beim Löten gut aufpassen, die Teile sind echte Mimosen. Einmal zu fest 
mit der Pinzette gedrückt, schon sind sie zerquetscht (die werden 
ziemlich weich, wenn sie heiß sind). Lange und heiß drauf rumlöten darf 
man auch nicht, sonst verkokeln sie schnell zu einem hässlichen braunem 
etwas.

Wer also (wie ich) eher grobmotorisch veranlagt ist, sollte auf 
bedrahtete Typen ausweichen. Diese roten Klötzchen von WIMA sind für 
Audio gleich gut.

von Peter D. (peda)


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Klaus R. schrieb:
> WIMA SMD-PPS kämen wohl auch infrage.

Davon kann ich nur abraten, unsere Bestücker haben die Dinger regelmäßig 
gekillt. Bei nur max 220°C bleifrei zu löten, ist schwer.
Falls Folie unbedingt nötig, nehmen wir daher wieder welche mit 
Drahtanschluß.

von Peter D. (peda)


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Hannäs schrieb:
> 1) Weitgehende Einigkeit herrscht dabei, keine Keramik-Cs im Signalpfad
> zu verwenden, deren Dielektrikum mit X, Y oder Z beginnt, oder
> allgemein, keine Class-2 Cs.

Als Koppelkondensator kannst Du die ruhig verwenden, nur als 
Frequenzweiche nicht.
Ein Sieb- oder Koppelkondensator lädt sich einmalig auf den Arbeitspunkt 
auf und sieht danach keine Wechselspannung mehr. Der exakte Wert oder 
Nichtlinearität spielen daher keine Rolle.
Bei sehr kleinen Spannungen (Mikrofonverstärker) könnte noch Mikrofonie 
auftreten, da sollte man sie daher nicht verwenden.

Allgemein ersetze ich bei neuen Projekten Elkos und Tantals zunehmend 
durch Keramik.

von Michael B. (laberkopp)


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Peter D. schrieb:
> Als Koppelkondensator kannst Du die ruhig verwenden, nur als
> Frequenzweiche nicht.

Nein, so stimmt das natürlich nicht.

> Ein Sieb- oder Koppelkondensator lädt sich einmalig auf den Arbeitspunkt
> auf und sieht danach keine Wechselspannung mehr.

Nein, natürlich nicht. Koppelkondensatoren bestimmen i.A. die untere 
Grenzfrequenz, also -3dB bei 20Hz. Sie werden dabei schon erheblich 
umgeladen (halbe Spannung), und auch etwas bei 200 bzw 2000 Hz. Ihre 
Nichtlinearitäten schlagen voll auf's Audiosignal durch. Dazu induzieren 
sie eine Spannung durch Mikrophonieeffekte, insbesonder die SMD Bauteile 
die jede Beigung der Platine gleich als Piezospannung signalisieren.

 http://waltjung.org/PDFs/Picking_Capacitors_1.pdf
 http://waltjung.org/PDFs/Picking_Capacitors_2.pdf
 http://conradhoffman.com/cap_measurements_100606.html
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_1.pdf 
(capacitor sound electronics world)
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_2.pdf
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_3.pdf
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_4.pdf
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_5.pdf
 http://www.waynekirkwood.com/Images/pdf/Cyril_Bateman/Bateman_Notes_Cap_Sound_6.pdf

Kerko im Signalweg ist nur was für Leute die auch 1% TDH nicht hören, 
also quasi blind auf den Ohren sind.

von Gästchen (Gast)


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Michael B. schrieb:
> Kerko im Signalweg ist nur was für Leute die auch 1% TDH nicht hören,
> also quasi blind auf den Ohren sind.

Naja, jetzt sollte man mal nicht übertreiben. Man hört das wirklich nur, 
wenn man zumindest passable Lautsprecher hat oder einen Kopfhörer. In 
einer leisen Umgebung.

Will heißen:
Wenn man über das System Musik hören oder Filme sehen will in einer 
leisen Umgebung (oder mit guten Kopfhörern), ja dann stört sowas 
natürlich.

Aber sein wir mal ehrlich:
Bei allen normalen Geschichten, wie einen normalen Lautsprecher am PC, 
ein Autoradio in einem laufenden Auto oder Sprachausgabe an einem Gerät, 
sind <1% Klirrfaktor völlig ausreichend.
Das Motorgeräusch im Auto macht sicher mehr Lärm, als 1% Klirrfaktor je 
könnten, für eine Sprachausgabe reicht es, wenn man die Sprache deutlich 
versteht ohne lästiges Kratzen. Und für die Hintergrundmusik vieler 
Youtube Videos sind 10% Klirrfaktor noch Perlen vor die Säue.

Ein X5R macht aber kein ganzes Prozent Klirrfaktor ;-)

von Michael B. (laberkopp)


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Gästchen schrieb:
> Aber sein wir mal ehrlich

Es gibt KEINEN Grund an den Stellen Kerkos zu verwenden, Folien sind 
preiswert verfügbar.

von Stefan S. (mexakin)


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@Michael Bertrandt

Danke für die Walt Jung links, hatte ich noch nicht auf dem Schirm und 
werd eich mal durchlesen, desweiteren bin ich auch der Meinung KErkos 
machen im Audiopfad keinen Sinn, aber auch nur theoretisches wissen. Ich 
baue meine audio Geshicchten bisher mit den Wima Folien auf manchmal in 
kritischen Filtern sind dann Polystyrol vebraut, wobei die dann doch 
etwas teuer und vor allem etwas fragil daherkommen.

Für die geringen Werte schalte ich 0603 SMDs in C0G dazwischen und 
KEramikvielschicht kommt eigentlich nur für die Puffer-Cs in Frage.

von Gästchen (Gast)


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Michael B. schrieb:
> Es gibt KEINEN Grund an den Stellen Kerkos zu verwenden, Folien sind
> preiswert verfügbar.

Wohl, die gibt es: Platz und Kosten.
Wenn man z.B. 20k Stück von einer Platine baust, und es ist eine Ausgabe 
für ein paar Pieptöne, Jingles oder Durchsagen einer Sprechanlage, dann 
werde ich einen Teufel tun, und da statt einem 0,01€ Kerko einen 0,20€ 
Foko hineintun!
Die 0,3% oder whatnot Klirrfaktor bei Statustönen oder quäkenden 
Durchsagen hört wirklich kein Mensch. Egal wie gut die Ohren sind. Nicht 
bei dem Lautsprecher, der da drin ist!

Das sind satte 3800 gute Gründe, pro Jahr. Wenn ich meinem Chef sage, da 
habe ich 3,8k€ pro Jahr versenkt, die 0,0 Nutzen bringen, dann bekomme 
ich heiße Ohren.

Wie gesagt: Generell ist für Audio mit Qualitätanforderungen das 
natürlich keine Option. Aber oft hat man solche Anforderung eben nicht!

von Hannäs (Gast)


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Punkt 1) ("keine Class-2 Cs") ist spätestens jetzt allen klar (danke für 
die Links @Michael Bertrandt), wenn es nicht um Billigradio, sondern 
schon um gute Kopfhörer und Lautsprecher geht. Bitte lieber über die 
anderen Dinge diskutieren:

@Klaus Ra. Die Wima kommen einfach wegen der Baugröße nicht in Frage. 
Wie gesagt finde ich Bauform 2220 schon ganz hart an der Grenze.

@Lurchi "Der Verlustfaktor ist auch recht groß": Wie viel größer als 
z.B. bei C0G/NP0?

Und mehrere sagten, daß die beim Löten leicht kaputt gehen.

von Peter D. (peda)


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Michael B. schrieb:
> Ihre
> Nichtlinearitäten schlagen voll auf's Audiosignal durch. Dazu induzieren
> sie eine Spannung durch Mikrophonieeffekte,

Man kann sich viel einbilden, aber nur wenig wirklich raushören.

Bei 20Hz ist die Ohrempfindlichkeit schon tief im Keller.
Und Nichtlinearität ist nicht gleich Klirrfaktor. Nimm mal die Kennlinie 
C=f(U) eines X7R auf, bei 1V Aussteuerung siehst Du da kaum ne Änderung.

Und hast Du mal die Mikrofonie eines X7R versucht zu hören, bestimmt 
nicht. Da muß man schon sehr hoch verstärken, um es zu hören.
Bei den alten Röhrenverstärkern war die Mikrofonie viel stärker und 
niemanden hats gestört. Wenn Du da mal mit dem Schraubendrehergriff 
leicht gegen die EF86 geklopft hast, war es deutlich im Lautsprecher 
hörbar. So hat früher der Radiotechniker geprüft, ob der NF-Verstärker 
noch geht.

Michael B. schrieb:
> Kerko im Signalweg ist nur was für Leute die auch 1% TDH nicht hören,
> also quasi blind auf den Ohren sind.

1% kann ein guter Musiker gerade noch raushören. Normale Leute können 
das schon nicht mehr unterscheiden.
Wenn Dein Verstärker aber 1% hat, liegt das garantiert nicht am X7R als 
Koppelkondensator.

von Hannäs (Gast)


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@Peter Dannegger ein X7R 10uF am A/D-Wandlereingang und ein heftiger 
Stoß gegen die Platine führen zu einer Impulsantwort im Signal locker 
bis -70dB. Gemessen.

von Mark S. (voltwide)


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Mikrofonie dürfte bei line-Pegeln mit Class-2-Kondensatoren noch keine 
Rolle spielen.
In meinem Gitarrenvorverstärker mit entsprechend höherer Empfindlichkeit 
aber ein showstopper - jedes leichte Klopfen auf die Platine ist zu 
hören.
Also an diesen Stellen sind Folien-Koppelkondensatoren Pflicht, und zwar 
bedrahtete, aus den oben genannten Gründen.
Das Thema Klirrfaktor bei Class-2-Kondensatoren ist eher marginal. 
Selbst wenn bei Vollaussteuerung und 20Hz 1 Prozent zustande kommen, so 
nimmt dieser Anteil proportional zur Frequenz ab - ist also eher peanuts 
bzw gefundenes Fressen für selbsternannte Goldohren.

Davon einmal abgesehen gibt es für audio spezifizierte SMD-MLCCs mit 
besonders geringem piezo-Effekt.

: Bearbeitet durch User
von Lurchi (Gast)


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Der Verlust-faktor ist mit ca. 1% schon etwa 10 mal höher als bei COG 
oder PP Folienkondensatoren, bzw. etwa auf dem Niveau von MKS oder den 
ungeliebten Klasse 2 Keramiken. Wirklich stören tut das bei 
Audioanwendungen aber nicht, außer ggf. wenn man extrem genaue Filter 
mit hoher Güte haben will - das scheitert aber auch schon an den 
Toleranzen. Bei Class D Verstärkern müsste man ggf. auf die 
Strombelastbarkeit achten.

Die kleine Bauform ist ggf. schon interessant für einige Anwendungen.

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