Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Keramikkondensator "heilen"?


von Mathias U. (mathias80)


Lesenswert?

Hallo,

folgende Situation habe ich derzeit mit einer Platine:
Der Reset-Pin eines ICs (low-activ) ist mit einm Pullup (4k7) gegen 5V 
gezogen. Ausserdem gibt es einen Kondensator 100nF gegen Masse. (0805, 
100nF, X7R, 50V, Hersteller wahrscheinlich Yageo, lässt sich für mich 
jetzt nicht mehr nachvollziehen)

Bei einigen Platinen zeigt der Kondensator folgendes Verhalten:
In der Schaltung hat der Kondensator einen ohmschen Widerstand von ca. 
2kOhm und zieht damit den IC in den Reset. Die Platinen kommen nach ca. 
einem 3/4 Jahr im Einsatz als "defekt" zurück.

Der Kondensator sitzt nah am Platinenrand. Weiterhin ist eine Bohrung in 
der Nähe des Kondensators.
--> eine mechanische Beanspruchung der Platine/ des Kondensators durch 
Biegung beim Trennen des Nutzens/ Einbau der Platine kann nicht 
ausgeschlossen werden.

Die IBN der Platinen lief damals reibungslos.
--> die Platinen waren i.O.

Nach Ausbau des Kondensators hat dieser einen Kapazitätswert von 100nF 
und einen ohmschen Widerstand von ca. 25MOhm. Außerlich sind keine 
Defekte erkennbar. Der Einbau des selben Kondensators in die Schaltung 
bewirkt, dass es wieder funktioniert! Der Reset des ICs wird durch den 
Pullup freigegeben.

Der Pullup-Widerstand hat übrigens gemessene 4k7Ohm.

Frage:
Kann ein durch mechanische Belastung intern gebrochener 
Keramik-Kondensator durch Wärmebehandlung (Ein- und Auslöten) "geheilt" 
werden?
Eigentlich wird oft geschrieben, bei Kerkos gibt es keine 
"Selbstheilung", aber wie könnte das Phänomen sonst erklärt werden?

Danke

: Verschoben durch Moderator
von ??? (Gast)


Lesenswert?

Vielleicht gab es Probleme mit der Lötstelle?

von Peter D. (peda)


Lesenswert?

Daß Kondensatoren sich beim Auslöten heilen, dürfte unwarscheinlich 
sein.
Ich vermute, da sind Verunreinigungen unter dem Kondensator gewesen, die 
mit der Zeit leitend wurden.
Versuch mal, ob sich eine Platine durch Waschen heilen läßt.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

Mathias U. schrieb:
> Der Kondensator sitzt nah am Platinenrand. Weiterhin ist eine Bohrung in
> der Nähe des Kondensators.
In welcher Richtung sind die Kondensatoren montiert?

> --> eine mechanische Beanspruchung der Platine/ des Kondensators durch
> Biegung beim Trennen des Nutzens/ Einbau der Platine kann nicht
> ausgeschlossen werden.
Mikrorisse und Feuchtigkeit --> Das kann sogar so weit kommen, dass 
Fehlfunktionen beim Kunden auftreten, aber die Steuerung "ohne Befund" 
in der trockenen Werkstatt getestet wird  :-O

Peter D. schrieb:
> Daß Kondensatoren sich beim Auslöten heilen, dürfte unwarscheinlich
> sein.
Sie trocknen aus --> Fehler weg... ;-)

: Bearbeitet durch Moderator
von Mathias U. (mathias80)


Lesenswert?

Hallo,

also der Kondensator ist in "Ritzrichtung" quer zum Platinenrand 
montiert...Abstand zum Rand sind ca. 2 bis 3mm. (habe jetzt gelesen, 
dass man die MLCCs wenn schon dann lieber längs zum Platinenrand hätte 
platzieren sollen...)

Also die Erklärung Mikroriss und dann eingedrungene Feuchtigkeit erzeugt 
niederohmige Verbindung, klingt plausibel. Und durch das Löten geht die 
Feuchtigkleit wieder raus...

Nachweisen wird man das wohl nicht können?

: Bearbeitet durch User
von Bürovorsteher (Gast)


Lesenswert?

Wenn das Kind schon mal in den Brunnen gefallen ist:

Suchen nach: mlcc soft termination

von hinz (Gast)


Lesenswert?

Bürovorsteher schrieb:
> mlcc soft termination

ACK. Mit denen von TDK hab ich gute Erfahrung gemacht.

von oldeurope O. (Gast)


Lesenswert?

Bürovorsteher schrieb:
> Wenn das Kind schon mal in den Brunnen gefallen ist:
>
> Suchen nach: mlcc soft termination

Also ich habe solche Probleme auch schon bei
bedrahteten Keramikkondensatoren gehabt.
SMDs bisher nur mit sattem Schluss.
Heilen konnte ich die bisher nicht.

Zur Zeit ersetze ich häufig Elkos mit Kapazitäten
im ein- bis zweistelligen µF-Bereich durch diese
Vielschichtkeramiks. Langsam kommen mir Zweifel
ob das wirklich eine so tolle Idee ist.
Aber bisher noch keine Rückläufer. :-)

Mathias U. schrieb:
> Also die Erklärung Mikroriss und dann eingedrungene Feuchtigkeit erzeugt
> niederohmige Verbindung, klingt plausibel. Und durch das Löten geht die
> Feuchtigkleit wieder raus...

OK, man kann auch Papierkondensatoren durch Auskochen in Wachs
wieder heilen.
Kommen wir da wieder hin?

LG
old.

von Homo Habilis (Gast)


Lesenswert?

Mathias U. schrieb:
> Nachweisen wird man das wohl nicht können?

Wieso nicht? Dürfte eine Frage des Aufwandes sein.

Falls es um hohe Regreßforderung geht, kann man evtl. viel in Betracht 
ziehen.

von Stephan W. (swal)


Lesenswert?

Ich vermute Wiskerbildung (Google: Tin Wisker). Bleifreie Lote sind wohl 
besonders betroffen. Mechanische Spannungen auf die Lötstelle können 
Wiskerbildung beschleunigen. Ein einfacher Test wäre, einen höheren 
Strom durch den "Widerstand" zu schicken. Der Wisker müsste dann 
verbrennen / Schmelzen.

von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

Mathias U. schrieb:
> Der Einbau des selben Kondensators in die Schaltung
> bewirkt, dass es wieder funktioniert!
> Eigentlich wird oft geschrieben, bei Kerkos gibt es keine
> "Selbstheilung", aber wie könnte das Phänomen sonst erklärt werden?

"Geheimnis des langen Weges" wäre ein Schöne Beschreibung. Leider gab es 
schon öfter solche Fälle, wo erbarmungsloses austauschen der bessere Weg 
ist, um teure Fahrten zum Kunden zu sparen. Zum Test einlöten ja, aber 
ob er wirklich zuverlässig bleibt? Es könnte ebenso eine Lötverbindung 
oder seltener Durchkontaktierung die wahre Ursache gewesen sein. Ein 
Wärme-Kältetest wäre sicher nützlich bei der Einkreisung der Ursache?

von Chris K. (Gast)


Lesenswert?

Jop den Effekt der "Thermischen Selbstheilung" gibt es. Schon oft genug 
gehabt. Ruhestrom in Schaltung außerhalb der Spezifikatkion, Block C 
ausgelötet Strom okay, alten Kermaik-Kondensator zum Hersteller zur 
Analyse. Alles in Ordnung. Nächste Platine, Leiterbahnen aufgetrennt und 
Kondensator in Schaltung gemessen. Definitiv defekt. Ausgelötet alles 
gut. Gerade bei kleinen SMD Keramik Kondensatoren kann man die mit Hitze 
echt gut wieder "heilen". Findet man dann nur im Schliffbild den Fehler 
und auch nur wenn man weiß, in welche Richtung man schleifen muss.

von Nikolai (Gast)


Lesenswert?

Geh doch mal einfach mit Heißluft dran. Vielleicht erstmal nur 100 Grad, 
ein paar Minuten gezielt auf den Kerko.

von 6a66 (Gast)


Lesenswert?

Stephan W. schrieb:
> Ich vermute Wiskerbildung (Google: Tin Wisker). Bleifreie Lote sind wohl
> besonders betroffen. Mechanische Spannungen auf die Lötstelle können
> Wiskerbildung beschleunigen. Ein einfacher Test wäre, einen höheren
> Strom durch den "Widerstand" zu schicken. Der Wisker müsste dann
> verbrennen / Schmelzen.

Nein, der Whisker macht einen direkten Kurzschluss im niederohmigen 
Bereich.
Nein, Bleifreie Lote sind betroffen, bestimmte Legierungen scheinen das 
Whiskerwachstum zu hemmen.
Nein auch bleihaltige Lote oder reine Zinn-Lote sind betroffen.
Ja, mechanische Spannung kann das begünstigen, die liegt aber 
üblicherweise dauerhaft an.
Vor einer elktrischen Behandlung wäre eine mikroskopische Begutachtung 
besser, damit kann mann Whisker zerstörungfrei identifizieren.

Mathias U. schrieb:
> also der Kondensator ist in "Ritzrichtung" quer zum Platinenrand
> montiert...Abstand zum Rand sind ca. 2 bis 3mm. (habe jetzt gelesen,
> dass man die MLCCs wenn schon dann lieber längs zum Platinenrand hätte
> platzieren sollen...)

2...3mm vom Platinenrand kann bei der üblichen Rollenmessertrennung 
tödlich sein. Alternative: Platine ausfräsen, Kerkos verlegen, bessere 
Kerkos (schon oben zitiert) nehmen.
Ich habe aich schon Fertigungen gesehen, da hing die abzutrennende 
Leiterplatte auf der Seite über ohne unterstützung, etwas länger und 
schwerer und die wurde dann einfach mit dem Rollenmesser runtergeschert, 
so richtig schön durchgebogen (darf man sich dann wie beim Metzger 
vorstellen wenn der die Scheibe Wurst abschneidet auch wenn das eine 
andere Scherrichtung ist, ausgesehen hat es ähnlich).
Alternative: Spezialtrenner
Beispiel: 
https://www.google.de/search?q=keiltrenner&ie=utf-8&oe=utf-8&client=firefox-b-ab&gfe_rd=cr&ei=-EAcWIvaHsOG8QfaoJLoBQ#q=nutzentrenner, 
erstes Bild.

rgds

von Nikolai (Gast)


Lesenswert?

Wenn's nur Feuchtigkeit ist, geht die mit 100 Grad Heißluft raus. Wenn's 
ein Whisker ist, geht der nur weg, wenn du es bei höherer Temperatur 
aufschmilzt.

von Soul E. (Gast)


Lesenswert?

Mathias U. schrieb:

> In der Schaltung hat der Kondensator einen ohmschen Widerstand von ca.
> 2kOhm und zieht damit den IC in den Reset.

Elektromigration. Der Kondensator hat einen Riss und Feuchtigkeit 
gezogen.

> Die IBN der Platinen lief damals reibungslos.
> --> die Platinen waren i.O.

Also war der Riss nicht so groß, als dass es einen Kurzschluß gegeben 
hätte. Mechanische Überlast ist wie ESD -- die Schäden kommen gerne erst 
Jahre später.


> Nach Ausbau des Kondensators hat dieser einen Kapazitätswert von 100nF
> und einen ohmschen Widerstand von ca. 25MOhm. Außerlich sind keine
> Defekte erkennbar.

Heissluft draufhalten oder kurz einen hohen Strom durchjagen hätte es 
auch getan. Leg das Ding ein paar Tage ins Biofresh-Fach und der Fehler 
ist wieder da.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

soul e. schrieb:
> Leg das Ding ein paar Tage ins Biofresh-Fach und der Fehler ist wieder da.
Ein normaler Klimaschrank tut's auch...  ;-)

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.